Vertragsärztliche Zulassungsverfahren, eBook

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(3) Gebührenbescheid

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Die Gebühren können durch Gebührenbescheid festgesetzt und erforderlichenfalls auf dieser Grundlage vollstreckt werden.[226]

d) Verfahrensbeteiligte

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Am Verfahren beteiligt sind stets die Kassenärztliche Vereinigung sowie die Landesverbände der Krankenkassen (§§ 207 ff. SGB V) und die Ersatzkassen. Sie sind deshalb gemäß §§ 37 Abs. 2 S. 1, 45 Abs. 3 Ärzte-ZV zur mündlichen Verhandlung vor den Zulassungsgremien zu laden. Sind von der Entscheidung auch andere Kassenärztliche Vereinigungen sowie Landesverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen betroffen, sind sie ebenfalls beteiligt.[227] Dies ist der Fall, wenn es um eine vertragsärztliche Tätigkeit in den Bereichen mehrerer Kassenärztlicher Vereinigungen geht,[228] etwa bei einem Antrag auf Genehmigung einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft mit Mitgliedern in mehreren Kassenärztlichen Vereinigungen (§ 33 Abs. 3 S. 3 Ärzte-ZV), bei der Ermächtigung zum Betrieb einer Zweigpraxis, wenn die Zweigpraxis außerhalb des Bezirks der für den Vertragsarztsitz des Antragstellers zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung liegt (§ 24 Abs. 3 S. 7 Ärzte-ZV),[229] oder bei einer weiteren hälftigen Zulassung im Bezirk einer anderen Kassenärztlichen Vereinigung.[230]

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Verfahrensbeteiligte sind gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 SGB X der Antragsteller und – bspw. bei einem Antrag auf Zulassungsentziehung – der Antragsgegner.

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Bei einer offensiven Konkurrentenlage, etwa bei einem Nachbesetzungsverfahren gemäß § 103 Abs. 4 S. 4 ff. SGB V[231] oder bei einem Auswahlverfahren gemäß § 26 Abs. 4 Nr. 3 Bedarfsplanungs-Richtlinie nach partieller Öffnung des Planungsbereichs,[232] sind alle Antragsteller Verfahrensbeteiligte nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 SGB X. Sofern sie ihren Antrag nicht zwischenzeitlich zurückgezogen haben, bleiben sie es im Verfahren vor dem Berufungsausschuss auch dann, wenn sie gegen die Auswahlentscheidung des Zulassungsausschusses selber keinen Widerspruch erhoben haben; die Auswahl reduziert sich nicht auf Bewerber, die die ursprüngliche Auswahlentscheidung nicht bestandskräftig werden lassen.[233] In solchen Fällen gibt es nur ein Verwaltungsverfahren gemäß § 8 SGB X und ist die Auswahl- und die Zulassungsentscheidung in einem einheitlichen Bescheid zu erlassen.[234]

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Verfahrensbeteiligte sind auch Dritte, die der Zulassungsausschuss gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 SGB X auf Antrag oder von Amts wegen hinzugezogen hat. Gemäß § 12 Abs. 2 S. 1 SGB X kann der Zulassungsausschuss von Amts wegen oder auf Antrag Dritte hinzuziehen, deren rechtliche Interessen durch den Ausgang des Verfahrens berührt werden können. Ein Anspruch auf Hinzuziehung besteht in diesem Fall nicht, der Zulassungsausschuss entscheidet über die Hinzuziehung nach pflichtgemäßem Ermessen.[235] Die Möglichkeit der rechtlichen Betroffenheit i.S.v. § 12 Abs. 2 S. 1 SGB X kann insbesondere im Fall einer defensiven Konkurrentenlage gegeben sein.[236] Sie ist ausgeschlossen, wenn ein denkbarer defensiver Drittwiderspruch unzulässig[237] oder die erforderliche Widerspruchsbefugnis[238] erkennbar nicht gegeben wäre.

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Ein Rechtsanspruch auf Hinzuziehung zum Verfahren besteht nach Maßgabe von § 12 Abs. 2 S. 2 SGB X. Erforderlich ist ein entsprechender Antrag des Dritten und dass der Ausgang des Verfahrens rechtsgestaltende Wirkung für ihn hat.[239] Eine rechtsgestaltende Wirkung ist etwa anzunehmen, wenn gegenüber einem Gesellschafter einer Berufsausübungsgemeinschaft die Genehmigung zur gemeinschaftlichen Berufsausübung gemäß § 33 Abs. 3 Ärzte-ZV zurückgenommen wird; die übrigen Mitglieder der Berufsausübungsgemeinschaft sind in einem solchen Fall am Verfahren zu beteiligen.[240] Bei einer defensiven Konkurrentenlage scheidet eine rechtsgestaltende Wirkung i.S.v. § 12 Abs. 2 S. 2 SGB X regelmäßig aus.[241] Erforderlich ist, dass die anstehende Entscheidung des Zulassungsausschusses unmittelbar in die Rechtssphäre des Dritten eingreift, also für sich betrachtet die Rechte und Pflichten des Dritten, die aus seinem Zulassungsstatus folgen, erweitert oder einschränkt.[242] Eine Betroffenheit lediglich in wirtschaftlicher Hinsicht ist demgegenüber nicht ausreichend.

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Im Zusammenhang mit der bei einem defensiven Konkurrentenwiderspruch neuerdings geltenden Jahresfrist des § 84 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 66 Abs. 2 SGG[243] weist das BSG[244] darauf hin, dass im Verfahren gemäß § 12 Abs. 2 SGB X diejenigen zu beteiligen und zu informieren sind, zu deren Gunsten Drittschutz besteht. Verstöße gegen diese Pflicht können indes nicht zur Verlängerung der Jahresfrist führen, sondern können allenfalls Amtshaftungsansprüche desjenigen auslösen, der nicht am Verfahren beteiligt worden ist, obwohl seine Betroffenheit aus Sicht der Zulassungsgremien auf der Hand lag.

e) Sitzung

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Die Zulassungsgremien fassen ihre Beschlüsse in Sitzungen, § 36 Abs. 1 S. 1, § 45 Abs. 3 Ärzte-ZV. Der Antragsteller hat allerdings keinen Anspruch darauf, dass über den Antrag in einer bestimmten Sitzung entschieden wird.[245]

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Erforderlich ist gemäß § 41 Abs. 2 S. 1, § 45 Abs. 3 Ärzte-ZV die vollständige Besetzung des Zulassungsgremiums, also die Anwesenheit aller Mitglieder. Die Beschlussfassung auf anderem Wege, etwa im Umlaufverfahren oder telefonisch, ist durch § 36 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV nicht gedeckt.[246] Ein bspw. im Umlaufverfahren gefasster Beschluss ist nach § 40 Abs. 3 Nr. 3 SGB X aber nicht schon wegen des Verstoßes gegen § 36 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV nichtig, so dass der Verfahrensfehler gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 4 SGB X geheilt werden kann.

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Die mündliche Verhandlung gemäß § 37 Abs. 1 S. 1 und 2 Ärzte-ZV ist Bestandteil der Sitzung, so dass die für die Sitzung geltenden Anforderungen auch für die mündliche Verhandlung gelten. Somit ist auch für die mündliche Verhandlung die vollständige Besetzung des Gremiums erforderlich.

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Nach § 37 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV darf der Zulassungsausschuss über Zulassungen und über die Entziehung von Zulassungen nur nach mündlicher Verhandlung beschließen. In allen anderen Fällen kann der Zulassungsausschuss eine mündliche Verhandlung anberaumen. Eine Zulassungsentscheidung i.S.v. § 37 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV ist auch bei der Auswahl und Zulassung eines Nachfolgers im Rahmen des Nachbesetzungsverfahrens gemäß § 103 Abs. 4 S. 4 ff. SGB V[247] und im Rahmen des Verfahrens gemäß § 26 Abs. 4 Nr. 3 Bedarfsplanungs-Richtlinie bei partieller Öffnung des Planungsbereichs gegeben. Ein Verstoß gegen § 37 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV kann nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt werden.

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Eine Besonderheit gilt für das Verfahren vor dem Berufungsausschuss. Nach § 45 Abs. 2 Ärzte-ZV kann der Widerspruch ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen werden, wenn der Berufungsausschuss die Zurückweisung einstimmig beschließt. Dies gilt auch für Zulassungsentziehungsverfahren.[248]

f) Keine Rückwirkung von statusrelevanten Entscheidungen

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Zulassung und Ermächtigung sind statusbegründend, sie vermitteln u.a. das Recht und die Verpflichtung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung (§ 95 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1 SGB V). Die vom Zulassungsausschuss zu treffenden Entscheidungen begründen oder verändern daher in aller Regel den Teilnahmestatus des Leistungserbringers. Daneben hat sich der Zulassungsausschuss mit Entscheidungen zu befassen, die den Teilnahmestatus betreffen oder eng mit ihm verknüpft sind, wie etwa die Genehmigung der Verlegung des Vertragsarztsitzes gemäß § 24 Abs. 7 S. 1 Ärzte-ZV oder des Wechsels der Facharztbezeichnung gemäß § 24 Abs. 6 Ärzte-ZV. Wegen der vielfältigen Auswirkungen auf den Teilnahmestatus[249] – etwa auf den Behandlungsanspruch des Versicherten, den Anspruch des Leistungserbringers auf Teilnahme und die Verpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigung zur Honorarverteilung – können derartige statusrelevante Entscheidungen stets nur mit Wirkung für die Zukunft, und nicht auch für einen zurückliegenden Zeitraum getroffen werden.[250] Dies betrifft Zulassungen[251] und Ermächtigungen[252] und gilt bspw. auch für die Genehmigung der Verlegung des Vertragsarztsitzes,[253] den Wechsel der Facharztbezeichnung,[254] die Anstellung eines Arztes[255] in einer Vertragsarztpraxis oder in einem medizinischen Versorgungszentrum oder die Genehmigung einer Berufsausübungsgemeinschaft.[256] Keine Statusentscheidung ist die Festsetzung oder Änderung[257] von Abrechnungsobergrenzen beim Job-Sharing; eine Änderung solcher Obergrenzen ist deshalb auch rückwirkend möglich.[258]

g) Bindung an Statusentscheidungen dritter Behörden

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Die Befassungskompetenz des Zulassungsausschusses kann durch die Drittbindung[259] an – auch fehlerhafte – Verwaltungsentscheidungen dritter Behörden stark eingeschränkt oder ganz ausgeschlossen sein. Eine solche Drittbindung entfalten konstitutiv-feststellende Statusentscheidungen,[260] wie etwa die Arztregistereintragung[261] durch die Kassenärztliche Vereinigung, die Approbationserteilung[262] durch die Landesbehörde, die Festsetzung der Landeskrankenhausplanung für die betroffene Krankenhausabteilung[263] oder die Feststellung der Aufsichtsbehörde nach § 72a Abs. 1 SGB V. [264]Sie bewirkt, dass der Zulassungsausschuss nicht berechtigt ist, bspw. die rechtswidrige Eintragung in das Arztregister im Zulassungsverfahren aufzugreifen und die Ablehnung der Zulassung auf diesen Umstand zu stützen.[265] Einschränkungen erfährt die Drittbindung nur in Ausnahmefällen, etwa dann, wenn die präjudizierende Entscheidung nichtig ist[266] oder wenn sich aus dem Gesetz die Pflicht zur Prüfung durch den Zulassungsausschuss ergibt.[267]

 

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„Drittbindung“ entfaltet auch die im Verfahren gemäß § 33 Abs. 3 Ärzte-ZV erteilte Genehmigung einer Berufsausübungsgemeinschaft.[268] Im Nachbesetzungsverfahren gemäß § 103 Abs. 3a, 4 und 6 SGB V ist deshalb nicht zu überprüfen, ob die Kriterien für eine Berufsausübungsgemeinschaft erfüllt sind und/oder ob die Berufsausübungsgemeinschaft etwa nur deshalb gegründet wurde, um von der Bestimmung des § 103 Abs. 6 S. 2 SGB V zu profitieren.[269] Die von der Genehmigung gemäß § 33 Abs. 3 Ärzte-ZV ausgehende Drittbindungswirkung ist nur dann nicht gegeben, wenn, wie im Verfahren der sachlich-rechnerischen Richtigstellung, das rein duale Verhältnis zur Kassenärztlichen Vereinigung betroffen ist. Im Rahmen eines solchen Verfahrens kann die Frage, ob die Kriterien einer Berufsausübungsgemeinschaft erfüllt waren, erneut zur Überprüfung gestellt werden.[270]

h) Bindungswirkung von rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidungen

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Die Zulassungsgremien sind auch an rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen bspw. von Zivilgerichten gebunden. Wurde bspw. ein aus einer Berufsausübungsgemeinschaft ausgeschiedener Vertragsarzt von den verbleibenden Gesellschaftern auf der Grundlage einer entsprechenden Regelung im Gesellschaftsvertrag[271] auf Erklärung des Antrags auf Ausschreibung seines Vertragsarztsitzes und Verzicht auf seine Zulassung in Anspruch genommen und liegt eine nicht mehr angreifbare Entscheidung des Zivilgerichts vor, wird u.a. die Abgabe des Zulassungsverzichts gemäß § 894 ZPO fingiert. Von den Zulassungsgremien wird in einem solchen Fall u.a. das Ende der Zulassung festgestellt.[272] Die im Zivilprozess geltende Verhandlungs- und Beibringungsmaxime und die aus dem Zivilprozess stammende Fiktion des § 894 ZPO stehen nicht im Gegensatz zum Untersuchungsgrundsatz nach § 20 SGB X. Das Amtsermittlungsprinzip nach § 20 SGB X ist allein für die Frage von Bedeutung, ob eine Verzichtserklärung tatsächlich abgegeben wurde oder – wenn der Vertragsarzt zu deren Abgabe verurteilt worden ist – ob die Voraussetzungen des § 894 ZPO gegeben sind. Die materielle Richtigkeit rechtskräftiger Entscheidungen der Zivilgerichte haben die Zulassungsgremien nicht zu überprüfen. Zu prüfen ist allein, ob tatsächlich ein rechtskräftiges Urteil im Sinne von 894 ZPO vorliegt, welches die dort geregelte Wirkung auslöst.[273] Entsprechendes gilt bei einem Schiedsspruch im Sinne von § 1054 ZPO, nachdem er gemäß § 1060 Abs. 1 ZPO rechtskräftig für vollstreckbar erklärt worden ist,[274] sowie für eine nicht mehr anfechtbare gerichtliche Entscheidung im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens.[275]

i) Beurteilungsspielräume

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Den Zulassungsgremien werden von der Rechtsprechung vielfach Beurteilungsspielräume zuerkannt. Die gerichtliche Nachprüfung ist dann beschränkt; das Entscheidungsrecht liegt insoweit bei den Zulassungsgremien[276] Sind die Anforderungen an die ordnungsgemäße und rechtsfehlerfreie Ausübung des Beurteilungsspielraums erfüllt, ist dem Gericht eine weitere inhaltliche Prüfung versagt; die Gerichte sind nicht berechtigt, ihre Entscheidung an die Stelle der angefochtenen Entscheidung des Zulassungsgremiums zu setzen.[277] Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich vielmehr darauf, ob der Entscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die durch Auslegung der in der maßgeblichen Rechtsvorschrift verwendeten Begriffe zu ermittelnden Grenzen eingehalten sind und ob die Subsumptionserwägungen so hinreichend in der Entscheidungsbegründung verdeutlicht wurden, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist.[278]

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Beurteilungsspielräume bestehen vor allem bei der Prüfung und Feststellung von Bedarfssituationen, also komplexen Untersuchungen und darauf aufbauenden Feststellungen, die von einer Vielzahl von Faktoren abhängig sind, wie z.B. bei der Prüfung und Feststellung eines qualifikationsbezogenen oder lokalen Sonderbedarfs gemäß § 101 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V i.V.m. §§ 36 und 37 Bedarfsplanungs-Richtlinie[279], bei bedarfsabhängigen Ermächtigungen, bspw. gemäß §§ 116 SGB V, 31a Ärzte-ZV[280], bei der Verlegung von Vertragsarztsitzen oder genehmigten Anstellungen gemäß § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV[281], bei der Ermächtigung zum Betrieb einer Zweigpraxis gemäß § 24 Abs. 3 S. 7 Ärzte-ZV[282], bei Ausnahmegenehmigungen gemäß § 73 Abs. 1a S. 3 SGB V[283] sowie bei Entscheidungen gemäß § 103 Abs. 3a SGB V.[284]

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Begründet wird ein solches Letztentscheidrecht der Zulassungsgremien in Anlehnung an die Rechtsprechung des BVerwG zu den Wertungen von sachverständig oder pluralistisch zusammengesetzten Gremien[285] damit, dass es sich bei den Zulassungsgremien um sektorenspezifische gruppenplural gebildete Gremien handelt.[286]

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Das BVerfG hat durch Beschluss vom 31.5.2011 – 1 BvR 857/07[287] die Anforderungen an eine mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbare eingeschränkte gerichtliche Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen verschärft: Beurteilungsspielräume bedürfen hiernach entweder einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage oder müssen sich aus den einschlägigen Normierungen zumindest durch Auslegung als vom Gesetzgeber eingeräumt ermitteln lassen.[288] Ob vor diesem Hintergrund den Zulassungsgremien weiterhin Beurteilungsspielräume zuerkannt werden können, wird unterschiedlich gesehen. Zum Teil wird angenommen, an der Rechtsprechung des BSG könne nicht mehr festgehalten werden.[289] Zum Teil wird vertreten, die Einräumung eines Beurteilungsspielraums lasse sich durch Auslegung hinreichend deutlich ermitteln, insbesondere spreche die Anordnung einer Entscheidung des Zulassungsausschusses durch den Gesetzgeber in Ansehung der bereits bestehenden Rechtsprechung zum Bestehen eines Beurteilungsspielraums ohne anderweitige Regelung für die Annahme eines Beurteilungsspielraums.[290]

j) Änderungen der Sach- oder Rechtslage

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Nach den Grundsätzen des intertemporalen Sozialrechts sind vorbehaltlich entgegenstehender (Übergangs-)Regelungen bei den auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung oder auf vergleichbare Statusentscheidungen gerichteten Vornahmesachen[291] grundsätzlich alle Änderungen der Sachlage bis zur mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz sowie alle Rechtsänderungen, auch soweit sie in der Revisionsinstanz eintreten, zu berücksichtigen.[292] Damit sind im Regelfall sowohl vorteilhafte als auch nachteilige Sach- und Rechtsänderungen[293] zu berücksichtigen.[294] Dies gilt auch dann, wenn die Anfechtung durch einen der verfahrensbeteiligten Verwaltungsträger[295] erfolgt,[296] bspw. wenn der Beschluss über die Erteilung einer Sonderbedarfszulassung von der Kassenärztlichen Vereinigung angefochten wird.[297] Unter Umstanden besteht für den Antragsteller Vertrauensschutz gegen nachteilige Sach- und Rechtsänderungen.[298]

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Diese Grundsätze gelten nicht, wenn nicht die Statusentscheidung selbst, sondern allein hiervon zu trennende Abrechnungsobergrenzen[299] im Streit stehen.[300]

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In Ausnahmefällen, insbesondere in Drittanfechtungskonstellationen, ist auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen, falls sich die Sach- oder Rechtslage zu diesem Zeitpunkt für den begünstigten Dritten vorteilhafter darstellt.[301] Geht dem Vornahmebegehren – wie etwa im Falle des § 103 Abs. 4 S. 4 ff. SGB V – notwendigerweise eine Abwehrklage in Gestalt einer Drittanfechtung der Begünstigung des für die Praxisnachfolge ausgewählten Bewerbers voran, ist auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen, falls sich die Sach- oder Rechtslage zu diesem Zeitpunkt für den begünstigten Dritten vorteilhafter darstellt.[302]

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Im Urteil des BSG vom 29.11.2017 – B 6 KA 31/16 R –[303] wurde die Rechtsprechung des 6. Senats noch einmal präzisiert: In einem Verfahren auf Zulassung seien grundsätzlich alle Änderungen – vorteilhaft oder nachteilig – der tatsächlichen Verhältnisse bis zur mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz zu berücksichtigen.[304] Allerdings könne auch für die Beurteilung von tatsächlichen Verhältnissen aus Rechtsgründen auf einen früheren Zeitpunkt abzustellen sein.[305] Änderungen des anzuwendenden Rechts gegenüber dem Zeitpunkt des Zulassungsantrags sind hingegen nur dann zu berücksichtigen, wenn sie sich zugunsten des Antragsstellers auswirken. Dies entspreche dem Grundsatz, dass bei einer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufszulassung auf die jeweils für den Antragsteller günstigste Rechtslage abzustellen ist.[306] Dieser für bipolare Konstellationen entwickelte Grundsatz könne jedoch Modifikationen für den Fall einer Entscheidung über mehrere sich wechselseitig beeinflussende Grundrechtsverhältnisse erfordern (sogenannte multipolare Konfliktlagen), da die Rechtspositionen des begünstigen Dritten sowie ggf. weiterer vorhandener Bewerber mit bedacht werden müssten. Deshalb habe der Senat in Drittanfechtungskonstellationen angenommen, dass auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen sei, falls sich die Rechtslage zu diesem Zeitpunkt für den begünstigten Dritten vorteilhafter darstelle; Rechtsänderungen, die nach diesem Zeitpunkt zugunsten eines abgelehnten Mitbewerbers in Kraft treten, seien somit nicht zu berücksichtigen.[307]

2. Vorbereitung der Sitzung

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Zur effizienten Verfahrensgestaltung werden im Vorfeld der Sitzung vorbereitende Maßnahmen durchgeführt. Dazu gehört u.a. die Überprüfung der Antragsunterlagen[308] insbesondere auf ihre Vollständigkeit. Soweit die für die zu treffende Entscheidung erforderlichen Verträge[309] noch nicht vorliegen, werden diese angefordert. Ebenso werden die für die Entscheidung gemäß § 20 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 39 Abs. 1 Ärzte-ZV bedeutsamen Tatsachen ermittelt.[310] Beispielsweise werden zur Vorbereitung einer Entscheidung über eine Sonderbedarfszulassung gemäß §§ 36, 37 Bedarfsplanungs-Richtlinie oder eine Ermächtigung gemäß §§ 116 SGB V, 31a Ärzte-ZV die betroffenen Leistungserbringer im Planungsbereich nach ihrem Leistungsspektrum, ihren Aufnahmekapazitäten und – gegebenenfalls – Wartezeiten befragt und im Wege der Amtshilfe von der Kassenärztlichen Vereinigung die dazugehörigen Abrechnungsdaten (Anzahlstatistiken etc.) beigezogen.[311] Ebenso werden in solchen Verfahren auch die schriftlichen Stellungnahmen der am Verfahren beteiligten Kassenärztlichen Vereinigung sowie der Landesverbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen eingeholt. Im Rahmen eines Verfahrens auf Ermächtigung zum Betrieb einer Zweigpraxis sind gemäß § 24 Abs. 3 S. 7 Hs. 2 Ärzte-ZV u.a. der Zulassungsausschuss und die Kassenärztliche Vereinigung, in dessen Bezirk der Antragsteller seinen Vertragsarztsitz hat, vor Beschlussfassung anzuhören. Auch solche Stellungnahmen sind zur Sitzungsvorbereitung einzuholen.