Vertragsärztliche Zulassungsverfahren, eBook

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b) Ausgestaltung des Verfahrens

219

Für das Verfahren vor dem Berufungsausschuss gelten die §§ 36 bis 43 Ärzte-ZV entsprechend, § 45 Abs. 3 Ärzte-ZV.

c) Verbot der reformatio in peius

220

Das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Verbot der reformatio in peius[370] gilt auch im Verfahren vor den Zulassungsgremien.[371]Der Umstand, dass der Berufungsausschuss mit seiner Anrufung im angerufenen Umfang funktionell ausschließlich zuständig wird,[372] steht dem nicht entgegen.[373] Der Vertrauensschutz darf durch die Einlegung des Widerspruchs nicht einschränkt werden; der Grundsatz der reformatio in peius steht einer Veränderung der mit dem Widerspruch angegriffenen Verwaltungsentscheidung im Widerspruchsverfahren zu Ungunsten des Widerspruchsführers nur entgegen, wenn auch die Ausgangsbehörde aufgrund der Bindung des bereits erlassenen Verwaltungsaktes die Änderung nicht mehr hätte vornehmen dürfen. Soweit dagegen die Ausgangsbehörde auch nach Bestandskraft des Verwaltungsaktes berechtigt ist, Änderungen der Regelungen oder Feststellungen zu treffen, können diese ebenso im Widerspruchsverfahren getroffen werden.[374] Dies gilt auch im Verfahren vor dem Berufungsausschuss.[375] Sofern mit dem Verbot der reformatio in peius vereinbar, können im Verfahren vor dem Berufungsausschuss erstmals auch Nebenbestimmungen (§ 32 SGB X) getroffen werden;[376] der Betroffene muss zuvor gemäß § 24 SGB X angehört worden sein.[377]

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Das Verbot der reformatio in peius steht nicht entgegen, wenn der Berufungsausschuss die vom Zulassungsausschuss ursprünglich getroffene Entscheidung im Verfahren nach einem Drittwiderspruch zu Ungunsten des Antragstellers verändert. Denn in den Fällen der Drittbetroffenheit darf gegenüber dem Empfänger eines begünstigenden Verwaltungsakts auch eine „verbösernde“ Entscheidung getroffen werden.[378]

2. Einlegung des Widerspruchs

a) Form und Frist

222

Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Berufungsausschusses beim Berufungsausschuss einzulegen, § 44 S. 1 Ärzte-ZV. Aufgrund der Verweisung in § 97 Abs. 3 S. 1 SGB V auf § 84 Abs. 1 S. 1 SGG kann er auch beim Zulassungsausschuss eingelegt werden.[379]

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Der Widerspruch muss gemäß § 44 S. 2 Ärzte-ZV den Beschluss des Zulassungsausschusses bezeichnen, gegen den er sich richtet, was erforderlichenfalls im Wege der Auslegung zu ermitteln ist.[380] Die Schriftform gemäß § 44 S. 1 Ärzte-ZV ist auch bei der Übermittlung per Telefax gewahrt.[381]

224

Die Widerspruchsfrist beträgt einen Monat ab Bekanntgabe des Beschlusses, § 97 Abs. 3 S. 1 SGB V i.V.m. § 84 Abs. 1 S. 1 SGG. Die Bekanntgabe des Beschlusses des Zulassungsausschusses erfolgt i.d.R. gemäß § 41 Abs. 5 S. 1 Ärzte-ZV durch Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung des Beschlusses.[382] Für den Beginn der Widerspruchsfrist ist der Zeitpunkt der förmlichen Zustellung maßgebend, eine etwaige zusätzlich vorgenommene Verkündung des Beschlusses am Ende der Sitzung löst den Fristbeginn nicht aus.[383] Die Berechnung der Frist richtet sich nach § 64 SGG (vgl. § 62 SGB X). Bei fehlender oder unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrung gilt die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 S. 1 SGG. Bei unverschuldeter Fristversäumung kann nach Maßgabe von § 67 SGG Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gewährt werden.[384]

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Für Dritte, denen der Beschluss des Zulassungsausschusses nicht bekannt gegeben wurde, gilt die Jahresfrist des § 84 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 66 Abs. 2 SGG.[385]

b) Widerspruchsbegründung

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Nach der bis zum Inkrafttreten des VÄndG geltenden Fassung des § 44 S. 1 Ärzte-ZV musste der Widerspruch innerhalb der Widerspruchsfrist von einem Monat „mit Gründen“ eingelegt werden. Anderenfalls konnte er als unzulässig zurückgewiesen werden.[386] Das Begründungserfordernis wurde durch das VÄndG mit Wirkung zum 1.1.2007 aufgehoben.[387]

3. Widerspruchsbefugnis

227

Die Anrufung des Berufungsausschusses setzt eine rechtliche Beschwer (vgl. § 54 Abs. 1 2 SGG) voraus. Eine Verletzung von Rechten des Widerspruchsführers durch den angefochtenen Beschluss des Zulassungsausschusses muss als möglich erscheinen.

228

Davon kann regelmäßig bei einem Beschluss ausgegangen werden, der an den Anfechtenden gerichtet ist. Wurde die beantragte Entscheidung getroffen, besteht die Widerspruchsbefugnis des Antragstellers nur hinsichtlich einer ihn möglicherweise belastenden Nebenbestimmung.

229

Die gemäß § 37 Abs. 2 S. 1 Ärzte-ZV am Verfahren beteiligte Kassenärztliche Vereinigung[388] muss ein konkretes Interesse im Einzelfall nicht darlegen. Dies ergibt sich aus dem von ihr wahrzunehmenden Sicherstellungsauftrag (§ 75 Abs. 1 SGB V); aufgrund der ihr übertragenen Verantwortung für eine den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entsprechende Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung ist sie durch die Entscheidungen der Zulassungsgremien stets und unmittelbar in ihren Rechten betroffen.[389] Dasselbe gilt für die beteiligten Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen, da ihnen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung keine geringere Kompetenz zugewiesen ist als der Kassenärztlichen Vereinigung.[390] Das Anfechtungsrecht der Kassenärztlichen Vereinigung besteht auch in den (Ausnahme-)Fällen, in denen eine in einem Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung getroffene Entscheidung in den Bezirk einer anderen Kassenärztlichen Vereinigung „einstrahlt“, also potentiell geeignet ist, Auswirkungen auf die dortige Versorgung zu zeitigen.[391] Dies ist bspw. bei einer weiteren hälftigen Zulassung im Bezirk einer anderen Kassenärztlichen Vereinigung,[392] bei der Erstreckung einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft über die Bezirke mehrerer Kassenärztlichen Vereinigungen[393] oder bei der Ermächtigung zum Betrieb einer Zweigpraxis im Bezirk einer anderen Kassenärztlichen Vereinigung gemäß § 24 Abs. 3 S. 7 Ärzte-ZV[394] der Fall.

230

Widerspruchsbefugt ist auch der Mitbewerber bei einer offensiven Konkurrentenlage.[395] Dies folgt bereits aus der eigenen Grundrechtsbetroffenheit jeden Bewerbers.[396] Geht es lediglich um die Abwehr eines neu hinzukommenden Konkurrenten, ist die Widerspruchsbefugnis nur unter bestimmten Voraussetzungen gegeben,[397] sie lässt sich nicht bereits aus Grundrechten ableiten.

4. Defensiver Konkurrentenwiderspruch

a) Grundlagen

231

Die Anrufung des Berufungsausschusses setzt eine rechtliche Beschwer (vgl. § 54 Abs. 1 S. 2 SGG) voraus. Hiernach muss eine Verletzung von Rechten des Widerspruchsführers durch den angefochtenen Beschluss des Zulassungsausschusses als möglich erscheinen. Davon kann regelmäßig bei einem Beschluss ausgegangen werden, der an den Anfechtenden gerichtet ist. Demgegenüber ist der Konkurrent nicht notwendig Adressat des (einen anderen) begünstigenden Beschlusses des Zulassungsausschusses. Er kann den einen anderen begünstigenden Beschluss nur dann anfechten, wenn ihm ein drittschützendes subjektiv-öffentliches Recht zur Seite steht, wenn er sich also auf eine Norm berufen kann, die ihm als Konkurrenten die Möglichkeit eröffnen soll, sein Rechtsbegehren auch zu Lasten des Begünstigten zu erwirken.[398] Zu unterscheiden sind zwei Konstellationen:

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Offensiver Konkurrentenwiderspruch: Hier streiten mehrere Konkurrenten um die Zuerkennung einer nur einmal zu vergebenden Berechtigung, bspw. um die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung im Rahmen des Nachbesetzungsverfahrens gemäß § 103 Abs. 3a, 4 SGB V, um die Zulassung im partiell geöffneten Planungsbereich im Verfahren gemäß § 26 Abs. 4 Bedarfsplanungs-Richtlinie oder um eine nur einmal zu vergebende Sonderzulassung gemäß § 103 Abs. 7 SGB V,[399] Sonderbedarfszulassung oder Ermächtigung.[400] Ziel des in einem solchen Verfahren übergangenen Konkurrenten ist es, selbst und an Stelle des Begünstigten bspw. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen zu werden. Mit dem Widerspruch greift er also nicht nur den an ihn gerichteten negativen Beschluss an, mit dem sein Antrag auf Zulassung zurückgewiesen wurde. Dem Konkurrenten geht es vielmehr auch darum, gegen die Zulassung des Begünstigten vorzugehen.[401]

233

Defensiver Konkurrentenwiderspruch: In diesen Fällen geht es um die Abwehr eines zusätzlichen Konkurrenten, eine eigene Begünstigung wird nicht erstrebt. Zu denken ist etwa an die Anfechtung der einem anderen erteilten Ermächtigung oder Sonderbedarfszulassung durch einen Vertragsarzt, ein medizinisches Versorgungszentrum oder durch eine Berufsausübungsgemeinschaft.[402]

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Bei dem offensiven Konkurrentenwiderspruch ist die Anfechtungsbefugnis des Mitbewerbers ohne Frage gegeben. Sie folgt hier schon aus der eigenen Grundrechtsbetroffenheit (Art. 3 Abs. 2 GG) jeden Bewerbers.[403] Bei dem defensiven Konkurrentenwiderspruch, der auf Beibehaltung bestehender Marktbedingungen und auf Abwehr eines neu hinzukommenden Konkurrenten gerichtet ist, lässt sich die Anfechtungsberechtigung nicht auf Grundrechte stützen. Marktteilnehmer haben regelmäßig keinen Anspruch darauf, dass die Wettbewerbsbedingungen für sie gleich bleiben, insbesondere nicht darauf, dass Konkurrenten vom Markt fern bleiben.[404] Die Befugnis zur Abwehr des Konkurrenten kann sich somit nur aus sog. einfachrechtlichen Regelungen ergeben. Dies ist lediglich in der besonderen Konstellation der Fall, dass sich aus den Bestimmungen, auf die sich die Rechtseinräumung an den Konkurrenten stützt, ein Gebot der Rücksichtnahme auf die Interessen der schon im System tätigen Leistungserbringer ergibt, wenn also die einschlägigen Bestimmungen diesen einen sog. Drittschutz vermitteln. Ob den einschlägigen Regelungen drittschützende Wirkung zukommt, ist durch Auslegung zu ermitteln.[405]

 

b) Widerspruchsbefugnis

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Vom BSG wurde die Anfechtungsbefugnis eines Vertragsarztes gegen die Ermächtigung eines Dritten zunächst verneint mit der Begründung, den Regelungen über die Zulassung und Ermächtigung von Ärzten sei kein Rechtsschutz zu entnehmen, der auch den Individualinteressen des Vertragsarztes zu dienen bestimmt sei.[406] Eine Anfechtungsbefugnis bereits zugelassener Ärzte gegen Ermächtigungen wurde nur ausnahmsweise anerkannt, wenn mit einer gewissen Plausibilität geltend gemacht werden konnte, die Ermächtigung sei dem Grunde oder dem Umfang nach willkürlich und möglicherweise in Benachteiligungsabsicht erteilt worden.[407] Das BVerfG[408] ist dieser Auffassung des BSG[409] entgegengetreten und hat dargelegt, dass niedergelassene Vertragsärzte eine gerichtliche Überprüfung verlangen dürfen, wenn einem Krankenhausarzt die Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung erteilt werde. Mit seiner Grundsatzentscheidung vom 7.2.2007 hat das BSG vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BVerfG seine Rechtsauffassung insbesondere zur Anfechtungsberechtigung bei der defensiven Drittanfechtung konkretisiert.[410] In seinem Beschluss v. 23.4.2009 führte das BVerfG aus, dass eine unter dem Aspekt der Berufsfreiheit nach Rechtsschutz verlangende Verwerfung der Konkurrenzverhältnisse dann in Frage stehe, wenn den bereits am Markt zugelassenen Leistungserbringern ein gesetzlicher Vorrang gegenüber auf den Markt drängenden Konkurrenten eingeräumt sei.[411]

aa) Grundsätze seit BSG, Urt. v. 7.2.2007 – B 6 KA 8/06 R

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Seit dem Urteil des BSG vom 7.2.2007 ist die Frage des Drittschutzes der Prüfung der Begründetheit, und nur ausnahmsweise der Zulässigkeit des Rechtsbehelfs zuzuordnen. Unzulässig ist der Rechtsbehelf nur dann, wenn durch den angefochtenen Beschluss offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise Rechte des Widerspruchsführers verletzt sein können.[412] Die Prüfung, ob eine Rechtsnorm drittschützenden Charakter hat, erfolgt erst im Rahmen der Begründetheit.[413]

237

Die Unzulässigkeit des Rechtsbehelfs ist in Betracht zu ziehen, wenn die zugrunde liegende Fallkonstellation bereits höchstrichterlich geklärt ist. Fehlt eine solche Klärung und werden von den Landessozialgerichten unterschiedliche Auffassungen vertreten, ist die Drittanfechtung zulässig.[414]

238

Vor der Prüfung der sonstigen Begründetheit des Rechtsbehelfs, insbesondere der Rechtmäßigkeit des angegriffen Beschlusses, ist die Anfechtungsberechtigung des Dritten zu klären. Die Drittanfechtungsberechtigung setzt dreierlei voraus: Erstens muss dem Konkurrenten ein Basiszugang zur vertragsärztlichen Versorgung gewährt worden sein, zweitens muss der Status des Anfechtenden gegenüber dem dem Konkurrenten eingeräumten Status vorrangig sein und drittens muss zwischen dem Anfechtenden und dem Konkurrenten ein faktisches Konkurrenzverhältnis bestehen.[415]

(1) Basiszugang

239

Erste Voraussetzung für die Drittanfechtungsberechtigung ist, dass dem Konkurrenten durch den angegriffenen Beschluss des Zulassungsausschusses die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung eröffnet oder erweitert wurde, und ihm nicht lediglich ein weiterer Leistungsbereich genehmigt wurde.[416] Der Zugang zur vertragsärztlichen Versorgung wird bspw. durch eine Zulassung gemäß § 19 Abs. 1 Ärzte-ZV, § 95 Abs. 1 SGB V, durch eine belegärztliche Zulassung gemäß §§ 103 Abs. 7, 121 SGB V, durch Sonderbedarfszulassungen gemäß § 101 Abs. 1 Nr. 3 SGB V i.V.m. §§ 36, 37 Bedarfsplanungs-Richtlinie, ferner durch Ermächtigungen gemäß §§ 116, 116a, 118, 119a SGB V sowie durch Ermächtigungserweiterungen eröffnet.[417]

240

Kein weiterer Zugang wird eröffnet bspw. durch die Genehmigung einer Berufsausübungsgemeinschaft gemäß § 33 Abs. 3 Ärzte-ZV[418] oder durch die Genehmigung einer Zweigpraxis gemäß § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV.[419]

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Die einem bereits niedergelassenen Vertragsarzt erteilte bloße Abrechnungsgenehmigung kann von Dritten nicht angefochten werden, wenn die Erteilung der Genehmigung allein an Qualitäts- bzw. Qualifikationsgesichtspunkten auszurichten war.[420] Etwas anderes gilt aber (wegen der nach § 6 Anlage 9.1 BMV-Ä durchzuführenden Bedarfsprüfung) bei der Zusicherung und Genehmigung eines Versorgungsauftrags für dialysepflichtige Patienten,[421] bei der Dialyse-Zweigpraxisgenehmigung nach § 4 Abs. 3 der Anlage 9.1 BMV-Ä i.V.m. Anhang 9.1.5 der Anlage 9.1 BMV-Ä[422] und bei der Erteilung einer Genehmigung zur Durchführung von Maßnahmen künstlicher Befruchtung gemäß § 121a SGB V.[423]

(2) Vorrang-Nachrang-Verhältnis

242

Der dem Konkurrenten eingeräumte Status muss nachrangig gegenüber dem Status des Anfechtenden sein. Ein Status ist nachrangig, wenn er nur bei Vorliegen eines entsprechenden Versorgungsbedarfs (also bedarfsabhängig) gewährt wird.[424]

243

Die Ermächtigung zur vertragsärztlichen Versorgung ist gegenüber der Zulassung bspw. eines Vertragsarztes nachrangig, soweit sie ein Versorgungsdefizit voraussetzt, wie bspw. Ermächtigungen gemäß §§ 116 SGB V, 31a Ärzte-ZV. Die Ermächtigung gemäß § 118 Abs. 1 S. 1 SGB V ist daher nicht nachrangig, weil deren Erteilung keine Bedarfsprüfung erfordert.[425]

244

Normalzulassungen untereinander stehen nicht in einem Vorrang-Nachrang-Verhältnis. Ein Vertragsarzt ist also nicht berechtigt, die einem anderen gemäß § 19 Abs. 1 Ärzte-ZV, § 95 Abs. 1 SGB V erteilte Zulassung anzufechten.

245

Sonderbedarfszulassungen gemäß § 101 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V i.V.m. §§ 36, 37 Bedarfsplanungs-Richtlinie sind gegenüber normalen Zulassungen grundsätzlich nachrangig,[426] und zwar auch dann, wenn für die Sonderbedarfszulassung außerhalb der Gesamtvergütung gesonderte Vergütungen vereinbart sind.[427] Eine spätere Sonderbedarfszulassung ist gegenüber einer früheren Sonderbedarfszulassung nachrangig, so dass der frühere Sonderbedarfszugelassene anfechtungsberechtigt ist.[428] Gegenüber Ermächtigungen sind Sonderbedarfszulassungen nicht nachrangig, weil beide Teilnahmeformen auf verschiedene Bedarfsstrukturen ausgerichtet sind. Ermächtigungen dienen regelmäßig der Deckung eines nur vorübergehenden Bedarfs, während Sonderbedarfszulassungen auf die Deckung eines längerfristigen Bedarfs ausgerichtet sind.[429]

246

Die unter Bestandsschutzaspekten bedarfsunabhängig zu erteilende Ermächtigung einer ärztlich geleiteten Einrichtung zur Erbringung von Dialyseleistungen nach § 10 Abs. 1 Anlage 9.1 BMV-Ä ist gegenüber Zulassungen nicht nachrangig.[430]

247

Die Drittanfechtungsberechtigung wird vom BSG zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG ausnahmsweise bejaht, wenn die angegriffene Statusentscheidung (Zulassung, Ermächtigung etc.) zwar formal auf der Grundlage einer nicht drittschützenden Norm erteilt wird, wenn jedoch – in rechtswidriger Verkennung des Regelungsgehalts der Norm – eine Statusentscheidung ergeht, die nur der Grundlage einer drittschützenden Norm hätte getroffen werden dürfen.[431]

(3) Faktisches Konkurrenzverhältnis

248

Der Anfechtende und der Konkurrent müssen im selben räumlichen Bereich die gleichen Leistungen erbringen (dürfen), so dass eine wirtschaftliche Beeinträchtigung des Anfechtenden durch den angegriffenen Beschluss des Zulassungsausschusses wahrscheinlich ist.[432] Es muss sich also um dieselbe Fachrichtung und um die gleiche oder um eine vergleichbare Qualifikation handeln. In räumlicher Hinsicht muss sich der Begünstigte im selben Bereich betätigen wie der Anfechtende. Abzustellen ist dabei auf den tatsächlichen Einzugsbereich des Widerspruchsführers; auf die Zugehörigkeit zum selben Planungsbereich oder zum selben Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung kommt es nicht an.[433] Hierbei zu berücksichtigen ist nicht nur die Hauptpraxis, sondern auch die Zweigpraxis des Anfechtenden.[434]

249

Entscheidend ist, ob der Anfechtende eine nicht nur geringfügige Schmälerung seiner Erwerbsmöglichkeiten zu befürchten hat.[435] Dabei kommt es maßgeblich darauf an, ob sich faktisch der Patientenkreis des Anfechtenden mit dem Patientenkreis des Begünstigten in relevantem Maß überschneidet.[436] Bei Ermächtigungen ist von sich überschneidenden Einzugsbereichen auszugehen, wenn die durchschnittliche Anzahl der vom ermächtigten Arzt mit den gleichen Leistungen behandelten Patienten aus dem Leistungsbereich des Anfechtenden 5 % der durchschnittlichen Gesamtfallzahl der Praxis dieses Leistungserbringers überschreitet.[437]

250

Grundsätzlich muss der Anfechtende das Leistungsspektrum und den Einzugsbereich darlegen, erst dann ist der Berufungsausschuss zu weiteren Ermittlungen verpflichtet.[438] An die Darlegungspflicht des Anfechtenden sind keine hohen Anforderungen zu stellen, wenn die Überschneidungen auf der Hand liegen, etwa bei einem eng umgrenzten Fachgebiet.[439] Im Falle großstädtischer Planungsbereiche oder großräumiger Landkreise bestehen hohe Anforderungen an die Darlegung der sich überschneidenden Einzugsbereiche, da hier ein weiter Beurteilungsspielraum bezüglich des Ausmaßes der Versorgungsdichte besteht.[440] Im Zusammenhang mit der Erteilung einer Sonderbedarfszulassung gemäß § 37 Abs. 4 Bedarfsplanungs-Richtlinie ist das Bestehen eines faktischen Konkurrenzverhältnisses im Verhältnis von zwei deutlich weniger als 10 km voneinander entfernt liegenden Dialysepraxen plausibel; bei einer solcher Nähe und einem so engem Leistungszuschnitt bedarf es weder näherer Darlegungen des Anfechtenden noch näherer Ermittlungen durch die Zulassungsgremien oder Gerichte; es ist ohne Weiteres ein real bestehendes Konkurrenzverhältnis anzunehmen.[441]

251

Von der Möglichkeit einer nicht nur unwesentlichen wirtschaftlichen Beeinträchtigung des Anfechtenden wird man umgekehrt nicht ausgehen können, wenn bspw. dessen Budget bereits ausgelastet und die angegriffene Ermächtigung auf die Überweisung durch niedergelassene Fachärzte begrenzt ist.[442]

252

Beispielsweise soll nach der Rechtsprechung ein niedergelassener Kinderarzt die Ermächtigung eines Sozialpädiatrischen Zentrums gemäß § 119 SGB V zur ambulanten sozialpädiatrischen Behandlung von Kindern nicht anfechten können, weil er nicht die gleichen Leistungen anbietet. Ein allein tätiger Kinderarzt kann den Zweck eines Sozialpädiatrischen Zentrums, nämlich eine multidisziplinäre ganzheitliche Behandlung mit entsprechender Personal- und apparativer Ausstattung, nicht gewährleisten. Außerdem ist mit einem auf Fachärzte für Kinder- und Jungendmedizin, Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie zugeschnittenen Überweisungsfilter sichergestellt, dass die Entscheidung über die Erforderlichkeit einer Behandlung in einem Sozialpädiatrischen Zentrum nur von denjenigen Ärzten zu treffen ist, die ansonsten selbst die sozialpädiatrische Versorgung sicherstellen.[443]