Ein unerwartetes Geständnis

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7





Eines Abends, es war schon etwas später, und die Weinstube bereits halb leer, betrat Simon das Lokal. Ich stand gerade an der Theke und bemerkte ihn sofort. Er war allein und in Zivil, schaute sich suchend um.



Wie groß er war! Was für breite Schultern er hatte!



Mein Herz klopfte schneller.



Als er mich erkannte, erhellte sein blendend weißes Lächeln das dunkle Gesicht.



Ich deutete auf einen leeren kleinen Tisch, der zu meinem Bereich gehörte, und Simon nahm Platz. Er drehte die Getränkekarte in seiner Hand hin und her. »Guten Abend, Fräulein Bärbel, ich freue mich sehr, Sie wiederzusehen.«



»Guten Abend, Simon. Ich freue mich auch.«



Mein Gesicht wurde heiß, auch das noch, es verfärbte sich dann rot, das wusste ich aus Erfahrung, und verriet meine Aufregung.



Er bestellte den gleichen Schoppen Wein wie beim letzten Mal.



Fritz hatte von der Theke die Szene bereits beobachtet und raunte mir zu: »Dein Verehrer ist wieder da. Diesmal allein. Das wird gefährlich. Oh, oh, oh Bärbelchen!« Er grinste und verdrehte die Augen.



Als ich Simon den Schoppen mit dem üblichen »Wohl bekomm’s!« servierte, fragte er mich, wann mein Dienst zu Ende sei. Er wolle auf mich warten.



Mein Herzschlag setzte aus. Es ist genauso, wie ich es mir in meinen Tagträumen gewünscht habe, schoss es mir durch den Kopf, war aber völlig unmöglich. Er konnte niemals hier auf mich warten. Fritz würde sich das Maul über mich zerreißen, auch Frau Hartmann wäre das sicher nicht recht.



Unauffällig raunte ich ihm zu: »Bin zwar schon in etwa einer Stunde fertig, aber hier können Sie nicht …« Verstohlen sah ich mich um. Wir redeten schon auffällig lange miteinander.



Simon begriff sofort.



»Ich halte mich so lange auf im

Olim

 schräg gegenüber. Bitte kommen Sie!«



Ich nickte kurz und wandte mich den anderen Gästen zu.



Aus den Augenwinkeln beobachtete ich, wie Simon langsam seinen Schoppen trank und mich dann zum Zahlen herbeiwinkte. »Bis gleich! Versprochen?«



»Versprochen!«, bekräftigte ich und sah ihn an.



Er lächelte und verließ mit einem lauten »Gute Nacht!« den Raum.



Bald danach schlossen wir das Lokal und räumten auf.



Als die Kollegen sich wieder mit Frau Hartmann zu einem »Absacker« an den runden Tisch setzten, gab ich Müdigkeit vor. Es wäre wahrscheinlich nicht groß aufgefallen, weil nicht immer alle zusammensaßen, sondern der ein oder andere immer mal wieder gleich nach Hause ging, wenn Fritz nicht gedröhnt hätte: »Na, Bärbelchen, noch ein kleines Rendezvous?«



Ich winkte ab, auch die anderen schüttelten genervt den Kopf. Dann trat ich hinaus ins Freie.



Die kalte Luft prickelte auf meinem heißen Gesicht. Ich blieb stehen und atmete tief durch. Das

Olim

 war eine Kellermusikkneipe kaum hundert Meter entfernt. Ich kannte die bogenförmige Lichtreklame über der Eingangstür, mehr jedoch nicht, ich war noch nie dort gewesen.



Mit erstaunlicher Klarheit war mir damals schon bewusst, dass mit jedem Schritt, den ich auf den Kellereingang zu tat, mein Leben eine Veränderung erfahren würde, deren Auswirkungen ich nicht absehen konnte. Dennoch zögerte ich keinen Augenblick. Ich wollte Simon sehen. So wie es einem Pluspol nicht gelingt, einem Minuspol auszuweichen, zog es mich zu ihm hin. Es musste einfach sein.



Schnell stieg ich die dunkle, steile Treppe hinab, die zu einer schweren Innentür führte. Mit einiger Anstrengung stieß ich sie auf.



Rauchschwaden waberten über den spärlich beleuchteten Kellerraum, der voll besetzt schien. Ich nahm eine kleine Bühne wahr, auf der ein Gitarrenspieler auf seinem Instrument herumzupfte.



Da stand schon Simon strahlend vor mir, nahm meine Hand und führte mich zu einem kleinen Tisch, an dem wir nebeneinander an der Kellerwand Platz nahmen. Die Zuhörer saßen dicht gedrängt, dem Kellner gelang es kaum durchzukommen.



»Was will dein Mädchen, Simon?«, schrie er zu uns herüber.



Sein Mädchen? Das war dreist. Schon wollte ich etwas erwidern, ließ es aber dann sein.



Die Lautstärke ließ nur ein Brüllen zu: »Ein kleines Bier!« Simon, der meine Irritation bemerkt hatte, erklärte, dass er Karl, der hier bediente, recht gut kenne, weil er öfter der guten Livemusik wegen hier sei. Der raue, aber herzliche Ton gehöre zu ihm. Daran solle ich mich nicht stören. Simon lachte: »Außerdem bist du doch wirklich hier meinetwegen, nicht wahr? Und ich bin glücklich darüber.« Er nahm meine Hand, die im schummrigen Kellerlicht noch heller leuchtete, in seine beiden warmen Hände und hielt sie einen Augenblick fest.



Wieder durchflutete es mich heiß. Als er sie freigab, schaute ich erstaunt seine hellen Handinnenflächen an.



Er grinste und drehte seine Hände hin und her: »Innen hell, außen dunkel!«



»Das habe ich nicht gewusst«, stotterte ich und lachte. »In unserem fränkischen Dorf gibt es keine …« Ich zögerte einen Augenblick, denn als Erstes war mir das Wort

Neger

 eingefallen, das aber in jüngster Zeit in Misskredit geraten war, und ich fügte schnell hinzu: »Schwarzen.«



»Nun, ganz schwarz bin ich nicht. Meine Mutter ist schwarz, mein Vater weiß. Übrigens … mein Vater stammt aus Deutschland. Er hat verlassen seine Heimat 1938. Dort er spielte Klavier in einer Jazzband. Sie wurde von den Nazis verboten, weil zwei Mitglieder waren Juden. Er emigrierte mit ihnen nach New York. Ihm war auch klar, dass es über kurz oder lang gibt Krieg. Sie schlugen sich durch mit ihrer Musik in kleinen Kneipen. Meine Mutter war in einer als Sängerin engagiert. So haben sie sich kennengelernt. Deshalb ich kann auch etwas Deutsch, wenn auch nicht so toll.«



»Aber nein, du sprichst …«



Die Musik setzte wieder ein, diesmal eine E-Gitarre, und erstickte jede Unterhaltung. Wir erhoben unsere Gläser und prosteten einander zu.



Wie gut das kühle Bier tat! Wir hörten einfach nur zu, sahen uns aber immer wieder an. Ich konnte gar nicht anders, als Simons sympathisches Lächeln zu erwidern.



Als er den Arm um mich legte, schmiegte ich mich hinein.



Sein Mädchen! Karl hatte recht.



Was für ein Glücksgefühl!



Nachdem der Gitarrist sich verbeugte, und heftiger Applaus aufbrandete, klatschte ich wie wild, obwohl mir die Musik viel zu laut war.



Simon nahm wieder meine Hand. »Erzähl mir von dir, Bärbel!« Wie selbstverständlich war er zum »Du« gewechselt.



Mit Wohlwollen nahm ich es wahr. In wenigen Sätzen schilderte ich ihm meine Situation, sparte aber vieles aus. Es reichte, wenn er die grobe Struktur kannte.



Er unterbrach mich nicht, zeigte mir jedoch sein Interesse durch Nicken.



Karl erschien, um zu kassieren, die Kneipe würde in einer Viertelstunde schließen.



Obwohl ich protestierte, lud Simon mich ein.



Karl sagte laut, dass es viele mithören konnten: »Spiel uns noch ein Stück zum Abschied, Simon! Was Romantisches für dein Mädchen!«



Ein zustimmendes Gejohle setzte ein.



»Los, Simon!«



»Bitte spiel noch ’nen Rausschmeißer!«



»Zeig, was du draufhast!«



Simon musste anscheinend hier schon öfter gespielt haben. Ich sah ihn fragend an.



Er lachte: »Na gut, aber nur ein Lied!«



Simon drängte sich zur Bühne durch und setzte sich an ein schwarz lackiertes Klavier, das von mir bislang unbemerkt im Hintergrund der Bühne stand. Er wartete einige Augenblicke, bis es still war, dann drehte er sich zu mir und sagte: »Für Bärbel!«



Das Gejohle setzte wieder ein, jedoch ein leichtes Heben seiner Hand ließ das Publikum schweigen. Er streckte seine Finger aus und begann leise zu spielen.



Mir kam die Melodie bekannt vor, wusste aber weder den Namen des Stückes noch den des Komponisten. Das war mir auch egal. Mich faszinierten Simons schwarze Finger auf den weißen Klaviertasten, wie sanft er über die Tastatur glitt, um sie in der mittleren Passage kräftig und laut zu bearbeiten und gegen Ende wieder nahezu zärtlich die Tasten zu streicheln. Was für ein sinnliches Spiel! Was für ein Mann!



Der letzte Ton verklang, ein Augenblick der Stille, dann heftiges Klatschen, Getrampel, Bravorufe!



Simon stand auf, verbeugte sich kurz und kam auf mich zu. Als er mich anschaute, nahm er ein weißes Taschentuch heraus und gab es mir.



Erst jetzt bemerkte ich, dass mir eine Träne das Gesicht heruntergelaufen war. Wie peinlich! Ich tupfte sie weg und gab ihm das Taschentuch zurück.



Im Gedränge verließen wir den Keller. Draußen war es kalt, mir klapperten die Zähne.



Simon legte den Arm um mich und begleitete mich wie selbstverständlich zu Tante Alices Wohnung.



Simon erklärte, er sei mit seinen Kameraden spätabends öfter im

Olim

 gewesen und kenne daher Karl recht gut. Seine Freunde hätten ihn immer wieder einmal aufgefordert, zum Abschluss ein Stück auf dem Klavier zu spielen.



»Du bist hervorragend, spielst wie ein Profi.«



»Aber nein. Dafür hat es nicht gereicht. Wäre sonst kaum gelandet bei der Army und hätte dich nicht kennengelernt. Das wäre doch schade gewesen.« Simon grinste und drückte meine Hand.



Auch ich musste lachen. Es war alles so leicht mit ihm.



Vor der Wohnungstür ließ er mich los, öffnete seinen Mantel, zog mich an sich und schloss ihn in meinem Rücken. Mein Gesicht presste ich an seinen Pullover. Ich sog seinen Duft aus Rasierwasser und frischem Schweiß ein.



Simon hob mein Kinn sacht an und küsste mich zart mit geschlossenen Lippen, wie man ein Kind küsst. Wir sahen uns in die Augen.



Und dann war ich es, die seine sinnlichen Lippen mit dem Finger suchte, ihre Konturen sanft nachzeichnete und ihm schließlich die meinen darbot. Seine Zungenspitze öffnete meine Lippen, alles war weich, leicht und zärtlich.

 



Wieder ließen wir voneinander ab und schauten uns an. Dann flogen wir aufeinander zu und küssten uns voller Leidenschaft. Mir fuhr ein Blitz durch den ganzen Körper, und ich fing an zu zittern. Simon drückte mich ein letztes Mal an sich und ließ mich dann aus dem Mantel schlüpfen.



Ich sperrte die Tür auf und hielt einen Augenblick inne. Alles ruhig. Erleichtert schlich ich in mein Zimmer. Obwohl es sehr spät war und ich müde sein musste, konnte ich nicht einschlafen. Jeden köstlichen Augenblick mit Simon ging ich in Gedanken noch einmal durch, spürte ihm mit allen Sinnen nach. Ich hatte mich total in ihn verliebt. Was für ein Geschenk!



Gott sei Dank konnte ich am folgenden Morgen ausschlafen. Ich hatte erst wieder gegen 17 Uhr Dienst.







8





Als ich am nächsten Tag die Weinstube betrat, war nur Fritz anwesend.



»Na, Bärbelchen, heute Nacht geschlafen? Kaum zu glauben, wie schnell sich ein ach so unschuldiges Kind vom Land verführen lässt. Die Schwarzen sollen sagenhafte Liebhaber sein, sagt man. Stimmt’s? Du brauchst nicht rot zu w…«



»Halt deinen Mund! Das geht dich gar nichts an. Außerdem ist alles ganz anders, als du es dir mit deiner schmutzigen Fantasie ausmalst.«



Fritz wollte zu einer Erwiderung ansetzen, aber Frau Hartmann betrat den Raum. Sie schaute uns an, grüßte, spürte wohl die angespannte Atmosphäre, sagte aber nichts dazu.



Der Abend verlief routiniert, ich blieb auf das letzte Glas Bier bei den anderen sitzen und war froh, dass Fritz vor mir ging. Das entspannte Plaudern mit den Kollegen tat mir gut.



Auf dem Heimweg sagte ich mir, dass ich Fritz’ doofe Bemerkungen einfach ignorieren wollte. Sollte er mir doch den Buckel runterrutschen! Ich war verliebt, ich war glücklich, alles andere konnte mir egal sein.



Im Verlauf der nächsten Woche schaute ich immer wieder nervös zur Tür. Warum rührte sich Simon nicht? War ich für ihn nur einer von vielen belanglosen Flirts? Das glaubte ich aber tief in meinem Innersten nicht. Bisher war ich immer stolz auf meine gute Menschenkenntnis gewesen. Aber ich hatte schließlich keinerlei Erfahrung mit Männern. Wie konnte ich mich da auf ein Gefühl verlassen?



Fritz, der tagelang keine dummen Bemerkungen mehr gemacht hatte, konnte sich nach einiger Zeit, wenn er meinen Blick zur Tür beobachtete, nicht verkneifen, fragend die Arme zu heben und frech zu grinsen.



Eines Abends jedoch, vielleicht eine Stunde bevor wir schlossen, betrat eine Gruppe Amerikaner die Weinstube. Sie hatte anscheinend den Tisch bei meiner Kollegin reserviert. Simon war unter ihnen. Er saß mit dem Rücken zu meinen Tischen, würdigte mich keines Blickes.



Mechanisch bediente ich meine Kundschaft, merkte, wie feucht meine Hände vor Aufregung wurden. Ich musste mich konzentrieren, um keine Fehler zu machen und nicht zu oft zu den Amerikanern hinzusehen.



Gott sei Dank war das Fritz’ freier Abend, so blieb mir wenigstens seine Häme erspart.



Aus den Augenwinkeln beobachtete ich, wie Simon und seine Kameraden aufstanden und ihre Jacken anzogen. Die anderen gingen hinaus, Simon war der Letzte.



Plötzlich drehte er sich um, kam auf mich zu und sagte laut: »Ach, da ist ja das Fräulein Bärbel! Guten Abend«, und reichte mir die Hand.



Ich spürte, wie er mir einen Papierschnipsel übergab. »Guten Abend!«, erwiderte ich und fügte ein lautes »Gute Nacht!« hinzu.



Sofort eilte ich zur Toilette und las, was Simon auf den Papierfetzen gekritzelt hatte: »In 20 Minuten vor dem Woolworth-Eingang«.



Ich schnaufte aus, strahlte mein Spiegelbild über dem Waschbecken an und bediente die letzte Viertelstunde beschwingt und besonders freundlich.



Frau Hartmann nickte mir anerkennend zu.



Ich beeilte mich, gleich nach Dienstschluss loszukommen, und hastete die Straße entlang.



Er wartet auf mich, jauchzte ich innerlich, auf mich!



Als ich um die Ecke bog, sah ich ihn unter dem Leuchtreklameschild des Warenhauses stehen. Ein gutaussehender, großer, kräftiger Mann! Ich flog auf seine ausgebreiteten Arme zu, er hob mich hoch und wirbelte mich herum.



»Verzeih, dass ich dich im Lokal so distanziert behandelt habe«, sagte er, nachdem er mich wieder abgesetzt hatte, »aber ich wollte nicht, dass du dort meinetwegen Unannehmlichkeiten bekommst.«



»Das wäre mir doch völlig egal!«, entfuhr es mir. Doch schließlich musste ich doch zugeben, dass sein Verhalten klug und rücksichtsvoll war. Frau Hartmann, so wohlwollend sie auch war, überwachte mich doch streng wie eine Mutter, und von den Kollegen hätte ich kaum Verständnis zu erwarten.



Simon hatte leider nicht viel Zeit, seine Kameraden warteten im

Olim

 auf ihn.



»Wann kann ich dich einmal längere Zeit sehen? Hast du frei am kommenden Wochenende?«



Meine Gedanken überschlugen sich. Eigentlich hatte ich meinen Eltern versprochen, mein kommendes freies Wochenende ganz bei ihnen zu verbringen, aber augenblicklich schaufelte ich einen Tag für Simon frei, unmöglich konnte ich ihm eine Abfuhr erteilen.



»Ich müsste samstags oder sonntags zu meinen Eltern, hätte aber den jeweils anderen Tag zur Verfügung. Wie schaut’s bei dir aus?«



»Samstag wäre perfekt. Den ganzen Tag, einschließlich Abend, ja?« Er lachte mich an.



»Passt, ich freue mich darauf.« Ich sang diesen Satz nahezu vor Freude.



Wir umarmten und küssten uns. Zum Abschied zog er einen postkartengroßen Umschlag aus seinem Mantel und steckte ihn in meine Jackentasche. »Eine Überraschung für zu Hause, Bärbel.« Dann musste er gehen.



Ich schwebte vor Seligkeit ins Haus.



Kaum hatte ich mein Zimmer betreten, öffnete ich den Umschlag. Mein Herz schlug schneller. Simons Porträt strahlte mir entgegen. In Schwarz-weiß. Was für eine positive Ausstrahlung er doch hatte!



Ich drehte die Fotografie um. »Für Bärbel, das Mädchen, in das ich mich verliebt habe. Simon.«



Überwältigt fuhr ich mit dem Finger seine geschwungene Schrift nach, dann drehte ich das Foto wieder um und küsste seinen Mund auf dem Papier.



Als ich wenig später, schon im Nachthemd, das Bad verließ, kam mir eine dunkle Gestalt in dem nur von Straßenlampen kaum beleuchteten Flur entgegen. Fast hätte ich vor Schreck aufgeschrien.



»Keine Angst, Bärbelchen, ich bin’s bloß.«



Fritz! Ich drückte mich im engen Gang an die Wand, um ihn vorbei ins Bad zu lassen, aber er blieb direkt bei mir stehen und stützte seine Hände rechts und links von meinen Schultern an der Wand ab, sodass ich nicht ausweichen konnte, berührte mich aber nicht. Sein Geruch nach Alkohol und Zigaretten nahm mir den Atem.



»Warst wohl mit deinem schwarzen Lover unterwegs? Na, Bärbelchen, gib’s doch zu!«, lallte er und lachte kurz auf. »Meine Alice und ich sind moderne Menschen, wir haben doch da keine Vorurteile. Soll doch jeder sich vergnügen, mit wem er will.« Er gluckste in sich hinein, gab jedoch den Weg immer noch nicht frei.



»Es gibt aber andere Leute, die da haben weniger Verständnis …«



Ich boxte ihn gegen die Brust, drückte ihn zur Seite und rannte in mein Zimmer, knallte die Tür zu und verriegelte sie.



Schnaufend lehnte ich mich gegen die geschlossene Tür und versuchte mich, durch bewusstes tiefes Atmen zu beruhigen. Dann zählte ich bis hundert. Das hatte mir schon oft in aufregenden Situationen geholfen.



Langsam gewann wieder die unbändige Vorfreude auf Samstag Oberhand, und mir gelang es, schnell einzuschlafen.



Am nächsten Morgen saß zu meinem Erstaunen Tante Alice noch am Frühstückstisch. Allein. Fritz musste wohl schon am frühen Morgen aufgebrochen sein. Sie hatte einen Arzttermin und musste deshalb erst gegen Mittag zur Arbeit gehen.



Ich schenkte mir Kaffee ein, und wir plauderten entspannt miteinander.



Plötzlich wurde meine Tante ernst: »Fritz hat mir erzählt, du hättest was mit einem Schwarzen von der Army.« Sie schaute mich an.



Ich erzählte ihr von Simon, verschwieg ihr auch nicht, dass wir den kommenden Samstag miteinander verbringen wollten und ich deshalb den Aufenthalt bei den Eltern auf Sonntag beschränken müsse.



»Und was sagst du deinem Vater?« Sie machte eine Pause. »Wahrscheinlich, dass du am Samstag jetzt doch arbeiten musst.«



Ich fühlte mich ertappt. Sie hatte den Nagel auf den Kopf getroffen.



»Mach, was du für richtig hältst!«, fuhr sie fort, »aber bitte erwarte nicht, dass ich deine Eltern anlüge. Und noch etwas: Von einem Mann aus der Army, egal ob schwarz oder weiß, darfst du nicht erwarten, dass er eine ernsthafte Beziehung zu dir eingeht. Die suchen doch nur ihr Vergnügen mit einem deutschen Fräulein. Dann ziehen sie weiter. Keiner bleibt hier ewig. Glaub mir, ich spreche aus Erfahrung.« Sie seufzte tief und schaute traurig aus.



Zum ersten Mal nahm ich auf ihrem ungeschminkten Gesicht Spuren erster Fältchen wahr.



Dann schaute sie mich wieder an und brachte mühsam ein Lächeln zustande. »Ich habe nichts dagegen, wenn du dich amüsi

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