Vertragsärztliche Zulassungsverfahren, eBook

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cc) Persönliche Tätigkeit in freier Praxis

385

Gemäß § 32 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV muss die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich in freier Praxis ausgeübt werden. Dies setzt voraus, dass die berufliche und persönliche Selbstständigkeit gesichert ist. Erhebliche Einflussnahmen Dritter müssen ausgeschlossen sein. Zur eigenverantwortlichen Gestaltung der ärztlichen Tätigkeit gehört, dass der Vertragsarzt ein wirtschaftliches Risiko trägt und am wirtschaftlichen Erfolg seiner Praxis beteiligt ist.[130]

dd) Berufshaftpflichtversicherung

386

Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz – GVWG vom 11.7.2021[131]) hat der Gesetzgeber in § 95e SGB V Vertragsärzte (gleiches gilt für ermächtigte Ärzte, Vertragsärzte und Berufsausübungsgemeinschaften mit angestellten Ärzten sowie medizinische Versorgungszentren) verpflichtet, sich ausreichend gegen die aus ihrer Berufsausübung sich ergebenden Haftpflichtgefahren zu versichern. Es handelt es sich um eine objektive Zulassungsvoraussetzung, so dass künftig nur noch ausreichend berufshaftpflichtversicherte Ärzte (gleiches gilt für Zahnärzte und Psychotherapeuten sowie medizinische Versorgungszentren) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen werden.[132] Mit der Neuregelung soll verhindert werden, dass aufgrund von Behandlungsfehlern entstandene Schadensersatzansprüche der Versicherten gegen Leistungserbringer sowie auf Sozialleistungsträger übergegangene Ansprüche aufgrund fehlenden Haftpflichtversicherungsschutzes und Zahlungsfähigkeit des Leistungserbringers ins Leere laufen.[133] Die Pflicht kann durch eine nach Landesrecht oder Standesrecht vorgeschriebene Berufshaftpflichtversicherung erfüllt werden, sofern der Versicherungsschutz den Anforderungen des § 95e SGB V entspricht. Bei den in § 95e Abs. 2 und Abs. 5 S. 3 SGB V vorgegebenen Versicherungssummen handelt es sich lediglich um Mindestversicherungssummen, unterhalb derer ein ausreichender Versicherungsschutz im Sinne von Absatz 1 nicht vorliegen kann. Ausreichend ist der Berufshaftpflichtversicherungsschutz vielmehr nur dann, wenn das individuelle Haftungsrisiko des Vertragsarztes (bzw. der Berufsausübungsgemeinschaft oder des medizinischen Versorgungszentrums) versichert ist (§ 95e Abs. 1 S. 2 SGB V). Hierbei sind u.a. die Facharztgruppe, das Leistungsspektrum, das Patientenklientel und ggf. die Hierarchiestufe zu berücksichtigen.[134]

387

Gemäß § 95e Abs. 3 S. 1 Nr. 1 hat der Antragsteller das Bestehen des ausreichenden Berufshaftpflichtversicherungsschutzes in seinem Antrag auf Zulassung, Ermächtigung oder Genehmigung einer Anstellung nachzuweisen.[135] Ferner ist der Zulassungsausschuss gemäß § 95e Abs. 3 S. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 6 S. 1 SGB V berechtigt, auch unabhängig von einem Antrag des betroffenen Arztes die Vorlage einer ausreichenden Berufshaftpflichtversicherung zu verlangen. § 95e Abs. 3 SGB V weist den Zulassungsausschüssen die Aufgabe zu, die Einhaltung der vertragsärztlichen Pflicht zum Abschluss einer ausreichenden Berufshaftpflichtversicherung zu überprüfen. Gemäß § 95e Abs. 6 SGB V sind die bereits an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Vertragsärzte durch die Zulassungsausschüsse innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten der Regelung über deren Inhalt zu informieren und zugleich zur Vorlage einer Versicherungsbescheinigung nach § 113 Abs. 2 VVG aufzufordern.[136] Zudem kann der Zulassungsausschuss im Rahmen von anlassbezogenen oder stichprobenartigen Prüfungen das Bestehen einer ausreichenden Berufshaftpflichtversicherung überprüfen.[137] Soweit die Gesetzesbegründung diesbezüglich ausführt, die Prüfung könne grundsätzlich „durch Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter der Zulassungsausschüsse erfolgen“, vermag dies nichts daran zu ändern, dass letztendlich das Beschlussgremium „Zulassungsausschuss“ die Entscheidung treffen muss, ob der Versicherungsschutz ausreichend ist und welche Rechtsfolgen ggf. anzuordnen sind.

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Auffällig ist, dass die Pflicht zum Abschluss einer ausreichenden Berufshaftpflichtversicherung zwar für Vertragsärzte, ermächtigte Ärzte, medizinische Versorgungszentren und Berufsausübungsgemeinschaften gilt, nicht jedoch z.B. für sozialpädiatrische Zentren (§ 119 SGB V) mit angestellten Ärzten. Ferner lässt sich § 95e Abs. 5 S. 2 SGB V grammatikalisch wohl so auffassen, dass die entsprechende Geltung für medizinische Versorgungszentren auch dann angeordnet ist, wenn dort keine angestellten Ärzte tätig sind, sondern das MVZ in der Freiberufler-Variante[138] betrieben wird. Das in der Freiberufler-Variante betriebene medizinische Versorgungszentrum ohne angestellte Ärzte unterscheidet sich aber kaum von der Berufsausübungsgemeinschaft ohne angestellte Ärzte, für die die Absätze 1, 3 und 4 des § 95e SGB V nicht entsprechend gelten. Eine Begründung für die unterschiedliche Behandlung dieser vergleichbaren Sachverhalte lässt sich den Gesetzesmotiven nicht entnehmen.

ee) Persönliche Eignungskriterien

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Die §§ 20, 21 Ärzte-ZV enthalten persönliche Eignungskriterien als subjektive Zulassungsvoraussetzungen. Liegen Hinderungsgründe vor, so ist die Zulassung zu versagen. Die objektive Feststellungslast für die zulassungsausschließenden Merkmale liegt bei den Zulassungsgremien. Daher kann die Zulassung im Zweifel nicht versagt werden.[139] Bei den Tatbestandsvoraussetzungen des § 21 Ärzte-ZV handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die von den Gerichten voll überprüfbar sind. Da die Zulassungsgremien bei der Beurteilung dieser Tatbestandsmerkmale keine gegenüber den Gerichten besondere Sachkunde haben, ist ein Beurteilungsspielraum nicht anzuerkennen.[140]

(1) Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit (§ 21 Ärzte-ZV)

390

Nach § 21 S. 1 Ärzte-ZV[141] ist für die Ausübung der Vertragsarztpraxis ein Arzt ungeeignet, der aus gesundheitlichen oder sonstigen in der Person liegenden schwerwiegenden Gründen nicht nur vorübergehend unfähig ist, die vertragsärztliche Tätigkeit ordnungsgemäß auszuüben. Der Begriff des „gesundheitlichen Grundes“ hat einen breiteren Anwendungsbereich als der frühere Begriff des „geistigen Mangels“, wobei aber schon bisher jeder gesundheitliche Grund als „sonstiger Mangel“ erfasst werden konnte. Als gesundheitliche Gründe kommen beispielsweise psychische Erkrankungen in Betracht, die sich ernsthaft auf die vertragsärztliche Tätigkeit auswirken, nicht aber lediglich psychische Auffälligkeiten oder bloße charakterliche oder moralische Unzulänglichkeiten.[142] Körperliche Behinderungen eines Arztes schließen die Zulassung nur dann aus, wenn sie die konkret angestrebte vertragsärztliche Tätigkeit unmöglich machen.[143]

391

Auch nach der neuen Fassung führt nicht jeder gesundheitliche oder sonstige in der Person des Arztes liegende Grund zur Ungeeignetheit, vielmehr muss es sich um einen schwerwiegenden Grund handeln. Der Hinderungsgrund muss von gewisser Dauer und von erheblichem Gewicht sein.[144] Als schwerwiegende Gründe betrachtete man bisher nur solche, die eine reibungslose vertragsärztliche Versorgung gefährdeten. § 21 Ärzte-ZV wurde im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG eng ausgelegt.[145] Das Merkmal des „schwerwiegenden Mangels“ diente so dazu, den notwendigen Bezug zwischen der Gesundheitsbeeinträchtigung und der vertragsärztlichen Versorgung herzustellen. Diese Funktion ist mit der neuen Fassung des § 21 S. 1 Ärzte-ZV obsolet geworden, da heute ausdrücklich nur noch Gründe beachtlich sind, die zu einer nicht nur vorübergehenden Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen vertragsärztlichen Tätigkeit führen.[146] Solche Gründe sind zwangsläufig schwerwiegend, so dass dieser Begriff in der heutigen Fassung keine eigenständige Bedeutung mehr hat.

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Das zentrale Tatbestandmerkmal des § 21 S. 1 Ärzte-ZV ist heute die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit, was durchaus Auslegungsfragen aufwirft. Die Gesetzesbegründung erklärt das Merkmal nicht. Der Begriff der „Unfähigkeit“ scheint subjektiv und tätigkeitsbezogen gemeint zu sein, führt so verstanden aber zu nicht vertretbaren Ergebnissen. Bisher war beispielsweise anerkannt, dass eine Infektion mit HIV oder Hepatitis C der Tätigkeit als Chirurg entgegenstand, nicht aber der Zulassung als Laborarzt.[147] Allerdings machen weder HIV noch Hepatitis C den Chirurgen „unfähig“, seine Tätigkeit auszuüben, was aber nicht zur Folge haben kann, dass HIV-erkrankten Chirurgen nach der Neufassung eine Zulassung zu erteilen wäre. Als Korrektiv kann der Begriff der „Ordnungsgemäßheit“ dienen, denn ordnungsgemäß ist nur eine Tätigkeit, die nicht mit vermeidbaren Gefahren für die Versicherten verbunden ist.[148] Ein an HIV erkrankter Chirurg ist in diesem Sinne unfähig, die vertragsärztliche Tätigkeit ordnungsgemäß auszuüben, weil er für seine Patienten das Risiko einer Ansteckung erhöht. Entscheidend ist somit nicht der Schweregrad der Erkrankung, sondern sind die konkreten funktionalen Folgen der gesundheitlichen Beeinträchtigung für die Fähigkeit zur ordnungsgemäßen Ausübung der jeweiligen vertragsärztlichen Tätigkeit.[149]

393

Die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen vertragsärztlichen Tätigkeit wird als Folge der positiv festzustellenden Suchterkrankung widerlegbar vermutet,[150] wenn der Arzt innerhalb der letzten fünf Jahre vor seiner Antragstellung drogen- oder alkoholabhängig war.[151] Erforderlich ist, dass der durch die Sucht ausgelöste Zustand eine Gefahr für die Patienten darstellen kann. Der Arzt hat die Möglichkeit, die Vermutung durch geeignete Nachweise zu widerlegen. Hierfür muss er nachweisen, dass er sich bereits vor Ablauf der Fünfjahresfrist so weit gefestigt hat, dass von einer gravierenden Rückfallgefahr nicht mehr ausgegangen werden kann.[152] Um gewichtige Zweifel an der gesundheitlichen Eignung auszuräumen, kann der Zulassungsausschuss die ärztliche Begutachtung des Antragstellers verlangen (§ 21 S. 3 Ärzte-ZV).[153] Diese Reglung orientiert sich an § 15 BRAO,[154] der aber nicht vollständig übernommen wurde.[155] Die Anordnung zur Vorlage des ärztlichen Gutachtens muss die für die Gutachtenvorlage geltende Frist bestimmen und den Untersuchungsgegenstand erkennen lassen. Die gesundheitliche Störung, der nachgegangen werden soll, muss in der Gutachtenanordnung grundsätzlich näher präzisiert werden.[156]

 

394

Nach dem Wortlaut des § 21 S. 3 Ärzte-ZV ist lediglich der „Zulassungsausschuss“ berechtigt, die Vorlage des Gutachtens zu verlangen. Daher wird teilweise vertreten, eine Anordnung durch den Berufungsausschuss sei ausgeschlossen.[157] Richtig dürfte hingegen sein, dass auch der Berufungsausschuss die Vorlage eines Gutachtens verlangen kann, wenn dies der Zulassungsausschuss versäumt hat.[158]

395

Das Verlangen, ein Gutachten vorzulegen, ist eine Verfahrenshandlung ohne Regelungscharakter. Der betroffene Arzt legt das Gutachten im eigenen Interesse vor, ist selbst Auftraggeber des Gutachters und trägt die Kosten des Gutachtens selbst. Ob die Rechtmäßigkeit des Verlangens, ein Gutachten vorzulegen, isoliert anfechtbar ist, ist umstritten. Dafür spricht § 21 S. 6 Ärzte-ZV, wonach Rechtsbehelfe gegen die Anordnung nach Satz 3 keine aufschiebende Wirkung haben. Dagegen spricht § 56a SGG, wonach Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den Rechtsbehelfen gegen die Sachentscheidung geltend gemacht werden können.[159]

396

Zu den in der Person liegenden schwerwiegenden Gründen können Straftaten,[160] berufswidriges Fehlverhalten und der Verstoß gegen vertragsärztliche Pflichten zählen.[161] Bei Straftaten ist erforderlich, dass die Tat im Zusammenhang mit der Ausübung ärztlicher Tätigkeit steht oder eine Gefährdung von Patienten oder des Systems der vertragsärztlichen Versorgung zu befürchten ist (insbesondere bei Sexualstraftaten gegenüber Patienten oder Vermögensdelikten im Zusammenhang mit der vertragsärztlichen Tätigkeit).[162] Ein berufswidriges Fehlverhalten von solchem Gewicht und Ausmaß, dass es die Funktionsfähigkeit des Systems der vertragsärztlichen Versorgung beeinträchtigt, beispielsweise der wiederholte Verstoß gegen das Gebot der persönlichen Leistungserbringung oder eine Vielzahl von Behandlungsfehlern, können ebenfalls einen schwerwiegenden persönlichen Grund darstellen.[163] Dieses Eignungskriterium spielt im Rahmen des Zulassungsverfahrens regelmäßig keine, im Rahmen des Zulassungsentziehungsverfahrens dafür eine größere Rolle. An die zur Entziehung der Vertragsarztzulassung ergangene Rechtsprechung kann daher angeknüpft werden.[164]

397

Verstößt der Antragsteller bereits vor seiner Zulassung gegen vertragsärztliche Pflichten (z.B. als Vertreter) oder kündigt er an, sich an einzelne vertragsärztliche Pflichten nicht halten zu wollen, kann hieraus die Ungeeignetheit des Antragstellers abgeleitet werden. Auch die fehlende Bereitschaft, sich in das System der vertragsärztlichen Versorgung zu integrieren[165] oder unsachliche und herabsetzende Äußerungen über das System der gesetzlichen Krankenversicherung sollen eine Ungeeignetheit des Antragstellers begründen können.[166]

398

Die Verschuldung des Antragstellers stellt grundsätzlich keinen schwerwiegenden persönlichen Grund dar. Da Vertragsärzte regelmäßig nicht Sachwalter von Vermögensinteressen (insbesondere der Patienten) sind, verbietet sich eine abstrakte Anknüpfung an das Verschuldungskriterium. Wenn allerdings aufgrund zusätzlicher Umstände zu befürchten ist, dass die Verschuldung zum Verstoß gegen beispielsweise das Gebot der peinlich genauen Abrechnung führen wird, kann ein schwerwiegender Grund vorliegen.[167]

399

Ein schwerwiegender persönlicher Grund kann bei fehlenden Kenntnissen der deutschen Sprache gegeben sein, wenn der Arzt nicht in der Lage ist, sich mit den Patienten zu verständigen.[168] Gemäß Art. 53 Abs. 3 S. 1 Richtlinie 2005/36/EG müssen Personen, deren Berufsqualifikation anerkannt wird, über die für die Ausübung ihrer Berufstätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat erforderlichen Sprachkenntnisse verfügen. Bei unzureichenden Sprachkenntnissen kann die Zulassung daher abgelehnt werden.[169] Fehlende Kenntnisse im Vertragsarzt- und/oder Abrechnungswesen hindern die Zulassung nicht.[170]

400

Hat der Antragsteller die Eignung für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit verloren, so kann er sie in der Regel nicht durch bloßen Zeitablauf wiedererlangen.[171] Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung über die Wiederzulassung nach einer Zulassungsentziehung setzt die Wiedererlangung der Eignung den Wegfall des Eignungshindernisses voraus. Wurde dem Vertragsarzt die Zulassung wegen gröblicher Pflichtverletzung entzogen, bedeutet dies, dass das verloren gegangene Vertrauensverhältnis im Zeitpunkt der Entscheidung über die Wiederzulassung wiederhergestellt sein muss. Hierfür muss die Prognose künftig ordnungsgemäßen Verhaltens zweifelsfrei feststehen.[172] Für eine positive Prognose wesentlich sind typischerweise die Unrechtseinsicht des Betroffenen und eine hieraus gegebenenfalls resultierende Einstellungs- und Verhaltensänderung für die Zukunft. Eventuelle Zweifel der Zulassungsgremien an der Eignung des Antragstellers müssen allerdings durch Tatsachen belegt sein.[173]

(2) Anderweitiges Beschäftigungsverhältnis (§ 20 Abs. 1 Ärzte-ZV)

401

§ 20 Ärzte-ZV wurde durch das GKV-VStG neu gefasst.[174] Nach § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV steht ein Beschäftigungsverhältnis oder eine andere nicht ehrenamtliche[175] Tätigkeit der Eignung für die Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit entgegen, wenn der Arzt unter Berücksichtigung der Dauer und zeitlichen Lage der anderweitigen Tätigkeit den Versicherten nicht in dem seinem Versorgungsauftrag entsprechenden Umfang persönlich zur Verfügung steht und insbesondere nicht in der Lage ist, Sprechstunden zu den in der vertragsärztlichen Versorgung üblichen Zeiten anzubieten (quantitativer Hinderungsgrund).[176] Auch soweit Ärzte aufgrund eines fehlenden unmittelbaren Patientenbezugs keine Sprechstunden anbieten (z.B. Laborärzte), muss eine Erreichbarkeit etwa für die überweisenden Ärzte gegeben sein und der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung beachtet werden.[177] Der Gesetzgeber beabsichtigte mit der Neufassung eine weitere Flexibilisierung der vertragsärztlichen Berufsausübung und eine Lockerung der zeitlichen Grenzen für Nebenbeschäftigungen. Die vom BSG bisher angenommenen starren Zeitgrenzen (13 Stunden wöchentlich bei vollem Versorgungsauftrag, 26 Stunden bei halben Versorgungsauftrag) gelten nicht mehr,[178] auch nicht die Begrenzung der wöchentlichen Höchststundenzahl auf 52 Stunden.[179]

402

Zu den Beschäftigungsverhältnissen gehören jedenfalls alle Tätigkeiten in einem Arbeits- oder öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis,[180] aber auch die selbstständige, z.B. freiberufliche Tätigkeit gegen Entgelt.[181] Aus dem im Gesetz selbst nicht verwendeten Begriff „Nebentätigkeit“ lässt sich keine Abgrenzung des Anwendungsbereichs ableiten.[182] § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV spricht von „Beschäftigungsverhältnissen“ oder „anderen Tätigkeiten“ und meint damit alle Tätigkeiten, die nicht Bestandteil des vertragsärztlichen Versorgungsauftrags des Arztes (vgl. §§ 72, 73, 75 Abs. 1 S. 1 SGB V) sind.[183] Gemäß § 20 Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV steht die Tätigkeit eines Vertragsarztes im Rahmen von Selektivverträgen (§§ 73b, 140a SGB V) der Zulassung nicht entgegen.[184]

403

Entscheidend ist allein die zeitliche Inanspruchnahme durch die anderweitige Tätigkeit.[185] Auch eine Teilzulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag scheidet neben einer schon bestehenden Vollzulassung aus,[186] nicht jedoch neben einer zweiten Teilzulassung.[187] § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV erfordert in erster Linie, die Schädlichkeit oder Unschädlichkeit des anderweitigen Beschäftigungsverhältnisses für die gleichzeitige Tätigkeit als Vertragsarzt zu bewerten.[188] Regelmäßig wird man eine abhängige Beschäftigung kritischer sehen müssen als eine anderweitige selbstständige Tätigkeit.[189] Die Mitwirkung an der vertragsärztlichen Versorgung muss im Mittelpunkt der beruflichen Betätigung des Vertragsarztes stehen. Die vertragsärztliche Tätigkeit ist bei einem vollen Versorgungsauftrag grundsätzlich als Vollzeittätigkeit[190] angelegt (§ 19a Abs. 1 Ärzte-ZV).[191] Die vertragsärztliche Tätigkeit muss bei vollem Versorgungsauftrag der Hauptberuf des Arztes sein,[192] muss aber nicht die volle Arbeitskraft des Vertragsarztes beanspruchen. Früher galten nach der Rechtsprechung enge Zeitgrenzen.[193] Der höchstmögliche zeitliche Rahmen anderweitiger Tätigkeiten entsprach bei Vollzulassungen einem Drittel der üblichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit (d.h. 13 Stunden). Bei einem Vertragsarzt, der seinen Versorgungsauftrag auf die Hälfte reduziert hatte, war eine anderweitige Tätigkeit im Umfang von zwei Dritteln der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit (d.h. 26 Stunden) zulässig.[194] Die wöchentliche Gesamtarbeitszeit durfte 52 Stunden nicht überschreiten. Diese Zeiten können nach Inkrafttreten des GKV-VStG nicht mehr als absolute Grenzen angesehen werden. Durch die Neufassung wird klargestellt, dass es für die Zulässigkeit von weiteren Tätigkeiten neben einer vertragsärztlichen Tätigkeit maßgeblich darauf ankommt, dass der Vertragsarzt trotz der anderweitigen Arbeitszeiten in der Lage ist, den Versicherten seinem Versorgungsauftrag gemäß zur Verfügung zu stehen und Sprechstunden anzubieten. Ist dies der Fall, steht ein Beschäftigungsverhältnis auch bei Überschreitung der von der Rechtsprechung entwickelten Zeitgrenzen der Zulassung nicht entgegen.[195]

404

Der Vertragsarzt mit reduziertem Versorgungsauftrag muss die vertragsärztliche Tätigkeit nicht als Hauptberuf ausüben. Ein auf die Hälfte oder auf drei Viertel reduzierter Versorgungsauftrag lässt Raum für eine „andere Hälfte“ bzw. ein „weiteres Viertel“, die nicht zwingend außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung ausgefüllt werden müssen.[196] Sicherzustellen ist allerdings, dass eine zweite Zulassung mit reduziertem Versorgungsauftrag die vertragsärztliche Versorgung nicht beeinträchtigt. Insbesondere muss der mit zwei reduzierten Versorgungsaufträgen an zwei Vertragsarztsitzen zugelassene Arzt gewährleisten, dass er an beiden Vertragsarztsitzen jeweils im erforderlichen[197] Umfang für die Versorgung der Patienten zur Verfügung steht.[198]

405

Die objektive Feststellungslast für das Vorliegen von Hinderungsgründen liegt auch im Anwendungsbereich des § 20 Ärzte-ZV bei den Zulassungsgremien.[199] Strittig ist, ob bei § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV ein Beurteilungsspielraum der Zulassungsgremien besteht.[200] Anders als bei den in § 21 Ärzte-ZV genannten Gründen kann man für einen Beurteilungsspielraum bei § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV anführen, dass die (vertragsärztlichen) Mitglieder der Zulassungsgremien bei der Beurteilung der Frage, inwieweit eine anderweitige Tätigkeit der vertragsärztlichen Tätigkeit entgegensteht, einen gewissen Kenntnis- und Erfahrungsvorsprung aufweisen können.[201]