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Gänsemütterchens Märchen

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Riquet mit der Locke

Es war einmal eine Königin, die bekam einen Sohn, der war so häßlich und mißgestaltet, daß man lange im Zweifel war, ob er überhaupt ein Mensch sei. Eine Fee, die bei der Geburt des Kindes erschien, versicherte, es würde sehr klug werden. Sie fügte noch hinzu, er könne dank einer besonderen Gabe, die sie ihm verliehen habe, ebensoviel Verstand, wie er selbst besitze, auf den Menschen übertragen, den er am meisten liebe.



Das tröstete ein wenig die arme Königin, die sehr betrübt war, einem so häßlichen kleinen Kerl das Leben geschenkt zu haben.



Aber kaum fing das Kind an zu sprechen, da konnte es auch schon tausend Dinge bei ihrem Namen nennen, und bei all seinem Tun zeigte es einen so großen Verstand, daß jedermann von ihm entzückt war.



Ich vergaß zu erzählen, daß es mit einer kleinen Haarlocke auf dem Kopfe geboren wurde und man es deshalb Riquet mit der Locke nannte, denn Riquet war sein Familienname.



Sieben oder acht Jahre darauf gebar die Königin eines Nachbarlandes zwei Töchter. Die erste, die zur Welt kam, war schöner als der Tag, und die Königin freute sich dermaßen darüber, daß man schon fürchtete, die allzu große Freude könne ihr schaden.



Dieselbe Fee, die bei der Geburt des kleinen Riquet mit der Locke zugegen war, erschien auch hier und erklärte der Königin, um ihre Freude zu mäßigen, die kleine Prinzessin würde keinen großen Verstand haben, ihre Dummheit würde ebenso groß sein wie ihre Schönheit.



Das schmerzte die Königin sehr, und doch hatte sie bald darauf einen noch viel größeren Kummer; denn die zweite Tochter, deren sie genas, war über die Maßen häßlich.



»Seid darüber nicht weiter traurig!« sagte die Fee, »Eure Tochter wird entschädigt werden. Sie wird so klug sein, daß man es fast vergißt, was ihr an Schönheit fehlt.«



»Gott gebe es!« antwortete die Königin, »aber gibt es denn kein Mittel, der älteren zu ihrer Schönheit auch ein wenig Verstand zu verschaffen?«



»Leider kann ich hierin für Eure Tochter nichts tun, Frau Königin,« sagte die Fee. »Aber was die Schönheit angeht, das vermag ich alles; und da ich Euch herzlich gern einen Gefallen tue, so will ich Eurer Tochter die Gabe verleihen, dem Menschen, der ihr gefällt, Schönheit zu verleihen!«



Je älter die beiden Prinzessinnen wurden, um so deutlicher wurden ihre Vorzüge: überall sprach man von der Schönheit der älteren und von der Klugheit der zweiten.



Aber auch ihre Fehler wuchsen mit den Jahren: die jüngere wurde immer häßlicher und die ältere von Tag zu Tag dümmer. Sie gab nicht einmal mehr eine Antwort, wenn man sie fragte, oder sie sagte eine Dummheit. Dabei war sie noch so ungeschickt, daß sie nicht vier Teller auf den Ofensims stellen konnte, ohne einen zu zerbrechen, und kein Glas Wasser konnte sie trinken, ohne die Hälfte auf ihr Kleid zu schütten.



Wenn auch Schönheit ein großer Vorteil für ein junges Mädchen ist, so war doch die jüngere fast in jeder Gesellschaft beliebter als ihre ältere Schwester.



Zuerst kam man immer zur Schönen, um sie anzustaunen und zu bewundern; aber es dauerte nicht lange, da ging man zur Klügeren, um tausend anmutige Dinge von ihr zu hören, und es war erstaunlich, daß in weniger als einer Viertelstunde die ältere keinen Menschen mehr auf ihrer Seite hatte, und sich alle um die zweite scharten.



Trotz ihrer großen Dummheit entging ihr dies nicht, und sie hätte ohne Besinnen alle ihre Schönheit eingetauscht gegen die halbe Klugheit ihrer Schwester.



Wie verständig die Königin auch war, so konnte sie sich doch nicht enthalten, ihrer Tochter hie und da ihre Dummheit vorzuwerfen, so daß die arme Prinzessin vor Kummer fast gestorben wäre.



Eines Tages, als sie in einen Wald gegangen war, um ihr Unglück zu beklagen, sah sie einen sehr häßlichen und unausstehlichen jungen Mann auf sich zu kommen, der aber sehr vornehm gekleidet war.



Es war der junge Prinz Riquet mit der Locke. Als er die Bilder gesehen hatte, die von der Prinzessin in aller Welt verbreitet waren, da hatte er, in Liebe zu ihr entbrannt, das Reich seines Vaters verlassen, um sie zu sehen und zu sprechen.



Erfreut über diese einsame Begegnung, redete er sie mit aller Ehrfurcht und aller nur denkbaren Höflichkeit an. Nachdem er die üblichen Komplimente gemacht hatte, sah er, daß sie sehr traurig war, und er sagte deshalb zu ihr:



»Ich verstehe nicht, mein Fräulein, daß eine Dame, die so schön ist wie Sie, so trübsinnig sein kann, wie Sie zu sein scheinen; denn wenn ich mich auch rühmen darf, eine Unzahl hübscher Mädchen gesehen zu haben, so habe ich doch noch niemals eine Schönheit gefunden, die der Ihrigen gleichkäme!«



»Das sagen Sie so, mein Herr!« antwortete die Prinzessin und blieb traurig wie zuvor.



»Die Schönheit,« fuhr Prinz Riquet mit der Locke fort, »ist ein großer Vorzug, der wichtiger ist als alles andere, und ich weiß nicht, warum jemand der so schön ist wie Sie, noch traurig sein kann.«



»Lieber möchte ich so häßlich sein wie Sie,« entgegnete die Prinzessin, »und Ihren Verstand haben, als meine Schönheit behalten und so dumm sein, wie ich es bin!«



»Nichts beweist mehr, daß jemand Verstand hat, als sein Glaube, er habe keinen; es ist eine Eigentümlichkeit dieser Gabe, daß man, je mehr man davon besitzt, desto mehr glaubt, sie fehle einem.«



»Das verstehe ich nicht,« sagte die Prinzessin, »ich weiß nur, daß ich sehr dumm bin, und das ist der Grund meines Leides, das mich noch töten wird!«



»Wenn Sie weiter nichts bekümmert, mein Fräulein, so kann ich Ihrem Schmerze leicht ein Ende machen!«



»Und wie wollen Sie das tun?« forschte die Prinzessin.



»Ich habe die Macht, mein Fräulein,« sagte Riquet mit der Locke, »auf den Menschen, den ich am meisten lieben muß, so viel Verstand zu übertragen, wie man eben braucht. Sie sind dieser Mensch, mein Fräulein!



Es liegt also nur an Ihnen, und Sie verfügen über so viel Verstand, wie man nur haben kann, vorausgesetzt, daß Sie mich gerne heiraten wollen!«



Die Prinzessin war über diese Worte ganz bestürzt und gab keine Antwort darauf.



»Wie ich sehe,« fuhr Prinz Riquet mit der Locke fort, »ist Ihnen mein Vorschlag peinlich, und das wundert mich nicht; ich gebe Ihnen aber ein ganzes Jahr Zeit, um sich zu entscheiden!«



Die Prinzessin hatte so wenig Verstand und gleichzeitig so große Sehnsucht, Verstand zu besitzen, daß sie sich einbildete, das Jahr würde niemals zu Ende gehen: deshalb nahm sie den ihr gemachten Vorschlag an. Kaum hatte sie Riquet mit der Locke versprochen, ihn am gleichen Tage des nächsten Jahres zu heiraten, als sie sich anders fühlte, wie sie vorher war: sie bemerkte in sich eine unbekannte Fähigkeit, alles, was sie sagen wollte, auf eine feine, heitere und natürliche Art zum Ausdruck zu bringen; und sie begann mit Riquet eine artige und wohlgesetzte Unterhaltung, die so geistreich war, daß der Prinz glaubte, ihr mehr Verstand gegeben zu haben, als er sich selbst behalten habe.



Als die Prinzessin ins Schloß zurückkehrte, wußte der ganze Hof nicht, was er zu einer so plötzlichen und außerordentlichen Wandlung sagen sollte.



Noch kurz vorher hatte sie lauter albernes Zeug geredet, und jetzt hörte man von ihr tiefempfundene, unendlich geistvolle Dinge.



Der ganze Hof hatte eine so große Freude, wie man es sich nicht vorstellen kann. Aber die jüngere Schwester der Prinzessin freute sich weniger: Jetzt, wo sie vor der älteren nicht mehr den Vorzug der Klugheit voraushatte, erschien sie neben ihr wie ein recht unangenehmes Affengesicht.



Der König gab viel auf ihre Meinung und hielt sogar öfters den Staatsrat in ihrem Zimmer ab.



Als sich nun die Kunde von dieser Wandlung verbreitete, gaben sich alle jungen Prinzen der benachbarten Reiche Mühe, sich bei der Prinzessin beliebt zu machen, und fast alle begehrten sie zur Frau. Sie fand aber keinen, der ihr klug genug war, hörte sie alle an und entschied sich für keinen von ihnen.



Eines Tages aber kam ein so mächtiger, reicher, kluger und schöner Prinz, daß sie sich einer Neigung für ihn nicht enthalten konnte.



Als das ihr Vater merkte, sagte er zu ihr, er stelle ihr die Wahl eines Gatten frei, sie brauche sich nur zu erklären.



Da nun, je klüger man ist, es einen desto mehr Mühe kostet, in solcher Angelegenheit zu festem Entschluß zu gelangen, dankte sie ihrem Vater und bat ihn um Bedenkzeit.



Zufällig ging sie eines Tages in demselben Wald, in dem ihr Riquet mit der Locke begegnet war, spazieren, um ungestört darüber nachzudenken, was sie tun solle. Wie sie so in ihre Gedanken versunken dahinschritt, hörte sie unter ihren Füßen ein dumpfes Geräusch, als ob viele Leute geschäftig hin und her gingen.



Als sie aufmerksam lauschte, hörte sie, wie einer sagte: »Bring mir den Kessel!« und ein andrer: »Leg’ Holz aufs Feuer!«



In demselben Augenblick tat sich die Erde auf, und sie sah zu ihren Füßen eine Art große Küche, voll von Köchen, Küchenjungen und allen möglichen Küchenmeistern, wie man sie braucht, um ein prächtiges Festmahl herzurichten. Etwa zwanzig bis dreißig Köche kamen hervor und scharten sich in einer Allee des Waldes um einen langen Tisch, wo sie sich, die Spicknadel in der Hand und den Löffel hinter dem Ohr, nach dem Takte eines Liedes an die Arbeit machten.



Verwundert über diesen Anblick fragte die Prinzessin, für wen sie da tätig wären.



Der Oberste der Schar gab zur Antwort: »Für den Prinzen Riquet mit der Locke, der morgen Hochzeit macht!«



Die Prinzessin fiel aus allen Wolken, so überrascht war sie. Nun erinnerte sie sich plötzlich, daß es ja ein Jahr her war, da sie am gleichen Tage dem Prinzen Riquet mit der Locke die Hochzeit versprochen hatte. Sie hatte deshalb nicht mehr daran gedacht, weil sie noch ein dummer Mensch gewesen war, als sie das Versprechen gab. Im Besitze der von dem Prinzen auf sie übertragenen Vernunft hatte sie dann später alle ihre Torheiten vergessen.

 



Sie war noch keine dreißig Schritt weitergegangen, als Riquet mit der Locke vor ihr erschien, stolz, prächtig, kurz: wie ein Prinz, der Hochzeit machen will.



»Wie Sie sehen, mein Fräulein, habe ich pünktlich mein Wort gehalten, und zweifelsohne kamen auch Sie hierher, um dasselbe zu tun und mich durch Ihre Hand zum Glücklichsten aller Sterblichen zu machen!«



»Ich will Ihnen offen gestehen,« antwortete die Prinzessin, »daß ich noch keinen Entschluß gefaßt habe, und daß ich kaum glaube, Ihren Wünschen entsprechen zu können!«



»Sie setzen mich in Erstaunen, mein Fräulein!« sagte Riquet mit der Locke zu ihr.



»Ich glaube es,« sagte die Prinzessin, »und sicherlich wäre ich jetzt in der größten Verlegenheit, wenn ich es mit einem rohen, unvernünftigen Menschen zu tun hätte. Dieser würde sagen, daß auch eine Prinzessin nur ein Wort zu vergeben habe und da sie einmal ihr Versprechen gegeben, so müsse sie es auch halten. Aber da der Mann, mit dem ich spreche, der klügste Mensch in der ganzen Welt ist, so bin ich sicher, daß er Vernunft annehmen wird. Als ich nichts weiter war wie ein Dummkopf, hatte ich mich trotzdem, wie Sie wissen, nicht entschließen können, Sie zu heiraten. Wie können Sie von mir erwarten, daß ich heute, wo ich infolge des von Ihnen erhaltenen Verstandes so viel anspruchsvoller bin, einen Entschluß fassen soll, zu dem ich mich damals nicht aufraffen konnte? Wenn Sie also darauf ausgingen, mich zu heiraten, dann war es eine große Ungeschicklichkeit von Ihnen, mir meine Dummheit zu nehmen und mich klarer sehen zu lassen als früher!«



Riquet mit der Locke gab zur Antwort: »Wenn Sie es einem geistlosen Menschen, wie Sie eben sagten, nicht verübeln würden, Ihnen die Nichterfüllung Ihres Wortes vorzuwerfen, warum wollen Sie denn, mein Fräulein, daß ich nicht ebenso verfahre, wo es sich doch um mein ganzes Lebensglück handelt? Ist es vernünftig, daß Menschen mit Verstand schlechter daran sind als Menschen ohne Verstand? Wollen Sie das wirklich behaupten, Sie, die Sie jetzt so viel Verstand besitzen und sich so sehr danach gesehnt haben? Aber kommen wir zur Sache, wenn es Ihnen beliebt! Abgesehen von meiner Häßlichkeit – gibt es da noch irgend etwas an mir, was Ihnen mißfällt? Nehmen Sie vielleicht Anstoß an meiner Abstammung, an meinem Verstande, an meiner Gemütsart, an meinen Manieren?«



»Ganz und gar nicht!« antwortete die Prinzessin, »alles, was Sie eben anführten, schätze ich an Ihnen.«



»Wenn dem so ist,« fuhr Riquet mit der Locke fort, »so werde ich doch noch glücklich werden, denn Sie haben die Macht, mich zum liebenswertesten aller Menschen zu machen!«



»Auf welche Weise?« fragte die Prinzessin.



»Es ist einfach! Wenn Sie mich nur genug lieben, um zu wünschen, daß es so sein möchte! Kurz, mein Fräulein, damit Sie nicht länger im Zweifel sind, so hören Sie: Dieselbe Fee, die mir am Tage meiner Geburt die Gabe verlieh, den Menschen, der mir gefällt, klug zu machen, gab Ihnen die Gabe, den Mann schön zu machen, den Sie lieben, und an dem Sie diese Gunst betätigen wollen!«



»Wenn es sich so verhält,« sagte die Prinzessin, »so wünsche ich von ganzem Herzen, daß Sie der schönste und liebenswürdigste Prinz der Welt werden sollen, und ich verleihe Ihnen von diesen Eigenschaften ebenso viel, wie ich selbst besitze!«



Kaum hatte die Prinzessin diese Worte gesprochen, als Riquet mit der Locke sich in ihren Augen in den schönsten Mann der Welt verwandelte, den bestgestalteten und liebenswürdigsten, den sie je gesehen hatte.



Einige Leute behaupten, es wären nicht die Zauberkünste der Fee gewesen, die da am Werke waren: die Liebe allein habe diese Wandlung vollbracht. Sie sagen, als sich die Prinzessin der Beharrlichkeit ihres Bewerbers, seiner Verschwiegenheit und aller seiner guten Herzens- und Verstandesgaben bewußt geworden wäre, habe sie keinen Blick mehr für seinen mißgestalteten Körper und sein häßliches Gesicht gehabt. Sein Buckel wäre ihr nur wie krumme Haltung vorgekommen, und in dem schrecklichen Hinken, das sie früher an ihm wahrgenommen hatte, habe sie jetzt nur eine gewisse reizvolle Nachlässigkeit erblickt. Es heißt weiter, daß ihr sogar seine schielenden Augen als außerordentlich strahlend vorgekommen wären, und ihre Unregelmäßigkeit nahm in ihrer Vorstellung den Charakter gewaltiger Liebesleidenschaft an; endlich hatte auch seine dicke, rote Nase für sie etwas Kriegerisches und Heldenhaftes.



Wie dem auch sei, die Prinzessin versprach ihm, auf der Stelle ihn zu heiraten, vorausgesetzt, daß er dazu die Einwilligung ihres königlichen Vaters erhalte.



Als der König erfuhr, wie sehr seine Tochter den Prinzen Riquet mit der Locke schätzte, den er übrigens als einen sehr vernünftigen und weisen Menschen kannte, nahm er ihn mit Vergnügen als seinen Eidam an.



Schon am nächsten Tag wurde die Hochzeit gefeiert, wie Riquet mit der Locke es vorausgesehen hatte, und zwar nach den Anordnungen, die er schon lange vorher dafür getroffen hatte.



Moral:





Nicht Dichtung ist’s, was Ihr gehört:

Das Leben selbst Euch hier belehrt,

Daß schön und klug ist jedermann,

Den eins von Herzen lieben kann.



Jungfer Eselshaut

Es war einmal ein König, der war so mächtig, von seinem Volke so geliebt, von allen seinen Nachbarn und Freunden so geehrt, daß man ihn den glücklichsten aller Herrscher nennen konnte. Noch größer wurde sein Glück, als er sich eine Prinzessin zur Braut erwählte, die ebenso schön wie tugendhaft war. In ihrer treuen Ehe wurde ihnen ein Töchterchen geschenkt, welches so schön und so anmutig war, daß sie niemals bedauerten, nur dieses eine Kind zu haben.



Pracht, Reichtum und Geschmack herrschten in ihrem Palaste. Die Minister waren weise und geschickt, die Höflinge tugendhaft und anhänglich, die Diener treu und fleißig. Die schönsten Pferde standen reich gezäumt in den geräumigen Ställen. Aber was die Fremden, die die schönen Ställe besuchten, am meisten in Erstaunen setzte, das war ein alter Esel, der an einem besonderen Ehrenplatze im Stalle seine langen, großen Ohren ausstreckte. Der König hatte ihm diesen bevorzugten Platz nicht etwa aus irgendeiner Laune angewiesen, – er hatte vielmehr einen guten Grund dazu. Denn dieses seltene Tier verdiente eine solche Bevorzugung; es hatte nämlich die sonderbare Eigenschaft, daß seine Streu jeden Morgen nicht etwa beschmutzt, sondern in verschwenderischer Fülle mit schönen Goldtalern und Dukaten aller Art bedeckt war, die man nur aufzusammeln brauchte.



Da die Sonne des Lebens ihre Schatten nicht nur auf die Untertanen, sondern auch auf die Könige wirft, und da Gutes und Schlechtes stets beieinander wohnen, so wollte es der Himmel, daß die Königin plötzlich von einer schweren Krankheit befallen wurde, gegen die man trotz aller ärztlichen Wissenschaft und Geschicklichkeit kein Heilmittel fand. Alle waren untröstlich.



Der König, der trotz jenes berühmten Sprichwortes, welches die Ehe das Grab der Liebe nennt, immer noch seine Gattin in Zärtlichkeit verehrte, wußte nicht, was er in seinem Kummer tun sollte. Allen Kirchen seines Reiches machte er heilige Gelübde; er wollte dem Himmel sein eigenes Leben opfern, um das seiner geliebten Gemahlin zu retten. Aber er rief vergeblich Gott und die Feen an.



Als die Königin ihr letztes Stündchen nahen fühlte, sagte sie zu ihrem weinenden Gemahl:



»Verzeiht, wenn ich vor meinem Tode eines von Euch fordere: Solltet ihr jemals das Verlangen haben, Euch wieder zu verheiraten …« Bei diesen Worten schluchzte der König gar jammervoll, faßte die Hand seiner Frau, versicherte mit Tränen in den Augen, daß es überflüssig sei, ihm von einer zweiten Ehe zu sprechen.



»Nein, nein, teuerste Königin, sagte er endlich, sprecht lieber davon, wie ich Euch folgen soll!«



Darauf entgegnete die Königin mit einer Entschlossenheit, die den Schmerz ihres Mannes nur noch vermehrte:



»Der Staat, der auf eine richtige Thronfolge bedacht sein muß, hat ein Recht, von Euch Söhne zu verlangen, die Euch gleichen. Trotzdem ich Euch nur eine Tochter geschenkt habe, bitte ich Euch inständig bei aller Liebe, die Ihr für mich hegt: gebt dem Verlangen Eures Volkes erst dann nach, wenn Ihr eine Prinzessin gefunden habt, die schöner ist, als ich gewesen bin. Schwört mir dies, dann will ich ruhig sterben.«



Man könnte meinen, die Königin, die nicht ganz ohne Eifersucht war, habe diesen Schwur gefordert, um sicher zu sein, daß der König keine zweite Ehe schließen würde. Glaubte sie doch bestimmt, daß es auf der ganzen Welt keine Frau gäbe, die ihr gleich käme.



So starb sie denn. Niemals hatte ein Gatte größere Trauer gezeigt: Weinen und Schluchzen bei Tag und bei Nacht, diese armseligen Rechte der Verlassenheit waren seine einzige Beschäftigung. Aber auch der größte Schmerz dauert nicht ewig.



Es versammelten sich die Großen des Staates und kamen mit der gemeinsamen Bitte zum König, er solle sich wieder verheiraten. Ihr Vorschlag schien ihm grausam und ließ ihn neue Tränen vergießen. Er berief sich auf den Eid, den er der Königin geschworen und gab allen seinen Räten den Auftrag, erst einmal eine Prinzessin zu suchen, die schöner sei, als seine Frau es gewesen. Er war aber überzeugt, daß sie diese niemals finden würden.



Dem hohen Rate kam das Gelübde des Königs lächerlich vor, und er erklärte, Schönheit sei eine Nebensache; das Staatsinteresse verlange eine tugendhafte Königin, die Mutter werde; der Staat brauche für seine Ruhe und seinen Frieden Prinzen. Die Prinzessin habe zwar alle Eigenschaften, die eine große Königin zieren, aber man müsse ihr einen Fremden zum Gemahl erwählen. Dieser Fremde würde sie entweder in seine Heimat führen, oder wenn er neben ihr im Lande herrsche, so würden seine Kinder immer fremdblütig bleiben. Das wäre eine Gefahr, da die Nachbarvölker eines Königreiches, das keinen Thronfolger habe, Krieg beginnen und den Untergang des Landes herbeiführen könnten.



Betroffen von solchen Erwägungen versprach der König, ihrem Rate zu folgen und begann, unter den heiratsfähigen Prinzessinnen Umschau zu halten, ob eine unter ihnen wäre, die ihm gefallen könnte. Jeden Tag brachte man ihm die reizendsten Bilder. Aber keines zeigte die Anmut der verstorbenen Königin, und so konnte er sich für keine entscheiden.



Obwohl er sonst von gutem Verstande war, kam er unglücklicher Weise auf den tollen Einfall, seine Tochter, die Prinzessin, zur Frau zu nehmen. Da sie ihre königliche Mutter, an Geist und Anmut bei weitem übertraf, so glaubte er, sie allein könne ihn von seinem Eide erlösen.



In ihrer Tugendhaftigkeit und Scham wäre die Prinzessin bei diesem entsetzlichen Vorschlag fast in Ohnmacht gefallen. Sie warf sich ihrem königlichen Vater zu Füßen und beschwor ihn mit der ganzen Leidenschaft ihrer Seele, sie nicht zu einem solchen Verbrechen zu zwingen.



Der König aber hatte sich nun einmal diesen Wahnsinn in den Kopf gesetzt und fragte, um das Gewissen der Prinzessin zu beruhigen, eine alte Zauberin um ihren Rat. Dieses alte Weib, das ebenso gottlos wie ehrgeizig war, opferte das Glück der unschuldigen und tugendhaften Prinzessin der Ehre, die Vertraute eines mächtigen Herrschers zu sein. Sie schmeichelte sich so sehr in das Herz des Königs ein, schilderte ihm das Verbrechen, das er begehen wollte, in so schönen Farben, daß er der festen Überzeugung war, es sei ein Gott wohlgefälliges Werk, die Tochter zu heiraten.



Ganz im Banne dieser Worte umarmte der König die Zauberin und bestand nach seiner Rückkehr mehr als zuvor auf seinem Plan; er gab daher der Prinzessin den Befehl, sie solle sich bereit halten, ihm zu gehorchen.



In ihrem schmerzlichen Unglück dachte die Prinzessin nach, wie sie die Lila-Fee, ihre Patin, finden könne. In einem kleinen Wagen, der mit einem Hammel bespannt war, welcher Weg und Steg kannte, fuhr sie noch in derselben Nacht davon. So kam sie glücklich an ihr Ziel.



Die Fee, welche die Prinzessin liebte, sagte, sie wisse schon alles, was sie bekümmere, doch brauche sie sich keine Sorge zu machen. Nichts würde ihr schaden, wenn sie sich nur treu an die Vorschriften halte, die sie ihr geben würde.



»Es wäre freilich ein großes Vergehen, wenn Du Deinen Vater heiraten wolltest, mein liebes Kind!« sagte die Fee, »aber ohne ihm zu widersprechen, kannst Du seinen Absichten doch aus dem Wege gehen. Sage ihm, er solle Dir einen Wunsch erfüllen: er solle Dir ein Kleid schenken von der Farbe des Wetters. Wie groß auch seine Macht ist, das wird er nicht können.«



Die Prinzessin dankte ihrer Patin von Herzen und schon am anderen Morgen sagte sie zum Könige, ihrem Vater, das, was ihr die Fee geraten hatte, und erklärte feierlich, sie würde ihre Einwilligung erst dann geben, wenn sie das Kleid von der Farbe des Wetters bekäme.

 



Erfreut über die Hoffnung, die sie in ihm erweckte, berief der König die berühmtesten Schneider und befahl ihnen, das gewünschte Kleid zu machen, und drohte ihnen, daß er sie alle hängen lassen würde, wenn sie es nicht fertig bekämen. Doch dieses Äußerste blieb ihm erspart: schon am zweiten Tage brachten sie das so heiß begehrte Gewand herbei. Der Himmel selbst hatte kein schöneres Blau, wenn er umkränzt ist mit goldenen Wölklein, als dieses wunderschöne Gewa