Strasse nach Andalusien

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Der Bus parkte und alle Ankommenden stiegen aus.

Auf seinem vorgeschriebenen Kontrollgang blieb der Fahrer plötzlich stehen und fluchte. Mit einem kräftigen Fußtritt weckte er einen Schlafenden in der letzten Reihe.

„“Endstation, raus hier, ich will endlich Feierabend machen!“

Manolo da Silva glotzte ihn verdutzt an, rieb sich die Augen, nahm seinen Seesack und ging wortlos an dem Chauffeur vorbei. Im Freien warf er seinen Sack über die Schulter, und sog gierig die frische Meeresluft ein. Ein Griff in seine Hosentasche entlockte ihm ein zufriedenes Nicken. Er zog den Rest der Annonce, heraus, steckte sie wieder ein und schritt mit flotten Schritten hinauf ins Dorf. Eine streunende Katze folgte ihm in sicherem Abstand. Mit Sicherheit lag es an seinem Geruch im Allgemeinen und möglicherweise an den in seinen Zahnzwischenräumen verweilenden Thunfischresten seines vorhin genossenen Sandwiches. Die Katze verschwand bald in ein altes Haus und Manolo da Silva in einer Fischermission.

„Was treibt Sie in unsere verlassene Gegend?“, wollte der Mann hinter dem Tresen neugierig wissen.

„Eigentlich bin ich auf der Suche nach Arbeit“, kam es als Frage und Antwort.

„Na ja, bei Fremden sind die Leute hier sehr zurückhaltend. Was können Sie denn, mein Freund?“

„Alles wofür man geschickte Hände braucht.“

„Hört sich gut an Señor, dem Akzent nach zu urteilen sind Sie, …?“

… “Madrilene“, kam Manolo seinem Gegenüber zuvor.

„Ich bin zwar stolz darauf, aber diese Stadt ist trotzdem nichts für mich!“

Im Radio spielten sie Traditionelles, der Papagei im Käfig über dem Tresen krächzte hemmungslos dazu.

Am späteren Nachmittag schien das Dorf langsam zu erwachen. Das auf dem Marktplatz herrschende bunte Treiben, zog zwei Männer an, die noch nichts voneinander ahnten.

„Heute Fischtag!“, war auf einem Plakat zu lesen.

Die Fischer verkauften und verlosten schlussendlich die restlichen Fänge, die von den staatlichen Kühltransporten der Fischindustrie nicht benötigt wurden.

„Ein Los zehn Peseten“, schrie ein auf einer Kiste stehender Riese in die Menge.

„Kauft Leute, bevor das Zeug zu stinken beginnt!“

Es schien, als würde das Los heute auf die Katzen und Vögel fallen, die Leute waren mit den Fangresten nicht zufrieden.

„Pepe“, schrie einer dem Mann auf der Kiste zu.

„Du kannst deiner Frau heute Fischsuppe kochen, es bleibt genug übrig!“

Das Gelächter war ihm sicher, wusste jeder Einzelne der Anwesenden, das Pepes Frau jenseits der 110 kg wog und es wurde ständig mehr. Fast zur gleichen Zeit wandten sich zwei Männer in verschiedene Richtungen schlendernd von dem Treiben ab.

Einer schüttelte den Kopf und lächelte in sich hinein, der andere blieb ernst.

… Mit nachdenklicher Miene zog ich mich vom Fischmarkt zurück, hob einen Arm in die Höhe, machte den Achsel-Test und wusste, dass es höchste Zeit war, das Hemd zu wechseln.

Also ging ich zu meinem Auto, wo ein frisches Teil auf dem Rücksitz lag.

Je näher ich dem Wagen kam, desto mehr spürte ich, dass etwas nicht stimmte! Ich begann hastig zu laufen.

Einige Meter davor, sah ich die Bescherung. Irgendwer hatte sich bemüßigt gefühlt, mir die Seitenscheibe einzuschlagen und zwei Reifen platt zu stechen. Ein Blick ins Innere ließ mich aufatmen. Hier war nichts entwendet worden, sogar mein Hemd lag zerknüllt wie zuvor auf dem Rücksitz. Der Radiokassettenspieler mit dem Demoband war ebenfalls noch da. Sollte ich zur Polizei gehen? Gab es hier überhaupt eine Station? Mit festem Tritt auf einen der kaputten Reifen, begleitet von einem Fluchen, beschloss ich, erst mal eine Mission aufzusuchen.

Ein oder besser zwei Drinks sollten meinen Ärger runterspülen. Ich nahm das Hemd und ging. Immer noch wütend, traf ich in der Mission ein, setzte mich an die Bar und bestellte.

„Schlechter Tag?“, kam es über die Theke.

Ich hob missmutig den Kopf und starrte den Kerl an.

„Wie kommen Sie darauf?“, gab ich sarkastisch zurück und brummte angefressen, „Irgendwelche Idioten haben meinen Wagen demoliert und aufgebrochen!“

„Oh Mist, heute scheint kein guter Tag, um Helden zu zeugen“, wollte er mich trösten.

„Wahrlich nicht“, seufzte ich ihm zu.

„Wissen Sie, Señor was komisch ist?“, fuhr der Barbesitzer fort.

„Das ganze Jahr über, sieht man hier keine drei Fremden, heute sind Sie schon der zweite!“

Ich sah ihn verdutzt an, ohne zu wissen, wie relevant das für mich werden würde. Während sich der Mantel des Abends über das Fischerdorf Santa Rosita legte und sich ein Mann mit zunehmend belangloser, von Rotwein begleiteter Konversation in einer Mission die Zeit vertrieb, begab sich ein anderer in das Postamt, um zu telefonieren.

Er kramte die Nummer aus seiner Hosentasche, obwohl er sie inzwischen auswendig wusste.

Eigentlich hatte er bei seinem ersten Anruf, den er unterwegs in Tarifa getätigt hatte, schon einen Termin für das Vorstellungsgespräch bekommen, aber er wurde gebeten, sich nochmals zu melden, sobald er in Santa Rosita eingetroffen wäre. Die Frau am anderen Ende der Leitung, hatte ihm mitgeteilt, dass er in Santa Rosita genauere Informationen bezüglich des Treffpunkts erhalten würde.

Wenn das funktioniert ist es gut, wenn nicht, dann werde ich mich hier trotzdem nach einer Arbeit umsehen, fühlte er sich in seinem Entschluss, hier gelandet zu sein bestätigt.

Er ging ins Postamt, störte die Schalterdame bei ihrem Kreuzworträtsel und telefonierte in Kabine zwei.

Ein paar Minuten später und um eine Information reicher, bezahlte er das Telefonat.

„Ein Grenzfluss zwischen Mexiko und den USA mit neun Buchstaben“, rief sie ihm nach, als er das Postamt verlassen wollte.

Er drehte sich um, zählte mit seinem Fingern und sagte stolz, „Rio Grande, Señora!“

Sie bedankte sich und lächelte an diesem Tag das erste Mal. Manolo da Silva eilte in Richtung “Casa Debrisette” davon. Eine Stunde, bevor zwei Männer die Treppen der besagten Casa emporsteigen sollten, saßen sie getrennt voneinander in der Bodega des Hauses. Der Größere der beiden, bestellte einen Rioja, der Kleinere nahm ein Bier deutscher Marke.

Beide hingen sie ihren Gedanken nach, oder beobachteten das Geschehen.

Nur einmal kreuzten sich ihre Wege und Blicke, als einer von der Toilette kam, die der andere gerade aufsuchte.

Der Kleinere der beiden, blickte auf dem Rückweg auf seine Uhr, ging zur Bar, bezahlte sein Bier, hob seinen Seesack vom Boden auf und verließ die Bodega.

Der andere folgte ihm in einem Abstand von fünf Minuten. Stolz trug er sein frisches Hemd, auf dem eine rote, rausgestreckte Zunge zwischen wulstigen Lippen auf der Brusttasche seine Lieblingskapelle signalisierte.

… Ich verließ das Lokal und sah, wie eine männliche Person die Treppe hochstieg.

Das ist doch der Kerl von eben ..., klingelte es in meinem Kopf.

Vermutlich war er derjenige, auf den der Mann im Rollstuhl warten wollte, bevor er uns mit den Einzelheiten des Jobs vertraut machen würde. Auf alle Fälle benötigte ich langsam etwas Geld. Der Wagen musste repariert werden und die Miete war auch fällig!

Jetzt wollte ich Klarheit und ging ebenfalls die Treppe hoch.

Ich begab mich zuerst in mein Zimmer, nahm einen Schluck aus dem Wasserhahn und fuhr mir mit der feuchten Hand durchs Haar.

„Los jetzt!“, ermutigte ich mich und ging hinüber zu Nr. 112.

Energisch klopfte ich an.

“Kommen Sie herein“, drang es im Befehlston nach draußen. Als Erstes fiel mir auf, dass das Zimmer heute ein wenig heller zu sein schien, oder war das eine Sinnestäuschung?

„Wir haben Sie schon erwartet Señor Romero!“, empfing mich der Rollstuhlfahrer vom Vorabend.

„Ich möchte Ihnen Señor Da Silva vorstellen“, deutete er dem Finger ihn die Richtung des Mannes, den ich in der Bodega gesehen hatte.

Also doch er, dachte ich mir insgeheim.

Da Silva kam mit einem Schritt auf mich zu und streckte mir seine Hand zum Gruß hin. Ich erwiderte seine Geste ebenfalls wortlos.

„Meine Herren“, unterbrach der Mann, den ich ab sofort Orson nannte.

„Ich kann für die Reise nur einen, loyalen und fähigen Mann gebrauchen! Die Frage lautet deshalb, wer wird es sein?“

Witzelnd warf ich ein: „Wir könnten uns ja duellieren, der Sieger hat den Job!“

„Gute Idee“, fand mein Kontrahent belustigt.

„Wo ist denn die Frau von gestern?“, wollte ich die Situation ein bisschen für mich ausnutzen, um dem anderen zu suggerieren, dass ich einen möglichen Informationsvorsprung hatte.

„Was wollen Sie den von ihr?“, nahm mir Orson gleich wieder den Wind aus den Segeln.

„Ich wollte mich für das Zimmer und die frisch bezogenen Decken bedanken.“

„Keine Ursache Señor Romero, ist alles auf mein Geheiß geschehen, also ich nehme Ihren Dank auch an!

Die Señora organisiert letzte Details, die meine bevorstehende Abreise betreffen, um Ihre Neugier zu befriedigen! Im Übrigen möchte ich keine unnötigen Fragen beantworten, Sie verstehen?“

„Nun meine Herren setzen Sie sich, schenken Sie sich einen Sherry, oder was auch immer ein und lassen Sie uns zur Sache kommen!“

„Darf ich rauchen?“, fragte da Silva in den Raum.

„Mir wäre lieber nicht, aber wenn es sein muss, dann meinetwegen.“

Ich zuckte gleichgültig mit den Schultern, schenkte mir einen Sherry ein und setzte mich wieder.

„Señors, ich bin Geschäftsmann und organisiere eine notwendige Geschäftsreise zur „Baja California, Sie wissen doch, wo das ist?“

 

Wir beide verneinten zügig.

„Wir sprechen hier von einem Bundesstaat im Nordwesten von Mexiko. Ich habe dort einige Immobilien, die es zu verwalten gilt“, ergänzte Orson.

„Da ein Flug für mich keinesfalls zur Debatte steht, muss die Überfahrt auf einem Schiff erfolgen und dazu brauche ich Unterstützung. Natürlich komme ich für alle anfallenden Spesen auf! Ich habe vor, länger in Mexiko zu verweilen, deshalb können Sie selbstverständlich die Rückreise per Flugzeug antreten.“

Argwöhnisch unterbrach ich seine Ausführungen. „Wieso nehmen Sie sich keine kräftige Krankenschwester von einem Behindertenhilfsdienst, sondern suchen Hilfe per Zeitungsinserat?“

„Nun, da gebe ich Ihnen recht, die letzten Jahre ging es auch noch ganz gut allein. Ich hatte nach meinem Unfall zu meiner Betreuung eine Krankenschwester, die Dame war gelinde gesagt, eine Furie, deshalb ist das keine Option mehr. Außerdem finde ich, dass ein unbedarfter Mann, der eine solche, dazu noch bezahlte Reise machen kann, doch motivierter zu sein scheint.“

„Ich auf jeden Fall“, bestätigte da Silva.

„Sind wir die einzigen Kandidaten?“, wollte er noch wissen.

„Es waren schon einige Bewerber aus der Umgebung hier. Die meisten stellten jedoch unverschämte Ansprüche, wenn man bedenkt, dass es sich großteils um Arbeitslose handelte, denen ich die Möglichkeit einer Reise mit Spesenersatz angeboten habe. Mehr ist nicht drin, darüber sollten Sie sich im Klaren sein!“

Nach einer kurzen Pause überraschte Orson uns mit einem zusätzlichen, unerwarteten Angebot. Er wurde überraschend persönlich.

„Wenn ihr für längere Zeit abkömmlich seid, könnte ich mir vorstellen, euch beide zu nehmen. Natürlich nur, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.“

„Die da wären?“, wollte ich gleich wissen.

„Ich erwarte die Gewährleistung von Loyalität in hohem Ausmaß. Was darunter zu verstehen ist, werdet ihr in betreffenden Situationen erfahren. Als Geschäftsmann hat man Feinde, Konkurrenten und Mitbewerber.

„Klingt sehr dramatisch“, kam es mit einer Brise Sarkasmus gewürzt von da Silva.

Ich nickte dazu.

„Dramatisch ist vielleicht übertrieben, trotzdem gab es hin und wieder Ärger mit den Mexikanern. Hauptsächlich wegen eines Grundstückes, das einer eingesessenen Familie gehörte und jetzt in meinem Besitz ist. Das andere Problem waren ein paar Bodegas, die ich gekauft habe. Dabei handelt es sich um solche wie die da unten“, dabei zeigte er mit dem Finger auf den Boden.

„Ach, die gehört auch Ihnen, dann sind Sie ein vermögender Mann, Señor. Wie darf man Sie überhaupt ansprechen?“

„Señor da Silva, sagen Sie einfach Padre zu mir!“

„Padre, … Vater, damit habe ich jetzt wohl zwei davon!“, sagte da Silva mit Blick auf mich gerichtet.

Für mich war der Padre immer noch Orson!

Dieser Name wird auch so bleiben, dachte ich mir, wobei Padre Orson würde ebenfalls passen!

In mir keimte ein Gefühl der Unsicherheit auf. Ich bekam Selbstzweifel, ob das Ganze richtig für mich war. Verstohlen beobachtete ich da Silva. Dieser schien mir sehr selbstbewusst zu sein, so wie er hier auftrat.

Ich konnte es mir nicht erklären, aber ich hatte das Gefühl, als ob wir uns schon einmal begegnet wären. Während ich darüber nachgrübelte, ließ ich ihn nicht aus den Augen. Mein „Déjà-vu“ wurde harsch von Orson unterbrochen. Er meckerte über unser fragwürdiges Aussehen, bezog dies auf unsere Kleidung und meinte, dass er das auf keinen Fall dulden würde. Neue Hosen, Hemden und Sakkos müssten besorgt werden. Einige Flaschen des besten Sherrys sollten mit auf die Fahrt und fünf Päckchen Präservative der Marke „Lucky Beast“.

„Sind die verlässlichsten“, schob er lässig nach.

Wir wunderten uns, schwiegen jedoch. Für ihn würden die bestimmt nicht sein, war meine Vermutung.

Einige Minuten später verabschiedete uns Orson mit

einer ordentlichen Menge Bargeld zum Einkauf der „bestimmten Dinge“ für den Herrn und dem Hinweis am folgenden Tag um zehn Uhr wieder bei ihm zu sein. „Pünktlich!“, wie er mit Nachdruck betonte.

Zunächst gingen wir in unsere Zimmer, da Silva quartierte zwei Türen neben meinem.

Gelangweilt checkte ich meinen Pass und stellte fest, dass dieser nur noch einen Monat lang gültig sein würde. Ich überlegte, ob ich Orson davon in Kenntnis setzen sollte, verwarf den Gedanken jedoch gleich wieder und setzte mutig auf die Nachsicht der Zollbeamten.

Angestrengt dachte ich über da Silva nach. Das Gefühl, ihn zu kennen, ging mir nicht aus dem Kopf. Ich würde ihn fragen, dann hätte ich Antworten, oder auch nicht. Ich wollte wissen, woher er kam und was er so getrieben hatte. Ich überlegte krampfhaft, ob ich bei seinen Gesprächen mit Orson irgendwas aufgeschnappt haben könnte, das Licht in mein Dunkel bringen würde. Er hatte von Madrid und Barcelona gesprochen, mehr fiel mir dazu nicht mehr ein.

Vermutlich bilde ich mir das alles ein, erklärte ich mir mein Gedankenkarussell selbst, ohne zu ahnen, wie sehr ich mich täuschte.

Müdigkeit überfiel mich und so legte ich mich ins Bett. Bevor ich einschlief, hörte ich, wie draußen im Flur jemand an meinem Zimmer vorbeiging. Das Knarzen des Bodens war nicht zu überhören.

Da Silva …, wahrscheinlich genehmigte er sich noch einen Schlaftrunk unten in der Bodega. Sollte ich auch nochmals? Schluss jetzt, durchkreuzte ich den verlockenden Gedanken.

Ich hatte in den letzten Tagen und davor genug in mich hineingeschüttet, speziell nach der Jobpleite im Sticky Fingers. Immer noch grübelnd, schlief ich schließlich ein. Am nächsten Morgen wurde ich gegen halb acht von Hühnergeschrei geweckt. Nach einer erfrischenden Dusche zog ich mich an und ging zu da Silvas Zimmer, lauschte an der Türe und als ich nichts hören konnte, klopfte ich. Nichts rührte sich, ich probierte es etwas energischer.

„Was gibt’s?“, drang seine Stimme ärgerlich nach außen.

„Romero hier, bist du fertig? Wir sollten ein paar Erledigungen machen, oder?“

„Es dauert noch ein Weilchen bis ich wieder in Form bin Romero. Wie steht es mit Frühstück hier?“, wollte er wissen.

Ich antwortete, dass in der Bodega wohl etwas zu bekommen sein sollte, und ging voraus. Zwar war ich keiner, der einem Frühstück viel abgewinnen konnte, aber heute machte ich eine Ausnahme. Vielleicht lag es auch daran, dass es kostenlos war, auf Geheiß von „Orson “

Eine halbe Stunde später traf da Silva in der Bodega ein und setzte sich zu mir.

Kauend bot er mir an: „Du kannst Manolo zu mir sagen, jetzt wo wir Partner sind, oder besser gesagt, das bezahlte Hilfspersonal des Padre!“

„Okay, ich bin Jesus “, willigte ich in das Angebot ein.

„Wie ist das passiert?“, dabei zeigte ich auf den Daumen seiner rechten Hand, der steif war.

“Das ist mir als Junge passiert, als ich eine Hundehütte für einen Pfaffen gezimmert habe. Ein Nagel durchbohrte die Sehne. Ist kein Problem, ich kann damit alles machen, das wichtig für mich ist. Anfangs, du wirst lachen, wischte ich mir den Ar ..., entschuldige, na du weißt schon … mit der linken Hand ab. Glaub mir, das war gar nicht so einfach.“

Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.

„Was denkst du Jesus, ist eine großartige Sache so einen Job zu bekommen, oder? Wenn das hier vorbei ist, dann werde ich mich in dieser Gegend nach Arbeit umsehen.“

„Ja ist eine Gelegenheit, die man wahrnehmen sollte! Bezahlter Urlaub sozusagen, aber trotzdem ein wenig merkwürdig meiner Meinung nach.“, fügte ich noch hinzu.

„Merkwürdig? Nein, wieso? Man sieht, dass der Padre Unterstützung braucht. Er hat mir erzählt, dass er keine Familie, oder sonstige Verbindungen außer seiner Sekretärin hat, die allerdings schon in Richtung Baja California abgereist ist.“

„Ach so“, unterbrach ich ihn, „deshalb hat sie sich nicht mehr sehen lassen. Hast du sie nicht kennengelernt? Die macht schon was her!“

Manolo schmatze sein Schinkenbrötchen hinunter, ohne auf meine Schilderungen einzugehen.

Vielleicht macht er sich nichts aus Frauen, kam mir in den Sinn. Falls es so sein sollte, war das für mich in Ordnung.

Ob er den Kaffee laut schlürfte, weil dieser zu heiß, oder es eine blöde Angewohnheit war, nervte mich nur mäßig. Ich tat es ihm gleich. Da Manolo nach dem Frühstück immer noch nicht fit war, machte ich mich allein auf den Weg in ein Bekleidungsgeschäft. Nachdem ich eine neue Hose, ein Hemd und ein dazu passendes Sakko gekauft hatte, beschloss ich, meine Frau anzurufen und ihr die Neuigkeiten zu schildern.

Sie war überrascht von mir zu hören und wünschte sich zum wiederholten Mal, dass wir es bald schaffen sollten, einen Teil des „Camino de Santiago“, zu pilgern.

„In Gedenken an unsere Tochter Yandra“, ermahnte sie mich.

Wie viele Male zuvor, versprach ich es ihr möglichst glaubhaft wieder. Ich hörte den Zweifel in ihrer Stimme, als sie sich von mir verabschiedete. Als ich aus dem Postamt trat, kam mir Manolo mit vollen Einkaufstaschen entgegen.

“Jesus schau!“, er zeigte mir voller Freude den Inhalt einer der Taschen.

Der Ledergeruch brauner Cowboystiefel stieg mir in die Nase. Ich schnalzte mit der Zunge, um ihm meine Bewunderung zu zeigen. In Wahrheit machte ich mir nichts aus solchen Stiefeln, ich wollte höflich sein, was er sichtlich genoss.

„Schlangenleder „, erklärte er mir, „… und der Padre hat das bezahlt! So kann es gerne weiter gehen.“

Imitat dachte ich ohne Schadenfreude.

„Nun sollten wir uns aufmachen zu „Padre Orson “, schlug ich vor.

„Orson? Wieso nennst du ihn Orson?“, fragte Manolo.

Ich erklärte ihm, dass der Padre dem englischen Schriftsteller Orson Welles zum Verwechseln ähnlichsehen würde.

„Okay, ich kenne den zwar nicht, aber wenn du meinst?“

Am Himmel versuchte die Sonne, die Überhand über das Wolkenmeer zu bekommen, was ihr nicht gut gelang. Es tröpfelte, als wir in der Casa Debrisette eintrafen.

Um Viertel nach zehn klopften wir an Orsons Türe. Diese wurde uns von einem Mann mittleren Alters geöffnet. Orson rollte unruhig hin und her, der Grund dafür wurde uns schlagartig bewusst.

„Zehn Uhr war ausgemacht! So geht das nicht Señors! In meinem Zustand und dann keine verlässlichen Partner, wie stellt ihr euch das vor“?

Wir sahen uns verdutzt an, bevor ich unseren Fauxpas mit den verschiedenen Besorgungen rechtfertigte. Degradiert gaben wir die Dinge, die für ihn bestimmt waren, ab.

„Señors, das ist einer meiner Mitarbeiter. Er hat heute die Schiffskarten besorgt. Morgen 16 Uhr ist Abreise, pünktlich versteht sich! Solltet ihr noch etwas benötigen, könnt ihr euch an meinen Mitarbeiter wenden, ansonsten ist morgen 14 Uhr 30 euer offizieller Dienstbeginn, und zwar hier!“

Ich beobachtete Orsons Mitarbeiter, der den Inhalt der Einkaufstaschen leerte, insbesondere die „Lucky Beast“ Präservative schienen sein Interesse zu wecken.

„Alles in Ordnung?“, fragte Orson.

Der Typ nickte kurz.

„So Señors, dann bis morgen!“, Orson schien uns loswerden zu wollen.

„Bis Morgen!“, antworteten wir. Manolo war genauso erleichtert wie ich, dass wir uns verziehen durften.

Nachdem ich ein Nickerchen gehalten hatte, checkte ich meine Sachen, indem ich sie aufs Bett legte. Was nicht mehr benötigt wurde, packte ich in eine Reisetasche. Die Hose, das neue Hemd und Unterwäsche hängte ich sorgfältig über eine Sessellehne.

Als ich fertig war, ging ich zum Fenster, öffnete es und sog genussvoll die frische Luft ein. Ich überlegte, ob ich mein Auto in eine Werkstätte bringen, oder besser einen Platz zum Unterstellen suchen sollte, bis ich wieder im Lande war und hoffentlich genug Geld für die Reparatur haben würde.

Ich machte mich auf dem Weg. Als ich an Orsons Zimmer vorbeikam, hörte ich durch die einen spaltweit, offenstehende Türe, dass er telefonierte. Soweit ich verstand, sprach er englisch. Neugierig geworden, konnte ich mich dem Reiz nicht entziehen, blieb stehen und lauschte. Er sprach über „zwei neue Praktikanten“, die er als naiv und unbedarft einstufte und falls das nicht funktionieren würde, gäbe es immer noch einen „Plan B“. Ich tat das Gehörte als geschäftliche Angelegenheiten ab und ging zu meinem beschädigten Auto.

Dort angelangt, setzte ich mich hinein, schaute mich um und öffnete das Handschuhfach. Ich durchforstete den Inhalt, der aus alten Strafbelegen für falsches Parken und einem kleinen, halb leeren Fläschchen Wodka bestand. Bei meinem Versuch, den Wagen zu starten, fiel mir die Hülle der Demo Kassette in die Hände. Sie war leer! Diese verdammten Ganoven, haben die etwa? ... Saubande! Mein Blick flog förmlich zu meinem Autoradio. Mit einem Schmunzeln wusste ich, wenn ich jetzt auf die Auswurftaste drückte dann … und genau so war es, die Kassette sprang fast freudig heraus.

 

Ich schob sie wieder hinein, schaltete das Gerät ein, stellte die Rückenlehne nach hinten und genoss ein paar Songs.

Hasta Manana, Vida, Corazon y Apasionado”…

Den Nachmittag verbrachte ich wieder in der Fischermission. Der Besitzer schlug mir vor, mein Auto kostenlos unterzustellen. Dankend nahm ich an.

„Eine Ansichtskarte wäre nett“, dabei zeigte er auf eine beachtliche Sammlung hinter ihm.

„Klar, das ist wohl das Mindeste, das ich als Gegenleistung machen kann!“, versicherte ich ihm.

Bei meinem letzten Besuch hatten wir über das Zeitungsinserat, auf das ich mich bewerben wollte, gesprochen. Der Wirt erkundigte sich, ob ich den Job bekommen hatte. Ich beschloss, ihn über den Padre auszuhorchen. Leider wusste er über Orson nicht viel zu berichten.

„Der Padre, wie sie ihn alle nennen, den sieht man so gut wie nie, aber solange ist er hier noch nicht ansässig. Die Casa Debrisette ist seine Niederlassung!“, fügte er noch hinzu.

Als ein Gast sich zu uns an die Bar setzte, wollte ich nicht mehr darüber sprechen und versuchte sofort, das Thema in eine andere Richtung zu lenken. Ich wählte das Übliche, wenn man nichts zu fragen oder zu sagen hatte … Wetter, Politik und sonstiger Firlefanz, der mich nicht interessierte. Der neue Gast sprang dennoch erfreut darauf an und schimpfte mit Feuereifer über die Regierung, als gäbe es kein Morgen mehr. Aus seinen Tiraden ging hervor, dass ihm etliche Zulagen gestrichen worden waren.

Ich wollte wissen, in welcher Branche er tätig ist.

„Ich bin Pensionist und arbeite nebenbei als Hundefänger“, war seine knappe aufgekratzte Antwort.

„Ja und was passiert mit den Tölen?“, hakte ich nach.

„Ab und zu nimmt ein Tierheim einen der armen Köter, aber die sind meist überfüllt! Wenn sich gar nichts anderes auftut, dann muss man sie leider beseitigen, es ist eine Schande! Schuld sind nur diese verantwortungslosen Leute, zuerst muss ein Hund her und wenn sie keine Lust mehr darauf haben, werden die armen Tiere ausgesetzt.“

Seine Stimme wurde immer zorniger.

„Ich fahre mit denen, die nicht krank sind umher und versuche, sie irgendwo unterzubringen.“

Je energischer seine Schilderungen wurden, desto mehr sah ich in ihm einen kläffenden Köter. Er legte aufgeregt nach.

„Was waren die froh darüber, dass ich mich darum gekümmert habe, als immer mehr Touristen in die Gegend kamen und ihre Köter hier aussetzten. Ich konnte zu meiner kläglichen Rente einige Peseten dazuverdienen, aber auf einmal hieß es, dass kein Geld mehr zur Verfügung stehen würde, alles politisch … diese Lumpen! Eine Schande ist das! Verstehst du das überhaupt?“

Ich seufzte und spendierte ihm ein Bier, das er in einem Zug leerte, bevor er die Mission dank und grußlos wieder verließ.

Als der Abend über das Fischerdorf Santa Rosita hereinbrach, ging ich zurück zur Casa Debrisette.