Vertragsärztliche Zulassungsverfahren, eBook

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bb) Anfechtungsbefugnis bei Willkürentscheidungen

253

Liegen die vom BSG entwickelten Grundvoraussetzungen zur Drittanfechtungsberechtigung nicht vor, kommt eine Anfechtungsberechtigung des Dritten nur in Betracht, wenn sich der Beschluss als willkürlich erweist (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG).[444] Allerdings ist die Grenze zur Willkür erst dann überschritten, wenn die Entscheidung unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht, weil die einschlägigen Normen nicht berücksichtigt wurden oder ihr Inhalt in krasser Weise missgedeutet wird.[445]

c) Widerspruchsfrist

254

Sofern dem Dritten der Beschluss des Zulassungsausschusses zugestellt wurde, gilt gemäß § 97 Abs. 3 S. 1 SGB V i.V.m. § 84 Abs. 1 S. 1 SGG eine Widerspruchsfrist von einem Monat. Erfolgt gegenüber dem Dritten keine Bekanntgabe der Entscheidung, kann nach neuerer Rechtsprechung[446] Widerspruch (nur) innerhalb der Jahresfrist des § 84 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 66 Abs. 2 SGG eingelegt werden, wobei die Frist mit der tatsächlichen Aufnahme der Tätigkeit durch den Begünstigten läuft. Im Interesse der Planungssicherheit für den von der Zulassung Begünstigten und nicht zuletzt im Interesse der Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung müsse ausgeschlossen werden, dass der Status eines Vertragsarztes noch Jahre nach seiner Begründung durch Rechtsbehelfe von Konkurrenten in Frage gestellt werden kann. Dabei könne unwiderleglich vermutet werden, dass für den niedergelassenen Arzt eine solche Konkurrenz binnen eines Jahres erkennbar wird.[447]

255

Vom BSG wird unter Hinweis auf etwaige Amtshaftungsansprüche des Betroffenen betont, dass die Geltung der Jahresfrist gemäß § 84 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 66 Abs. 2 SGG nicht die Pflicht der Zulassungsgremien mindere, im Verfahren gemäß § 12 Abs. 2 SGB X diejenigen zu informieren und ggf. zu beteiligen, zu deren Gunsten Drittschutz besteht.[448]

d) Verwirkung

256

Der Konkurrentenwiderspruch kann ausnahmsweise wegen Verwirkung unzulässig sein, wenn der Dritte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die die späte Einlegung des Widerspruchs als missbräuchlich erscheinen lassen.[449] Eine Verwirkung kommt in Betracht, wenn der Dritte Kenntnis von der Teilnahme des Begünstigten an der vertragsärztlichen Versorgung hatte und er sie mit Wissen des Begünstigten hinnimmt.

e) Aufschiebende Wirkung

257

An sich wirkt die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs auf den Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Beschlusses zurück und endet auch nicht etwa rückwirkend im Falle der späteren Zurückweisung des Widerspruchs.[450] Allerdings entfaltet die Drittanfechtung nach neuerer Rechtsprechung des BSG ex nunc mit ihrer Einlegung bzw. mit Kenntniserlangung des Betroffenen aufschiebende Wirkung.[451]

f) Rechtsschutz über Bestimmungen des UWG?

258

Soweit nach den in ständiger Rechtsprechung des BSG entwickelten vertragsarztrechtlichen Grundsätzen kein Drittschutz gegenüber der als rechtswidrig angesehenen Begünstigung eines Konkurrenten geltend gemacht werden kann, kann ein abweichendes Ergebnis auch nicht über die entsprechende Anwendung von Vorschriften des UWG erreicht werden.[452]

5. Gebührenpflicht, Rücknahmefiktion

a) Gebührenpflicht

259

Das Widerspruchsverfahren vor dem Berufungsausschuss ist grundsätzlich[453] gebührenpflichtig. Die Widerspruchsgebühr gemäß § 46 Abs. 1 S. 1 lit. d Ärzte-ZV wird mit Einlegung des Widerspruchs fällig, § 46 S. 2 Ärzte-ZV. Durch die Rücknahme des Widerspruchs bei Eintritt der Rücknahmefiktion gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV wird die Zahlungspflicht nicht beseitigt.

260

Die Widerspruchsgebühr kann vom Vorsitzenden gestundet werden, § 45 Abs. 3 i.V.m. § 38 S. 2 Ärzte-ZV.

b) Rücknahmefiktion

261

Sofern der Vorsitzende die Widerspruchsgebühr nicht vorher gestundet hat, gilt der Widerspruch gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV als zurückgenommen, wenn die Gebühr nicht innerhalb der gesetzten Frist entrichtet wird. Strittig ist, ob diese Regelung mit höherrangigem Recht vereinbar ist.[454] Gemäß § 45 Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV sind in der Anforderung der Gebühr die Zahlungsfrist und die Folgen ihrer Nichteinhaltung zu vermerken. Wurde dies versäumt, greift die Rücknahmefiktion nicht. Gleiches gilt, wenn die gesetzte Zahlungsfrist unangemessen kurz bemessen war. Eine Zahlungsfrist von zwei Wochen ist angemessen.[455]

262

Für die Rechtzeitigkeit der Zahlung kommt es auf den Eingang der Widerspruchsgebühr bei der Geschäftsstelle des Berufungsausschusses an, nicht hingegen auf den Zeitpunkt der Leistungshandlung (Vornahme der Überweisung etc.).[456] Allerdings muss in der Anforderung der Widerspruchsgebühr unmissverständlich darauf hingewiesen werden, dass es für die Rechtzeitigkeit der Zahlung auf den Zeitpunkt des Eingangs auf dem angegebenen Konto ankommt, und nicht auf den Zeitpunkt der Überweisung oder Abbuchung vom Konto des Widerspruchsführers.

263

Da es sich bei der in der Anforderung der Widerspruchsgebühr gesetzten Frist um eine behördliche Frist i.S.v. § 26 SGB X handelt, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nach § 27 SGB X nicht in Betracht.[457] Allerdings entscheidet der Berufungsausschuss (nicht lediglich der Vorsitzende) nach § 26 Abs. 7 SGB X auf entsprechenden Antrag über eine Fristverlängerung, die gemäß § 26 Abs. 7 S. 2 SGB X auch rückwirkend möglich ist. Der Antragssteller ist gemäß § 24 Abs. 1 SGB X vorher anzuhören. Eine rückwirkende Fristverlängerung kommt nur in Betracht, wenn der Widerspruchsführer ohne Verschulden daran gehindert war, die in der Anforderung der Widerspruchsgebühr gesetzte Zahlungsfrist einzuhalten.

6. Rücknahme des Widerspruchs

264

Der Widerspruch kann bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids schriftlich oder zur Niederschrift des Berufungsausschusses zurückgenommen werden. Durch die Rücknahme des Widerspruchs erledigt sich das Verfahren vor dem Berufungsausschuss, sofern nicht noch andere Beteiligte Widerspruch eingelegt haben. Die Rücknahme des Widerspruchs lässt die Verpflichtung zur Zahlung der Widerspruchsgebühr gemäß § 46 S. 1 lit. d Ärzte-ZV unberührt.

7. Verfahrensgestaltung

265

Hinsichtlich der Verfahrensgestaltung ordnet § 45 Abs. 3 Ärzte-ZV die entsprechende Anwendung der für das Verfahren vor dem Zulassungsausschuss geltenden §§ 36 bis 43 Ärzte-ZV an. Auf die entsprechenden Ausführungen[458] kann deshalb verwiesen werden.

8. Zurückweisung des Widerspruchs ohne mündliche Verhandlung

266

Eine Sonderregelung ist in § 45 Abs. 2 Ärzte-ZV vorgesehen. Danach kann der Widerspruch ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen werden, wenn der Berufungsausschuss die Zurückweisung einstimmig beschließt. Die Regelung gilt auch für Zulassungsentziehungsverfahren;[459] allerdings dürfte gerade in solchen Fällen regelmäßig eine Sitzung mit mündlicher Verhandlung durchgeführt werden.

9. Kostengrundentscheidung

267

Der Berufungsausschuss trifft in seinem Beschluss gemäß § 45 Abs. 3 i.V.m. § 41 Abs. 4 Ärzte-ZV auch eine Kostengrundentscheidung, d.h. die Entscheidung, ob und – gegebenenfalls – in welchem Umfang dem Widerspruchsführer die ihm entstandenen Kosten zu erstatten sind. Die Kostengrundentscheidung richtet sich nach dem auch im Vertragsarztrecht anwendbaren § 63 SGB X.[460] Sie ergeht von Amts wegen, ein Antrag ist nicht erforderlich. Enthält der Widerspruchsbescheid des Berufungsausschusses keine Kostengrundentscheidung, kann eine isolierte Kostengrundentscheidung notfalls durch Verpflichtungsklage eingefordert werden.[461] Auf der Grundlage der Kostengrundentscheidung erfolgt in einem eigenständigen Antragsverfahren durch den Berufungsausschuss die Kostenfestsetzung gemäß § 63 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 SGB X.[462]

a) Entscheidung gemäß § 63 Abs. 1 SGB X

268

Soweit der Widerspruch gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses erfolgreich ist, sind dem Widerspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X.[463] Allerdings darf der Erfolg des Widerspruchs nicht allein darauf beruhen, dass der Widerspruchsführer während des Verfahrens eine Handlung nachgeholt hat, die er zuvor pflichtwidrig unterlassen hatte.[464] Da der Widerspruchsführer durch seinen Widerspruch die Bestandskraft der angegriffenen Entscheidung des Zulassungsausschusses verhindert hat, führt eine während des Verfahrens vor dem Berufungsausschuss zugunsten des Widerspruchsführers eingetretene Rechtsänderung bzw. Änderung der Rechtsprechung nicht dazu, dass die erforderliche Ursächlichkeit zwischen der Einlegung des Widerspruchs und der Entscheidung des Berufungsausschusses entfällt.[465]

 

269

Bleibt der Widerspruch der Kassenärztlichen Vereinigung oder eines Landesverbandes der Krankenkassen oder der von Seiten der Ersatzkassen eingelegte Widerspruch erfolglos, sind den am Verfahren beteiligten Betroffenen in analoger Anwendung des § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X die Kosten der Rechtsverteidigung zu erstatten.[466] Dabei sind die notwendigen Aufwendungen des Betroffenen, der den Widerspruch erfolgreich abgewehrt hat, der widerspruchsführenden Körperschaft aufzuerlegen.

270

Weist hingegen der Berufungsausschuss den Widerspruch eines sonstigen Dritten, etwa den offensiven Konkurrentenwiderspruch eines Arztes im Nachbesetzungsverfahren gemäß § 103 Abs. 3a, 4 SGB V, zurück, kann der Widerspruchsführer nicht zur Erstattung der Aufwendungen des Konkurrenten zur Rechtsverteidigung im isolierten Vorverfahren gemäß oder analog § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X verpflichtet werden.[467]

271

Ein im Verfahren vor dem Berufungsausschuss beigeladener Konkurrent hat von vornherein keinen Anspruch auf Kostenerstattung.[468]

b) Entscheidung gemäß § 63 Abs. 3 S. 2 SGB X

272

Im Rahmen der Kostengrundentscheidung ist auch über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwaltes oder eines sonstigen Bevollmächtigten (§ 63 Abs. 3 S. 2 SGB X) zu entscheiden. Dabei ist die Notwendigkeit nach den Verhältnissen des Einzelfalls im Zeitpunkt der Zuziehung zu beurteilen (ex-ante-Sicht).[469] Die Zuziehung eines Bevollmächtigten, insbesondere eines Rechtsanwalts, wird nicht nur bei schwierigen oder umfangreichen Sachverhalten notwendig sein, vielmehr ist darauf abzustellen, ob dem Betroffenen unter Einbeziehung seiner individuellen Fähigkeiten zuzumuten ist, das Verfahren selbst zu führen.[470] Insbesondere in Verfahren über die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung wird die Zuziehung eines Rechtsanwalts grundsätzlich für notwendig zu erklären sein, da es dem Betroffenen nicht zumutbar ist, derart wichtige Angelegenheiten ohne anwaltlichen Beistand zu führen, auch wenn er selbst sachkundig sein sollte.[471]

273

Auf Seiten der verfahrensbeteiligten Kassenärztlichen Vereinigung oder Krankenkassen ist die Zuziehung eines Rechtsanwalts grundsätzlich nicht notwendig.[472] Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen haben ohnehin selbst für die Kosten aufzukommen und haben kein Anspruch auf Kostenerstattung.[473]

c) Rechtsschutz

274

Die Kostengrundentscheidung ist Teil des Widerspruchsbescheids. Gegen sie kann isoliert Klage zum Sozialgericht erhoben werden. Klagebefugt sind neben dem Widerspruchsführer bzw. dem vom Widerspruch der Kassenärztlichen Vereinigung oder der Krankenkassen Betroffenen die beteiligte Kassenärztliche Vereinigung, die beteiligten Landesverbände der Krankenkassen sowie die beteiligten Ersatzkassen.[474]

10. Widerspruchsbeschluss

a) Inhalt

275

Gemäß § 45 Abs. 3 i.V.m. § 41 Abs. 4 Ärzte-ZV ist das Ergebnis des Verfahrens in einem schriftlichen Beschluss niederzulegen, der u.a. mit Gründen und einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen ist.[475] Ein entsprechender Bescheid, der erst später als fünf Monate nach der Beschlussfassung abgefasst und durch die Geschäftsstelle des Berufungsausschusses zum Versand gegeben wird, gilt als nicht mit Gründen versehen und ist rechtswidrig, wobei nach § 41 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SGB X auch eine Heilung möglich ist.[476]

276

Außerdem enthält der Beschluss eine Kostengrundentscheidung[477] und – gegebenenfalls – eine Entscheidung über die Anordnung des Sofortvollzugs gemäß § 97 Abs. 4 SGB V.[478]

b) Anforderungen an die Begründung

277

Die Anforderungen an die Begründung des Beschlusses ergeben sich u.a. aus § 35 Abs. 1 SGB X. Nach § 35 Abs. 1 S. 2 SGB X sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die den Berufungsausschuss zu seiner Entscheidung bewogen haben.[479] Die Anforderungen an die Begründung dürfen nicht überspannt werden. Sie richten sich nach den Umständen des Einzelfalls. Der Berufungsausschuss darf sich auf die Angabe der maßgebenden tragenden Erwägungen beschränken und braucht Gesichtspunkte und Umstände, die auf der Hand liegen oder dem Betroffenen bekannt sind, nicht nochmals ausführlich darzulegen.[480] Allerdings darf sich die Begründung nicht in einer schlichten Wiedergabe des Gesetzestextes ohne Bezugnahme auf den konkreten Fall erschöpfen.[481]

278

Bei Ermessensentscheidungen erweitert § 35 Abs. 1 S. 3 SGB X die Begründungspflicht. Die Begründung einer Ermessensentscheidung muss auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen der Berufungsausschuss bei der Ausübung seines Ermessens ausgegangen ist. Nicht ausreichend begründet ist eine Ermessensentscheidung bspw. bei dem Gebrauch von nichtssagenden Leerformeln, aus denen die angelegten Beurteilungsmaßstäbe nicht erkennbar sind.[482] Ist dem Berufungsausschuss bei seiner Entscheidung ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, wie etwa bei der Feststellung eines lokalen oder qualifizierten Sonderbedarfs nach §§ 36, 37 Bedarfsplanungs-Richtlinie, muss die Begründung erkennen lassen, dass der Berufungsausschuss von einem zutreffend ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist und seine Entscheidung in Anwendung der zutreffend verstandenen rechtlichen Vorgaben vertretbar getroffen hat.[483] Den Beurteilungsspielraum betreffende Begründungsdefizite sind gemäß § 35 Abs. 1 S. 2 SGB X als fehlende oder unzureichende Begründung zu werten; die für Ermessenentscheidungen maßgebliche Vorschrift des § 35 Abs. 1 S. 3 SGB X findet keine, auch keine entsprechende, Anwendung.[484]

279

Eine fehlende oder nicht ausreichende Begründung macht den Widerspruchsbescheid rechtswidrig, aber nicht nichtig.[485] Der Fehler kann gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SGB X bis zur letzten Tatsacheninstanz geheilt werden.[486] Ebenso kann – in Grenzen – eine unvollständige Begründung ergänzt oder die Begründung ausgewechselt werden.[487] Bei Ermessensentscheidungen sowie bei Entscheidungen mit Beurteilungsspielräumen setzt das Nachschieben von Gründen jedoch voraus, dass die nachgeschobenen Gründe bereits beim Erlass des Bescheides vorgelegen haben, dieser durch sie nicht in seinem Wesen verändert und der Kläger nicht in seiner Rechtsverfolgung beeinträchtigt wird.[488]

280

Bei gebundenen Entscheidungen können Begründungsdefizite nicht zur Aufhebung des Beschlusses führen (§ 42 S. 1 SGB X), da das Gericht die getroffene Entscheidung unter jedem rechtlich denkbaren Gesichtspunkt zu überprüfen hat.[489] Waren dem Berufungsausschuss bei seiner Entscheidung jedoch – gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare – Beurteilungsspielräume eingeräumt, führen Begründungsmängel regelmäßig zur Aufhebung des Beschlusses.[490]

IV. Kostenfestsetzung

281

Der Berufungsausschuss hat gemäß § 63 Abs. 3 SGB X auch über Kostenfestsetzungsanträge zu entscheiden.

1. Festsetzungsverfahren

282

Auf der Grundlage der im Widerspruchsbescheid getroffenen Kostengrundentscheidung[491] erfolgt nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens auf Antrag in einem eigenständigen Verfahren die Festsetzung der zu erstattenden Aufwendungen, § 63 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 SGB X. Fehlt eine Kostengrundentscheidung, ist der Widerspruchsbescheid nachträglich im Kostenpunkt zu ergänzen, sofern nicht ein Kostenanerkenntnis vorliegt, das auch im Verfahren vor dem Berufungsausschuss eine Kostengrundentscheidung entbehrlich macht.[492] Funktionell zuständig ist der Berufungsausschuss, nicht etwa der Vorsitzende.[493] Über die Kostenfestsetzung ist vom Berufungsausschuss in einer Sitzung (§ 45 Abs. 3 i.V.m. § 36 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV) in vollständiger Besetzung zu beschließen.[494] Der Beschluss kann ohne mündliche Verhandlung getroffen werden (§ 45 Abs. 3 i.V.m. § 37 Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV), ohne dass es hierzu der Einstimmigkeit bedürfte.

2. Notwendige Aufwendungen

283

Soweit von der Kostengrundentscheidung gedeckt, werden auf Antrag zunächst die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen erstattet. Solche Aufwendungen sind vom Antragsteller nachzuweisen. Hierzu gehören etwa Reisekosten zum Termin zur mündlichen Verhandlung.[495]

3. Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts

284

Soweit die Kostengrundentscheidung auch die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten umfasst (§ 63 Abs. 3 S. 2 SGB X), sind die entsprechenden Gebühren und Auslagen als zu erstattende Kosten festzusetzen (vgl. § 63 Abs. 2 SGB X). Wurde ein Rechtsanwalt eingeschaltet, ist vom Berufungsausschuss zu prüfen, ob die Kostennote angemessen ist, also dem anwaltlichen Gebührenrecht entspricht.[496]

a) Gegenstandswert

285

Dabei entscheidet der Berufungsausschuss zunächst über den zugrunde zu legenden Gegenstandwert (§ 2 Abs. 1 RVG),[497] der sich gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 i.V.m. S. 3 RVG nach dem GKG (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 GKG i.V.m. § 197a Abs. 1 S. 1 SGG) richtet.[498] Der Gegenstandwert ist anhand der Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG), der Regelstreitwert (Auffangstreitwert) beträgt 5.000 € (§ 52 Abs. 2 GKG).[499]

286

In Zulassungsstreitigkeiten (Erteilung bzw. Entziehung der Zulassung), die nach dem 1.1.2002 rechtshängig wurden, ist zur Berechnung des Gegenstandswertes im Regelfall auf den Gewinn abzustellen, den der Betroffene in den nächsten drei Jahren aus der vertragsärztlichen Tätigkeit erzielen könnte.[500]

287

Für die Umsätze sind dabei im Regelfall die Beträge heranzuziehen, die im Gesamtbundesdurchschnitt für die Arztgruppe ausgewiesen sind, welcher der Arzt angehört. Auf den durchschnittlichen Umsatz der Fachgruppe ist auch dann abzustellen, wenn die tatsächlichen Umsätze aufgrund langer Verfahrensdauer zwischenzeitlich vorliegen.[501] Existieren für die fragliche Arztgruppe keine von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung in den Grunddaten zur vertragsärztlichen Versorgung in Deutschland veröffentlichten Umsatzzahlen, ist der durchschnittliche Umsatz zu schätzen oder auf den Durchschnitt der Umsätze aller Arztgruppen abzustellen.[502] In Anlehnung an die Rechtsprechung des BSG, wonach gemäß § 40 GKV die Verhältnisse desjenigen Jahres zugrunde zu legen sind, in dem der jeweilige Rechtszug eingeleitet worden ist,[503] ist auf die Umsätze und Kosten des Kalenderjahres abzustellen, in dem der Widerspruch eingelegt wurde. Soweit die Werte dieses Kalenderjahres noch nicht ermittelt wurden oder jedenfalls noch nicht bekannt sind, ist auf die zeitnächsten verfügbaren Daten zurückzugreifen.[504] Ist eine Arztgruppe betroffen, für die keine Daten vorliegen, kommt in Betracht, den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu schätzen oder auf den Durchschnitt der Umsätze aller Arztgruppen abzustellen und entweder die durchschnittliche Kostenquote aller Arztgruppen oder einen pauschal gegriffenen Kostensatz von z.B. 50 v.H. anzusetzen.[505] Bei der Herzchirurgie, die sich spezialisierend aus dem Fachgebiet der Chirurgie entwickelt hat, liegt es nahe, nicht auf den Umsatz aller Arztgruppen abzustellen, sondern den der Fachärzte für Chirurgie zugrunde zu legen. Der Gesichtspunkt einer neu gegründeten Praxis, die in ihrer Anlaufphase möglicherweise noch nicht solche Umsätze erreichen wird,[506] rechtfertigt keine Abweichung von den dargestellten Grundsätzen. Ebenso kommt das mit einer Sonderbedarfszulassung verbundene engere Tätigkeitsspektrum nicht als Reduzierungsgrund in Betracht.[507]

 

288

Von den erzielbaren Einkünften sind die durchschnittlichen Praxiskosten in Abzug zu bringen.[508] Sofern entsprechende Daten nicht verfügbar sind, kann auf die durchschnittlichen Kosten der Arztgruppe bzw. die durchschnittliche Kostenquote aller Arztgruppen bzw. auf eine „gegriffene“ Kostenquote von 50 v.H. zurückgegriffen werden.[509]

289

Im Nachbesetzungsverfahren gemäß § 103 Abs. 3a, 4 SGB V ist es angesichts des offenen Ausgangs jeder Auswahlentscheidung angemessen, den Gegenstandswert mit einem Drittel des Wertes anzusetzen, der nach der Rechtsprechung des BSG für das volle Zulassungsinteresse eines Arztes in einem Streit um eine Zulassung angesetzt wird. Denn der im Auswahlverfahren unterlegene Bewerber kann über einen offensiven Konkurrentenwiderspruch zunächst nur den Weg frei machen für eine neue Auswahlentscheidung durch den Berufungsausschuss, und dieses Interesse, den Weg für eine neue Auswahlentscheidung frei zu machen, ist wertmäßig geringer zu gewichten, als das volle Zulassungsinteresse eines Arztes, der einen Anspruch auf Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit geltend macht.[510]

290

Wird eine Sonderbedarfszulassung von Dritten angefochten, kommt eine Streitwertminderung hingegen nicht in Betracht.[511]

291

Im Verfahren auf Zulassung im Wege des sogenannten Job-Sharings gemäß § 101 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB V ist der Ansatz des Auffangstreitwerts gemäß § 52 Abs. 2 GKG je Quartal für insgesamt drei Jahre zutreffend.[512]

292

Bei Ermächtigungen ist auf die im Ermächtigungszeitraum zu erwartenden GKV-Honorareinnahmen abzüglich der Kosten abzustellen.[513]

293

Bei einem Antrag auf gleichzeitige Teilnahme an der hausärztlichen und fachärztlichen Versorgung gemäß § 73 Abs. 1a S. 3 SGB V ist der dreifache Jahresbetrag der zusätzlich abrechenbaren Leistungen anzusetzen.[514]

294

Wird die Entscheidung des Zulassungsausschusses im Vorprüfungsverfahren gemäß § 103 Abs. 3a S. 3 ff. SGB V angefochten, ist der Auffangstreitwert gemäß § 52 Abs. 2 GKG in Höhe von 5.000 € anzusetzen.[515]

295

Bei der Genehmigung der Anstellung eines Arztes ist – entsprechend der üblichen Vorgehensweise in Zulassungssachen – der zusätzliche Umsatz der (erweiterten) Tätigkeit des anzustellenden Arztes abzüglich des Praxiskostenanteils unter Zugrundelegung eines Zeitraums von drei Jahren anzusetzen; das für den anzustellenden Arzt zu zahlende Gehalt ist nach aktueller Rechtsprechung des BSG hiervon nicht abzuziehen.[516]

296

Bei der Genehmigung einer Berufsausübungsgemeinschaft ist auf den Auffangstreitwert gemäß § 52 Abs. 2 GKV pro Quartal für einen Zeitraum von drei Jahren abzustellen.[517]

297

Bei der Verlegung des Vertragsarztsitzes ist der dreifache Auffangstreitwert gemäß § 52 Abs. 2 GKG anzusetzen.[518]