Unternehmenskriminalität ohne Strafrecht?

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3. Schlussfolgerungen

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Um ein letztes Mal auf Kaisers „verwirrend bunte Palette“[1] der Wirtschaftskriminalität zurückzukommen: Sie ist, wie erwartet, nicht auf einen „Grundton“ zu bringen – sieht man von der Kompetenzzuweisung aus § 74c GVG ab. Dennoch lassen sich zahlreiche Aspekte festhalten, die eine Erhellung der Wirtschaftskriminalität im Allgemeinen und der Unternehmenskriminalität im Besonderen bedeuten und die nochmals rekapituliert werden:

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Sutherlands Konzeption bleibt ein wesentlicher Bestandteil der Beschreibung von Wirtschaftskriminalität, denn sie trägt in ihrer Differenziertheit mehr zur Diskussion bei als die Skandalisierung des Respekts vor sozialen Eliten.[2] Es sprechen zum einen Gründe dafür, wie Sutherland einen sehr weiten Bezugsrahmen für Wirtschaftskriminalität zu wählen — insbesondere im Hinblick auf ihre „Teilmenge“, die Unternehmenskriminalität: summiert sich nämlich wirtschaftsdeviantes[3] Verhalten in einem Unternehmen dadurch, dass beispielsweise immer wieder die Sicherheit auf Kosten der Schnelligkeit vernachlässigt wird, kann genau dieser – lediglich deviante Faktor – später zu einer strafrechtlich relevanten Rechtsgutsverletzung großen Ausmaßes führen.[4] Summieren sich die erwähnten „Unehrenhaftigkeiten“ und moralisch fragwürdigen Verhaltensweisen, kann dies – wie im Fall des Churnings oder Scalpings[5] – dazu führen, dass strafrechtliche Grenzen neu gezogen werden müssen. Diese in besagtem „Grau wirtschaftlicher Grenzmoral“[6] befindlichen Abweichungen von Anfang an mit in die Betrachtung einzubeziehen, scheint angesichts des immer noch „unterbelichteten“ Untersuchungsgegenstands Unternehmenskriminalität notwendig. Grundsätzlich soll also alles, was ohnehin schon in den Gegenstandsbereich kriminalsoziologischer Forschung gehört und von Sutherland als „social injurious“ bezeichnet wurde, einbezogen werden; neben strafrechtlichen und ordnungswidrigkeitensrechtlichen Tatbeständen also zudem solche Verhaltensweisen, die von anderen Normen als den in Strafgesetzen fixierten abweichen.[7] Auf dieser Grundlage können dann weiter Kriterien entwickelt werden, nach denen strafloses in strafwürdiges Verhalten umzudeuten ist. Dabei gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass eine lähmende Wirkung auf die Wirtschaft zu vermeiden ist: Ökonomische Fehlentscheidungen oder individuelles Versagen auf der Leitungsebene können nicht zwangsläufig zu einer Strafbarkeit führen; schon gar nicht zu einer Unternehmensstrafbarkeit.[8] Zum zweiten ist die vielfach kritisierte Täterorientierung unverändert wertvoll für die Beschreibung von Wirtschaftskriminalität. Die Ausrichtung auf die Person des Wirtschaftsstraftäters allein kann hierbei natürlich nicht überzeugen. War die Betonung der gesellschaftlichen Herkunft vor dem Hintergrund der damaligen kriminologischen Herangehensweise verständlich, so bedarf es angesichts einer weichenden Scheu,[9] auch Vorstandsvorsitzende anzuklagen, heute weniger dieser sozialkritischen Komponente. Gleichwohl verhilft die personenbezogene Überlegung zu einem vollständigen Bild der Wirtschaftskriminalität und ist vor dem Hintergrund der Prozesse um die aus der Gesellschaft „herausragenden“ Wirtschaftsstraftäter wie Kenneth Lay, Jeffrey Skilling oder Bernard Ebbers eine erstaunlich aktuelle Perspektive. Letztlich sind es nämlich doch bestimmte Tätermerkmale, die das Phänomen Wirtschaftskriminalität in zweierlei Hinsicht charakterisieren: hinsichtlich der Zugangsmöglichkeit und hinsichtlich des Schadens.

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In nuce ist diese Beobachtung in Terstegens Überlegungen enthalten, denn er definierte Wirtschaftskriminalität als sozialwidriges, auf Bereicherung gerichtetes Verhalten, das von Personen in besonderen Positionen und Funktionen dadurch praktiziert wird, dass sie unter gleichzeitiger Voraussetzung des gesetzestreuen Verhaltens aller übrigen das ihrer Gruppe notwendigerweise entgegengebrachte Vertrauen enttäuschen.[10] Die hierbei oftmals herausgegriffene Schlussfolgerung der besonderen Tätertypologie mit den bekannten Neutralisierungsmechanismen[11] ist im Hinblick auf eine konsistente Begriffsbildung vielleicht weniger ertragreich als die zweite Beobachtung Terstegens, die letztlich auf Sutherland zurückgeht: die Handlung aus einer bestimmten „Position“ heraus. Die Besonderheit der Position besteht zum einen darin, dass sie einem Täter eingeräumt wurde, der sich bisher innerhalb des Systems regelkonform verhielt, bestimmte Barrieren überwinden konnte, sodass ihm besondere Informationen, Einblicke und Zugangsmöglichkeiten eingeräumt wurden. Während der Bankkunde beispielsweise keine Möglichkeit hat, (eigenes) Geld in eine „Steueroase“ zu verschieben – er müsste sich an verschiedenen Stellen, wie z. B. gegenüber seinem Kundenberater, in irgendeiner Form erklären –, hat sein Kundenberater mitunter andere Möglichkeiten, Gelder (unauffällig) zu transferieren. Vereinfacht dargestellt wird damit ein Umstand, der übereinstimmend in den Studien zur Wirtschaftskriminalität erwähnt wird: Wirtschaftsdelikte werden aus Positionen heraus begangen, die nicht nur einen weniger auffälligen Rechtsbruch bzw. leichter zu verdeckende Tatfolgen, sondern auch besonders hohe Schäden nach sich ziehen, die m. E. ebenfalls mit der Position des Täters zusammenhängen. Sowohl die Produktqualität und ihre Relation zum Preis im Fall des Metzgers[12] als auch die geheimen Informationen bezüglich bestimmter betrieblicher Entwicklungen des Insiderhandel treibenden Vorstandes, sowie schließlich der Informationsvorsprung des Journalisten im Fall des Scalpings sind Umstände, die mit einem „Vertrauensvorschuss“ bzw. – negativ formuliert – einer „Unkontrollierbarkeit“ verbunden sind. Dieser „Vertrauensvorschuss“ bezüglich der Position im Wirtschaftssystem und der damit eingeräumten Zugangsmöglichkeit zu kaum erkennbarem und höchst profitablem illegalen Verhalten ist unmittelbar mit den empirisch festgestellten Befunden zu Art und Umfang der Rechtsgutsverletzung bzw. dem Schaden verbunden. Erst durch diesen Informationsvorsprung auf Täterseite, die fehlende Nachprüfbarkeit auf Opferseite und das in die, wie auch immer geartete, Kompetenz des Täters gelegte (notwendige)[13] Vertrauen werden Selbstschutzmechanismen nicht aufgebaut und Rechtsgutsverletzungen großen Ausmaßes wahrscheinlicher. Der zuvor kritisch betrachtete Aspekt des Vertrauens – als zu schützendes Rechtsgut – gewinnt in diesem Zusammenhang also doch an Bedeutung. Zum einen hinsichtlich der Vorgehensweise: Der Täter benutzt das notwendige Vertrauen innerhalb der Wirtschaft, um z. B. den freien Wettbewerb durch illegale Manipulationen auszunutzen und sich damit einen Vorteil zu verschaffen. Zum zweiten – weniger als Charakteristikum, denn eher als typische Folge der Wirtschaftskriminalität – hinsichtlich des Schadens, der sich darin manifestiert, dass Kollektivität und Anonymität der Opfer zwar einen Rechtsbruch nach außen kaschieren können, jedoch jener innerhalb der Gesellschaft spürbar bleibt und dann ernsthafte immaterielle Schäden – nämlich Vertrauensverluste – nach sich zieht. Ein Zusammenhang zu Terstegens Definition, die Wirtschaftskriminalität als wirtschaftliche Handlungen bezeichnete, die „geeignet sind, die wirtschaftliche Ordnung zu beeinträchtigen, d. h. zu stören oder zu gefährden, indem das für das jeweilige Wirtschaftssystem grundlegende Vertrauen angetastet wird“,[14] ist also zumindest auf sekundärer Ebene relevant.

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Trotz dieses Erkenntnisgewinns: Auf Definitionsebene hilft Sutherlands personale Orientierung nur bedingt weiter, weil der Bezug der Handlung zu einem bestimmten strukturellen Kontext – der Wirtschaft – nicht deutlich herausgestellt wird. Hierauf soll nun verstärkt das Augenmerk gerichtet sein, denn die Beziehung der Abweichung zu einem bestimmten System ist den meisten empirischen Untersuchungen immanent. Der Begriff Wirtschaftskriminalität bezeichnet zweckmäßigerweise eben nicht Handlungen, die in irgendeinem Verhältnis zur Wirtschaft oder ihren Institutionen stehen, denn in diesem Fall wären Diebstahl von Betriebseigentum oder Unterschlagungsdelikte auch erfasst.[15] Auch die besondere, den Zugang zur Tat erleichternde Position kann nicht alleine als Abgrenzungskriterium fungieren, weil auch die meisten Angestellten von Unternehmen einen anderen „Zugang“ zu Betriebseigentum haben als Kunden. Solche Delikte sind vorliegend aber nicht gemeint. Vielmehr beschreibt Wirtschaftskriminalität Verhaltensweisen, die in funktionellem Zusammenhang zum Wirtschaftssystem stehen, wie ihn Opp etablierte. Das Merkmal des funktionellen Zusammenhangs beschreibt also die Handlung eines Täters – dieser selbst Teil des Wirtschaftssystems –, die aus der Systemstruktur heraus erfolgt. Die Handlung wird verständlich, weil sich der Täter innerhalb des Systems „halten“ bzw. seine Position absichern oder verbessern will. Dies kann jedoch nur der Rahmen sein, anhand dessen der Begriff Wirtschaftskriminalität weiter eingegrenzt wird. Nimmt man als weiteres Abgrenzungskriterium die Angriffsrichtung der devianten Handlungen oder, mit der überwiegenden Ansicht, die tangierten Rechtsgüter, ergeben sich leicht Friktionen. Dies nicht nur aufgrund der zwangsläufigen Vagheit von kollektiven Rechtsgütern,[16] auf die bereits eingegangen wurde. Denn pauschal die „Wirtschaft“ bzw. ihre „Funktionsfähigkeit“ als Rechtsgut zu schützen, ist so abstrakt, dass zu fürchten ist, derart weite strafrechtliche Anwendungsfelder könnten freies wirtschaftliches Handeln unmöglich machen.[17] Wird verstärkt auf das Kriterium der Beeinträchtigung der Marktwirtschaft oder ihrer konstitutiven Elemente abgestellt,[18] läuft dies darauf hinaus, dass nur wirtschaftlich potente Akteure – sprich Unternehmen – als Wirtschaftskriminelle in Frage kommen, da nur sie in der Lage sind, das Wirtschaftsleben tatsächlich zu gefährden. Eine solche Sichtweise würde letztlich auf die Gleichstellung von Wirtschaftskriminalität und Unternehmenskriminalität hinauslaufen, was beispielsweise in der obigen Studie Wirtschaftskriminalität und die Privatisierung der DDR-Betriebe auch explizit vertreten wird.[19] Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass auch individuelle und nur auf den eigenen Vorteil bezogene Handlungen vorstellbar sind, die gleichwohl zur Wirtschaftskriminalität zu zählen sind. Dies insbesondere im genannten Fall des Scalpings, also einer öffentlichen Empfehlung eines zuvor auf eigene Rechnung gekauften Wertpapiers mit anschließendem Gewinn bringenden Verkauf zu einem infolge der Empfehlung gestiegenen Kurs. Hier kann der Täter beispielsweise ein Börsenjournalist sein oder aus einer ähnlichen, durch notwendiges Vertrauen ausgezeichneten, Position heraus handeln. Schon dieses Beispiel[20] zeigt, dass es für die Definition der Wirtschaftskriminalität zweckmäßiger ist, den Unternehmensbezug nicht schon hier herzustellen.[21] Es ist leicht vorstellbar, dass die „organisierte Form der Wirtschaftskriminalität“ in Form der Unternehmenskriminalität dominiert, jedoch sollte letztere dann als Teil- oder Schnittmenge betrachtet werden und eine Abgrenzung anhand genauer Kriterien vorgenommen werden. Dies trägt m. E. dem Umstand Rechnung, dass Definitionen im Sinne von Nominaldefinitionen nicht das Wesen von Dingen beschreiben, sondern vielmehr Konventionen über die Kennzeichnung gewisser realer Phänomene sind. Sie orientieren sich also nicht an den Parametern „wahr“ oder „unwahr“, sondern sollen geeignet, zweckmäßig und möglichst genau zur Konturierung eines Phänomens beitragen.[22]

 

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Eingedenk dessen ist zu folgern: Die Beziehung der Tat zur Wirtschaft ist als funktionaler Zusammenhang zum Wirtschaftssystem fruchtbar zu machen. „Die Wirtschaft“ bezieht sich nämlich nicht entscheidend auf Personen – wie Sutherlands Ansatz herausstellt – und stellt nicht in erster Linie ein Rechtsgut dar – wie strafrechtswissenschaftliche Ansätze herausstellen –, sondern stellt einen strukturellen Kontext[23] dar, der die Relevanz bestimmter Handlungen für das „Überleben“ in diesem System vorgibt. Rechtsverletzungen, die in der Absicht geschehen, in diesem System zu bestehen bzw. die Stellung innerhalb dieses Systems zu verbessern, müssen daher als Wirtschaftskriminalität bezeichnet werden. Als Eingrenzungskriterien sind diesem Begriff kumulativ (1) die, mit gesellschaftlich gebotenem Vertrauen verbundene, herausgehobene Position der Täter,[24] (2) das wirtschaftsdeviante Verhalten[25] und (3) die im kriminaltaktischen Konzept vorgeschlagene Angriffsrichtung[26] immanent. Unter Wirtschaftskriminalität sind also strafwürdige, sozialschädliche Verhaltensweisen zu verstehen, die von Personen in besonderen – nämlich gesellschaftlich gebotenes Vertrauen voraussetzenden – Positionen heraus begangen werden und dabei in einem funktionalen Zusammenhang zum Wirtschaftssystem stehen.[27]

Anmerkungen

[1]

Kaiser Kriminologie, S. 856.

[2]

Vgl. Kunz in: FS f. Schmid, S. 87 (88), der Sutherland jedoch auch nicht darauf reduzieren will und die Neubestimmung des kriminologischen Gegenstands als „Wirtschaftskriminalität“ für „farblos“ hält; vgl. S. 89.

[3]

Darunter sollen die oben genannten unmoralischen oder unethischen Verhaltensweisen verstanden werden, die jedoch noch keine Strafrechtsverletzung darstellen. Vgl. hierzu auch Opp Soziologie der Wirtschaftskriminalität, S. 47.

[4]

Unter dem Aspekt der Kumulation wirtschaftsdevianter Verhaltensweisen zu einer letztendlichen Rechtsgutsverletzung vgl. den Fall der „Herald of Free Enterprise“ unter Rn. 255.

[5]

Vgl. zur Beschreibung dieser Phänomene Kapitalmarktstrafrecht-Zieschang 2. Aufl. Kapitel 1, T1 Rn. 10 und Kapitel 3, T1 Rn. 76 m. w. N.

[6]

Jung Die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität als Prüfstein des Strafrechtssystems, S. 24.

[7]

Vgl. hierzu Opp Abweichendes Verhalten und Gesellschaftsstruktur, S. 9 ff., 52 ff.; Jung Kriminalsoziologie, S. 13; Kaiser Kriminologie, S. 317 ff.

[8]

Für die spätere strafrechtliche Bewertung wird also der Bezugsrahmen neu definiert werden müssen, da dieser sich an normativen Kategorien zu orientieren hat. Der Terminus „Kriminalität“ impliziert dort, dass der Gegenstand der Untersuchung ein Verhalten ist, welches das geltende Recht tatbestandsmäßig umschrieben und ausdrücklich mit Strafe bedroht hat. Danach müsste alles Verhalten aus der Darstellung ausgeschlossen bleiben, das zwar strafwürdig, aber noch nicht strafbar ist. Diesen engen Bezugsrahmen bereits hier im phänomenologischen Teil anzulegen wäre jedoch aus den erwähnten Gründen nicht förderlich. Wie angedeutet besteht bisweilen eine inhaltliche Diskrepanz, wenn nicht ein normativer Konflikt zwischen alltags- und wissenschaftssprachlicher Verwendung des Kriminalitäts- und Verbrechensbegriffs. Ein derartiger gesellschaftlicher Dissens ist zumindest in jenen Bereichen, in denen es um die „Kriminalität der Mächtigen“ geht, eher der Normalfall als die Ausnahme. Im Unterschied dazu werden etwa Straßenkriminalität oder Gewaltdelinquenz – als sichtbare und als bedrohlich empfundene Verhaltensweisen – weitgehend übereinstimmend als „Verbrechen“ definiert, was mitunter den unbeabsichtigten Nebeneffekt hat, dass man „die Großen“ laufen lassen muss, „die Kleinen“ aber hängt. Vgl. in diesem Sinne schon die frühen Beobachtungen von Kaiser Kriminologie, S. 423. Vgl. zu dem von Sutherland beschriebenen Lobbyismus die aktuellen Entwicklungen im Hinblick auf den Derivatehandel und die „Verantwortlichen“ der Finanzkrise 2008; beispielsweise Die Wall Street frohlockt, Die ZEIT vom 9.11.2010; Das Gift der Spekulanten/ Die Pleitewelle, Die ZEIT vom 21.6.2008. Zum Einfluss der „Mächtigen“ auf die Gesetzgebung: Adamek/Otto Der gekaufte Staat, passim.

[9]

So auch die Beobachtungen von Rönnau ZStW 2007, 887 (888 ff.), der in seinem umfassenden Beitrag insbesondere auf die Mannesmann–Problematik eingeht.

[10]

Terstegen/Zirpins Wirtschaftskriminalität, S. 87 ff.

[11]

Vgl. zu den schon von Sutherland beobachteten „expert techniques of concealement“ Sutherland White Collar Crime – The uncut version, S. 33 und den hier dargestellten theoretischen Bezugsrahmen Rn. 131 ff., sowie im Unternehmenskontext ab Rn. 151.

[12]

Vgl. den Fall des Nitrit beimischenden Metzgers bei Opp Soziologie der Wirtschaftskriminalität, S. 99 f.

[13]

Vgl. die Ausführungen zu Terstegen unter Rn. 112.

[14]

Terstegen Strafrechtspflege und Strafrechtsreform (BKA Vortragsreihe, Arbeitstagung im BKA Wiesbaden) 1961, 81 (34).

[15]

Vgl. zur Bezeichnung dieser Verhaltensweisen als „Betriebskriminalität“ Schneider NStZ 2007, 555 (556); Theile ZIS 2008, 406 (407).

[16]

Vgl. zur grundsätzlichen Kritik an der Rechtsgutslehre als Bezugspunkt für das Strafrecht Gärditz Der Staat 2010, 331 und Stuckenberg GA 2011, 653 m. w. N.

[17]

Siehe hierzu schon oben Rn. 102.

[18]

So die strafrechtswissenschaftlichen Ansätze und der polizeiliche Begriff von Wirtschaftskriminalität, der den strafprozessualen Ausgangspunkt um die Besonderheit erweitert, dass daneben „alle Straftaten, die im Rahmen tatsächlicher oder vorgetäuschter wirtschaftlicher Betätigung begangen werden und über eine Schädigung von Einzelnen hinaus das Wirtschaftsleben beeinträchtigen oder die Allgemeinheit schädigen können und/oder deren Aufklärung besondere kaufmännische Kenntnisse erfordert“ (Bundeskriminalamt Das Bundeslagebild der Wirtschaftskriminalität, S. 15), miterfasst sind. Letzteres Merkmal unterscheidet sich freilich kaum von den in der strafprozessualen Definition geforderten „besonderen Kenntnissen des Wirtschaftslebens“, jedoch kann der funktionale Zusammenhang zur Wirtschaft und die Beeinträchtigung des Wirtschaftslebens oder der Allgemeinheit durchaus bei der Begriffsbestimmung hilfreich sein.

[19]

Vgl. insbesondere Boers/Nelles/Theile Wirtschaftskriminalität und die Privatisierung der DDR-Betriebe, 647 und in der Stellungnahme zu systembezogenen Definitionen auf S. 27.

[20]

Andere Beispiele wären Insiderhandel oder Kick-Backs zulasten des Unternehmens; vgl. inswoweit Rn. 275.

[21]

Auch Opps Formulierung hatte zwei Bestandteile, nämlich einmal „diejenigen gesetzwidrigen Handlungen, die von Angehörigen wirtschaftlicher Betriebe in der Absicht begangen werden, den Aufwand/die Passiva des Betriebes zu vermindern und/oder den Ertrag/die Aktiva zu erhöhen“ und zum zweiten Verhaltensweise, die darauf abzielten „im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit eingegangene Verpflichtungen nicht einzuhalten“; Opp Soziologie der Wirtschaftskriminalität, S. 45 ff.

[22]

Siehe hierzu Liebl Kriminologisches Bulletin 1982, 21 (27) und Poerting in: Wirtschaftskriminalität S. 9, der auch darauf hinweist, dass neben dem Zweck der Nominaldefinition, der in der Beschreibung des Phänomens zu sehen ist (Identifikationsfunktion), die Kommunikationsfunktion, also der Zweck der Verständigung mit anderen der Definitionswillkür Grenzen setzt.

[23]

So auch schon Boers MschrKrim 2001, 335 (338 f.); Opp Soziologie der Wirtschaftskriminalität, S. 45 ff. und Boers/Nelles/Theile Wirtschaftskriminalität und die Privatisierung der DDR-Betriebe, S. 21 ff.

[24]

Vgl. zur Beschreibung dieses, auf die Zugangsmöglichkeiten ausgerichteten, Merkmals Rn. 119 ff.

[25]

Vgl. zu den Gründen, sich auf Ebene der kriminologischen Definition nicht auf (Straf-) Rechtsverletzungen zu beschränken Rn. 118 ff.

[26]

 

Unter dieser Einschränkung eignet sich die Benennung der gefährdeten Rechtsgüter. Während sich Vermögensdelikte gegen Eigentumsverhältnisse und bestimmte Individuelrechtsgüter richten, sind Wirtschaftsstraftaten nämlich – mindestens – gegen das Kräftegleichgewicht innerhalb des Wirtschaftssystems bzw. gegen die Parameter, die dieses Gleichgewicht sichern, gerichtet.

[27]

Insofern unterscheiden sich Wirtschaftsstraftaten auch von occuptional crimes, also Vergehen, die durch Individuen für sich selbst im Rahmen ihrer Berufstätigkeit begangen werden; vgl. Clinard/Quinney/Wildman Criminal Behavior Systems, S. 187 ff. m. w. N. Occuptional crimes zielen nicht speziell den ökonomischen Kontext als einen Tat- und Motivationskontext. Trotz der Tatsache, dass der Überschneidungsbereich sehr groß sein dürfte, ist es wichtig, die Handlungen auszuklammern, die zwar in Ausübung eines Berufes stattfinden, jedoch keinen Bezug zur Wirtschaft haben. Vgl. beispielsweise Poerting in: Wirtschaftskriminalität, S. 9 (16), der auf den Arzt hinweist, der illegale Abtreibungen vornimmt. Vgl. zu den Parallelen zwischen white collar-Kriminalität und occuptional criminality die Ausführungen unter Rn. 109 ff.