Strasse nach Andalusien

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

„Darf ich Ihnen noch was bringen?“, unterbrach die Bedienung die heftige, aber inzwischen flüsternde Unterredung.

Rita bestellte einen doppelten Mojito, Manolo schloss sich ihr an. Er fühlte sich wie niemals zuvor seinem Leben in die Enge getrieben. Es gab keinen Plan, wie er irgendwelche bevorstehenden Unannehmlichkeiten bereinigen konnte. Er wirkte angezählt, aber noch lag er nicht auf dem Boden!

Rita bat ihn um Verständnis und gab zu, dass sie wusste, was in seinem Kopf vorging, aber sie steckte ebenfalls in der Sache. Wenn sie die Ware, also den Rollstuhl samt Inhalt hätten, könnten sie das Schiff wieder auf Kurs bringen, erläuterte sie. Schlimmerweise würde es für ihre Partner momentan aussehen, als würden sie alle ihr eigenes Ding durchziehen und mit so etwas würden diese Leute keinen Spaß verstehen.

„Die Polizei könnte euch nicht ewig beschützen, du musst das gemeinsam mit mir durchstehen!“

„Was ist mit Jesus?“

„Den lassen wir im Augenblick aus dem Spiel. Er stand nicht auf der Vertrauensliste meines Mannes! Dein Lebenslauf hat ihn mehr überzeugt, du hast nichts zu verlieren, keine Frau, keine Kinder, solche Leute sind meistens sehr zuverlässig!“

„Ihr seid ein übles Pack, das muss ich schon sagen! Menschenhändler, die einen gegen den anderen ausspielen. Was meinen Lebenslauf betrifft, ich war nicht immer lupenrein, aber das hier, ist eine ganz andere Dimension!“

Manolos Zorn in der Stimme verließ den Flüsterton erneut, aber nur, um sich bald wieder zu fangen.

Rita schlug vor, es im Moment so zu belassen und sich übermorgen wieder an gleicher Stelle zu treffen. Ihr war klar, dass alles Weitere zu nichts Besserem führen würde. Sie tranken schweigend ihre Getränke aus und verließen getrennt die Tejas Bar. Ein leichter Regenschauer zog über Torrejon de Ardoz, als Manolo wieder in das Haus seines Vaters zurückkehrte. Etwa zur gleichen Zeit fuhr Rita Ferrer mit unbekanntem Ziel aus der Stadt. Manolos ansonsten starke Nerven begannen sich einem Auflösungsprozess zu unterziehen, während er auf seinem Bett sitzend den Boden anstarrte.

Ich muss zur Polizei gehen! Ich sollte Jesus warnen. … Nein, Rita hat gesagt, er bleibt vorerst aus dem Spiel, das hat sie doch gesagt? Fuck, was gehen mich ihre Drogen Geschäfte an? Weiß Jesus tatsächlich nichts, oder steckt er mit diesem Vamp unter einer Decke und hat ihr meinen Aufenthaltsort verraten? Hat er das, hat er das getan, schrie es in seinem Kopf.

Manolo beschloss, Jesus vorerst nicht zu schreiben. Er misstraute ihm solange, bevor er nicht genau wusste, auf welcher Seite dieser stand. Kurz dachte er darüber nach, ob er Naimas Angebot, ihre Familie in Afrika zu besuchen annehmen sollte, oder doch lieber seinen Vater einweihen musste. Er schüttelte energisch den Kopf. Er würde niemanden in die Sache hineinziehen, so etwas hatte er noch nie getan.

Ich muss darüber schlafen und morgen, wenn das alles nicht nur ein schlechter Traum war, dann gehe ich zur Polizei!

Als Naima gegen 23 Uhr das Haus von Raul Ramon da Silva verließ, um in ihre Wohnung zu fahren, sah sie noch Licht in Manolos Zimmer.

Ich habe ihn gar nicht heimkommen gehört , dachte sie verwundert, dabei wischte sie mit ihrem Handrücken über den vom Regen, nassen Sattel ihres Fahrrades, stieg auf und fuhr los.

Das Läuten der Kirchenglocke weckte Manolo um sechs Uhr 30. Er rieb sich die Augen, sah sich zweifelnd um, als hätte er die Orientierung verloren, fand sich aber bald wieder in der Realität zurecht. Schnell beschloss er, sich nicht verrückt zu machen, sondern erst einmal die Tage bis zum Wiedersehen mit Rita abzuwarten. Er nahm sich vor, seinem Vater nichts zu erzählen und auch nicht zu Polizei zu gehen. Er beschloss, Jesus in die Ereignisse einzuweihen. Manolo zog einen Bogen Briefpapier aus der Lade seines Schreibtisches, setzte sich und fing an zu schreiben. Er wollte den Brief, falls er es schaffen sollte, noch auf dem Weg zur Arbeit, spätestens aber nach Dienstschluss aufgeben.

Als Manolo die Treppe des kleinen Hauses hinunterging, saß sein Vater schon am Frühstückstisch und las die Zeitung.

Manolo lehnte das von Naima angebotene Frühstück ab: „Ich bin spät dran Leute“, entschuldigte er sich, ohne sich nochmals umzudrehen.

Draußen stieg er auf sein Fahrrad und fuhr zum Sägewerk von Pablo Cortez. Der Brief war in seiner Jackentasche verstaut. Er fuhr am Postamt in Torrejon de Ardoz vorbei, ohne ihn aufzugeben. Er beschloss, den Abend des nächsten Tages abzuwarten.

Manolo schaffte es nicht, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren, was seinen Kollegen zu einem kleinen Seitenhieb in Manolos Richtung veranlasste.

„Kaum trifft Señor da Silva eine Frau, schon sinkt die Arbeitsmoral. Reden ist Silber, schweigen ist Gold! Wie war es denn, sag schon, lass mich nicht dumm sterben, Amigo!“

„Da gibt es nichts zu sagen Paco! Such dir selbst endlich eine Frau, die es mit dir aushält! Lass mich einfach in Ruhe, ist nicht mein Tag, Paco Ramirez! Okay?“

„Oh Mann, das war wohl nichts? Ich verstehe, ich lass dich in Ruhe! Übrigens der Chef ist heute ebenfalls nicht besonders gut zu sprechen. Es gibt Ärger mit einer Kundschaft, die mit unserer Qualität nicht zufrieden war.“

Zur selben Zeit bog ein Auto in den weitläufigen Hof des Sägewerkes ein. Es parkte, aber niemand stieg aus. Ein Mann beobachtete mit einem Feldstecher, die Szenerie durch das offenstehende Tor der Werkshalle.

Eine bestimmte Person schien sein Interesse zu erwecken.

„Der hat Nerven, geht zur Arbeit, als ob nichts wäre“, flüsterte der Mann.

„Ihm scheint das alles am Arsch vorbei zu gehen!“

„Nein, das ich denke nicht, sein gestriges Verhalten spricht dagegen!“, antwortete die Frau auf dem Rücksitz und meinte weiter, „er hat die Polizei nicht eingeschaltet, das spricht für ihn. Andererseits kann es auch auf eigennützige Motive hindeuten. Wie auch immer, wir werden die Nuss knacken, mein Lieber!“

Der Mann nickte, legte den Feldstecher zur Seite und startete den Wagen, sie schienen genug gesehen zu haben.

„Wir sehen uns morgen, Manolo da Silva!“, wisperte Rita Ferrer, während sie sich ihre Lippen vor dem Innenspiegel des Wagens nachzog.

Im Sägewerk verlief der restliche Arbeitstag relativ ruhig, trotzdem war Manolo froh, als er vorbei war, aber da hatte er nicht mit seinem Vater gerechnet. Dem alten Herrn war aufgefallen, dass sein Sohn nervös zu sein schien. Beim Abendessen bohrte er nach und stieß dabei auf Granit. Manolo meinte, er solle sich keine Gedanken machen, außerdem würde ihm sein Leben nichts angehen und sobald als möglich, würde er sich eine eigene Wohnung nehmen.

„Zum Durchatmen Vater“, fügte er gereizt hinzu.

Manolos Gespanntheit führte zu einer kleinen, aber heftigen Diskussion über die Vergangenheit. Er sprach vom frühen Tod der Mutter, die zu wenig Aufmerksamkeit von ihrem Mann erfahren hatte und einem Vater, dem das ganze Soldatengehabe, Ehre und penetranter Gehorsam stets wichtiger als seine Familie gewesen war und der alle Welt für seine Kriegsverletzung verantwortlich zu machen schien.

Das begonnene Essen stand längst kaltgeworden abseits. Niemand der beiden hatte noch Appetit.

Manolo trank sein Bier in einem Zug aus, das Wasserglas seines Vaters war halb voll, als beide aufstanden, um den Tisch zu verlassen.

Naima dachte sich beim Aufräumen, dass es schade wäre den Rabo de Toro, den geschmorten Stierschwanz einfach wegzuwerfen, deshalb füllte sie die schönsten Stücke in ein Behältnis. Sie spürte, dass die Rückkehr von Manolo in das Haus seines Vaters nichts Gutes brachte, aber sie war nicht in der Position, das zu intervenieren.

Während es Manolo vorzog, sich wieder in sein Zimmer zu begeben, nahm sein Vater den Krückstock und humpelte zur Eingangstüre des Hauses, drehte sich um und rief Naima zu: “Ich werde ein bisschen frische Luft schnappen, Sie können, wenn Sie fertig sind nach Hause fahren, und … “, meinte er ungewohnt salopp hinterher, “Nimm das Essen mit, wäre eine Schande es zu vergeuden!“

Naima bedankte sich und wünschte eine gute Nacht.

Manolo wurde immer klarer, dass er hier nicht mehr lange bleiben wollte und konnte. Es war wie früher, dasselbe Gefühl des Erstickens machte sich breit, als ob all diese Jahrzehnte nicht vergangen wären. Nur dieses Mal kam ein neuer Akt hinzu, einer der auf den Namen „Wings of Butterfly“ hörte und seit gestern ungewollter Zuwachs in seinem spärlichen

Englischvokabular war.

„Ich kann nicht mehr, hör auf, bitte, ich flehe dich an!“, schrie eine schmerzdurchtränkte Stimme.

„Du wirst mir alles sagen, oder ich schneide dir das andere Ohr auch noch ab, los sag schon!“

„Ich weiß nichts“, wimmerte die andere Stimme.

„Bitte nicht! Bitte …“, flehte der Mann mit gepeinigter Stimme.

„Wer nicht hören will, muss fühlen!“, sagte der andere mit singendem Ton und begann langsam das zweite Ohr abzuschneiden.

Ein verzweifelter Hilferuf begleitet von einem grausamen Schrei beendete das Leiden.

Schweißgebadet schnellte Manolo hoch, sah sich um und atmete tief durch.

„Ein Albtraum, oh Gott, nur ein Traum!“, seufzte er schweißnass. Ein leichter Luftzug, der durch das halb offene Dachfenster in den Raum zog, verschaffte ihm Erleichterung. Der Wecker zeigte zwei Uhr 42. Drei traumfreie Stunden erbat er sich vom Bild Marias an der Wand gegenüber, als er sich wieder in seine Decke einrollte. Um sechs Uhr 45 holte ihn sein Wecker aus dem restlichen Schlaf, die Kirchenglocken hatte er nicht gehört.

„Ach du heilige Scheiße!“, entfuhr es ihm, als er die Misere sah.

Der Regen, der irgendwann nach seiner Traumattacke eingesetzt hatte, schien einen Weg durch das halbgeöffnete Dachfenster ins Innere gefunden zu haben. Der Holzboden war gänzlich unter Wasser gesetzt. Er zog sich eine Hose an und holte aus der Küche alte Zeitungen, um sie auf dem Boden auszulegen. Blatt für Blatt legte er sorgfältig auf, als ihm ein Artikel ins Auge sprang.

 

Der spurlos verschwundene Kapitän der Flo …,

Weiter kam Manolo nicht, das Zeitungspapier saugte sich rasend schnell mit Wasser voll. Zu spät zog er den Fetzen mit einem Ruck aus der Lache heraus. Es würde nichts bringen, das minderwertige Papier auf die Heizung zu legen. Enttäuscht warf er den Rest des Blattes wieder auf den Boden.

Was bedeutet der verschwundene Kapitän , dachte Manolo angestrengt. Kann alles Mögliche sein, vielleicht heißt das gar nicht Flores, sondern ist nur ein ähnliches Wort, oder der Schiffsführer ist wiederaufgetaucht, oder…?

Moment einmal , brannte es in seinem Kopf , warum sollte so etwas hier in Torrejon de Ardoz in der Zeitung stehen? Eine Sache, die sich Hunderte Kilometer entfernt auf einem Schiff ereignet hatte?

Manolo schüttelte den Kopf. So eine große Sache war die Flores auch wieder nicht! Er beschloss, sich nicht verrückt zu machen und das Treffen mit Rita Ferrer abzuwarten. Sollte es keine entsprechende Lösung geben, würde er für eine Weile verschwinden. Er würde zu den Brüdern von La Salle fahren, dort würde ihn so schnell keiner finden. Während Manolo darüber nachdachte, schob er mit den Füssen die vollgesaugten Zeitungsblätter auf einen Haufen zusammen, hob das triefend nasse Matschpaket auf und ging hinunter in die Küche, um es in den Holzofen zu stecken. Sein Vater kam ihm entgegen.

„Was war heute Nacht los bei dir?“

„Was meinst du Vater?“

„Ich hörte dich schreien!“

„Ich hatte einen üblen Traum, einen Albtraum eben.“

„Ich dachte schon, …“ warf sein Vater ein, „ich müsste meine Pistole aus dem Schrank holen.

„Du und deine Waffen, das wäre zu spät gewesen!“, sagte Manolo mit frotzelndem Ton, „… aber nun etwas anderes Vater, abonnierst du überregionale Zeitungen auch?“

„Warum?“

„Nur so. …. Könnte mir die Stellenangebote ansehen“, fiel Manolo zu seiner Rettung ein.

„Ich bekomme zweimal die Woche die „El Pais“, die gibt es im ganzen Land.“

„Also doch!“, dachte sich Manolo und vermied es, seinem Vater von dem Missgeschick mit dem offenen Fenster zu erzählen.

„Du willst wieder weg?“, fragte sein Vater forsch. „Lange hast du es noch nie irgendwo ausgehalten, aber was soll ich dazu sagen, es ist dein Leben!“

Manolo erwiderte: „Das hat nichts mit dir zu tun. Ich denke, ich muss probieren, was noch geht! Ich werde nichts überstürzen. Jetzt jedenfalls muss ich zur Arbeit!“

Manolo ging zurück in sein Zimmer, holte seine Tasche, warf seine Jacke über den Arm und verließ das Haus. Auf Naimas Frage, ob er keinen Kaffee trinken wolle, dankte er ihr mit den Worten: “Ich werde es vermutlich bereuen, deiner ist doch der Beste, aber ich bin spät dran!“

Naima schmunzelte und drehte sich mit gestärktem Selbstbewusstsein zu Manolos Vater, der schweigsam über seiner Zeitung gebeugt dasaß, um ihm frischen Kaffee nachzuschenken.

An Manolos Arbeitsstelle lief es an diesem Tag sehr ruhig ab. Sein Chef stellte ihm aufgrund der momentanen miesen Auftragslage ein paar Tage Urlaub in Aussicht. Manolo war mehr als einverstanden damit, hatte sich doch sein eigener Urlaubsantrag, um den er ihn bitten wollte, hiermit erledigt. Um 17 Uhr verabschiedete sich da Silva von seinen Arbeitskollegen vor dem Tor des Sägewerkes. Gerade als er sich auf sein Fahrrad schwingen wollte, stieg ein Mann aus einem Auto, das er als das Fahrzeug von Rita Ferrer identifizierte.

Der unbekannte Mann rief: „Señor da Silva einen Augenblick bitte!“

„Was gibt es, kennen wir uns?“

Der Mann stellte sich als Tico Mendoza vor und behauptete, von Señora Ferrer geschickt worden zu sein. Manolo fiel sofort der andalusische Akzent des Mannes auf.

„Dachte ich mir schon, ist ja ihr Auto, mit dem Sie gekommen sind! Die Señora und ich wollten uns heute treffen. Ich habe es nicht vergessen, wie könnte ich auch!“

„Señor da Silva, Señora Ferrer bat mich, Sie zu der Finca zu bringen, die sie unweit von hier gemietet hat. Ich soll Ihnen sagen, dass Sie sich keine Sorgen zu machen brauchen. Es ist nur so, dass Señora Ferrer morgen in aller Früh abreisen muss, Sie verstehen das doch?“

„Oh ja, natürlich! Sicherlich hat sie ein paar dringende Geschäfte zu erledigen?“, erwiderte Manolo süffisant.

„Sie glauben doch nicht wirklich, dass ich mit Ihnen mitfahre, sehe ich so blöd aus?“, fügte er noch hinzu.

„Ich verstehe Sie, allerdings was haben Sie für eine Wahl? Ich denke, Sie wissen, was damit gemeint ist!“

„Huhu, huhu, mir schlottern schon die Knie Mendoza!“

„Ich denke wir sparen uns das Affentheater, Sie werden einige Informationen von Señora Ferrer erhalten und danach, oder spätestens morgen, bringe ich Sie wieder zurück. Bei Bedarf bekommen Sie ein Zimmer, nichts weiter! Ich kann Ihnen mitteilen, dass, so wie es jetzt aussieht, die Sache für Sie bald ausgestanden ist! Okay?“

„Was ist konkret Ihre Aufgabe? Chauffeur, Bote … Nein sagen Sie nichts, ich muss es gar nicht wissen!“

„Von allem etwas Señor da Silva und noch ein bisschen mehr!“

Manolo merkte schnell, dass der Mann gar nicht so selbstsicher war, wie er vorgab.

„Señora Ferrer will sich nur erkenntlich zeigen. Sie haben sehr besonnen reagiert und keine voreiligen falschen Entscheidungen getroffen, jedenfalls bis jetzt, nicht wahr?“

„Wer weiß? Möglicherweise habe ich mich nach all den versteckten Drohungen rückversichert!“, zwinkerte Manolo Rita Ferrers Handlanger selbstbewusst zu.

„Die Welt ist schlecht und wer nicht wagt, der nicht gewinnt, Mendoza! Ich komme mit zu Señora Ferrer, allerdings muss ich vorher noch eine Kleinigkeit erledigen.“

„Das wäre?“

„Wie ich schon sagte, eine Kleinigkeit! Wir treffen uns am Bahnhof! In 30 Minuten?“

Wenn Sie nicht da sind Señor da Silva, dann verstehen wir Sie als Problem, den Rest können Sie sich denken!“, sagte Tico Mendoza mit ärgerlicher, aber auch gefährlich warnender Stimme.

„30 Minuten, keine Minute länger!“, fügte er in demselben Ton hinzu.

Manolo wartete, bis Mendoza mit dem Auto aus dem Hof des Sägewerkes gefahren war, griff in seine Jackentasche und war sich sicher, nun den Brief an Jesus Romero abzuschicken.

Er muss wissen, was sich hier abspielt, um sich für den Fall der Fälle vorbereiten zu können. Warum zum Teufel hat Jesus keinen Telefonanschluss , ärgerte sich Manolo gedanklich.

Während er mit dem Fahrrad zum Postamt fuhr, ging er im Geiste den Text seines Briefes durch und beschloss, diesen zu ergänzen. Im Postamt holte er das Schreiben hervor, begab sich an einen der Tische, öffnete den Brief und fügte ein paar Zeilen hinzu. Er beendete den Brief mit den Worten:

Man begegnet sich im Leben immer zweimal. Ich hoffe, dass dies auch für uns gilt?

Gruß, Manolo

Beim Verlassen des Postamtes grübelte da Silva, ob es nicht besser gewesen wäre, den Brief als Einschreiben abzusenden. Die Entscheidung zurückzugehen, oder es zu belassen, wurde ihm abgenommen, als er sah, wie ein Postbeamter die Tür abschloss. Manolo blickte auf die Uhr des Bahnhofs gegenüber. Er steuerte direkt auf den davorliegenden Kiosk zu und erwarb Zigaretten. Er öffnete die Packung, holte einen Glimmstängel heraus, zündete ihn an und wartete. Kaum halb geraucht kam Tico Mendoza mit dem Auto von einem der Parkplätze vorgefahren, beugte sich zur Beifahrertüre, öffnete sie und winkte ihm. Manolo warf die Zigarette weg, spuckte aus und stieg ein.

Unterwegs führten die beiden Männer keine nennenswerte Konversation. Manolo interessierte sich für Ticos Part in der Sache, deshalb fragte er Mendoza, ob er den Padre kennen würde. Dieser gab sich wortkarg und meinte, dass er dazu nichts sagen würde und da Silva solle es unterlassen, ihn auf seinen Chef, oder den Unfall anzusprechen.

Manolo wurde hellhörig: „Unfall. …?“

„Natürlich, Unfall was sonst? So steht es in dem Polizeibericht da Silva, den Sie kennen müssten! Keine Leiche, keine Motive zu welchem Ergebnis sollte man da groß kommen, außer dem, dass es ein Unfall war, oder da Silva?“

„Für mich wäre das ein Vorteil, dann würde ich nicht ständig von euch verdächtigt werden!“

„Stimmt, aber da ist noch eine andere Kleinigkeit, eine klitzekleine Kleinigkeit!“

Manolo antwortete nicht, sondern zündete sich eine Zigarette an, drehte das Fenster hinunter und blies den Rauch in den warmen Abendwind. Je länger sie fuhren, umso nervöser wurde er. Seine hektischen Züge an der Zigarette verrieten ihn. Wirre Gedanken steigerten seine Beunruhigung auf ein Unermessliches, in seinem Kopf drehte sich ein Karussell.

Soll ich bei der nächsten Gelegenheit aus dem Auto springen, verschwinden und zur Polizei gehen, warum bin ich nicht gleich da hin?

Bevor Manolo sein Gehirn weiter zermartern konnte, folgte Tico Mendoza, nachdem er eine scharfe Rechtskurve eingeschlagen hatte einem Feldweg, an dessen Ende eine kleine Finca zu sehen war. Manolo sondierte die Umgebung und stellte fest, dass dieses Anwesen das einzige Haus weit und war. Mendoza fuhr direkt vor die Eingangstüre.

„Okay wir sind da!“

Sie stiegen aus. Manolo schnappte sich von der Rückbank seine Jacke und folgte Tico ins Haus, wo sie bereits erwartet wurden.

Rita Ferrer eilte sofort auf ihren Gast zu und gab ihm die Hand.

„Manolo, ich habe uns was zu Essen gemacht. Es ist nur eine Kleinigkeit. Du hast bestimmt Hunger.“

„Bitte keine Umstände, aber nach diesem langen Tag kann ich etwas vertragen!“

Die Anspannung wich aus seinem Gesicht.

„Tico, bringst du unserem Gast ein Bier? Ich hole die Tapas aus der Küche und dann essen wir.“

Tico öffnete den Kühlschrank. Er griff nach zwei San Miguel, eine angebrochene Flasche Rotwein nahm er aus dem Weinregal. Schwungvoll stellte er alles auf den Tisch, auf dem Besteck, ein Korb mit Weißbrot und eine kleine Karaffe Olivenöl standen. Er öffnete zwei Flaschen Bier, erhob sich erneut, holte aus einer Vitrine zwei Biergläser und einen Schwenker für den Rotwein. Als er Manolo eines der Gläser hinstellte, schob dieser es dankend zurück.

„Ich trink das Bier aus der Flasche, reine Gewohnheit.“

Mendoza zuckte mit den Achseln und schenkte sich Bier in eines der Gläser ein. Anschließend kandierte er den Rotwein und goss die rubinrote Köstlichkeit in ein teures Kristallglas. Rita stellte eine große Silberplatte mit appetitlichen Tapas auf den Tisch. Sie hob ihr Glas und prostete den beiden Männern zu. Manolo prüfte unterdessen das Angebot der Tapas und krallte sich eines mit Schinken, träufelte etwas Olivenöl darauf und aß es. Sein knurrender Magen siegte über die anfänglichen Hemmungen, er griff nun ordentlich zu. Señora Ferrer, die selbst nichts außer Wein zu sich nahm, zeigte sich erfreut über Manolos Appetit.

„Freut mich, wenn es schmeckt, ich habe noch welche in der Küche!“

„Tico, könntest du mir einen Sherry bringen und anschließend würde ich mich gerne mit Manolo unterhalten!“

Mendoza verstand die Nachricht, stand auf und verschwand mit seinem Bier in der Hand.

„Er ist wohl einer Ihrer universellen Mitarbeiter?“, deutete Manolo an.

„Tico ist eine verlässliche Kraft, sehr loyal, manchmal ein bisschen impulsiv, das liegt wohl in seinem Blut. Nun zu dir Manolo …! Wir müssen heute eine Lösung finden, denn morgen ist es zu spät! Mein Mann hat dich auf der Flores in seine Kabine geholt, weil er dachte, dass du der Richtige für uns bist. Unabhängig, keine Familie, ständig auf der Suche nach Jobs. Uns war klar, dass deine Situation stark verbesserungswürdig ist, deshalb beschlossen wir, dich für uns zu gewinnen.“

„Warum nicht Jesus? Viel mehr hat er auch nicht zu bieten.“

„Zu naiv! Ganz einfach, zu naiv! Ich will ehrlich sein, Jesus Romero war ein Fehler! Der Padre pflegte die Idee euch beide als Kuriere auszubilden. Das heißt, einer von euch würde zum Schein im Rollstuhl landen und seinen Part übernehmen, oder eventuell auch ihr beide, um die Lieferquote zu erhöhen!“

„Was wäre passiert, wenn einer von uns nicht darauf eingestiegen wäre, dann wären Schwierigkeiten zu erwarten gewesen, die irgendwer, irgendwie lösen musste, nicht wahr, Rita?“

 

„Man soll nicht immer gleich das Übelste annehmen! Es gibt immer einen Ausweg! Ich bin mir der Risiken bewusst, aber glaube mir, wer nichts wagt, gewinnt eben nichts! So ist das Manolo! Hattest du nie das Gefühl, etwas nicht erreicht zu haben, weil du zu gutmütig oder nicht die nötige Durchsetzungskraft aufgebracht hast?“

„Klar des Öfteren, nur hatte ich andere Pläne, um vorwärtszukommen, illegale Geschäfte waren nicht dabei!“

„Illegal, immer wieder illegal! Mensch sei nicht so naiv! Was denkst du, machen all die ganzen Alphatiere in den Konzernen oder Industrien? Ich könnte ewig damit fortfahren mein lieber dummer Manolo! Diese Heuchelei, da bekomme ich Kopfweh davon, nicht zu vergessen unsere korrupten Politiker! Wir bedienen die Nachfrage des aufstrebenden neuen Marktes. Jeder muss schauen, wo er bleibt, ansonsten bleibt er am Ende des Tages übrig, so wie du!“

„Eure Geschäfte liefen immer über die Flores?“

„Ausschließlich! Der Padre hatte einen Deal mit dem Kapitän, der natürlich mitschnitt.“

„Der Kapitän steckt mit euch unter einer Decke? Deshalb sein geringes Interesse, bei der Suche nach dem Padre! Jetzt ist für mich einiges klarer! Der Schiffsführer hatte seine Finger im Spiel und hat den Padre verschwinden lassen. Schließlich wusste er am besten, wie er das anstellen konnte, ohne Spuren zu hinterlassen! Der Zeitungsartikel handelte also doch von der Flores und dem Kapitän!“

„Was meinst du damit Manolo, welcher Artikel?“

„Ich konnte nur einen Fetzen der Überschrift lesen, der Rest war durchnässt. „DER KAPITÄN DER FLO ...“, weiter ging es nicht, keine Ahnung was sonst noch in dem Artikel stand. Weißt du es?“

„Natürlich Manolo und es ist keine schöne Geschichte, in die unser Kapitän geraten ist. Holst du mir bitte eine Flasche Rotwein aus dem Schrank! Ich habe richtig Lust auf ein weiteres Gläschen und du? Möchtest du noch ein Bier, den Wein kann ich dir auch empfehlen!“

Als Manolo aufstand, um den Rotwein zu holen, beobachtete er durch einen Spalt der offenstehenden Türe, wie Tico Mendoza an einem Fotoapparat hantierte. Er öffnete den Weinschrank und sah eine Reihe von Flaschen.

„Rita, welche soll es denn sein?“, fragte er nach.

„Nimm den Chilenischen, der passt sehr gut!“

Manolo drehte einige Flaschen, um das Etikett lesen zu können, und fand schließlich den gewünschten Wein.

Rita bat ihn, einen Korkenzieher mitzunehmen, was Manolo wieder Gelegenheit gab, durch den Türspalt zu spähen. Tico steckte einen Blitzwürfel auf den Apparat und drückte zum Test einmal auf den Auslöser, ohne ein bestimmtes Ziel zu fotografieren.

Manolo bemerkte nicht, dass Rita ihn beobachtete. Sie stand auf, ging zu ihm hin und strich sanft über sein Gesäß. Er erschrak ein wenig. Bevor er etwas sagen konnte, hatte Rita die geöffnete Tür geschlossen. Sie holte den Korkenzieher aus einer Lade des Weinschrankes und wedelte damit vor Manolos Augen, der sie verdutzt ansah.

„Da haben wir den Schlüssel zum Genuss. Tico ist beschäftigt und allein trinken macht keinen Spaß, also bleiben nur wir zwei übrig!“

„Ich werde ein Glas mittrinken, aber dann ist Schluss, schließlich sollte ich einigermaßen fit zur Arbeit erscheinen.“

„Ach da mach dir mal keine Sorgen, bei mir ist noch keiner ertrunken.“

„Ertrunken ist gut Rita, wenn man bedenkt, dass dein Mann auf einem Schiff verschwunden ist!“

Rita seufzte und reichte Manolo den Korkenzieher. Er ergriff ihn, zögerte kurz und öffnete die Flasche. Señora Ferrer zündete sich eine Zigarette an, nahm sie aus dem Mund und steckte sie in Manolos, bevor sie eine Weitere für sich selbst ansteckte. Manolo spürte immer mehr, wie ihm die Situation aus den Händen glitt.

„Ich möchte erst einen kleinen Schluck probieren, um zu sehen, ob er in Ordnung ist.“

Manolo schenkte ein wenig der Flüssigkeit in das Glas. Sie roch kurz daran, schwenkte den Inhalt leicht und nahm einen Schluck.

„Grandios, was für ein herrlicher Wein!“, war ihr klares Urteil.

„Ich habe mir von den Vermietern dieser Finca einen gut sortierten Weinvorrat ausbedungen, wie ich sehe, haben sie Wort gehalten!“

Unbemerkt von den beiden wurde die geschlossene Tür wieder einen Spalt breit geöffnet. Ritas belangloser Redefluss nahm mit leicht ansteigender Stimme zu, so als gelte es, etwas zu übertönen. Sie wollte die Aufmerksamkeit ihres Gastes ganz auf sich ziehen. Seine durch den ungewohnten, schweren Wein nachlassende Reserviertheit, registrierte sie mit Genugtuung. Tico Mendoza spannte nach jeder Fotografie den Film weiter, der Blitzwürfel dreht sich synchron dazu. Als seine Chefin das Glas erhob und über da Silvas Brust streichelte, drückte er etwas zu hastig auf den Auslöser. Der rasch ausgeführte Kuss auf Manolos Mund wollte ihm deshalb nicht mehr gelingen.

In Tico Mendoza stiegen Versagensängste hoch. Rita hatte den Vorgang mehrmals in unmissverständlichem Unterton mit ihm durchgesprochen. Panisch suchte er nach neuen Blitzwürfeln, seine Gesamtsituation drohte dabei komplett auseinanderzubrechen. Seine Unterlippe begann vom verzweifelten darauf beißen leicht zu bluten. Er bemerkte es erst, als er sich den rinnenden Schweiß von der Stirn wischte. Seine Lage wurde durch den Umstand verschlimmert, dass seine asthmatischen Beschwerden bei aufkommender Hektik auszubrechen drohten. Rasch holte er sein Inhalationsfläschchen aus der Jackentasche, steckte den Aufsatz in den Mund und drückte viermal hastig ab. Tiefe Lungenzüge erleichterten im Nu seine Beschwerden, die ihm seine einstigen Pläne, in der Corrida als Stierkämpfer zu agieren, zunichtegemacht hatten. Sein Trainer meinte damals mit herablassendem Unterton, dass er mit diesem schwachen Nervenkostüm und der ungestümen Art keine Aufnahme erwarten könne. Das Asthma tat sein Übriges dazu. Die Grundfeste der Ausbildung lauteten: „Ein großes Herz, Fleiß, Gelassenheit und eine Portion Demut“, Tugenden, welche Tico Mendoza verwehrt blieben.

Ohne von den Schwierigkeiten Mendozas zu ahnen, lief Rita zur Höchstform auf. Schamlos knöpfte sie die Hose des inzwischen wehrlosen Manolos auf und holte seinen von ihr liebevoll genannten Jadestab heraus. Sie tauchte den Finger ihrer rechten Hand in das Rotweinglas und ließ lasziv ein paar Tropfen auf seinen Penis träufeln. Rita bückte sich und saugte das kostbare Nass von seinem zur vollen Pracht ausgefahrenen Freudenspender. Manolo strich ihr dankbar mit geschlossenen Augen und offenen Mund übers Haar.

Wie aus heiterem Himmel stoppte er, die stärker werdende Lippenmassage.

„Rita hör auf, kam es mit entschuldigender Stimme, wir sind nicht allein! Mendoza steckt irgendwo, ich fühle mich nicht gut dabei!“

Manolo stand auf, packte sein Teil ein und zog entschlossen den Reißverschluss zu.

„Hey, entspann dich, was ist los mit dir? Vergiss Tico! Ich will ein bisschen Spaß, das ist alles. Schon einmal daran gedacht, dass ich keinen Mann mehr habe und trotzdem hin und wieder gevögelt werden will, aber wenn du unbedingt willst, fahre ich dich nach Hause, obwohl so einen kleinen süßen Tod, hätten wir uns schon verdient, aber gut, du willst ja nicht!“

„Von welchem Tod sprichst du eigentlich?“

Rita lachte gurrend auf und erklärte Manolo, dass die Franzosen bei einem vorzüglichen Orgasmus diesen Ausdruck verwenden würden.

Manolo war erstaunt und änderte in diesem Moment seine Meinung: „Schick Mendoza weg, dann bekommst du deinen kleinen süßen Tod, denn du scheinbar dringend brauchst.

Mendoza hatte sich inzwischen hinter der Tür positioniert. Das heftige Treiben Ritas und die erregten Laute seines Kontrahenten ließen ihn physisch kapitulieren. Er hatte das Gefühl ausgebootet zu werden, nachdem er die Drecksarbeit erledigt hatte. Wütend stellte er fest, dass Rita mit ihm nicht annähernd so kooperativ war wie mit diesem Idioten.

Sie will mich loswerden, kein Zweifel! Ich muss ruhig bleiben, darf mich nicht aufregen.

To koniec darmowego fragmentu. Czy chcesz czytać dalej?