Za darmo

Das Überlebensprinzip

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44. Tag

Auch jenseits des Flusses erwartete uns eine endlos flache, nur durch sanfte Hügel durchzogene Landschaft. Wälder gab es hier auch kaum. Dafür wieder viel verwildertes Weideland. Manchmal waren es nur die Pfade der Tiere, welche uns einen Weg bahnten. Aber auch die machten in ihrem Verlauf nicht immer Sinn. So entschlossen wir uns doch die Landstraßen zu benutzen, obwohl das natürlich risikoreicher war. Sobald aber die Straße in eine Ortschaft einmündete, umgingen wir sie rechtzeitig und liefen über die Feldwege. Unser nächtliches Lager schlugen wir im tiefen Dickicht auf. Als Abendbeschäftigung überprüfte jeder seine Ausrüstung und Kleidung.

„Vielleicht sollten wir vor der Gebirgsüberquerung noch mal neue Sachen besorgen?“ Ich blickte die beiden an. „Besonders Pullover wären nicht schlecht. Selbst wenn es hier unten schon gut warm ist, müssen wir auf mindestens 2.0000 Meter Höhe Pässe überqueren.“

„Ja, einverstanden. Bei nächster Gelegenheit auf jeden Fall.“ stimmte Bianca mir nickend zu und auch Ben hatte nichts dagegen. So legten wir uns schlafen. Die Sorgen von morgen - machen wir uns morgen…

45. Tag

Auch heute kamen wir gut voran solange wir die Straßen benutzten. Irgendwelche Zeichen von Menschen zeigten sich keine oder sie waren schon Jahre her. Dieser Landstrich war außergewöhnlich unbewohnt. Zumindest dachten wir das.

„Die sind wohl schon alle über die Berge?“ wunderte ich mich.

„Oder man lebt hier in größeren Gruppen um besser zu überleben.“ mutmaßte Bianca.

„Schon möglich.“

Nachmittags trafen wir zur Abwechslung mal wieder auf eine größere Stadt. Hier wollten wir uns mal umschauen, was die Kleidung anbetraf und natürlich den Proviant! Wir lagerten uns weit entfernt vom Stadtrand und beobachten die Häuser und Straßen ein paar Stunden lang.

„Habt ihr etwas bemerkt oder gesehen?“

„Nein.“ antwortete ich und Ben schüttelt den Kopf dazu.

„Trotzdem sollten wir besser Nachts gehen.“ schlug Bianca vor.

Als es langsam düster wurde, ging es los. Es war gar nicht so einfach ohne Licht möglichst geräuschlos in ein Haus zu kommen. Die meisten Gebäude waren abgeschlossen - wo auch immer der Besitzer mit seinem Schlüssel hin gegangen war. Ob die Leute gedacht hatten, man würde wieder zurückkommen und alles wäre wie vorher?

„Wir müssen ein Fenster einschlagen, sonst kommen wir nicht hinein.“ war mein Vorschlag.

„Besser nicht. Auch wenn hier keiner zu sein scheint - die verschlossenen Häuser sind kein Zufall.“ sagte Bianca nachdenklich.

„Sollen wir etwa einfach wieder gehen? Mit leeren Händen?!“

Doch statt einer Antwort wich Bianca plötzlich zurück und versteckte sich in einer zurückliegenden Eingangsnische. Ben sprang instinktiv hinterher.

„Was zum Teufel…?“

„Ein roter Punkt! Da auf deiner Brust!“ rief sie entsetzt.

Erschrocken blickte ich an mir herunter - tatsächlich, es war ein roter Laserpunkt direkt auf mein Herz gerichtet. Ohne zu zögern hob ich meine Hände und ließ meine Waffe fallen. Wenn derjenige gewollt hätte, wäre ich schon längst tot gewesen. Doch es passierte lange nichts. Schließlich verschwand der Punkt. Verwirrt blickten wir uns an.

„Und jetzt?“ fragte ich immer noch hilflos dastehend.

„Vielleicht war das nur eine Warnung gewesen. Am besten wir gehen.“

„Und wenn nicht?“

„Dann wärst du jetzt nicht mehr am Leben.“ sagte Bianca und ergänzte nach einer Weile: „Ich glaube ich kenne denjenigen, der das gerade war.“

„WAS?“ ich traute meinen Ohren nicht. Hob aber vorsichtig mein Gewehr auf und verließ mit den anderen ganz schnell den Ort zurück zu unserem Lager. Schweigend kamen wir dort an und begaben uns in unser Zelt. Während ich die Erlebnisse von heute hier aufschreibe bin ich noch immer völlig fertig. Ich fühle mich leer und überreich beschenkt zugleich. Ich darf weiterleben und weiß nicht warum. Ich glaube ich werde noch etwas länger brauchen die Situation endgültig zu erfassen.

46. Tag

Meine erste Frage nach dem Aufstehen an Bianca war: „Wer war das gestern?“

Sie saß vor mir im Schneidersitz, machte sich gerade das Haar zurecht und band es hinten als Zopf zusammen.

„Ich kann es dir nicht hundertprozentig sagen, aber es könnte Lupus gewesen sein.“ antwortete sie schließlich.

„Lupus? Woher kennst du ihn?“

„Willst du das wirklich wissen?“

Etwas wie Eifersucht kam in mir hoch. Wahrscheinlich war er viel mutiger und besser als ich. „Jetzt sag schon.“

Bianca stand auf und ging ein paar Schritte hin und her während sie überlegte.

„Er hat mich mal aus einer ausweglosen Situation gerettet.“ und nach einer weiteren Pause erzählte sie weiter: „Er hat einem Typen das Hirn weg geblasen während dieser auf mir war und mich vergewaltigen wollte…“

Mir wurde schlecht bei dem Gedanken und auch Ben starrte sie mit großen, entsetzen Augen an.

„Danach hat er sich um mich gekümmert, mir geholfen diesen psychischen Schock zu überwinden. Nach gut zwei Wochen sind wir dann wieder getrennte Wege gegangen. Aber die Erinnerung an den roten Punkt seines Zielfernrohres werde ich nicht vergessen.“ erklärte Bianca uns die Geschichte zu Ende. „Ich denke er war das gestern gewesen, bestimmt.“

„Wieso bist du dir da so sicher?“ fragte ich vorsichtig nach.

„Lupus ist kein Killer. Er ist edel.“

„Niemand ist mehr edel in dieser Welt. Du kannst keinem mehr trauen und wenn es darauf ankommt…“

„ER ist nicht so.“ fiel mir Bianca ins Wort.

Ich blickte sie verwundert an. Ob sie wohl in ihn verliebt war? Das Mädel war mir immer noch ein Rätsel. Aber sie weiter auf ihre Beziehung zu diesem Lupus anzusprechen schien mir nicht besonders klug.

„Und was machen wir jetzt?“ versuchte ich das Thema zu wechseln.

„Wir ziehen einfach weiter und suchen woanders nach Lebensmitteln und Kleidung.“

„Und wird er uns dabei in Ruhe lassen?“

„Ich denke schon.“

Da uns eh nichts anderes übrig blieb, packten wir wieder alles zusammen und machten uns wieder auf den Weg. Immer wieder rumorte es in meinem Bauch vor Hunger. Ben und Bianca ging es ebenso. Doch wir wussten, dass dieser geheimnisvolle Lupus hier in der Gegend sein musste und scheinbar keine Gäste mochte. Immerhin war er so fair gewesen und hat uns eine Wahl gelassen. Verrückt, dass nur eine einzelne Person derart über das Schicksal anderer bestimmen konnte. Noch immer dachte ich über den Moment nach, bei dem ich plötzlich tot hätte sein können.

„Bianca, was passiert mit einem nach dem Tod?“

„Du bist dann nicht mehr hier.“

„Ja schon klar. Und dann?“

„Wirst du bei der Auferstehung der Toten am jüngsten Tag auferweckt.“ sagte sie so ganz selbstverständlich.

Da ich ja wusste, dass sie fromm aufgewachsen war, wollte ich sie nicht mit einem abschätzigen Kommentar verletzen. Außerdem interessierte mich das Thema sehr.

„Klingt ja ganz nett. Und dann kommen wir alle entweder in den Himmel oder in die Hölle, richtig?“

Bianca nickte zustimmend. Doch dann fragte sie mich: „Und wohin möchtest du?“

„Keine Ahnung wohin ich kommen werde - falls das ganze überhaupt wahr ist.“

Schweigend gingen wir unseres Weges. Das Leben war zu real geworden um sich mit Glaubenstheorien zu beschäftigen. Ich hatte einfach nur Angst vor dem plötzlichen Sterben und suchte Trost. Der Gedanke an eine ewige Hölle ohne Ausweg machte das alles nicht viel besser.

Bianca setzte kurz ihren Rucksack ab, öffnete eine Seitentasche und nahm ein kleines Buch heraus. Mir war es bislang gar nicht aufgefallen. Als sie es aufschlug kam Ben von der Seite und schaute neugierig über die Schulter.

„Darf ich dir was vorlesen, Michael?“ fraget sie.

„Klar.“

„Hier steht etwas aus der Bibel: Gott erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren.“

Ich war verblüfft. Der kleine Text den sie vorgelesen hatte, löste schlagartig meine Ängste vor dem Tod auf!

„Er will uns ja gar nicht in die Hölle schicken? Verstehe ich das so richtig?“ hakte ich nach.

„Und er hat für deine Schuld bereits bezahlt, wenn du gut zugehört hast.“ ergänzte Bianca.

„Ja, mag sein. Aber ich wusste nicht, dass Gott mich eigentlich liebt und sich für mich interessiert.“

Bianca lächelte mich an und strahlte über beide Backen. Alles düstere war auf einmal verschwunden. Unglaublich! Über diesen Gedanken habe ich heute Abend immer wieder nachdenken müssen. Das ist eine echte Neuigkeit in meinem Leben.

47. Tag

Heute haben wir zum ersten Mal am Horizont die Berge schemenhaft erkennen können. Sie waren einfach plötzlich da. Auch konnten wir uns in einem kleinen Ort noch mal gut mit Verpflegung eindecken. Schade nur, dass bei dem einen Bauernhof die großen Käselaibe nach so vielen Jahren der Lagerung absolut nicht mehr zu gebrauchen waren. Wir überlegten, ob wir heute wieder einen Ruhe- und Badetag einlegen sollten. Da es recht friedlich in der Umgebung ausschaute, wurde dies einstimmig beschlossen.

Nachmittags lagen wir entspannt in der Sonne in einem der Obstbaumgärten. Die weißen und rosafarbenen Blütenblätter der Bäume rieselten bei leichtem Wind auf uns hernieder. Eigentlich hätte man schon hier ein neues Leben beginnen können, aber die Winter sind nur südlich der Berge überhaupt erträglich. Voll motiviert studierten wir ein paar Karten, um uns eine gute Route zu überlegen.

 

„Ich weiß nicht wie du das siehst, aber so eine Woche werden wir mindestens brauchen.“ schätzte ich die Situation ein.

„Ja das könnte in etwa passen.“

„Es ist gar nicht so einfach - hier geht kein einziger Pass rüber. Und hier gibt es einen See. Das geht auch nicht…“

„Dieses Tal vielleicht? das geht lange genug ins Gebirge rein bevor man auf die Höhe muss.“ schlug Bianca vor.

Ich schaute mir die Route genauer an. „Da haben wir mal Urlaub gemacht. Aber glaubst du, dass so ein Pass nicht gefährlich sein könnte? Vielleicht ist ein Wanderweg nicht besser?“

„Wir müssen uns halt vorher einigen und es dann ausprobieren.“

„Okay, ich bin einverstanden Bianca.“

Wir lehnten uns in die Gartenstühle zurück und genossen weiter den wunderbaren Sonnenschein. Was konnte das Leben so schön sein! Plötzlich spürte ich Biancas Hand nach meiner greifen. Ich ließ es mir gefallen, öffnete aber nicht die Augen. Auch wollte ich lieber nichts sagen oder fragen, sondern einfach nur den Moment genießen.

Am Abend saß ich noch eine ganze Weile nachdenklich neben den beiden anderen im Zelt. Ich betrachtete Bianca, ihr hübsches Gesicht, ihre Haare die ihr darüber fielen, die zarten Hände die aus dem Schlafsack herausschauten. Sie ist wunderschön!

„Kannst du nicht schlafen?“ fragte sie mich müder Stimme.

„Wahrscheinlich sollte ich das besser tun.“ Ich fasste meinen ganzen Mut zusammen und ergänzte: „Darf ich neben dir liegen und dich in den Arm nehmen?“

„Meinetwegen - sehr gerne, Michael.“

So kroch ich zu ihr rüber und legte mich vorsichtig an ihre Seite. Unsere Schultern berührten sich sanft und ich schlief sehr glücklich ein.

48. Tag

„Hast du gut geschlafen?“ Biancas Worte begrüßten mich sanft. Sie hatte mich von hinten in den Arm genommen und sich mit ihrer Nase in meinen Nacken gekuschelt.

„Prima. Und du?“

„Ja, auch.“

Ben lag uns gegenüber und schaute neugierig zu.

„Dir geht es auch gut, Ben?“ fragte ich.

Er nickte und lächelte uns freundlich an. Scheinbar freute er sich über uns beide, dass wir mittlerweile so gut miteinander klar kamen und gegenseitige Zuneigung empfanden. Für ihn war das bestimmt wie neue Eltern zu haben - eine richtige Familie…

Wir gingen aus unserem Zelt und machten uns für den Tag bereit. Die Sonne wärmte unseren Obstgarten auf und die Blüten in den Bäumen leuchteten fröhlich.

„Ich habe da gestern ein paar Hühner rumlaufen sehen. Vielleicht finde ich ja ein Nest mit Eiern? Die könnten wir uns zum Frühstück kochen.“

„Ja, gute Idee. Ben kann solange das Feuer anmachen.“ meinte Bianca während sie ihr Haar bürstete.

So ging ich in dem Ort auf die Suche nach den Hühnern. In einer Scheune fand ich dann schließlich ihr Versteck. Als ich zum Scheunentor hinaus wollte, sah ich am Hügel gegenüber etwas aufblitzen. Es war nur kurz gewesen, aber es war nicht normal! Sofort drehte ich mich zurück in den dunklen Schatten des Tores und blickte in die Richtung des Hügels. Da war es wieder - das Sonnenlicht reflektierte sich in irgendetwas was auf dem Baum war. Vielleicht ein Fernglas? Oder war es am Ende wieder dieser Lupus mit seinem Zielfernrohr? Wieso ließ uns dieser Typ nicht einfach in Ruhe - oder hatte er Bianca wiedererkannt?

Wenn ich jetzt wieder in den Garten zu den anderen zurückkehren würde, hätte er uns in ständiger Beobachtung. Im Moment war ich versteckt und könnte mich dichter an ihn ran schleichen. Nur leider hatte ich weder Messer noch Gewehr bei mir. Und mit seinem Zielfernrohr war er uns deutlich überlegen… Ich schaute mich in der Scheune um. Hier gab es allerhand Werkzeuge, ob für den Garten oder zum Reparieren von Maschinen. Aber alles wenn überhaupt nur für den Nahkampf geeignet. Mit seinem Gewehr wäre er mir aber haushoch überlegen. So blieb mir nichts anderes übrig als zu den anderen zurück zu kehren und sie zu warnen.

„Das hat aber lange gedauert.“ wunderte sich Bianca.

„Lass dir nichts anmerken - wir werden beobachtet!“

„Was? Wo? Bist du dir sicher?“

„Da oben vom Hügel. Ich habe ein Aufblitzen von einer Reflexion gesehen. Mehrfach. Vielleicht ist es ja Lupus? Vielleicht aber auch nicht.“ erklärte ich den beiden.

„Dann frühstücken wir am besten im Haus und überlegen was wir tun können.“

Während die beiden anderen sich schnell ins Haus zurückzogen, ging ich noch mal zum Zelt und wickelte unsere Gewehre und das Fernglas in eine Jacke ein, so dass man sie nicht gleich erkennen konnte. Aber ich war heilfroh endlich im Schutze des Hauses ohne Schaden sein zu können.

„Wir sitzen hier unten wie auf dem Präsentierteller und sind nun gefangen in diesem Haus.“ begann ich unsere Überlegungen.

„Wenn überhaupt, können wir nur in der Dunkelheit uns davonschleichen.“ schlug Bianca vor.

„Ich finde diesen Lupus überhaupt nicht witzig. Was ist das überhaupt für ein Typ der solche Spielchen mit uns spielt?“

„Er war, glaub ich, mal Polizist gewesen. Aber im Gegensatz zu den meisten anderen denkt er nicht an sein nacktes Überleben sondern sorgt nach wie vor für Gerechtigkeit - aber nach seinen Regeln.“

„Er nervt!“ missmutig fing ich an zu frühstücken und trank eines der Eier roh. Es war einfach ekelig, aber machte wenigstens satt.

„Wenn wir uns jetzt den ganzen Tag hier im Haus aufhalten, dann wird unser Beobachter wahrscheinlich merken, dass etwas nicht stimmt.“ warf Bianca ein neues Problem ein.

„Ich gehe da nicht mehr raus!“ Auch Ben schüttelte den Kopf.

Dann schlug ich vor: „Schauen wir uns auf dem Dachboden mal um. Vielleicht gibt es ja ein Fenster in diese Richtung?“

So stiegen wir die Treppe bis in den Speicher des Gebäudes hoch. Hier gab es tatsächlich ein kaputtes Fenster an dem ein Rest Gardine hing. So konnte man uns von außen nicht so gut erkennen. Mit dem Fernglas schaute erst ich, dann Bianca und auch Ben nach einem möglichen Beobachter. Da aber nichts Auffälliges zu sehen war, waren wir völlig ratlos.

„Kann ja sein er hat seinen Standort gewechselt. Er könnte jetzt überall sein...“ murmelte ich vor mich hin.

„Habt ihr das gehört?“ zischte Bianca plötzlich. „Da war was unten!“

Panik stieg in uns auf - wir hatten zwar unsere Gewehre mitgenommen, aber selbst wenn wir uns verteidigen könnten, derjenige bräuchte nur das Haus in Brand zu stecken und wir wären geliefert! Sofort suchte sich jeder lautlos ein Versteck. Irgendjemand ging durch das Haus, die Treppe hinauf und dann von Zimmer zu Zimmer. Bestimmt war er auf der Suche nach uns weil er gesehen hatte wie wir ins Haus gegangen sind.

Doch dann hörten wir zu unserer aller Überraschung, wie eine Stimme laut rief: „Bianca - seid ihr hier im Haus?“

„Das ist Lupus!“ zischelte Bianca aus ihrem Schrankversteck „Ich erkenne seine Stimme, hundertprozentig.“

„Na und? Er soll verschwinden!“ flüsterte ich zurück.

„Wird er aber nicht - am besten ich gehe zu ihm runter und…“

„Nein! Bloß nicht.“ ich war entsetzt bei dem Gedanken „Er wird bestimmt wieder gehen.“

Da tönte es erneut von unten: „Bianca - ist alles klar? Ich weiß dass ihr hier drin seid.“ Und nach einer Pause: „Haben die beiden anderen dir etwas angetan?“

Mir lief es eiskalt den Rücken herunter.

„Also gut.“ sagte ich zu Bianca „Dann geh zu ihm, aber sei am Himmels Willen vorsichtig!“

„Ja. Ich passe auf.“ Bianca kletterte aus ihrem Versteck „Aber ihr macht auch keinen Blödsinn, OK?“

„OK.“

„Sonst noch was?“ Bianca wartete noch einen Moment. Ich wusste genau was sie meinte und sagte:

„Ja. Ich mag dich sehr und möchte dich nicht verlieren.“

„Alles klar, Michael. Das gleiche wünsche ich mir auch.“

Dann ging sie Richtung Treppe und rief nach Lupus. Dieser antwortete nicht gleich sondern orientierte sich nach der Richtung woher die Stimme gekommen war.

„Ach, ganz oben bist du.“

„Hallo Lupus! Lange nicht mehr gesehen.“

„Hallo meine Kleine. Wo sind denn deine beiden Begleiter?“

„Sie haben Angst vor dir. Du hast sie neulich auch ganz schön erschreckt.“

„Ich dachte, du bräuchtest vielleicht mal wieder meine Hilfe?“

„Nein, die sind in Ordnung. Aber sie kennen dich nicht.“

„Verstehe. Lass uns runter in die Küche gehen.“

Danach haben wir leider nichts mehr verstehen können. Ben und ich saßen in unseren Verstecken und wussten nicht was wir tun sollten. Es klang zwar alles recht vertraulich, aber am Ende war das nur eine Falle um uns heraus zu locken? Am Ende tat er Bianca etwas an oder folterte sie? Wir hielten es für das Beste hier oben zu bleiben. Und wenn es Stunden dauern würde…

So war es dann auch. So ziemlich den ganzen Tag tat sich nichts. Uns hing der Magen schon durch, aber das war nicht so wichtig. Wir versuchten die Zeit mit dösen totzuschlagen, als gegen Abend wieder Schritte die Treppe hinauf kamen.

„Michael, Ben, ich bin’s Bianca.“ rief sie uns von unten zu. „Ich bin alleine. Lupus ist draußen beim Zelt. Ihr könnt jetzt herauskommen.“

Erst als sie in unserem Zimmer war, antwortete ich leise: „Ist das auch keine Falle? Geht es dir gut?“

„Ja klar doch. Alles gut. Ihr Armen wart die ganze Zeit hier oben versteckt?“

„Was denkst du denn?“ antwortete ich mürrisch.

„Kommt mit. Lupus hat uns jede Menge zu Essen besorgt. Ich habe ihm unseren Plan erklärt und er will uns helfen…“

„Du hast WAS?“ ich war stinksauer „Wir kennen den Typ überhaupt nicht und du erzählst ihm einfach alles??“

„Naja, er ist ein guter alter Freund von mir.“ Bianca war etwas verlegen „Kommt doch bitte mit und lernt ihn auch kennen.“

Ben war aus seinem Versteck gekrochen. Ihm taten aller Glieder weh. Er schaute zu mir rüber und nickte mit dem Kopf zur Seite, was so viel heißt wie: „Komm mit.“ Ich gab mich geschlagen und krabbelte auch hervor. So ganz wohl war mir bei der Sache immer noch nicht.

Draußen saß im Halbdunkel eine männliche Gestalt mit einem ziemlich beeindruckenden Gewehr auf dem Schoß. Er hatte einen Bart und seine Haare nach hinten zum Zopf zusammen gebunden. Er schien etwa zehn Jahre älter zu sein als ich. Das also war Lupus!

„Ihr seid ja ganz schön mutig bei dem was ihr da vor habt.“ sprach er uns beide an, während er uns von oben bis unten musterte. Als ich merkte, dass ihm mein Gewehr über der Schulter nicht gefiel, stellte ich es etwas entfernt von mir zur Seite.

„Es geht hier im Norden so nicht mehr weiter. Die Winter sind einfach zu kalt.“ erklärte ich ihm.

„Und im Süden ist es also besser?“

„Keine Ahnung. Warst du schon mal da?“

„Vier mal. Und es ist wirklich anders. Es leben dort viele Menschen aus allen möglichen Ländern - jeder der es noch rechtzeitig geschafft hat. Doch sie mögen keine Neuankömmlinge. Schon gar nicht mit einer Waffe…“

„Und wieso bist du nicht dort geblieben?“ wollte ich wissen.

Lupus überlegte. Dann sagte er: „Hier ist mehr Freiheit und mehr Raum zum Leben.“

„Klar - man ist hier ziemlich alleine für sich.“ spottete ich ein wenig und fügte hinzu: „Bis auf ein paar Spinner, die einen umnieten wollen.“

„Ich glaube“ sprang Bianca in unser Gespräch hinein „wir sollten erstmal was Essen, oder?“

Das war eine gute Idee! Und auch dringend nötig. Lupus hatte so einiges an leckeren Konserven mit dabei. Die waren echt lecker. Als alle satt waren und sich zum Schlafen hinlegen wollten, verabschiedete sich Lupus von uns:

„Ich komme morgen früh wieder. Dann reden wir über eure Reise weiter.“

„Gute Nacht Lupus!“ rief ihm Bianca noch zu.

Doch dann kam er noch mal auf mich zu: „Pass auf, dass du keinen Fehler machst! Ich werde bei dir genauso wenig Rücksicht nehmen wie bei den anderen. Auch wenn du Biancas Freund bist. Verstanden?“

„Und wer garantiert mir, dass mir heute Nacht nicht die Kehle durchgeschnitten wird? Hier kämpft jeder ums Überleben!“

„Dann frag dich mal warum du den Jungen und das nette Mädel dabei hast? Oder sind das auch deine Feinde?“

Lupus kam jetzt dichter an mich ran und ich konnte sein vernarbtes Auge sehen. Es war mir vorher gar nicht aufgefallen, doch nun sah ich, dass er auf einem Auge gar nichts sehen konnte. Sein Anblick war mir unheimlich.

 

„Ich weiß nicht… Sie sind halt eine Ausnahme.“ antwortete ich sichtlich nervös.

„Das sind aber ganz schön viele Ausnahmen, oder? Denk mal drüber nach.“

Dann drehte sich dieser Typ einfach um und verschwand mit seinen Sachen wieder in der Dunkelheit. Ich weiß ehrlich gesagt nicht so recht was ich von ihm halten soll. Hoffentlich sind wir ihn bald wieder los.