Vertragsärztliche Zulassungsverfahren, eBook

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2. Sinn und Zweck der Beteiligung von Patientenvertretern

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§ 140f SGB V dient der Stärkung der Patientensouveränität.[4] Die Versicherten[5] sollen stärker in die Entscheidungsprozesse eingebunden und von Betroffenen zu Beteiligten werden, um eine angemessene Vertretung ihrer Interessen zu gewährleisten[6] und ihnen mehr Eigenverantwortung zumuten zu können. Die Beteiligung von Patientenvertretern soll die Entscheidungsträger über Belange der Patienten informieren und so die Entscheidungsgrundlage vervollständigen, zu mehr Transparenz und Akzeptanz und einer gewissen Kontrolle durch die Anwesenheit der Patientenvertreter bei der Entscheidungsvorbereitung führen.[7] Der Gesetzgeber erhofft sich einen wesentlichen Beitrag der Versicherten und Patienten zur Verbesserung von Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen.[8] Eine echte Mitentscheidungsbefugnis ist damit nicht verbunden.[9] Auf Bundesebene haben sich die Regelungen über die Patientenbeteiligung dennoch bereits bewährt.[10]

3. Maßgebliche Organisationen (§ 140f Abs. 1 SGB V)

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Die maßgeblichen Organisationen i.S.d. § 140f Abs. 1 SGB V ergeben sich aus bzw. aufgrund der PatBeteiligungsV.[11] Die in § 1 PatBeteiligungsV geregelten Anforderungen an maßgebliche Organisationen legen ein besonderes Augenmerk auf die Neutralität und Unabhängigkeit der Organisation[12] sowie auf deren Organisationsgrad.[13] Es handelt sich um Interessenvertretungen, die als Dachverbände ausschließlich überindividuell-abstrakte Interessen wahrnehmen.[14]

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Gemäß § 2 PatBeteiligungsV sind der Deutsche Behindertenrat, die Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen, die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. und der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. anerkannt (§ 2 Abs. 1 PatBeteiligungsV)[15]. Gemäß § 3 PatBeteiligungsV kann das Bundesministerium für Gesundheit auf Antrag weitere Organisationen als maßgebliche Organisationen auf Bundesebene anerkennen (Ermessensentscheidung).[16] Für Streitigkeiten über die Anerkennung als maßgebliche Organisation bzw. die Aberkennung dieses Status ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Entgegen dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 PatBeteiligungsV, der die Anerkennung der maßgeblichen Organisationen auf die „Bundesebene“ beschränkt, sind diese Organisationen gemäß § 4 Abs. 1 PatBeteiligungsV auch zur Bestimmung der sachkundigen Personen für die Beteiligung im Zulassungs- und Berufungsausschuss (also auf Landesebene) zuständig. Die Rechtsaufsicht über die Durchführung der Patientenbeteiligung auf Landesebene obliegt ausschließlich den Rechtsaufsichtsbehörden des jeweiligen Landes.[17]

4. Rechte und Pflichten der maßgeblichen Organisationen

a) Benennung sachkundiger Personen

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Gemäß § 140f Abs. 3 S. 1 Hs. 2 SGB V sind die maßgeblichen Organisationen, wenn sie sich beteiligen wollen, verpflichtet, sachkundige Personen zu benennen, die in den Zulassungs- und Berufungsausschüssen das Mitberatungsrecht ausüben. Die Benennung erfolgt durch sämtliche gemäß §§ 2, 3 PatBeteiligungsV anerkannten Organisationen einvernehmlich (§ 140f Abs. 3 S. 4 SGB V, § 4 Abs. 1 S. 1 PatBeteilungsV). Die Beurteilung der Sachkunde der benannten Personen steht den maßgeblichen Organisationen zu.[18] Die Zulassungsgremien sind nicht berechtigt, die benannten Personen wegen mangelnder Sachkunde zurückzuweisen.[19]

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Im Zusammenhang mit der Benennung der sachkundigen Personen sind viele Fragen ungeregelt.[20] Bspw. ergibt sich weder aus dem SGB V noch aus der PatBeteiliungsV eine Beschränkung der Amtszeit eines sachkundigen Vertreters. Auch stellt sich die Frage, ob und nach welchen Vorschriften eine sachkundige Person ihr Mandat niederlegen oder abberufen werden kann und wie Konkurrenzsituationen mehrerer Bewerber um das „Amt“ als sachkundige Person zu handhaben sind.

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Diese Fragen lassen sich nicht dadurch lösen, dass man die Befugnis zur Entsendung sachkundiger Personen in die Zulassungsgremien gemäß § 140f Abs. 3 S. 1 SGB V als Beleihung der maßgeblichen Organisationen behandelt. Von einer Beleihung spricht man, wenn einer natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts durch einen Hoheitsträger die Zuständigkeit eingeräumt wird, bestimmte einzelne öffentlich-rechtliche Aufgaben und Befugnisse im eigenen Namen und in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts wahrzunehmen.[21] Eine solche Befugnis steht den maßgeblichen Organisationen, die keine Hoheitsträger sind, und den von diesen entsandten sachkundigen Personen aber gerade nicht zu.[22]

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Mangels öffentlich-rechtlicher Stellung der maßgeblichen Organisationen liegt in der Bestellung einer sachkundigen Person kein Verwaltungsakt.[23] Verwaltungsakte ergehen im Über-/Unterordnungsverhältnis und können ihren Adressaten auch gegen dessen Willen zu einem bestimmten Handeln verpflichten. Dieses Konzept passt nicht auf die in § 2 PatBeteiligungsV genannten Organisationen. Als sachkundige Personen kommen nur Freiwillige in Betracht. Die Bestellung erfolgt auf zivilrechtlicher Grundlage durch verbandsinterne Wahl.[24] Auch wenn es sich bei der Benennung der sachkundigen Personen nicht um einen Verwaltungsakt handelt, sind für Streitigkeiten über die Bestellung oder deren Aufhebung die Sozialgerichte zuständig (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Begehrt der Bewerber, zur sachkundigen Person benannt zu werden, muss er eine Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG erheben. Wendet er sich gegen die Aufhebung der Benennung, kommt die Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG in Betracht. Die berechtigten Organisationen dürfen ihr Recht einvernehmlich, aber im Übrigen grundsätzlich frei, also auch nach politischen Zweckmäßigkeitsüberlegungen ausüben. Die Grenze bildet das Willkürverbot aus Art. 3 GG.[25]

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Die Zahl der sachkundigen Personen soll höchstens der Zahl der von den Krankenkassen entsandten Mitglieder im Zulassungs- und Berufungsausschuss entsprechen. Gemäß § 90 Abs. 2 S. 1 SGB V entsenden die Kranken- und Ersatzkassen insgesamt 9 Mitglieder. Eine Unterschreitung ist möglich.[26]

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Die Benennung der sachkundigen Personen erfolgt zu spezifischen Themen. Mindestens die Hälfte der sachkundigen Personen sollen selbst Betroffene sein (§ 4 Abs. 1 S. 1 PatBeteiliungsV). Dies soll ein hohes Maß an Sachkunde zu den in den Zulassungsgremien jeweils behandelten Themen gewährleisten.[27] Die Regelung, wonach die Organisationen auf Bundesebene die sachkundigen Personen benennen, weicht von § 140f Abs. 3 S. 1 SGB V ab und ist daher fragwürdig. Die Verordnungsermächtigung des § 140g SGB V[28] berechtigt das Bundesministerium für Gesundheit nur dazu, näheres zu den von § 140f Abs. 3 SGB V genannten Voraussetzungen zu regeln, nicht aber diese Voraussetzungen selbst zu modifizieren.[29]

b) Mitberatungs- und Anwesenheitsrecht

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Die in § 140f Abs. 1 SGB V genannten Organisationen haben ein Mitberatungsrecht, aber kein Stimmrecht (§ 140f Abs. 3 S. 1 Nr. 3, Nr. 4 SGB V, § 4 Abs. 1 S. 3 PatBeteiligungsV). Das Mitberatungsrecht beinhaltet das Recht zur Anwesenheit durch eine sachkundige Person bei der Beschlussfassung (§ 140f Abs. 3 S. 2 SGB V).[30] Es ist einklagbar (subjektives Recht).[31] Das Mitberatungsrecht wird auch als eine erweiterte, institutionalisierte Form des rechtlichen Gehörs im Vorfeld der konkreten Leistungserbringung im Krankheitsfall angesehen.[32] Das Mitberatungs- und Anwesenheitsrecht im Zulassungs- und Berufungsausschuss besteht gemäß § 140f Abs. 3 S. 1 Nr. 3 SGB V bei Entscheidungen über Sonderbedarfszulassungen (§ 101 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V), Befristungen nach § 19 Abs. 4 Ärzte-ZV und Ermächtigungen von Ärzten oder ärztlich geleiteten Einrichtungen (§§ 95 Abs. 4 SGB V, 31 Ärzte-ZV). Gemäß § 140f Abs. 3 S. 1 Nr. 4 SGB V besteht darüber hinaus ein Mitberatungsrecht bei Entscheidungen des Zulassungsausschusses über die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs. 3a SGB V und über die Ablehnung einer Nachbesetzung nach § 103 Abs. 4 S. 10 SGB V. Durch diese Erweiterung der Mitberatungsrechte soll die Perspektive der Patienten im Rahmen der Bedarfsplanung besser berücksichtigt werden.[33] Die Abwesenheit geladener sachkundiger Personen beeinträchtigt die Beschlussfähigkeit nicht.[34]

c) Verfahrenshandlungen gegenüber den sachkundigen Personen

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Die sachkundigen Personen sind zunächst mit einer Frist von zwei Wochen unter Angabe der Tagesordnung zu den Sitzungen, an denen sie teilnehmen dürfen, zu laden (§ 36 Abs. 2 Ärzte-ZV).[35] Unterbleibt die gebotene Ladung, so liegt ein Verfahrensmangel vor. Ob dieser zur Anfechtbarkeit der Beschlüsse führen kann, ist umstritten.[36] Die Patientenvertreter werden allein im öffentlichen Interesse tätig.[37] Die Stärkung der Patientensouveränität soll zu einer Verbesserung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung beitragen. Bei dem Mitberatungsrecht aus § 140f Abs. 3 SGB V handelt es sich jedoch um ein rein subjektives Recht der in § 140f Abs. 1 SGB V genannten Organisationen.[38] Im Hinblick darauf wird die Relevanz eines Ladungsfehlers gegenüber einer sachkundigen Person teilweise generell verneint.[39]

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Anfechtungsberechtigt sind allerdings nicht die maßgeblichen Organisationen selbst, sondern die von den Beschlüssen betroffenen Leistungserbringer. Voraussetzung der Anfechtbarkeit ist, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Mitberatung der sachkundigen Personen das Entscheidungsergebnis beeinflusst hätte.[40] Die sachkundigen Personen haben ein Recht auf Einsicht in die Verfahrensakten der Verfahren, an denen sie beratend mitwirken.[41] Sie erhalten eine Abschrift des vom Zulassungs- oder Berufungsausschuss getroffenen Beschlusses (§ 41 Abs. 5 S. 2 Ärzte-ZV) sowie eine Sitzungsniederschrift über die Tagesordnungspunkte, bei denen sie mitberatend tätig waren (§ 42 S. 4 Ärzte-ZV).

 

5. Entschädigung und Aufwendungsersatz (§ 140f Abs. 5 SGB V)

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Gemäß § 140f Abs. 5 SGB V haben die sachkundigen Personen Anspruch auf Reisekostenerstattung, Ersatz ihres Verdienstausfalls sowie einen Pauschbetrag für ihren Zeitaufwand. Sämtliche Ansprüche richten sich gegen die Gremien, in denen sie als sachkundige Personen mitberatend tätig sind (§ 140f Abs. 5 S. 2 SGB V), also entweder gegen den Zulassungsausschuss oder gegen den Berufungsausschuss, die je für sich rechtlich und organisatorisch selbstständig sind.[42] Wirtschaftlich werden diese Kosten damit je zur Hälfte von der Kassenärztlichen Vereinigung einerseits und den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen andererseits getragen (§§ 96 Abs. 3 S. 2, 97 Abs. 2 S. 4 SGB V).

a) Entschädigung (Pauschbetrag für Zeitaufwand)

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Gemäß § 140f Abs. 5 S. 1 SGB V erhält die sachkundige Person einen Pauschbetrag für Zeitaufwand in Höhe eines Fünfzigstels der monatlichen Bezugsgröße (§ 18 SGB IV) für jeden Kalendertag einer Sitzung. Hiermit soll in Anlehnung an § 41 Abs. 3 SGB IV ein Ausgleich geschaffen werden für die im Zusammenhang mit einer Sitzung zusätzlich einzusetzende (Frei-)Zeit, insbesondere für die Vorbereitung der Sitzung.[43] Es handelt sich um einen Entschädigungsanspruch.[44]

b) Aufwendungsersatz

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Die sachkundigen Personen erhalten Reisekosten nach dem Bundesreisekostengesetz oder nach den Vorschriften des Landes über Reisekostenvergütung. Sie haben drüber hinaus einen Anspruch auf Ersatz des unmittelbar durch eine Sitzung sowie des durch die An- und Abreise zur Sitzung entgangenen Verdienstes analog § 41 Abs. 2 SGB IV.[45] Sie können somit den tatsächlich entgangenen regelmäßigen Bruttoverdienst verlangen, zuzüglich der den Arbeitnehmeranteil übersteigenden Beiträge, die sie als ehrenamtlich tätige Arbeitnehmer nach den Vorschriften des SGB VI über die Beitragstragung selbst zu tragen haben (§ 41 Abs. 2 S. 1 SGB IV).

6. Unterstützung auf Landesebene (§ 140f Abs. 7 SGB V)

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Gemäß § 140f Abs. 7 S. 1 SGB V werden die anerkannten Organisationen sowie die sachkundigen Personen bei der Durchführung ihrer gesetzlich vorgesehenen Beteiligungsrechte auf Landesebene von den Landesausschüssen nach § 90 SGB V durch geeignete Maßnahmen organisatorisch und inhaltlich unterstützt. Die sachkundigen Personen haben gegenüber dem Landesausschuss insbesondere Anspruch auf Übernahme von Reisekosten, Aufwandsentschädigung und Verdienstausfall nach § 140f Abs. 5 SGB V für jährlich bis zu sechs Koordinierungs- und Abstimmungstreffen sowie für Fortbildung und Schulungen, die gemäß Abs. 7 S. 3 vom Landesausschuss zu unterstützen sind. Koordinierungs- und Abstimmungstreffen sind für eine einvernehmliche Benennung der sachkundigen Personen unabdingbar. Ein Treffen pro Jahr soll bundesweit durchgeführt werden.[46] Fortbildungsveranstaltungen können die Trägerorganisationen der Landesausschüsse, also die Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen, entweder selbst anbieten oder die Teilnahme durch Übernahme von Kosten einschließlich Reisekosten ermöglichen. § 140f Abs. 7 S. 5 SGB V gewährt den sachkundigen Personen einen Anspruch auf derartige Unterstützung.[47]

II. Mitwirkung der für die Sozialversicherung zuständigen obersten Landesbehörden gemäß § 96 Abs. 2a SGB V

1. Einführung und Überblick über die gesetzlichen Regelungen

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§ 96 Abs. 2a SGB V regelt erstmals im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ein Teilnahme-, Informations- und Mitwirkungsrecht der für die Sozialversicherung zuständigen obersten Landesbehörden im Zulassungsausschuss für Ärzte. Ein Recht der obersten Landesbehörden zur Mitentscheidung besteht nicht.[48] Ob die obersten Landesbehörden berechtigt sind, ihr Mitwirkungsrecht auf nachgeordnete Landesbehörden zu verlagern, also von diesen wahrnehmen zu lassen, ist offen.[49] Die durch das TSVG mit Wirkung vom 11.5.2019 in das SGB V aufgenommene Regelung[50] ist dem Mitberatungsrecht von Patientenvertreterinnen und -vertretern gemäß § 140f Abs. 3 SGB V[51] nachempfunden. Es bezieht sich aus verfahrensökonomischen Erwägungen auf die in der gesetzlichen Regelung ausdrücklich aufgeführten Verfahren mit besonderer Versorgungsrelevanz.[52] Da es sich bei § 96 Abs. 2a SGB V um eine verfahrensrechtliche Regelung handelt, kommt diese für alle bei Inkrafttreten des TSVG laufenden Verfahren zur Anwendung, auch soweit zurückliegende Sachverhalte betroffen sind.[53] Die Regelung betrifft nur die vertragsärztliche, nicht die vertragszahnärztliche Versorgung.[54]

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Das Mitberatungsrecht beschränkt sich auf den Zulassungsausschuss für Ärzte, ein Mitberatungsrecht im Zulassungsausschuss für Zahnärzte ist nicht vorgesehen.[55] Eine Mitwirkung im Berufungsausschuss für Ärzte bzw. Zahnärzte (§ 97 SGB V) ist ebenfalls nicht vorgesehen. Eine entsprechende Anwendung für den Berufungsausschuss kommt nicht in Betracht. Nach der Gesetzesbegründung ist das Mitberatungsrecht der obersten Landesbehörden demjenigen der Patientenvertreter nachempfunden. Für letztere enthält § 140f Abs. 3 S. 1 Nr. 3 SGB V eine ausdrückliche Regelung der Beteiligung in den Zulassungsausschüssen und den Berufungsausschüssen. Aus dem Fehlen einer ausdrücklichen Erwähnung des Berufungsausschusses in § 96 Abs. 2a SGB V kann daher nur folgen, dass ein Mitberatungsrecht im Berufungsausschuss nicht bestehen soll. Auch § 97 Abs. 2 S. 4 SGB V verweist nicht auf § 96 Abs. 2a SGB V.[56]

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Die Regelung korrespondiert mit dem ebenfalls durch das TSVG eingeführten allgemeinen Antragsrecht der für die Sozialversicherung zuständigen obersten Landesbehörden in den Landesausschüssen gemäß § 90 Abs. 4 S. 4 SGB V. Ziel dieses allgemeinen Antragsrechts ist, dass die Länder versorgungsrelevante Erkenntnisse in den Landesausschüssen bestmöglich zur Geltung bringen können, indem sie berechtigt sind, Beratungsgegenstände auf eigene Initiative auf die Tagesordnung zu setzen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Landesbehörden nicht nur über Kenntnisse über die lokale ärztliche Versorgungslage und die Altersstruktur der vorhandenen Ärzte verfügen, sondern dass ihnen darüber hinaus auch weitere relevante Faktoren für einen bedarfsgerechten Zugang zur ärztlichen Versorgung bekannt sind.[57]

2. Sinn und Zweck der Beteiligung der obersten Sozialversicherungsbehörden der Länder

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Ausführungen des Gesetzgebers zur ratio legis gerade des Mitberatungsrechts der obersten Landesbehörden im Zulassungsausschuss enthalten die Motive des TSVG nicht. Ein Grund der Regelung dürfte wohl auch in einer Flankierung des ebenfalls mit dem TSVG eingefügten allgemeinen Antragsrechts der obersten Landesbehörden in den Landesausschüssen liegen (§ 90 Abs. 4 S. 4 SGB V).[58] Das Teilnahme-, Informations- und Mitberatungsrecht in den Zulassungsausschüssen ist geeignet, dieses Antragsrecht zu unterstützen, indem die obersten Landesbehörden über die Beteiligung in den Zulassungsausschüssen breitere und tiefere Kenntnisse der regionalen Versorgungssituationen erlangen können. Ob die Länder in der Lage sind, die erweiterten Mitwirkungsrechte effektiv auszuüben und ob mit diesen der Verfahrensökonomie des Selbstverwaltungsgremiums Zulassungsausschuss gedient ist, wird bezweifelt. Zudem könnte es durch die Mitwirkung der obersten Landesbehörden zu einer zunehmenden Politisierung von Versorgungsentscheidungen kommen.[59] Abzuwarten bleibt ferner, wie sich die Vermischung von eigener Mitwirkung im Zulassungsausschuss und Rechtsaufsicht (§ 97 Abs. 5 S. 1 SGB V) über die Geschäftsführung der Zulassungsausschüsse auswirken wird.[60]

3. Rechte und Pflichten der obersten Landesbehörden

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Das Mitberatungsrecht der obersten Landesbehörden besteht nur bei den in § 96 Abs. 2a S. 1 SGB V ausdrücklich genannten Verfahren, nämlich bei


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Gemäß § 96 Abs. 2a S. 2 SGB V umfasst das Mitberatungsrecht das Recht auf frühzeitige Information über die Verfahrensgegenstände,[68] das Recht zur Teilnahme an den Sitzungen einschließlich des Rechts zur Anwesenheit bei der Beschlussfassung sowie das Recht zur Stellung verfahrensleitender Anträge. Ein Stimmrecht bei der Beschlussfassung gemäß § 41 Abs. 2 S. 1 Ärzte-ZV besteht nicht.[69] Auslegungsschwierigkeiten wirft das Zusammenspiel von § 96 Abs. 2a S. 1 Nr. 2 und Nr. 4 SGB V auf. Nach Nr. 2 der Vorschrift scheint das Mitberatungsrecht und damit gemäß S. 2 der Vorschrift auch das Recht zur Teilnahme an den Sitzungen im Falle eines Nachbesetzungsverfahrens auf das erste Verfahrensstadium beschränkt zu sein, indem gemäß § 103 Abs. 3a SGB V über das „Ob“ eines Nachbesetzungsverfahrens entschieden wird. Die Beteiligung der obersten Landesbehörden soll deren Erkenntnisse über die gegebene Versorgungslage und ihre Vorstellungen über die anzustrebende Versorgungslage im Zulassungsausschuss zur Geltung bringen. Diese Aspekte spielen im Verfahren gemäß § 103 Abs. 3a SGB V eine Rolle, nicht aber bei der Auswahl des konkreten Nachfolgers gemäß § 103 Abs. 4 SGB V, so dass die Nichtbeteiligung der obersten Landesbehörden in dem Auswahlverfahren zunächst konsequent erscheint. Allerdings besteht bei der Ablehnung einer Nachbesetzung nach § 103 Abs. 4 S. 10 SGB V gemäß § 96 Abs. 2a S. 1 Nr. 4 SGB V dennoch ein Mitberatungsrecht. Dort ist geregelt, dass in Nachbesetzungsverfahren, deren Durchführung vom Zulassungsausschuss aufgrund bestimmter, in § 103 Abs. 4 S. 5 Nr. 4, 5 und 6 SGB V geregelter persönlicher Merkmale eines oder mehrerer am Nachbesetzungsverfahren beteiligter Bewerber stattgegeben wurde, das Nachbesetzungsverfahren auch nachträglich noch abgelehnt werden kann, wenn statt des Bewerbers mit den besonderen persönlichen Merkmalen ein anderer Bewerber zuzulassen wäre, der diese Merkmale nicht aufweist. Es erscheint wenig sinnvoll, den Vertreter der obersten Landesbehörden in der Sitzung zu beteiligen, in der über das „Ob“ des Nachbesetzungsverfahrens entschieden wird, ihn zu dem daran anschließenden Auswahlverfahren jedoch erst hinzuzuziehen, wenn eine Entscheidung nach § 103 Abs. 4 S. 10 SGB V konkret im Raum steht. Folglich wird man sagen können, dass jedenfalls in Nachbesetzungsverfahren, an denen Bewerber beteiligt sind, die dem in § 103 Abs. 3a S. 3 Hs. 2 SGB V bezeichneten Personenkreis angehören, der Vertreter der obersten Landesbehörde auch im gesamten Auswahlverfahren nach § 103 Abs. 4 SGB V zur Mitwirkung nach § 96 Abs. 2a SGB V berechtigt ist.

 

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Das in § 96 Abs. 2a S. 2 SGB V geschaffene Recht zur Anwesenheit bei der Beschlussfassung wurde in § 41 Abs. 1 Ärzte-ZV noch nicht übernommen. § 41 Abs. 1 Ärzte-ZV muss daher gesetzeskonform dahingehend ausgelegt werden, dass das Mitberatungsrechts des Vertreters der obersten Landesbehörde nicht nur bei der Beschlussfassung, sondern – wie bei Patientenvertretern gemäß § 140f Abs. 3 SGB V – auch bei der vorangehenden Beratung besteht.[70] Eine Verpflichtung der für die Sozialversicherung zuständigen obersten Landesbehörden zur Mitberatung besteht nicht.[71]

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Wegen der gegenüber den obersten Landesbehörden gebotenen Verfahrenshandlungen kann auf Rn. 73 f. verwiesen werden.

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Aus dem Fehlen einer § 140f Abs. 5 SGB V fehlenden Regelung über Entschädigung und Aufwendungsersatz ist zu schließen, dass die Kosten der Beteiligung der obersten Landesbehörden im Zulassungsausschuss von den Behörden selbst zu tragen sind. Diese haben auch die Entschädigung bzw. den Aufwendungsersatzanspruch der für sie handelnden Personen autonom zu regeln.