Violet Socks

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Mein Herz springt, als Brandon diese Worte ausspricht. Er beschützt mich vor der Sockentitte. Und das, obwohl sie befreundet sind. Geht es eigentlich noch perfekter? Ich lächle ihn als Dankeschön an.

„Keine Sorge", flüstert er mir ins Ohr. „Ich achte darauf, dass dich niemand dumm anmacht."

„Warte nur darauf, bis Harry und Ethan kommen", blökt Florence wieder und rückt ihren Ausschnitt zurecht, der heute übrigens mal wieder fast nicht vorhanden ist, denn ohne Kleid gibt es auch keinen Ausschnitt. Es ist wirklich nur noch ein Stofffetzen. „Denen wird das auch nicht gefallen – oh, da kommen sie ja schon."

Ich folge Florences und Clarissas Blick nach rechts zu den Treppen, die zum VIP-Bereich führen. Und sofort trifft mein Blick Harrys, der sich gerade seine dunkelbraune Jacke über die Schultern zieht, worauf ein weißes T-Shirt zum Vorschein kommt. Mal wieder trägt er enge Jeans, jedoch heute eine hellere und keine schwarze mit Löchern. Es ist albern, dass ich ihn heute Abend als attraktiv einstufen kann. Aber zum Glück habe ich Brandon neben mir, der mindestens genauso attraktiv ist und noch dazu ein Jackett trägt, wogegen Harrys Street-Look abstinkt.

„Na, Baby", grüßt Florence Harry und zieht ihn, noch bevor er überhaupt die Chance hat, sich zu setzen, neben sich und drückt ihm direkt einen Kuss auf die Lippen.

Ich sehe weg. Das ist ja abartig. Sie muss ja nicht direkt jedem zeigen, dass sie vögeln.

„Heilige Scheiße", sagt nun Ethan, der sich neben Harry setzt, der aufgehört hat, mit Florence rumzumachen. Er scheint mich durch die flackernden Lichter kaum zu erkennen. „Ist das Borrymore?"

Diesmal traue ich mich nicht, gegen Ethan’ Dummheit etwas zu sagen, denn ich befinde mich alleine auf feindlichem Terrain. Außerdem ist Brandon mit Ethan befreundet, weswegen ich erst recht nicht für Stress sorgen sollte, wobei Brandon heute Abend meinen Beschützer spielt und ich es genieße, wenn er sich für mich einsetzt.

Was Brandon auch sofort tut. „Sie heißt Vivien. Also nenn sie auch so!"

Und vorbei ist es mit dem Wunsch, Brandon würde sich für mich einsetzen. Vor Scham schlucke ich und hoffe, dass niemand hier verstanden hat, dass ich nicht Vivien, sondern Violet heiße. Wahrscheinlich kennt mich sowieso niemand aus der Gruppe als Violet, sondern als Berry-Loser oder Borrymore. Deswegen halte ich inne und hoffe, dass sich die Situation von alleine klärt.

Ich sehe zu Harry, denn bei ihm weiß ich, dass er meinen richtigen Namen kennt. Ich bete, er hat es nicht mitbekommen, doch stattdessen sieht er Brandon mit amüsiert erhobener Braue an, während Florence an seinem Arm klebt und seine Schulter küsst. Bitte blamier mich nicht, Harry, bitte.

„Was soll denn der Mist jetzt?", meckert Ethan, was mich insgeheim aufatmen lässt, weil die Konversation weitergeht, ohne dass Harry etwas gesagt hat. „Du hast keinen Ton davon gesagt, dass du die mitbringst!"

„Muss ich auch nicht", spielt Brandon weiter den Beschützer und steht auf. Er hält mir seine Hand hin. „Komm, wir gehen an die Bar. Du könntest einen Drink gebrauchen, oder?"

Wieder geht mir das Herz auf. Zwar trinke ich keinen Alkohol, aber allein schon diese Geste erwärmt meinen Körper und lässt mich den Rest vergessen. Wie benebelt von seiner Schönheit nicke ich und ergreife seine Hand, wodurch er mich auf die Beine zieht.

Brandon dreht sich zu den anderen. „Wir gehen was trinken und stört uns bloß nicht."

Ich liebe es, wie er mich vor seinen Freunden beschützt, und das, obwohl es nur um mich geht.

Wir laufen gemeinsam die Treppen herunter und ungewollt wird mein Blick von Harrys aufgefangen. Er sieht uns hinterher, doch strahlt keine Emotion aus. Für ein paar Sekunden halten wir den Blick, als würden wir ein kurzes Gespräch führen. Ich sehe weg, als er sich zurücklehnt, um Florence in den Arm nehmen zu können. Gespräch beendet.

Heute Abend geht es nur um Brandon und mich und niemand anderen.

Brandon führt mich an der Hand durch die Menschenmenge, bis wir schließlich an der Bar ankommen. Ich fühle mich wohler, wenn ich mit ihm alleine bin, denn wahrscheinlich hätte ich keine weiteren fünf Minuten in der Ecke des Grauens mit Florence, der Braue und Ethan überlebt. Und Harry natürlich.

Brandon und ich setzen uns auf höhere Hocker und ungewollt fällt mein Blick zur Ecke des Grauens. Ich sehe Harry und wie Florence ihm etwas grinsend ins Ohr flüstert, während sie sich an ihn schmiegt. Allerdings sieht er diesmal nicht zu mir. Kaum zu glauben, dass er sich mit ihr abgibt. Früher hätte er so Mädchen wie sie verabscheut.

„Was möchtest du trinken?", holt mich Brandon wieder ins Hier und Jetzt. Er lächelt mich wieder so liebevoll an, was meine Gedanken an Harry fast vergessen lässt. „Wie wäre es mit Sekt? Oder Wodka?"

„Oh, nein, danke. Ich trinke ungern Alkohol. Bei mir reicht eine Cola."

Er nickt verständnisvoll, was mich überrascht. Wahrscheinlich hätte jeder andere Idiot von seinen Freunden mich blöd angeguckt, doch er tut es nicht. Brandon akzeptiert mich, wie ich bin. Und das bringt mich zum Schmunzeln, während er für sich und mich etwas zu trinken bestellt.

Brandon reicht mir meine Cola, während er sich sein Bier krallt. „Ich finde es beeindruckend, dass du keinen Alkohol trinkst. Jedes andere Mädchen hätte sich von mir jetzt den teuersten Cocktail spendieren lassen."

Ich zucke schüchtern grinsend mit der Schulter. „Na ja, du bekommst es doch sowieso umsonst, also macht es keinen Unterschied."

„Stimmt, du hast recht. Es tut mir übrigens leid, dass meine Freunde so ätzend zu dir waren. Normalerweise nehmen sie alle Leute gut auf."

Ich lache auf und drehe das Colaglas in meiner Hand im Kreis. „Du musst dich nicht entschuldigen. Florence und Ethan waren noch nie freundlich zu mir und ich habe es auch nicht erwartet."

„Wieso eigentlich?"

„Aus unerklärlichen Gründen. Es wird immer ein Mysterium bleiben."

„Und Harry?"

Ich runzle die Stirn. „Harry?"

„Ja, was ist mit ihm? Ich weiß, dass ihr euch größtenteils ignoriert, aber wart ihr früher nicht mal unzertrennlich?"

Ich weiß nicht, wieso, aber in diesem Moment sticht etwas für einen Herzschlag in meiner Brust. Wahrscheinlich ist es das Wort „unzertrennlich“. Ich hasse dieses Wort, seitdem Harry und ich getrennte Wege gehen. Unzertrennlich wären wir gewesen, wenn er mir nicht einfach den Rücken zugedreht hätte, um jemand anderes zu sein. Wir waren nie wirklich unzertrennlich, denn im Nachhinein sind wir getrennt. Wegen ... Warum eigentlich? Und vielleicht ist dieses Unwissen der Grund, weshalb ich einen kurzen Schmerz spüre, als ich ein weiteres Mal an Harry denke, der gerade mit Ethan einen Shot runterkippt. Ich weiß nicht mal, wieso wir nicht unzertrennlich waren, und ich weiß auch nicht, wieso er sich so verändert hat. Diese Ungewissheit tut weh, aber es hält nicht lange an, als ich sehe, wie er Florence küsst.

Ich wende mich wieder an Brandon und versuche, Harry auszublenden. „Ich denke, wir haben uns mit der Pubertät einfach verändert. Er ist heute anders als früher und ich bin heute anders. Zumindest ein bisschen. Wahrscheinlich hat er dir schon jede Menge Mist über mich erzählt."

„Wieso sollte er das tun?"

„Weil er mich nicht ausstehen kann."

„Er kann dich nicht leiden, das weiß ich, aber er hat noch nie direkt ein Wort über dich verloren, soweit ich weiß. Zumindest nicht in meiner Gegenwart."

Ich blinzle total überrumpelt von dieser Tatsache. „Er hat nie über mich gesprochen? Kein einziges Wort?" Das kann ich nicht glauben.

„Nein, nie. Ich meine, du warst – bis auf die letzten Tage – nie ein großes Gesprächsthema in unserer Runde, aber trotzdem hat er nie über dich geredet."

Harry hat nie über mich gesprochen? Nicht mal im negativen Sinne? Wenn ich mir vorstelle, wie oft ich mit Benja und Charly gemeinsam über ihn hinter seinem Rücken gelästert habe, könnte ich fast ein schlechtes Gewissen deswegen haben. Er ist auch nicht Gesprächsthema Nummer eins bei uns, aber kam schon öfter zur Sprache, vor allem seitdem er so mit Florence rummacht. Und ich habe ihn in diesen Gesprächen mit Benja und Charly heftig beleidigt. Ich weiß nicht wieso, aber ich habe das Gefühl, ich sollte mich deswegen schuldig fühlen.

„Aber Florence hat in letzter Zeit öfter über dich gesprochen", redet Brandon weiter. Er lächelt. „Deswegen habe ich dich angesprochen. Ich habe dich das erste Mal richtig wahrgenommen und musste dich sofort nach einer Verabredung fragen."

Ich lächle, obwohl mir dazu gerade nicht zumute ist. „Ich hoffe, du bereust es nicht."

„Absolut nicht. Ich hoffe, du bereust es nicht, den Abend mit mir, anstatt mit deinen Freunden zu verbringen."

Charly und Benja fehlen mir, aber einen Abend muss ich nun mal ohne sie auskommen. Gleich morgen werde ich ihnen alles berichten. Deswegen sage ich: „Ich bereue es auch nicht."

Wir halten für ein paar Sekunden unsere Blicke und ich verliere mich in seinen schönen braunen Augen. Er ist so hübsch, es ist kaum vorzustellen, dass ich wirklich mit ihm hier bin, während ich ihn doch vor ein paar Tagen noch heimlich im Unterricht beobachtet habe. Ich kann nicht verstehen, womit ich diesen Abend mit ihm verdient habe, auch wenn wir nur in einem Klub sitzen und nicht in einem schicken Restaurant.

Brandon unterbricht unsere liebevollen Blicke und stellt sein leeres Bier auf die Theke. „Komm, lass uns tanzen."

Ich mache große Augen und frage mit krächzender Stimme: „Tanzen?" Um Himmels willen, der Abend ist geliefert.

„Ja, tanzen. Wir können doch nicht in einen Klub gehen, ohne mindestens mal kurz getanzt zu haben." Er steht auf und hält mir wieder seine große Hand hin. „Keine Angst, ich passe auf, dass dich niemand anfasst."

 

Und sofort klopft mein Herz schneller, als ich seine Hand ergreife, denn mir bleibt nichts anderes übrig. Tanzen tue ich normalerweise nur mit Benja und den anderen, weil ich weiß, dass sie genauso schlecht tanzen wie ich, aber ich wette, Brandon ist ein toller Tänzer. Neben ihm würde ich mich nur blamieren. Doch er sagte, er passe auf mich auf. Und nur deswegen lasse ich mich von ihm auf die Tanzfläche ziehen.

Und als würde das Schicksal auf unserer Seite stehen, läuft plötzlich ein langsameres Lied. Es ist nicht sehr langsam, doch im Verhältnis zu den Liedern davor langsam.

„Was ein Zufall", sagt Brandon, als wir inmitten der Tanzfläche zwischen zig Leuten stehen. Er dreht sich zu mir um und zieht mich urplötzlich an seine Brust. „Als hätte es Gott so gewollt."

Ich lache auf schüchterne und seltsame Art auf, als ich total verkrampft vor ihm stehe. Noch nie waren meine Gefühle so überfordert wie gerade. So schnell geht das alles also? Ich komme kaum hinterher.

„Mach dich locker", säuselt Brandon mir zu und legt seine Hände auf meine Hüften, was mich ein wenig beruhigt, doch nicht sonderlich viel. „Heute Abend sollst du Spaß haben."

Ich nicke und schlucke gleichzeitig. Unsicher lege ich meine Hände um seinen Nacken, während wir uns tief in die Augen blicken. Gott, ich bekomme weiche Knie. Mein Körper kann mit dieser Situation kaum umgehen.

Brandons Mundwinkel sind leicht gehoben, als wir uns sanft hin und her bewegen. „Du bist echt hübsch, Vivien", sagt er mit seiner samtigen Stimme. „Ich frage mich, wieso ich das nicht früher gemerkt habe."

Ich presse die Lippen aufeinander. Wieder nennt er mich Vivien. Dieses Vivien und die Tatsache, dass er nicht mal meinen Namen weiß, versaut so viel, obwohl ich das nicht will. Er sollte doch wenigstens meine Identität kennen, oder? Sonst wäre er perfekt.

„Weißt du", traue ich mich deswegen zu sagen, „eigentlich heiße ich ..."

„Violet", mischt sich jedoch eine tiefe Stimme ein und ich stocke.

Brandons und meine Blicke huschen nach rechts, wo Harry mit rot unterlaufenen Augen steht.

Ich runzle die Stirn und Brandon scheint genauso verwirrt über seine Anwesenheit zu sein.

Harrys Haare sind verwuschelter und er kommt – hin und her schwankend – auf uns zu. Er legt Brandon eine Hand auf die Schulter, um sich zu stützen. Jedoch ignoriert er mich vollkommen. „Ethan will, dass du uns zu Clarissa fährst", lallt er Brandon zu. „Und Vi-Vivien darfst du sogar mitnehmen."

Brandon verdreht genervt von Harry die Augen und haut seine Hand von seiner Schulter. „Ich fahre euch nicht. Ich bin gerade beschäftigt, siehst du's nicht?"

Als Brandon auf mich deutet, die noch immer ihre Hände um seinen Nacken hat, sieht Harry zu mir. Sein Blick ist total resigniert, gleichzeitig betrunkener denn je. Aber das wundert mich nicht. Er ist immer betrunken, wenn Wochenende ist.

Harry spricht wieder zu Brandon. „Aber niemand mehr von uns kann fahren."

„Harry, geh", knurrt Brandon und drückt Harry von uns weg und das so unsanft, dass er nach hinten stolpert. „Ich habe schon was getrunken und ihr müsst selbst klarkommen, wenn ihr euch so betrinkt."

Schwankend sieht Harry zu uns und nun kraust er auch seine Stirn. „Ist das dein Ernst? Du willst – wegen ihr?" Abwertend zeigt Harry auf mich.

Brandon schüttelt genervt von Harrys Verhalten den Kopf und dreht uns beide von ihm weg. „Verschwinde endlich. Dann fahrt halt besoffen, wenn ihr unbedingt noch zu Clarissa wollt."

Etwas in mir schreit Alarm. Vielleicht die Tatsache, dass jemand betrunken fahren will, oder vielleicht auch die Tatsache, dass Harry betrunken fahren will. Doch ich versuche, es zu ignorieren.

Weil ich Harry nicht mehr sehen kann, höre ich ihn nur vor sich hin fluchen und dann verschwindet er wieder in der Menge.

„Vergiss ihn", spricht Brandon mir zu, als ich versuche, über seine Schulter Harry hinterherzusehen. „Er ist ein Vollidiot, genauso wie die anderen. Jedes Wochenende ist es der gleiche Mist. Sie betrinken sich und ich darf sie umherkutschieren."

„Aber ihm zu sagen, dass er betrunken fahren soll, ist auch kein guter Ratschlag", weise ich Brandon an und meine es auch so. Auch wenn ich Ethan und Harry nicht mag, würde ich nie der Grund dafür sein wollen, dass sie einen Unfall bauen.

Brandon zieht mich enger an sich heran, was meinen Puls sofort wieder erhöht. Sein süffisantes Lächeln lässt alles um uns herum verschwimmen. „Ich weiß, so war es auch nicht gemeint. Aber ich wollte einfach mit dir alleine sein."

Ich kann mein verknalltes Grinsen nicht unterdrücken, weil ich immer noch nicht glauben kann, dass ich tatsächlich mit ihm hier bin. „Echt?"

„Ja, echt." Er hebt seine große Hand an und streicht mir eine Strähne von meinem Zopf hinter das Ohr, was meine Haut leicht kribbeln lässt. „Und außerdem wollte ich noch das tun."

Ich neige den Kopf ein wenig. „Was?"

Brandon kommt mir langsam ganz nahe und mir wird sofort klar, was gleich passieren wird.

Oh, mein verdammter Gott.

„Das", haucht er auf meine Lippen und küsst mich.

Er küsst mich so unerwartet, dass ich nicht mal richtig weiß, was ich tun soll. Doch trotzdem entfacht ein kleines Feuer in meinem Körper, während er sanft seine Lippen auf meinen bewegt. Der Geschmack von Bier macht sich in meinem Mund breit, doch das interessiert mich nicht.

Brandon aka Sexgott aka Gott der Geilheit aka hübschester Junge der Welt küsst mich! Nur das interessiert mich!

Nach ein paar Momenten, in denen meine Knie leicht schwach werden, lässt er von meinem Mund ab, hält aber noch immer liebevoll meinen Kopf zwischen seinen Händen.

Wir sehen uns in die Augen, auch wenn ich kaum etwas erkenne durch das flackernde Licht und die Dunkelheit.

Brandon lächelt. „Jetzt ist der Abend perfekt."

Und ich lächle, sage mit heiserer Stimme: „Oh ja."

Schöner könnte das Date mit Brandon wirklich nicht laufen. Er macht mir ein Kompliment nach dem anderen, beschützt mich vor seinen Freunden und küsst mich auch noch vor allen anderen, während ich doch eigentlich zu den Losern der Schule gehöre und er zum kompletten Gegenteil. Wir sind so unterschiedlich, aber genau das macht es so interessant.

Kapitel 8

Dennoch ist der Abend nicht lang. Wir tanzen noch ein wenig, unterhalten uns sehr lange, bis er gehen muss. Um halb eins stehen wir vor dem Ausgang des Klubs, vor dem noch weitere Leute stehen Benja, Charly und die anderen habe ich den ganzen Abend nicht mehr gesehen. Wahrscheinlich sind sie früh gegangen, denn dass solche Klubs nichts für sie sind, war klar. Sie sind auch nichts für mich, aber für Brandon mache ich gerne mal eine Ausnahme. Oder zehn Ausnahmen.

„Und du bist dir sicher, dass ich dich nicht nach Hause fahren soll?", fragt Brandon mich zum dritten Mal heute, als wir vor seinem weißen Auto stehen.

Ich schüttle den Kopf und reibe meine Arme mit meinen Händen, weil es nachts auch im Frühsommer kühl ist. „Wirklich nicht. Meine Mutter holt mich, weil sie es nicht leiden kann, wenn ich nachts mit anderen Leuten fahre."

„Aber ich bin doch nicht einfach nur irgendein anderer, oder?"

Etwas lache ich, weil auch Brandon lächelt. „Nein, bist du nicht."

Sein amüsiertes Grinsen wird zu einem warmherzigen. „Okay. Wenn ich dich wirklich nicht mehr dazu überreden kann, dich sicher nach Hause zu bringen, werde ich jetzt fahren."

Etwas bin ich traurig, weil der Abend schon vorbei ist, aber er meinte, er müsse auf seine kleine Schwester nachts Acht geben, weil sie oft Albträume hat. Und da sage ich natürlich nicht Nein, denn er muss weiterhin den großen tollen Bruder spielen. Das macht ihn noch sympathischer für mich. „Ja, mach das. Ich will deiner kleinen Schwester nicht im Weg stehen."

„Tust du absolut nicht." Er kommt einen Schritt auf mich und legt seine Hand in meinen Nacken. Und als wäre es selbstverständlich, küsst er mich auf die Stirn, was meine Kopfhaut zum Prickeln bringt. „Ich würde das gerne wiederholen. Beim nächsten Mal vielleicht in einem Restaurant, in dem es ruhiger ist."

Total hin und weg von dieser ungewohnten Geste und seinen schönen Augen, nicke ich benebelt. „Ja", sage ich mit kratziger Stimme. „Liebend gerne."

Ein letztes Mal lächelt er mir zu und dann steigt er auch schon in sein Auto und fährt mit einem Winken davon.

Ich sehe ihm hinterher, als ich so auf dem Parkplatz in der Dunkelheit stehe. Weiter weg von mir ist der Eingang, wo manche betrunkene Jugendliche stehen, und diese schreckliche Technomusik hat noch immer kein Ende. Nur für Brandon würde ich mir einen Abend antun, an dem ich ständig diese eintönige Mucke höre. Grauenvoll ist das. Noch dazu piept mein Ohr.

Doch Beschwerden hin oder her.

Brandon hat mich geküsst. Und würde das alles gerne wiederholen.

Ich seufze grinsend, als ich mich näher zum Ausgang des Klubs stelle, weil Mom mich hier abholen möchte. Wenn ich das Charly und Benja erzähle. Sie werden ausrasten.

Ich bin unheimlich froh, dass der Winter vorbei ist und meine Kniestrümpfe mir noch mehr Wärme schenken, denn auf eine Jacke habe ich heute Abend verzichtet. Sonst würde ich mir den Arsch abfrieren und wenn ich eins hasse, ist es Kälte. Und Fisch. Mal so nebenbei.

Meine Gedanken schwinden wieder zu Brandon und den gemeinsamen letzten Stunden mit ihm. Nie hätte ich mir ausmalen können, irgendwann mal so von ihm geküsst und umgarnt zu werden. Und das einfach so, ohne dass ich etwas getan habe. Vielleicht ist das ja Schicksal. Er meinte, er habe mich vorher nie wahrgenommen, aber als er mich das erste Mal richtig gesehen hat, musste er mich kennenlernen. Und so war es bei mir auch, nur dass er mir sofort aufgefallen ist und nicht erst nach zwei Jahren im gleichen Englischkurs.

„Hey, pass doch auf, Idiot!", schimpft eine weibliche Stimme hinter mir, was mich umdrehen lässt.

Ein Mädchen in knappem gelben Kleid steht am Ausgang und hat einen kleinen Schluck von ihrem Getränk auf ihrem Kleid verschüttet. Anscheinend jedoch nicht von sich selbst, sondern von einer anderen Person, die aus dem Klub gestolpert kommt, weil sie sich durch die Menge gequetscht hat.

Ich runzle die Stirn, als ich Harry als diese Person identifizieren kann. Er ist immer noch hier? Sollte er nicht bei Florence sein?

„Tut mir leid", sagt er zu dem Mädchen und hebt die Hände. „Ich …''

Doch das Mädchen scheint außer sich zu sein und rubbelt über den dunklen Fleck auf ihrem Bauch. „Nun ist alles ruiniert! Guck dir doch mein Kleid an! Das war genauso teuer wie dein komplettes Haus!"

Ich hebe eine Braue, als ich das Mädchen betrachte. So teuer wie Harrys Haus? Dieses Kleid kann nicht mehr als zehn Pfund gekostet haben. Bei so wenig Stoff, wäre es ja unzumutbar, tonnenweise Geld zu verlangen.

Auch Harry hebt eine Braue und betrachtet das Kleid des Mädchens. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Kleider in Größe eines Putzlappens sonderlich teuer sind."

Nun hebe ich beide Brauen. Hat er das gerade wirklich gesagt? Anscheinend ist er immer noch nicht ganz nüchtern, aber gut so. So unfreundlich, wie das Mädchen guckt, hätte ich wahrscheinlich nichts anderes gesagt.

Deswegen muss ich ungewollt in meine Hand lachen, als das Mädchen ihn entsetzt ansieht.

„Was?", fragt sie ihn erzürnt. „Was fällt dir ein? Das ist Gucci!" Und im nächsten Moment schüttet sie Harry ihren Drink ins Gesicht.

Mein amüsiertes Lachen wird zu einem schadenfrohen. Heiliger, das hat gesessen.

Harry hält inne und hält seine Augen noch geschlossen, während die Flüssigkeit sein Gesicht hinuntertropft und die Leute neben den beiden schon auf Abstand gehen, damit sie nichts von der Nässe abbekommen.

„Okay", sagt Harry und wischt sich durchs Gesicht und dann durch die Haare, worauf sie etwas mehr nach oben stehen. „Ich denke, das habe ich verdient."

„Und wie du das hast", zischt das Mädchen und stöckelt mit wackelndem Hinterteil davon. „Blöder Spaten!"

Ich muss mittlerweile schon die Luft anhalten, um nicht laut loszuprusten. Es ist urkomisch. Besser hätte der Abend nicht enden können. Harry ist durchnässt von einem klebrigen Getränk und ich kann heute Abend mit geküssten Lippen einschlafen.

 

Ein wahr gewordener Traum.

Doch anscheinend habe ich zu offensichtlich über Harry gelacht, denn sein Blick fällt auf mich. Trotzdem versuche ich nicht, weniger über ihn zu lachen. Er kann wissen, dass ich das gerade eben mitbekommen habe.

„So was findest du witzig?", ruft er mir zu.

Ich nicke glücklich. „Und wie!"

Daraufhin läuft er unerwarteterweise auf mich zu und wischt sich noch mal die Flüssigkeit mit dem Ärmel seiner braunen Jacke aus dem Gesicht. „Ich wollte sowieso zu dir."

Ich schiebe die Brauen zusammen, als er näher kommt. „Zu mir?"

Er nickt und bleibt vor mir stehen. Dann kramt er etwas aus seiner Hosentasche und hält es mir hin. Es ist ein Autoschlüssel. „Ich brauche jemanden, der mich nach Hause fährt und noch nichts getrunken hat."

Ungläubig betrachte ich ihn. „Ist das dein Ernst?"

„Ja."

„Nein."

„Doch."

„Nein, Harry. Meine Mutter holt mich gleich und außerdem …''

„Schreib ihr, dass du später kommst."

Ich verdrehe nun die Augen. „Nein, werde ich nicht. Wahrscheinlich ist sie schon unterwegs. Und außerdem: Wir mögen uns nicht, schon vergessen? Normalerweise tun Menschen, die sich nicht mögen, keine netten Dinge füreinander."

Harry nimmt den Schlüssel zurück. „Also willst du mich betrunken nach Hause fahren lassen?"

„Ich wette, du hast genug Freunde, die dich gerne abholen."

„Ich habe es bei jedem versucht."

„Was ist mit Ethan? Oder deiner ätzenden Freundin Florence?"

Etwas Durchdringendes, Selbstgefälliges schleicht sich auf Harrys Gesicht. „Meiner ätzenden Freundin Florence?"

Und weil mir dieser Blick absolut nicht gefällt, drehe ich mich um und entscheide, Mom entgegenzulaufen, damit ich schneller von hier wegkomme. Mit Harry so viel Zeit zu verbringen, macht mich verrückt. Wenigstens an den Wochenenden sollte mir Freizeit von ihm gegönnt sein, aber anscheinend habe ich das nicht verdient.

„Hey", ruft Harry mir hinterher und ich höre seine Schritte hinter mir. „Ich könnte einen Unfall bauen, wenn du mich fahren lässt! Noch bin ich nicht ganz nüchtern!"

Ich laufe einfach weiter und schlinge meine Arme um meinen Oberkörper. „Du wirst es schon überleben, Harry! Du hast mit Sicherheit schon Schlimmeres überlebt!"

„Ich bin noch nie betrunken Auto gefahren!"

„Dann ist es heute das erste Mal!"

„Das ist ziemlich fahrlässig von dir, einen Betrunkenen Auto fahren zu lassen! Ist das nicht irgendwie unterlassene Hilfeleistung oder so?"

Ich stöhne auf, weil er mir immer noch folgt und Mom einfach nicht auftaucht. „Hör auf, ruf deine Eltern an und frag, ob sie dich holen!"

„Violet", sagt Harry nun gestresster. „Das sind vielleicht drei Kilometer!"

„Drei Kilometer zu viel!"

„Ich bezahle dich!"

Ich lache auf und kann nicht glauben, was er gerade gesagt hat. Er scheint wirklich nicht betrunken fahren zu wollen. „Stell dich mal nicht so an! Das sind doch nur drei Kilometer!"

Harry sagt für ein paar Sekunden nichts, doch plötzlich höre ich ihn aufjammern. „Oh nein!", ruft er, während ich weiterlaufe und er mir immer noch folgt. Ich weiß sofort, dass er die Dramatik nur spielt, um mich überreden zu können. So wie er es früher auch immer tat. Jedes Mal. „Ich glaube, mein Gleichgewichtssinn lässt nach! So kann ich unmöglich fahren!"

Wieder rolle ich mit den Augen. Nicht mal ansatzweise schauspielern kann er. Vollidiot.

„Oh, Gott, das wird nicht gut gehen", redet er weiter vor sich hin und ich sehe über meine Schulter, wie er sich gespielt an einem Stromkasten festhält, um noch mehr Dramatik in die Szenerie zu bringen. „Scheiße, ich wette, ich fahre gegen einen Baum!"

Ich bleibe stehen, obwohl es mir widerspricht. Ich drehe mich zu ihm um, um mir diese Szene noch weiter anzusehen. Wenn er sich schon mal benimmt wie ein Waschlappen, dann sollte ich es wenigstens ganz sehen.

Harry hält sich nun die Hand an die Stirn. „Ich könnte ein Kind umfahren!"

Übertreib doch direkt, Mister Obercool.

„Oder noch schlimmer." Er sieht schockiert zu mir. „Eine Katze."

Sofort wird mir klar, dass er einen Schwachpunkt bei mir zu seinem Nutzen verwendet hat. Er weiß ganz genau, dass ich Katzen liebe und für sie sterben würde. Es war früher so und heute ist es noch immer so. Das weiß er noch. Verdammter Mist.

Harry scheint zu merken, dass ich beginne, schwach zu werden. „Ich würde nur ungern eine Katze totfahren", spricht er weiter. „Das hätten sie einfach nicht verdient ... Aber anscheinend muss es so sein."

Für einen Moment bin ich kurz davor, zu sagen, dass ich ihn fahre, doch dann fällt mir wieder ein, dass es hier um Harry geht. Und ich bin Violet. Harry und Violet hassen sich. Außerdem ist er ein Vollidiot und ich ein Loser. Ich sollte mich nicht so weichklopfen lassen. Vor allem nach diesem schönen Abend mit Brandon.

„Träum weiter", sage ich deswegen entschlossen zu Harry und drehe mich schnurstracks um. „Ich lasse mich nicht weichkriegen!"

„Stop!", ruft Harry mir hinterher, doch ich laufe weiter von dem Parkplatz herunter. „Violet!"

Ich ignoriere ihn.

„Violi-Ravioli, bleib sofort stehen!"

Und ruckartig bleibe ich stehen.

Eine mir nur allzu bekannte Wut auf diesen verdammten Namen kommt in mir hoch und ich balle die Fäuste.

Violi-Ravioli. Sein verdammter Ernst?

Harrys Name für mich, mit dem er mich als Kind dauerhaft aufgezogen hat. Er kennt meine Schwachpunkte anscheinend noch ganz genau und weiß, wie man sie einsetzt. Ich habe diesen Namen schon Jahre nicht mehr gehört und eigentlich wollte ich die Erinnerung daran verdrängen. Ist mir auch gut gelungen. Bis jetzt.

„Ich hasse diesen Namen", brumme ich.

„Oh, echt?"

Mit gefährlich engen Augen drehe ich mich um und werfe ihm tötende Blicke zu. Er steht einfach total unschuldig da und sieht mich an, als hätte er mir nicht gerade den schlimmsten Vorfall meiner Kindheit vor Augen gehalten. Wieso ich diesen Namen so hasse? Und wieso er mich so nennt?

Kleine Zusammenfassung: Harrys und meine Familie waren essen. Harry und ich aßen Ravioli. Ich vertrug sie nicht. Ich blockierte für genau eine Stunde die Toilette und übergab mich volles Rohr vor den Füßen des Obers, der uns bediente. Harry lachte. Ständig. Jahrelang, um genau zu sein. Genau darüber. Deswegen nannte er mich ständig Violi-Ravioli.

„Wage es dich, noch einmal diesen Namen in den Mund zu nehmen", warne ich ihn bitterböse.

Doch Harrys Mundwinkel hebt sich ein wenig, was mich noch mehr kochen lässt. Schweig lieber, Perlman, wenn du den nächsten Morgen noch erleben willst.

Aber er wäre nicht Harry, wenn er es nicht provozieren würde. Deswegen öffnet er gehässig grinsend seinen Mund und sagt: „Violi ..."

Ich kneife meine Augen noch mehr zusammen.

„Ravioli."

Für ein paar Momente stehen wir einfach noch nur dort am Straßenrand und starren uns an. Er sagt mir mit seinem Blick, dass er das Ausgesprochene absolut nicht zurücknimmt und ich sehe ihn nicht mehr als jugendlichen Harry, sondern als kleinen, nervigen, frechen Harry, der mich mit dem Vorfall damals im Restaurant aufzieht, indem er mich Violi-Ravioli nennt. Und das mindestens zehn Mal am Tag. Damals schon hat er mich genauso angesehen, wie er es gerade tut, und ich habe es gehasst, aber gleichzeitig geliebt, weil ich wusste, dass er es niemals anderen erzählen würde.

Aber heute hasse ich es nur noch, denn nun muss ich wirklich Angst haben, dass er es weitererzählt. Vielleicht hat er es schon längst.

„Na ja", sagt Harry seufzend, als ich mich nicht rege, und dreht sich weg. „Also muss ich doch betrunken nach Hause fahren. Vielleicht treffe ich unterwegs ein paar Leute, denen ich von Violi erzählen kann."

Als er mir den Rücken zudreht, um in die andere Richtung zu laufen, werde ich nervös. Verdammt, er droht mir genau mit dem, was ich dachte. Aber er würde das doch nie tun, oder?

Doch ich halte es einfach nicht aus. Ich habe zu große Angst. Ich ziehe mein altes Motorola Klapphandy aus der Tasche meines Rocks und schreibe Mom eine SMS, dass sie mich noch nicht abholen muss.

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