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Gänsemütterchens Märchen

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Der gestiefelte Kater

Es war einmal ein Müller, der hinterließ bei seinem Tode seinen drei Kindern nur eine Mühle, einen Esel und einen Kater. Das Erbe war schnell geteilt. Kein Notar und kein Rechtsanwalt wurde gerufen. Die Kosten hätten auch die ganze Erbschaft aufgezehrt.

Der Älteste bekam die Mühle und der Zweite den Esel. Der Jüngste bekam den Kater, und er war untröstlich über das armselige Los, das er gezogen hatte.

»Meine Brüder,« sagte er, »können sich jetzt anständig ernähren, wenn sie sich zusammen tun. Aber ich kann des Hungers sterben, wenn ich meinen Kater aufgegessen und aus seinem Fell mir eine Weste gemacht habe.«

Der Kater hatte diese Worte gehört, aber er ließ sich nichts merken und sagte mit wichtiger und ernster Miene zu seinem Herrn:

»Seid nicht traurig, lieber Herr, gebt mir einen Sack und laßt mir ein Paar Stiefeln machen, damit ich in den Wald gehen kann, und dann sollt Ihr sehen, daß Euer Erbteil doch nicht so schlecht ist, wie Ihr glaubt.«

Sein Herr gab nicht viel auf diese Rede, aber er hatte oft den Kater bei seiner Jagd auf Ratten und Mäuse beobachtet und er hatte gesehen, wie er sich an den Beinen aufhing, oder wie er sich im Mehl versteckte und sich tot stellte. So hatte er Zutrauen und glaubte in ihm eine Hilfe in seinem Unglück zu haben.

Als der Kater das bekommen, worum er gebeten hatte, zog er sich sofort die Stiefeln an, hing sich den Sack um den Hals, nahm den Riemen in die Pfote und ging in ein Dickicht, wo es viele Hasen gab. In den Sack steckte er Klee und Disteln, stellte sich tot und wartete, ob nicht irgendein junger, mit den Ränken dieser Welt noch wenig vertrauter Hase sich in den Sack schliche, um an dem Leckerbissen zu naschen. Kaum hatte er sich hingelegt, kam ein junges und unerfahrenes Häschen und kroch in den Sack. Da zog Meister Kater die Schnüre zu, packte das Häschen und machte ihm ohne Erbarmen den Garaus. Stolz ging er mit seiner Beute zum König und verlangte ihn zu sprechen.

Man führte ihn in das Gemach Seiner Majestät, wo er mit einer tiefen Verbeugung eintrat und so zum Könige sprach:

»Hier bringe ich Euch einen Hasen, Herr König, den Euch der Marquis von Carabas (so war der Name, den er für seinen Herrn ausgesucht hatte) als Geschenk übersendet.«

»Sage deinem Herrn,« antwortete der König, »daß ich ihm danke, und sage ihm, er habe mir eine große Freude bereitet.«

Ein zweites Mal verbarg er sich in einem Kornfeld und legte den offenen Sack wieder hin. Und als zwei Rebhühner hineingeschlüpft waren, zog er ihn zu und fing alle beide.

Dann ging er zum König und brachte ihm, wie früher den Hasen, die beiden Rebhühner zum Geschenk. Der König nahm auch dieses Wildbret mit Freude entgegen und ließ dem Kater einen Trunk reichen.

So brachte er zwei bis drei Monate lang dem König von Zeit zu Zeit irgendein Stück aus der angeblichen Jagdbeute seines Herrn. Als er aber eines Tages erfuhr, daß der König mit seiner Tochter, der schönsten Prinzessin der Welt, am Ufer des Flusses spazieren fahren wollte, da sagte er zu seinem Herrn:

»Jetzt folgt meinem Rat, und Euer Glück ist gemacht. Ich zeige Euch eine Stelle am Fluß, da könnt Ihr baden. Das übrige laßt mich machen!«

Herr von Carabas tat, wie ihm der Kater riet, ohne zu wissen, wozu es gut sein sollte. Wie er nun badete, kam der König vorüber, und der Kater fing an, aus Leibeskräften zu schreien:

»Zu Hilfe. Zu Hilfe! Der Marquis von Carabas ertrinkt!«

Als der König diese Hilfeschreie hörte, steckte er den Kopf zum Wagenfenster heraus. Sofort erkannte er den Kater, der ihm des öfteren Wildbret gebracht hatte, und befahl seiner Leibwache, dem Marquis von Carabas schleunigst zu Hilfe zu eilen.

Während man den armen Marquis aus dem Fluß zog, trat der Kater an den Wagen heran und berichtete dem König, daß Diebe gekommen seien und die Kleider seines badenden Herrn gestohlen hätten, trotzdem er ihnen, so laut er konnte, zugerufen hätte. In Wahrheit hatte der Schlauberger die Kleider unter einem großen Steine versteckt.

Sogleich gab der König seinem Kammerdiener den Auftrag, einen seiner schönsten Röcke für den Marquis von Carabas zu holen.

Tausend Aufmerksamkeiten erwies der König dem Marquis, und da das schöne Gewand, das er ihm schenkte, seine Gestalt gut zur Geltung brachte, gefiel er der Tochter des Königs sehr, und kaum hatte der Marquis von Carabas zwei bis drei bei aller Ehrfurcht doch ein wenig zärtliche Blicke mit ihr getauscht, da war sie bis über die Ohren in ihn verliebt.

Der König lud ihn ein, in den Wagen zu steigen und die Spazierfahrt mitzumachen.

Froh über das gute Gelingen seines Planes, ist der Kater vor dem Wagen her. Als er zu Bauern kam, die eine Wiese mähten, rief er ihnen zu:

»Ihr guten Leute, wenn Ihr nicht sagt, daß diese Wiese, die Ihr mäht, dem Herrn Marquis von Carabas gehört, so werdet Ihr alle miteinander zu Pastetenfleisch zerhackt!«

Richtig fragte sie der König, wem diese Wiese gehöre, die sie mähten.

»Dem Herrn Marquis von Carabas«, riefen sie wie mit einer Stimme, denn die Drohung des Katers hatte ihnen angst gemacht.

»Da habt Ihr ein schönes Erbe«, wandte sich der König an den Marquis von Carabas.

»Ja, Sire,« antwortete der, »die Wiese hier bringt alle Jahre schöne Erträge.«

Meister Kater, der immer vorneweg lief, kam zu Schnittern und rief ihnen zu:

»Ihr guten Leute, die Ihr da mäht, wenn Ihr nicht sagt, daß diese Kornfelder dem Herrn Marquis von Carabas gehören, so werdet Ihr alle klein gehackt wie Pastetenfleisch!«

Als der König einen Augenblick später vorüberfuhr, wollte er wissen, wem die Felder gehörten, die er da sah.

»Dem Herrn Marquis von Carabas«, antworteten die Schnitter, und der König und der Marquis hatten ihre Freude an der Antwort.

Allen Leuten, die er traf, schärfte der Kater, der immer vor dem Wagen her lief, denselben Spruch ein, und der König wunderte sich sehr über den großen Reichtum des Herrn Marquis von Carabas. Am Ende kam Meister Kater an ein prächtiges Schloß. Das gehörte einem Riesen, dem Reichsten, der weit und breit zu finden war, und alle Felder, bei denen der König vorübergekommen war, gehörten zu dieser Schloßherrschaft.

Vorsichtig erkundigte sich der Kater, wer der Riese sei und was er treibe. Dann bat er um eine Audienz mit der Begründung, daß er bei seinem Schlosse nicht vorübergehen wolle, ohne sich die Ehre zu geben, seine Aufwartung zu machen.

Der Riese empfing ihn so höflich, wie es bei einem Riesen möglich ist, und bat ihn, Platz zu nehmen.

»Man hat mir versichert,« sagte der Kater, »daß es in Eurer Macht stände, die Gestalt eines jeden Tieres anzunehmen, daß Ihr beispielsweise ein Löwe sein könnt oder ein Elefant.«

»Ganz recht,« brummte der Riese, »damit Ihr’s glaubt, will ich jetzt ein Löwe werden.«

Der Kater erschrak, als er wirklich einen Löwen vor sich sah, und kletterte schleunigst auf die Dachrinne, nicht ohne Mühe und Gefahr, denn die Stiefel hinderten ihn beim Laufen. Als der Kater sah, daß der Riese wieder seine alte Gestalt angenommen hatte, kletterte er herab und gestand, daß er große Angst gehabt habe.

Dann sagte er: »Man hat mir außerdem versichert, was ich aber kaum glauben kann, Ihr könntet Euch auch in die kleinsten Geschöpfe verwandeln, beispielsweise in eine Ratte oder in eine Maus. Ich muß gestehen, ich halte das für ganz ausgeschlossen.«

»Ausgeschlossen,« höhnte der Riese, »sieh einmal an«, und in demselben Augenblick verwandelte er sich in eine Maus, die auf dem Fußboden hin und her huschte. Kaum hatte der Kater das bemerkt, da packte er die Maus und fraß sie auf.

Inzwischen war der König beim Schlosse des Riesen angekommen und zeigte Lust, hineinzugehen. Als der Kater den Wagen über die Schloßbrücke holpern hörte, lief er hin und sagte zum König:

»Eure Majestät heiße ich herzlich willkommen im Schlosse des Herrn Marquis von Carabas!«

»Wie, Herr Marquis,« rief der König aus, »dieses Schloß gehört Ihnen? Es gibt nicht leicht etwas Schöneres mit all diesen Gebäuden ringsum. Wenn Sie erlauben, gehen wir hinein.«

Der Marquis reichte der Prinzessin die Hand, und sie gingen hinter dem König her, der voranschritt. Sie kamen in einen großen Saal, wo ein herrliches Mahl bereitet war, welches der Riese für seine Freunde bestimmt hatte, die ihn am selben Tage besuchen wollten, die aber nicht gewagt hatten, zu kommen, als sie erfuhren, daß der König da sei.

Der König war entzückt von dem vortrefflichen Herrn Marquis von Carabas, und seine Tochter war in ihn verliebt, und wie der König die vielen Reichtümer sah, die dem Herrn Marquis gehörten, da sagte er zwischen dem sechsten und siebten Glase zu ihm:

»Herr Marquis, es liegt nur an Ihnen, wenn Sie mein Schwiegersohn werden wollen.«

Der Marquis von Carabas verbeugte sich und nahm das ehrenvolle Angebot des Königs an und heiratete die Prinzessin noch an demselben Tage. Der Kater aber wurde ein großer Herr und ging nur noch auf die Mäusejagd, wenn er sich die Zeit vertreiben wollte.

Moral:

 
Es ist fürwahr sehr angenehm,
Vom Vater Geld und Gut zu erben.
Der Arme hat’s nicht so bequem;
Er braucht jedoch nicht arm zu sterben:
Mit Fleiß und mit Geschicklichkeit
Kommt er bisweilen auch so weit.
 

Der kleine Däumling

Es war einmal ein Holzhacker und seine Frau. Die hatten sieben Kinder, lauter Knaben. Der älteste war erst zehn Jahre alt und der jüngste sieben. Man braucht sich aber nicht zu wundern, daß der Holzhacker in der kurzen Zeit so viel Kinder bekam, denn seine Frau war sehr fleißig und schenkte ihm jedesmal mindestens zwei.

Es waren arme Leute, und die sieben Kinder machten ihnen viel Sorge, weil noch keines von ihnen sich sein Brot selber verdiente. Aber die größte Sorge machte ihnen ihr Jüngster; er war ein Schwächling und konnte noch kein einziges Wort sprechen. Das war in Wirklichkeit ein Zeichen seiner Schlauheit; aber die Eltern hielten ihn für dumm.

 

Er war ein winziger Kerl und, als er zur Welt kam, nicht länger ein Daumen. Man nannte ihn deshalb den kleinen Däumling.

Das arme Kind war immer der Sündenbock zu Hause, stets gab man ihm unrecht. Und doch war er der Schlaueste und Geriebenste von allen seinen Brüdern und wenn er auch wenig sprach, so hörte er um so mehr.

Eines Tages, als die Kinder schon zu Bett gebracht waren, saß der Holzhacker mit seiner Frau auf der Ofenbank und sagte kummervollen Herzens zu ihr:

»Du mußt einsehen, daß wir unsere Kinder nicht länger ernähren können. Ich kann es nicht mit ansehen, wie sie vor meinen Augen verhungern. Wir müssen sie im Walde aussetzen. Das ist nicht schwer; wenn sie Reisig suchen, dann lassen wir sie allein und gehen davon.«

»Was!«, rief da seine Frau, »du brächtest es über das Herz, deine eigenen Kinder zu töten?«

Vergebens sprach der Mann von ihrer großen Armut, aber sie konnte ihm nicht recht geben, denn wenn sie auch arm war, so war sie doch die Mutter der Kinder. Doch als er ihr vorhielt, welcher Schmerz es für sie sei, zuzusehen, wie die Kinder verhungerten, da war sie schließlich einverstanden und ging weinend zu Bett.

Der kleine Däumling aber hatte alles gehört. Denn als er in seinem Bette lag und die Eltern von ihren Sorgen sprechen hörte, da war er leise aufgestanden und unter den Schemel seines Vaters gekrochen, wo er unbemerkt lauschen konnte.

Er legte sich dann wieder hin. Aber er konnte nicht einschlafen und dachte nur darüber nach, was jetzt zu tun sei. Früh am Morgen stand er auf, ging an den Bach, füllte sich die Taschen mit kleinen, weißen Kieselsteinen und kehrte ins Haus zurück. Bald brachen sie auf. Der kleine Däumling verriet seinen Brüdern kein Sterbenswörtchen von dem, was er wußte. Sie kamen in einen großen, dichten Wald, in dem man sich schon auf zehn Schritte nicht mehr sehen konnte. Der Holzhacker fällte Bäume, und seine Kinder sammelten Reisig, das sie zu Bündeln banden. Als der Vater und die Mutter sie so beschäftigt sahen, da machten sie sich heimlich auf einem kleinen Seitenpfade davon.

Auf einmal sahen sich die Kinder verlassen und fingen an zu weinen und aus Leibeskräften zu schreien. Der kleine Däumling ließ sie schreien, weil er wußte, wie sie nach Hause zurückfinden könnten. Denn unterwegs hatte er die kleinen, weißen Kieselsteine fallen lassen, die er in seiner Tasche trug. Er sagte deshalb zu seinen Brüdern:

»Fürchtet euch nicht! Vater und Mutter haben uns verlassen, aber ich werde euch heimführen. Folgt mir nur!«

Und sie folgten ihm. Er führte sie auf demselben Wege, auf dem sie in den Wald gekommen, zu ihrem Hause zurück. Zuerst wagten sie nicht, hineinzugehen. Sie lehnten sich alle an die Tür, um zu hören, was Vater und Mutter sprachen.

Kaum waren der Holzhacker und seine Frau nach Hause gekommen, da schickte ihnen der Herr des Dorfes die zehn Taler zurück, die er ihnen schon lange schuldig war, und mit denen sie nicht mehr gerechnet hatten. Das rettete den armen Leuten das Leben, denn sie waren am Verhungern. Sogleich schickte der Holzhacker seine Frau zum Fleischer, und weil sie schon lange kein Fleisch gegessen hatten, kaufte sie dreimal soviel, wie sie für sich zu einem Abendessen brauchten. Als sie nun satt waren, sagte die Frau:

»Wo mögen jetzt unsere armen Kinder sein? Wie würde ihnen das schmecken, was wir hier übrig haben, aber du, Wilhelm, hast sie ja durchaus umbringen wollen. Immer habe ich gesagt, wir würden es noch bereuen. Wie mag es ihnen jetzt in dem finsteren Walde gehen? Ach, mein Gott, die Wölfe haben sie vielleicht schon gefressen! Du bist wahrhaftig ein Unmensch, daß du deine eigenen Kinder so umgebracht hast.«

Der Mann verlor schließlich die Geduld, denn mehr als zwanzigmal wiederholte sie, daß sie recht gehabt habe und daß er es noch bereuen würde. Am Ende drohte er ihr, sie zu schlagen, wenn sie nicht den Mund halte.

Und doch war der Holzhacker nicht weniger betrübt als seine Frau. Aber sie machte ihm den Kopf heiß, und er gehörte zu jenen Männern, die Frauen gerne haben, wenn sie sanfte Reden führen, die aber empört sind, wenn sie immer recht haben wollen.

Bittere Tränen vergoß seine Frau:

»Ach, wo sind jetzt meine Kinder, meine armen Kinder?«

Einmal rief sie das so laut, daß die Knaben, die an der Tür horchten, alle miteinander zu schreien anfingen:

»Wir sind wieder da! Wir sind wieder da!«

So schnell sie konnte, lief die Frau und machte ihnen die Tür auf. Unter tausend Küssen rief sie:

»Wie bin ich froh, daß ich euch wiederhabe, liebe Kinder! Ihr seid gewiß müde und habt großen Hunger; und du, Peterle, wie schmutzig bist du denn! Komm, ich will dich waschen!«

Peterle war ihr ältester Sohn, und sie liebte ihn mehr als alle anderen, weil er von ihr die roten Haare geerbt hatte. Dann setzten sie sich zu Tisch, und sie aßen mit einem Appetit, der Vater und Mutter helle Freude machte, und sie erzählten, welche Angst sie im Walde gehabt hatten, und einer schrie lauter als der andere.

Die guten Leute freuten sich, ihre Kinder wieder bei sich zu haben, und diese Freude dauerte geradeso lange, wie die zehn Taler reichten. Aber als das Geld ausgegeben war, kam wieder die alte Verzweiflung und mit ihr von neuem der Entschluß, die Kinder auszusetzen. Damit es nicht gehe wie beim ersten Mal, wollten sie die Kinder noch tiefer in den Wald hineinführen. Aber sie konnten darüber nicht so heimlich sprechen, daß der kleine Däumling es nicht gehört hätte, und er wollte es jetzt wieder so machen wie damals. Aber als er früh aufstand, um kleine Kieselsteine zu sammeln, da fand er die Haustür doppelt verriegelt.

Nun wußte er nicht, was er tun sollte. Doch als die Mutter jedem von ihnen ein Stück Brot zum Frühstück gab, da fiel ihm ein, daß er anstatt der Steinchen das Brot nehmen könne, wenn er es in Krümeln auf dem Wege ausstreute, den sie gehen würden, und er steckte das Brot in seine Tasche.

Vater und Mutter führten die Kinder in den dichtesten und finstersten Teil des Waldes, und als sie dort angekommen waren, machten sie sich auf einem Umweg davon und ließen sie zurück. Der kleine Däumling war nicht ängstlich, denn er glaubte, den Weg mit den Brotkrümeln, die er überall ausgestreut hatte, leicht zurückzufinden. Aber er war sehr betroffen, als er nicht ein einziges Krümelchen entdeckte. Die Vögel waren gekommen und hatten alle aufgepickt.

Da waren sie nun in großer Sorge, denn je weiter sie wanderten, um so mehr verirrten sie sich und gerieten immer tiefer in den Wald hinein. Die Nacht brach an, und es kam ein großer Sturm, der sie in Schrecken setzte. Von allen Seiten glaubten sie das Geheul der Wölfe zu hören, die sie fressen wollten. Sie wagten nicht mehr zu sprechen, noch sich zu rühren.

Zu alldem überraschte sie ein großer Regen, und sie wurden naß bis auf die Knochen. Bei jedem Schritt glitten sie aus und fielen zu Boden. Ganz beschmutzt standen sie da und wußten nicht mehr, was sie anfangen sollten.

Da kletterte der kleine Däumling auf einen großen Baum, um auszuschauen, ob er keine Hilfe sähe. Nach allen Seiten drehte er den Kopf und sah endlich ein kleines Licht, wie von einer Kerze, aber es war weit weg, jenseits des Waldes. Er kletterte vom Baum herab, und wie er wieder auf der Erde war, sah er das Licht nicht mehr. Das machte ihn trostlos. Aber als er eine Zeitlang mit seinen Brüdern in der Richtung gegangen war, in welcher er das Licht gesehen hatte, da sah er es beim Austritt aus dem Walde von neuem. Jedesmal, wenn der Weg sich senkte, verloren sie es wieder aus den Augen, und das machte ihnen große Angst. Aber schließlich kamen sie an das Haus, wo die Kerze brannte.

Sie pochten an die Tür, und eine gute Frau machte ihnen auf und fragte nach ihrem Begehr.

Der kleine Däumling sagte, sie seien arme Kinder, die sich im Walde verirrt hätten, und sie bäten um Gottes willen um ein Nachtlager.

Wie die Frau die netten Kinder sah, fing sie an zu weinen und sagte zu ihnen:

»Ach, meine armen Kinder, wohin seid ihr geraten! Wißt ihr nicht, daß hier ein Riese wohnt, der kleine Kinder frißt?«

»Gute Frau,« antwortete ihr der kleine Däumling, der ebenso wie seine Brüder am ganzen Leibe zitterte, »was sollen wir jetzt anfangen? Gewiß werden uns die Wölfe heute im Walde auffressen, wenn Ihr uns nicht aufnehmen wollt. Da ist es schon besser, daß uns der Herr frißt; vielleicht hat er aber Mitleid, wenn wir ihn darum bitten.«

Da ließ die Frau die Kinder hinein, denn sie hoffte, sie bis zum nächsten Morgen vor ihrem Manne verstecken zu können. Sie führte sie an ein helles Feuer, damit sie sich wärmen konnten. Es wurde nämlich gerade ein Hammel am Spieße gebraten als Abendessen für den Riesen. Kaum fingen die Kinder an, warm zu werden, da hörten sie es drei- bis viermal an die Haustür donnern. Das war der Riese, der zurückkam. Schleunigst versteckte die Frau die Kinder unter dem Bett und öffnete.

Zuerst fragte der Riese, ob sein Abendbrot fertig und ob der Wein abgefüllt sei, und setzte sich zu Tisch. Der Hammel war noch ganz blutig, aber das schien ihm gerade recht. Dann schnüffelte er rechts und links und sagte, es röche ihm nach frischem Fleisch.

»Das wird wohl der Hammel sein, den ich soeben gebraten habe«, meinte seine Frau.

»Ich rieche frisches Fleisch, sage ich dir nochmals«, versetzte der Riese und sah seine Frau von der Seite an:

»Hier muß etwas sein, von dem ich nichts weiß!«

Mit diesen Worten stand er auf und ging geradenwegs auf das Bett zu.

»Aha, du schlechtes Weib! Du hast mich also wirklich betrügen wollen! Ich weiß wahrhaftig nicht, warum ich dich nicht schon längst gefressen habe. Es ist dein Glück, daß du so ein altes Tier bist. Der Leckerbissen hier kommt mir gerade recht. Damit kann ich drei befreundete Riesen, die mich in diesen Tagen besuchen, schön bewirten.«

Dann zerrte er die Kinder eines nach dem anderen unter dem Bette hervor. Die Ärmsten warfen sich ihm zu Füßen und baten um Gnade. Aber es war der Grausamste aller Riesen; er hatte kein Mitleid mit ihnen, und mit seinen Augen verschlang er sie schon. Dann sagte er zu seiner Frau, das würden Leckerbissen werden, wenn sie nur eine gute Brühe dazu mache.

Er langte nach seinem Messer und fing vor den armen Kindern an, es auf seinem Schleifstein, den er in der Linken hielt, zu schärfen. Schon hatte er eines gepackt, da sagte seine Frau zu ihm:

»Was willst du denn jetzt damit? Hast du nicht Zeit bis morgen?«

»Halt den Mund,« schrie sie der Riese an, »sie sind dann mürber!«

»Aber du hast ja noch so viel Fleisch,« meinte seine Frau, »ein Kalb, zwei Hammel und ein halbes Schwein.«

»Du magst recht haben,« brummte der Riese, »gib ihnen aber gut zu essen, damit sie mir nicht abmagern, und bring sie dann zu Bett!«

Die gute Frau war außer sich vor Freude und brachte den Kindern ein schönes Abendessen. Doch sie konnten keinen Bissen anrühren, so sehr zitterten sie vor Angst. In bester Laune setzte sich der Riese hin und freute sich, für seine Kumpane einen so schönen Leckerbissen erwischt zu haben. Er trank und trank zwölf Glas mehr als sonst. Das stieg ihm in den Kopf, und er legte sich zu Bett.

Der Riese besaß sieben junge Töchter. Diese Riesinnen hatten alle eine wunderschöne Haut, da sie sich ebenso wie ihr Vater von frischem Fleische nährten; aber sie hatten kleine, graue, ganz runde Augen, eine große Nase und einen großen Mund mit langen, spitzen und weit auseinanderstehenden Zähnen. Sie waren noch nicht sehr bösartig, aber doch vielversprechend, denn sie fingen schon an, die kleinen Kinder zu beißen und ihnen das Blut auszusaugen.

Sie waren schon früh zu Bette gebracht worden und schliefen alle in einem einzigen großen Bett. Jede von ihnen trug eine goldene Krone auf dem Kopfe. In demselben Zimmer stand ein zweites Bett von derselben Größe. In dieses Bett legte die Frau des Riesen die sieben kleinen Jungen. Dann ging sie selbst zur Ruhe.

Der kleine Däumling hatte gesehen, daß die Töchter des Riesen goldene Kronen auf dem Kopfe trugen, und da er fürchtete, es möchte den Riesen reuen, daß er sie nicht schon am selben Abend abgeschlachtet hatte, stand er gegen Mitternacht auf, nahm sich und seinen Brüdern die Mütze vom Kopf und setzte sie, mit aller Vorsicht, den sieben Riesentöchterchen auf. Seinen Brüdern und sich selbst setzte er die goldenen Kronen auf, die er jenen genommen hatte. So mußte der Riese die Knaben für seine Töchter und seine Töchter für die Knaben halten, die er schlachten wollte.

 

Es kam genau so, wie es sich der kleine Däumling gedacht. Der Riese wachte um Mitternacht auf, und es tat ihm leid, daß er bis zum anderen Tage verschoben hatte, was er sofort erledigen wollte. Mit einem mächtigen Satz sprang er aus seinem Bett und griff zu seinem Messer:

»Nun wollen wir mal sehen, was unsere kleinen Schelme machen! So etwas gibt es nicht zum zweiten Male.«

So sprechend, tappte er im Dunkeln hinauf ins Zimmer seiner Töchter und trat an das Bett heran, in dem die kleinen Knaben lagen. Sie schliefen alle fest, nur der kleine Däumling wachte. Ein Gruseln überlief ihn, als er die tastende Hand des Riesen fühlte, der vorher schon alle seine Brüder abgetastet hatte. Wie der Riese die goldenen Kronen berührte, sagte er:

»Donnerwetter, da hätte ich beinahe etwas Schönes angerichtet! Ich habe wahrhaftig am Abend zuviel getrunken.«

Dann ging er an das Bett seiner Töchter, und als er hier die Mützen der Knaben fand, sagte er:

»Da hätten wir ja unsere Bürschchen! Nun rasch an die Arbeit!«

Mit diesen Worten schnitt er, ohne zu zögern, allen seinen Töchtern die Köpfe ab.

Zufrieden mit seiner Tat legte er sich wieder ins Bett. Kaum hörte der kleine Däumling den Riesen schnarchen, da weckte er seine Brüder und hieß sie, sich schnell anzuziehen und ihm zu folgen. Vorsichtig stiegen sie hinab in den Garten und sprangen über die Mauer. Am ganzen Leibe zitternd, liefen sie bis zum Morgen, ohne Weg und Steg zu kennen.