Handbuch Ius Publicum Europaeum

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b) Die „präsidierte“ parlamentarische repräsentative Demokratie



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Die zur Abgrenzung von der Präsidialdemokratie vorgenommene Kennzeichnung der Demokratie als „

präsidierte

“ (»

προεδρευόμενη

«) in Art. 1 Abs. 1 Verf. besagt nach der heute herrschenden Auffassung im Schrifttum nur eine republikanische Staatsform, in der das Staatsoberhaupt nicht nach erblichen Kriterien bestimmt wird.



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Die in derselben Verfassungsvorschrift institutionalisierte „

parlamentarische

“ Form der Demokratie bedeutet, dass die Regierung

nur

 vom Vertrauen des

 Parlaments

 abhängig ist. Gemäß Art. 84 Verf., der Art. 1 Abs. 1 konkretisiert, bedarf die Regierung des Vertrauens seitens des Parlaments (Abs. 1), das durch Beschluss einem einzelnen Minister oder auch der Regierung insgesamt sein Misstrauen aussprechen kann (Abs. 2). Demgegenüber hat der Präsident der Republik nunmehr keinen eigentlichen Beurteilungsspielraum, die Regierung zu ernennen oder zu entlassen, und nur ausnahmsweise kann er das Parlament auflösen. Die Verfassung enthält nämlich ausführliche Bestimmungen (Art. 37), die die Ernennung des Premierministers verbindlich regeln. Übrigens ist sogar die sog. „

präsidiale

“ Auflösung des Parlaments nur unter den Voraussetzungen möglich, dass zwei Regierungen zurückgetreten sind oder vom Parlament abgelehnt wurden und seine Zusammensetzung die Regierungsstabilität nicht sicherstellt (Art. 41 Abs. 1 Satz 1 Verf.); bei der in der Praxis üblichen sog. „

Regierungs

auflösung“

hat

 der Präsident der Republik hingegen das Parlament „zur Bewältigung einer Frage von außerordentlicher nationaler Bedeutung“ aufzulösen, wenn die das Parlamentsvertrauen genießende Regierung die Erneuerung des Volksauftrages vorschlägt (Art. 41 Abs. 2 Verf.).



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Obwohl keine ausdrückliche Gewährleistung des

Repräsentativprinzips

 in der griechischen Verfassung vorgesehen ist, sind seine wesentlichen Merkmale abgesichert. Die Verfassung legt fest, dass die Abgeordneten in unmittelbarer, allgemeiner und geheimer Wahl für vier Jahre gewählt werden (Art. 51 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 53 Abs. 1 Satz 1). Der als Element des Repräsentativprinzips geltende Begriff des „freien Mandats“ hat sowohl in Art. 51 Abs. 2 Verf., wonach die Abgeordneten die Nation vertreten, als auch in Art. 60 Abs. 1 Verf., wonach die Abgeordneten ein unbeschränktes, nur ihrem Gewissen unterworfenes Äußerungs- und Stimmrecht haben, seine verfassungsrechtlichen Grundlagen. Das Repräsentativprinzip kann ferner nur unter den Bedingungen politischer Freiheit und Gleichheit funktionieren. Das Prinzip der freien Wahl wird aus der Gewährleistung des Rechts auf Teilnahme an dem politischen Leben des Landes (Art. 5 Abs. 1 Verf.) abgeleitet, wobei alle Amtsträger ausdrücklich verpflichtet sind, die freie und unverfälschte Äußerung des Volkswillens sicherzustellen (Art. 52 Verf.). Die Verfassung enthält keine spezielle Gewährleistung der Wahlgleichheit und der Chancengleichheit der politischen Parteien; indes steht deren Verfassungsgeltung außer Frage. Die Möglichkeit der Durchführung einer Volksabstimmung (Art. 44 Abs. 2 Verf.) und die Einschaltung der Wählerschaft bei der Verfassungsänderung (vgl. Art. 110 Abs. 3 Verf.) können als Relativierungen des Repräsentativprinzips bezeichnet werden. Insbesondere unter Berufung auf die – wenn auch langsame – Entwicklung der Organisationen der Zivilgesellschaft auch in Griechenland sowie auf die Teilnahmemöglichkeiten, die die moderne Technologie mit sich bringt, ist überdies neuerdings von der partizipatorischen Demokratie die Rede, die den traditionellen Sinngehalt des Rechts auf Teilnahme am politischen Leben des Landes erweitert.






c) Voraussetzungen zur Verwirklichung der Demokratie



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Für die Verwirklichung der Demokratie sowohl im verfahrens- als auch im materiellrechtlichen Sinne sind ferner die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der

politischen Teilnahme

 (Recht, frei politische Parteien zu gründen und ihnen anzugehören – Art. 29 Abs. 1, Recht auf Teilnahme am politischen Leben des Landes – Art. 5 Abs. 1), der

Kommunikationsgrundrechte

 (Meinungs- und Pressefreiheit – Art. 14, Recht auf Information und auf Teilnahme an der Informationsgesellschaft – Art. 5A, aber auch staatliche Kontrolle des Hörfunks und des Fernsehens, die u.a. zur Aufgabe hat, „sachlich und gleichmäßig Informationen und Nachrichten zu übertragen“ sowie obligatorische und kostenlose Übertragung der Parlamentsgeschäfte und der Wahlwerbung der Parteien durch Hörfunk und Fernsehen – Art. 15 Abs. 2) sowie der

sozialen Freiheiten

 (Versammlungs- , Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit , Recht auf Streik ) unerlässlich. Dem Schutz der Demokratie dienen schließlich die speziellen Verfassungsvorschriften zum Schutz vor der „Verflechtung“ politischer und wirtschaftlicher Macht in den Bereichen des Medienwesens (Art. 14 Abs. 9) und der Parteienfinanzierung (Art. 29 Abs. 2) bei allen Bedenken hinsichtlich ihrer speziellen Ausgestaltung.






d) Praktische Konfliktkonstellationen



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Unter der Verfassung von 1975 sind zu unterschiedlichen Epochen verschiedene Konfliktkonstellationen des Demokratieprinzips in den Vordergrund getreten. Obwohl die Konzeption der sog.

„wehrhaften“ Demokratie

 von der griechischen Verfassung grundsätzlich nicht aufgenommen wurde, stellte sich in den ersten Jahren ihrer Geltung die Frage, ob das Demokratieprinzip die

Verbreitung von königstreuen Ideen

ausschließt, wie die Rechtsprechung in einigen Fällen meinte. Diese Rechtsprechung stieß auf gerechtfertigte Kritik im Schrifttum, weil es nur um die Verbreitung von Ideen und nicht um eine auf den gewaltsamen Umsturz der republikanischen Staatsform abzielende Tätigkeit ging.



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Insbesondere seit den 1980er Jahren stellte sich mit zunehmender Schärfe die Frage der Anwendbarkeit demokratischer Strukturen im

 außerstaatlichen Bereich

. Diese Thematik betraf zunächst die in der Praxis immer noch defizitäre

 innerparteiliche Demokratie

: Mit Hinweis auf die Vorschrift des Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Verf., wonach die Organisation und Tätigkeit der Parteien „dem freien Funktionieren der demokratischen Staatsordnung“ zu dienen haben, wurde in einem Teil des Schrifttums die Auffassung vertreten, dass die Parteien verpflichtet seien, demokratische Innenstrukturen zu haben, wobei der Demokratiebegriff offener als auf staatlicher Ebene konkretisiert werden könne. Demgegenüber wurde in der Rechtsprechung aus Art. 29 Verf. mit entstehungsgeschichtlichen Argumenten der Grundsatz der Nicht-Einmischung des Staates in innerparteiliche Angelegenheiten abgeleitet; dieser Grundsatz veranlasste zwar einen Teil des Schrifttums dazu, die verfassungsrechtliche Geltung eines Gebots der innerparteilichen Demokratie zu verneinen; diese Schlussfolgerung scheint aber nicht logisch zwingend zu sein.



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Ein ähnliches Problem betraf das

Hochschulwesen

. Wie schon erwähnt, hat die Rechtsprechung die Grundstruktur des Hochschulrahmengesetzes, das die gleichberechtigte Teilnahme der Vertreter aller „Gruppen“ an den Hochschulorganen vorgesehen hatte, auf der Grundlage der Garantie der „vollen Selbstverwaltung“ der Hochschulen (Art. 16 Abs. 5 Verf.) verfassungsrechtlich bejaht. In einem Teil des Schrifttums ist diese Rechtsprechung dennoch mit Hinweis auf die in derselben Verfassungsvorschrift festgelegte Organisation der Hochschulen als „Anstalten“ auf heftige Kritik gestoßen.



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In den letzten Jahren stellte sich aus dem Anlass des bereits geschilderten Streits um die Angabe der Religionszugehörigkeit in den Personalausweisen die Frage nach den Grenzen der

direkten Demokratie

. Während die östlich-orthodoxe Kirche mehr als drei Millionen Bürgerunterschriften gesammelt hatte, die die Durchführung einer Volksabstimmung zum Zweck der freiwilligen Angabe der Religionszugehörigkeit in den Personalausweisen forderten, konnte diese Forderung im Einklang mit der Gewährleistung der sog. „eingeschränkten“ Demokratie in Art. 1 Abs. 3 Verf. zu keiner Volksabstimmung führen, wenn sogar die freiwillige Angabe gegen die verfassungsrechtlich garantierte Religionsfreiheit verstößt.



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Schließlich hat sich die Ausgestaltung des

Wahlsystems

 in Griechenland zu einem konstanten Konfliktherd entwickelt. Die Verfassung überlässt es dem einfachen Gesetzgeber, das Wahlsystem unter Beachtung der Grenzen festzulegen, die sich insbesondere aus dem Grundsatz der Wahlgleichheit ergeben. Mit einer kurzfristigen Ausnahme hat sich der einfache Gesetzgeber bereits seit 1958 (zuletzt durch das G. 3231/2004) für Variationen eines Verhältniswahlsystems (der sog. „

verstärkten Verhältniswahl

“) entschieden, die darauf abzielen, der stimmenstärksten Partei in aller Regel die absolute Mehrheit im Parlament zu gewähren, was dazu führt, ein Zweiparteiensystem englischer Art aufrechtzuerhalten. Teilweise wird im Schrifttum die verfassungsrechtliche Notwendigkeit des einfachen Verhältniswahlsystems befürwortet oder die Auffassung vertreten, dass nur diejenigen Abweichungen von diesem System zulässig seien, die der Notwendigkeit der Bildung stabiler Regierung dienen. In einem anderen Teil des Schrifttums wird hingegen gemeint, dass sowohl die übermäßige Macht der Mehrheit als auch die überproportionale Macht der Minderheit gegen die materielle Wahlgleichheit verstoßen. Der als Wahlgericht tätige Oberste Sondergerichtshof hat jedenfalls grundsätzlich einen beträchtlichen Spielraum des einfachen Gesetzgebers bei der Festlegung des Wahlsystems anerkannt.

 



§ 3 Grundlagen und Grundzüge staatlichen Verfassungsrechts: Griechenland

 › III. Dogmatische Grundstrukturen und Grundbegriffe › 3. Rechtsstaat





3. Rechtsstaat





a) Die Grundrechte






aa) Konzeption und Rechtsnatur



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Die Verfassung von 1975 enthält einen umfangreichen Grundrechtskatalog im „Zweiten Teil“ (Art. 4–25) unter dem Titel „Individuelle und soziale Rechte“. Entsprechend dieser Terminologie, die der Unterscheidung Georg Jellineks entspricht, ist meistens von individuellen, sozialen und politischen Rechten im Schrifttum die Rede, allerdings unter Hinweis auf die Komplementarität dieser drei Kategorien. Der Begriff „soziale Rechte“ wird in einem Teil des neueren Schrifttums in einem sehr weiten Sinne verstanden, der neben den Rechten auf soziale Leistungen auch die sozialen Freiheiten und den Gleichheitssatz sowie Rechte mit gemischtem Charakter umfasst.



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Was die

individuellen

 Rechte einschließlich der sozialen Freiheiten und des Gleichheitsprinzips betrifft, stimmen Rechtsprechung und Lehre darin überein, dass sie subjektive Rechte darstellen, auf die sich die Einzelnen vor Gericht unmittelbar berufen können. Entgegen früherer Bedenken werden auch die Rechte auf

soziale

 Leistungen von der herrschenden zeitgenössischen Lehre und Rechtsprechung als verbindliche Rechtsnormen für alle Staatsorgane angesehen, obgleich einklagbare Ansprüche gegen den Staat diesen Rechten

grundsätzlich

 nicht zu entnehmen sind. Ihre normative Wirkung erstreckt sich auf ihre Heranziehung als Maßstab bei der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen, der verfassungskonformen Gesetzesauslegung, der Rechtfertigung von Einschränkungen von individuellen Rechten, der Konkretisierung des Gleichheitssatzes und der Ausübung des verwaltungsrechtlichen Ermessens. In Bezug auf einige soziale Rechte lassen Rechtsprechung und Lehre eine

Ausnahme

 von dieser Regel zu; das gilt insbesondere für die Rechte auf Umweltschutz und auf kostenlose Bildung, die als subjektive einklagbare Rechte gegenüber dem Staat angesehen werden.



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Für die Beurteilung der Rechtsnatur der Grundrechte ist schließlich auf die allgemeine Vorschrift des Art. 25 Abs. 1 Satz 1-2 Verf. hinzuweisen. Demgemäß werden die Rechte des Menschen „als Individuum und als Mitglied der Gesellschaft“ vom Staat gewährleistet; „alle Staatsorgane sind verpflichtet, deren ungehinderte und effektive Ausübung sicherzustellen“. Die Bedeutung dieser Norm darf nicht unterschätzt werden, obwohl die Rechtsprechung ihr Potential bis dato nicht entwickelt hat. Sie zeigt, dass sich die staatliche Verpflichtung auch für die traditionellen Abwehrrechte nicht in einer bloßen Unterlassung von Eingriffen erschöpft, sondern positive Maßnahmen verlangt; die deutsche „Schutzpflichttheorie“ findet damit eine verfassungsrechtliche Verankerung, wobei der starke begriffliche Unterschied zwischen individuellen und sozialen Rechten relativiert wird. Zugleich zeigt Art. 25 Abs. 1, dass die Menschenrechte – ohne Unterschied zwischen individuellen und sozialen Rechten – unmittelbar geltendes Recht sind, ohne dass sie den Erlass von ausgestaltenden oder einschränkenden Gesetzen voraussetzen.






bb) Durchsetzungsmechanismen



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(1) Gerichtliche Mechanismen. Von zentraler Bedeutung für die Durchsetzung der Grundrechte sind insbesondere die gerichtlichen Schutzmechanismen. Was den Schutz gegenüber dem

Gesetzgeber

 betrifft, folgt die griechische Verfassungsordnung grundsätzlich einem diffusen, inzidenten und konkreten Modell der Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen. Hinsichtlich der Durchsetzung der Grundrechte gegenüber der

Verwaltung

 üben der dem französischen Conseil d’Etat nachgebildete Staatsrat und die sonstigen Verwaltungsgerichte eine nachträgliche Kontrolle der Verwaltungshandlungen mit Ausnahme der sog. „Regierungsakte“ auf ihre Verfassungsmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit aus. Diese Kontrolle umfasst sowohl Rechtsverordnungen (sog. normative Verwaltungsakte) als auch Einzelakte (sog. individuelle Verwaltungsakte). Im Gegensatz zu formellen Gesetzen hat auch die Kontrolle gegenüber Rechtsverordnungen prinzipalen und nicht inzidenten Charakter; die Verfassung sieht die

Aufhebung

 und nicht nur die Nichtanwendung als Sanktion „wegen Befugnisüberschreitung oder Gesetzesverletzung“ vor (vgl. Art. 95 Abs. 1 lit. a Verf.). Außerdem ist der Staatsrat für eine präventive Begutachtung derjenigen Rechtsverordnungen, die vom Präsidenten der Republik erlassen werden (sog. Präsidialverordnungen), einschließlich ihrer Verfassungsmäßigkeit zuständig (Art. 95 Abs. 1 lit. d Verf.). Die „

Akte gesetzgeberischen Inhalts

“ werden, was den Rechtsschutz betrifft, nach ihrer Genehmigung vom Parlament den formellen Gesetzen gleichgesetzt, wobei die materiellen Voraussetzungen zu ihrem Erlassen nach ständiger Rechtsprechung des Staatsrates keiner gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Darüber hinaus bietet die gesetzlich vorgesehene

Staatshaftung

für rechtswidrige Handlungen oder Unterlassungen der Exekutive und zunehmend auch der Legislative einen sekundären Rechtsschutz. Gegenüber der

rechtsprechenden Gewalt

 kennt die griechische Rechtsordnung ein gesetzlich ausgeprägtes System von Rechtsmitteln gegen Gerichtsentscheidungen, obgleich das Recht auf Rechtsmittel nach herrschender Meinung in der Rechtsprechung nicht verfassungsrechtlich gewährleistet ist. Außerdem ist ein Sondergericht für Rechtsbeugungssachen (

Δικαστήριο Αγωγών

 Κακοδικίας) in der Verfassung vorgesehen (Art. 99 Verf.).



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(2) Außergerichtliche Mechanismen. Von den diversen außergerichtlichen Mechanismen des Grundrechteschutzes (u.a. parlamentarische Kontrolle, Verwaltungsselbstkontrolle, Petitionsrecht, Recht auf rechtliches Gehör, Recht auf Auskunft und Übermittlung von Dokumenten, Recht auf Akteneinsicht) soll die Rolle der sog. unabhängigen Behörden hervorgehoben werden. Während die meisten von ihnen spezielle Zuständigkeiten haben, ist die Institution des „Bürgerverteidigers“ (

Συνήγορος του Πολίτη

) von allgemeiner Bedeutung. Diese Institution wurde in Griechenland durch das G. 2477/1997 als „unabhängige Verwaltungsbehörde“ eingeführt. Durch die Verfassungsrevision von 2001 wurde ihr als „unabhängiger Behörde“ (Art. 103 Abs. 9 Verf.) eine verfassungsrechtliche Grundlage verschafft, die durch das G. 3094/2003 konkretisiert wurde. Gemäß diesem Gesetz liegt die Aufgabe des Bürgerverteidigers darin, sich gegenüber Behörden, juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder auch Unternehmen der öffentlichen Hand für den „Schutz der Bürgerrechte, den Kampf gegen eine schlechte Verwaltung und für die Achtung der Legalität“ (Art. 1 Abs. 1) stark zu machen. Was insbesondere die Kinderrechte betrifft, zählt zu den Aufgaben des Bürgerverteidigers auch der Schutz gegenüber Privaten (Art. 3 Abs. 1). Die auch von Amts wegen eingeleitete (Art. 4 Abs. 2) Untersuchung des Bürgerverteidigers kann mit einem Bericht abschließen, der dem Minister sowie den zuständigen Behörden übermittelt wird (Art. 4 Abs. 6). Außerdem verfügt der Bürgerverteidiger über die Zuständigkeit, u.U. Straf- bzw. Disziplinarverfahren gegen Verwaltungsorgane in Gang zu setzen (Art. 4 Abs. 10–12).






b) Das Prinzip des sozialen Rechtsstaates



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Nach der Verfassungsänderung von 2001 bezieht sich Art. 25 Abs. 1 Satz 1 ausdrücklich auf das Prinzip des sozialen Rechtsstaates, das gemäß dieser Vorschrift vom Staat „gewährleistet“ wird.






aa) Das Rechtsstaatsprinzip



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Bereits vor der Revision von 2001 gab es weitgehend Einigkeit in Lehre und Rechtsprechung darüber, dass das Rechtsstaatsprinzip verfassungsrechtlichen Rang besitzt. Insoweit hat die ausdrückliche Gewährleistung des Rechtsstaatsprinzips im Verfassungstext nur bestätigende Bedeutung. Das Schrifttum erkennt dem Rechtsstaatsprinzip – sowohl vor als auch nach seiner ausdrücklichen Verankerung in der Verfassung – den Stellenwert eines Grundprinzips der Verfassung bzw. der Staatsform zu. Der Rechtsstaat ist demzufolge dem Verfassungsstaat insgesamt gleichzusetzen, indem Rechtsnormen

 alle

 Ausdrucksweisen der staatlichen Gewalt sowohl durch verfahrensrechtliche Gewährleistungen als auch durch das Gebot materiell „gerechter“ Behandlung des Bürgers durch den Staat e