Lives Collide

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Z serii: Collide-Lovestory #2
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"Anscheinend", gebe ich patzig von mir, starre auf den Fernseher, in dem gerade Dr. House zum zigsten Mal erzählt, wie blöd er sein Leben findet.

Tja, da bist du nicht der einzige, House.

"Und deiner Stimmung nach zu urteilen, findest du das nicht gut."

Geladen strample ich mir die Decke von den Beinen und steige aus dem Bett. "Wie kommst du denn darauf? Ich bin die Ruhe in Person. Hast du noch Decke und Kissen für sie?"

Er betrachtet mich skeptisch, aber gleichzeitig ein wenig belustigt. "Unten im Schrank."

Ohne Worte stampfe ich aus dem Zimmer, die Treppen herunter, geradewegs zu dem Schrank neben der Couch. "Blöder Schrank", meckere ich und öffne ihn. "Blöde Decke, blödes Kissen." Mit gerümpfter Nase ziehe ich die weiße Decke und das Kissen heraus, schmeiße sie achtlos auf die Couch. "Blöde Couch."

Ich will gerade wieder hochgehen, da holt mich mein Gewissen wieder zurück zur Couch und richtet die Decke und das Kissen für Scar, die es eigentlich ganz und gar nicht verdient hat. "Blödes Gewissen", schimpfe ich weiter und klopfe aggressiv auf das Kissen um es in Form zu bringen. "Blöde Scar." Ich muss ein Vollidiot sein, ständig alles für sie zu tun und ihr so schnell wieder die Hand zu reichen. Aber ich komme schlecht gegen mich selbst an und das nervt mich.

"Ich habe das seltsame Gefühl, dass du, ähm, wie sage ich das jetzt?", taucht Aiden am Treppenende auf und tippt sich nachdenklich ans Kinn, schnipst dann. "Genau, jetzt weiß ich es wieder! Dass du ganz schön zickig bist." Er grinst frech und lehnt sich an das Treppengeländer, während er mir mit verschränkten Armen zuschaut.

Noch mehr genervt rolle ich mit den Augen und streiche ein letztes Mal über die Decke. "Ich bin nicht zickig", pampe ich ihn an und gehe schnurstracks an ihm vorbei in die Küche.

"So was sagen nur Frauen, die zickig sind."

"Hör auf zu behaupten, dass ich zickig bin, ich bin es nicht." Mit einem gefülltem Glas Wasser gehe ich wieder an ihm vorbei ins Wohnzimmer, stelle das Glas auf den Wohnzimmertisch, weil ich weiß, dass Scar nachts immer einen riesigen Durst hat.

"Na ja, du streitest dich mit deiner Freundin und lässt es an dem schönen Kissen aus, während du es beschimpfst. So was tun nur Zicken, Baby."

"Könntest du aufhören mich als Zicke abzustempeln und dir stattdessen etwas anziehen? Sie soll dich nicht in Unterwäsche sehen."

Aiden hebt belustigt eine Braue. "Du erhebst gerade ein Recht auf mich."

Ich stemme immer noch verärgert die Hände in die Hüften. "Ganz recht. Du bist mein Freund und nicht ihrer, sie hatte schon genug Typen."

Sein Grinsen wird so breit, dass man seine Grübchen erkennen kann, und er stolziert die Treppen hoch. "Wahnsinn, Ich bin mit einem eifersüchtigem Freak zusammen."

Ich stapfe sauer zum Treppenende. "Wer ist denn so eifersüchtig wegen Ben gewesen?", rufe ich ihm kratzbürstig hinterher.

Ich zicke wirklich heftig.

"Ich kann dich hier oben nicht mehr hööören!", singt Aiden zurück, als er im Schlafzimmer verschwindet.

Vor lauter aufgestauter Wut, stampfe ich auf den Boden. Er kann ein solcher Idiot sein.

Zehn Minuten später steht auch schon Scar vor der Tür.

Aiden - jetzt bekleidet - öffnet die Tür. "Komm rein", sagt er und sie betritt den Raum.

Ich stehe mit verschränkten Armen am Treppengeländer und starre sie einfach an. Mir kommen wieder ihre Worte von vorhin in den Sinn.

So wird deine Wut auch nicht weniger, Raven! schimpfe ich mich selbst, doch ignoriere mich gleichzeitig.

"Hi", sagt Scar kleinlaut an mich gerichtet, ihr Blick ist schuldbewusst. Sie weiß ganz genau, dass ich diesmal das Recht habe sauer zu sein, nicht sie.

"Hallo", begrüße ich sie plump.

"Hier kannst du schlafen", sagt Aiden und deutet auf die Couch. "Reicht eine Decke aus?"

Sie nickt schüchtern. "Ja, danke."

"Gern geschehen", blaffe ich und Aiden sieht mich finster an.

"Ravely, es tut mir leid", meint Scar und zupft unsicher an dem Ende ihres orangenen Pullovers.

Ich hebe eine Braue. "Was tut dir denn diesmal leid?"

Sie lässt ihre Schultern sinken und seufzt. "Diesmal tut mir alles leid. Ich weiß, dass es falsch war zu denken, dass du Danny küssen wolltest. Und es tut mir leid, was ich vorhin zu dir gesagt habe, ich war einfach so wütend... aber ich bin froh, dass du endlich jemanden gefunden hast." Sie lächelt leicht und sieht kurz zu Aiden.

Ich betrachte sie von oben bis unten. Wieso habe ich eigentlich ständig diesen Konflikt in meinem Kopf ob ich ihr verzeihen möchte oder nicht? Ich weiß doch sowieso, dass ich ihr niemals lange böse sein kann, immerhin ist sie meine beste Freundin. Die, die immer für mich da war. Natürlich verzeihe ich ihr.

"Okay", sage ich monoton und verschränke die Arme.

"Okay?", fragt Scar verwirrt, jedoch höre ich ein kleines Lächeln heraus. Sie weiß, dass ich ihr verzeihen werde.

"Okay, okay. Du kennst mich, Scarlett." Ich rolle mit den Augen, kann mir aber ein Lächeln nicht unterdrücken.

Sie beginnt breit zu grinsen und kommt auf mich zu. "Ich weiß." Fest drückt sie ihre Arme um mich und atmet erleichtert aus.

"Aber ich akzeptiere Danny immer noch nicht und werde ich auch nie. Er ist und bleibt ein Arsch."

Scar lässt mich los und sieht mich an. "Verstanden."

Aiden

"Sag mir schon, wo du dich versteckst!", rufe ich lachend durch den grünen, matten Wald. "Ich gebe auf!" Suchend lasse ich meinen Blick durch die vielen Bäume schweifen, die hoch in den Himmel ragen. Schnell blicke ich hinter mich als ich das schönste Kichern auf Erden höre.

Eine Spitze ihres hellblauen Kleid blitzt hinter einem dichten Busch hervor und mir schleicht ein Lächeln auf die Lippen.

"Hab ich dich", flüstere ich leise und schleiche mich so leise wie möglich zu dem Busch. Ich stehe genau hinter ihr und beobachte, wie sie auf Knien hinter dem Busch rausspäht, um nach mir zu sehen. "Hab dich!", rufe ich aus und packe ihr an die Schultern.

Doch sie regt sich kein Stück. Sie fällt unter meiner Berührung einfach mit dem Kopf in die Blätter, sie scheint reglos.

"Tammy?" Ich drehe sie vorsichtig, um ihr Gesicht sehen zu können.

Oh Gott.

Ihre Augen sind nur noch schwarze Kuhlen und ihre Haut ist komplett weiß.

"Tammy!", schreie ich und schüttel sie, während sie leblos in meinen Armen liegt. "Du darfst nicht tot sein! Nein, bitte, du darfst mich nicht verlassen!" Mir fließen die Tränen wie Bäche die Wange herab und tropfen auf ihr schönes, blaues Kleid, verschmutzen es mit dieser schwachen Flüssigkeit.

"Aiden", höre ich eine Stimme sagen.

Ich blicke keuchend auf, kann niemanden entdecken.

"Aiden." Die Stimme scheint aus dem Nichts zu kommen.

Ich beachte sie nicht und schaue wieder zu ihr. So fest ich kann, presse ich ihren kleinen Körper an meine Brust, weine bitterlich. "Du darfst mich nicht verlassen."

Mit einem lauten Keuchen wache ich auf.

Es war schon wieder ein Traum. Dieser Traum. Dieser gleiche, beschissene Traum, der mich in den letzten zwei Wochen verfolgt. Es ist nicht ständig dasselbe, doch das Ende bleibt das gleiche - Jedes Mal stirbt sie.

"Aiden", höre ich eine leise, sanfte Stimme neben mir, durch den vom Mond erhellten Raum.

Mit immer noch schwerem Atem, drehe ich meinen Kopf nach rechts und blicke in zwei trostlose, braune Augen.

"Du hast wieder schlecht geträumt", sagt Raven und streicht mir sanft über die verweinten Wangen.

Ich habe nicht schlecht geträumt. Ich habe beschissen geträumt. Wann hat die Scheiße endlich ein Ende?

Ich schließe erschöpft von all diesen Nächten mit diesen ständig wiederkehrenden Träumen die Augen und versuche mich zu beruhigen.

Raven seufzt und kommt mir näher, schlingt ihre Arme um meinen Oberkörper. “Willst du darüber reden?”

Darüber zu reden ist wie direkt wieder in diese grausamen Träume zu steigen. Viel lieber würde ich es vierundzwanzig Stunden am Tag verdrängen, um keinen Gedanken mehr daran zu verschwenden. Deswegen sage ich: “Nein.”

Sie legt ihre Wange an meine noch flachatmende Brust. “Aber das hilft. Es wird sonst nie besser …”

“Wieso sollte das helfen? Irgendwann hört dieser Dreck schon von ganz alleine auf.”

“Aiden …” Sie sieht mit ihren traurigen Augen zu mir auf. “Ich weiß nicht, was ich anderes tun soll. Auch mich belastet es, wenn du jede Nacht weinst und wenn du danach auch noch so gereizt bist, macht es das nicht besser.”

Ich sehe sie an und streiche ihr eine Haarsträhne aus der Stirn. Mich plagt schon seit Tagen das schlechte Gewissen, weil sie unter meinen schlechten Launen leiden muss, doch ich kann nichts dagegen tun. Die Sache mit Tammy hängt mir nun mal noch schwer in den Knochen und ich bin mir sicher, dass es noch lange so sein wird, egal wie sehr ich mich dagegen wehre. Auch ich wünschte, es wäre leichter, aber das ist es halt nicht. Tammy ist tot und ich muss lernen damit zu leben.

Doch trotzdem muss ich wenigstens versuchen, mich weniger wie ein Idiot zu verhalten. Wenigstens für Raven. Ich lege sanft meine Lippen auf ihre und sage leise: “Es tut mir leid.”

Ich spüre, wie ihr noch jede Menge Wörter auf der Zunge liegen, doch sie spricht sie nicht aus, sondern seufzt einfach in den Kuss hinein.

 

Es ist unbeschreiblich, wie viel Kraft sie mir jede Nacht schenkt, einfach weil sie hier bei mir ist und mich erträgt und für mich da ist. Gedanklich danke ich ihr dafür. Für alles.

Ich sage ihr leise, dass ich sie liebe und dann beuge ich mich über sie, um ihr das T-Shirt über den Kopf zu ziehen.

Raven

"Bist du nicht der Typ, mit dem ich damals am Telefon gesprochen habe?", fragt Scar Aiden, während die beiden am Küchentisch sitzen und frühstücken.

"Der bin ich", meint Aiden stolz.

Bei der Erinnerung daran, wie er mir damals das Telefon aus der Hand gerissen hat, weil ich so stur war, muss ich lächeln. Damals war vieles noch so anders. Es ist Wahnsinn, wie viel sich in den letzten Wochen verändert hat. Wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass ich an einem Samstagmorgen mit Aiden in seiner Wohnung am Frühstückstisch sitze, hätte ich der Person wahrscheinlich lauthals ins Gesicht lacht.

Ich hole eine Kaffeetasse aus dem Regal über der Kaffeemaschine, schütte mir Kaffee ein und höre ihnen gespannt zu.

"Das ist ja echt cool", sagt Scar. "Ich weiß noch, wie Ravely mich danach angerufen hat und sich ständig über dich beschwert hat, weil du so unerträglich wärst."

Oh nein, Scar, muss das sein?

"Ach, tatsächlich?" Ich höre Aidens grinsen bis hierher.

Ich drehe mich um und setze mich an den Tisch. "Du warst damals aber auch echt unerträglich. Ständig bist du überall aufgetaucht und hast blöde Sprüche gerissen."

Aiden lacht. "Das tue ich heute doch immer noch."

"Allerdings." Ich grinse. "Aber heute bin ich verknallt genug, um das witzig zu finden."

Er sieht mir in die Augen und sein Grinsen wird breiter, seine Augen strahlen Wärme aus.

"Unglaublich, dass so ein Satz mal von jemandem wie Ravely kommt", lacht Scar und trinkt einen Schluck Kaffee. "Du musst es ihr echt angetan haben." Sie sieht zu Aiden.

"Wann fährst du eigentlich?", wechsele ich das Thema.

"Mein Zug geht in einer halben Stunde."

"Oh, schon?", seufze ich. Ich hätte gerne noch den Tag mit ihr verbracht, ich würde ihr gerne so viel erzählen.

"Komm doch mit." Sie lächelt. "Dein Dad vermisst dich bestimmt höllisch."

Meine Hände umgreifen die Tasse ein wenig fester. "Ich weiß nicht." Ich würde Dad unheimlich gerne wieder sehen, aber ich will bei Aiden bleiben. Die Vorstellung, dass er den Rest seines Wochenendes hier alleine verbringt, ist zu traurig. Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, wie es ist, nicht bei ihm zu sein, ich habe mich schon zu sehr an ihn gewöhnt, an seine Nähe.

"Grandiose Idee", wirft Aiden ein und lächelt. "Ich wollte sowieso schon lange mal in so ein wunderschönes Dorf wie Aldbury."

Meine Mundwinkel zucken.

Hach, ja... Natürlich lässt er mich nicht alleine.

"Dann ist das geklärt." Scar steht auf. "Packt schnell eure Sachen, der Zug fährt in 25 Minuten."

Aiden steht ebenfalls auf und stellt seine leere Kaffeetasse in die Spüle. "Ich fahre uns mit dem Auto."

"Das sind unendlich viele Kilometer, weißt du das?" Ich hebe unglaubwürdig die Brauen.

"Ich kann Zugfahrten nicht ausstehen."

"Mit dem Auto geht es sowieso viel schneller. Lasst uns am besten heute Morgen noch losfahren, dann kommen wir heute Nachmittag an", meint Scar und geht aus der Küche. "Also hop, hop!"

Aiden sieht mich mit erhobener Braue an.

"Typischer Chef-Typ", erkläre ich ihr Verhalten.

Während der ganzen Fahrt nach Aldbury musste ich ständig an Dad denken. Ich habe die Sache mit meiner Mutter noch immer nicht mit ihm geklärt und er weiß auch noch nicht, dass Aiden existiert. Seit dem Drama mit meinem Ex-Freund Jason, ist seine Meinung über Jungs eher zurückhaltend. Das störte mich bisher wenig, da ich genau so dachte, aber jetzt habe ich nun mal Aiden. Aber ich bin mir sicher, dass Dad ihn mögen und akzeptieren wird, da Aiden einfach ein charmanter Typ ist. Er wird Dad schon um den Finger wickeln, das weiß ich.

Trotzdem bin ich mir noch nicht sicher, wie ich mit ihm die Situation mit meiner Mutter klären soll. Einerseits bin ich auf irgendeine Art und Weise enttäuscht von ihm, weil er damals Mum betrogen hat, als ich geboren wurde und es dadurch erst zu dieser ganzen Sache kam, aber andererseits konnte er all das nicht voraussehen. Aber die Tatsache, dass er immer noch für mich der beste Vater auf der Welt war, als meine Mutter nie da war, entschuldigt sein Verhalten. Außerdem ist das alles Vergangenheit und ich will nicht in der Vergangenheit leben, sondern in der Gegenwart.

"Alles gut bei dir?", frage ich Aiden, nachdem wir Scar bei sich zuhause abgesetzt haben.

Er scheint mit jedem Meter, dem wir uns meinem Zuhause nähern, nervöser zu werden.

"Ja klar, was sollte nicht gut sein?" Aiden fährt sich durch die Haare und beißt sich auf der Innenseite seiner Wange herum.

Ich hebe wissend eine Braue und schmunzele frech. "Du bist nervös."

"Nervös? Wieso sollte ich nervös sein?", fragt er fast schon hektisch. Würde mich nicht wundern, wenn ihm gleich die Schweißtropfen das Gesicht herablaufen.

"Baby", lache ich. "Du musst nicht nervös sein, mein Dad ist cool."

Er stützt seinen Kopf mit seinem Arm ab, den er an die Autotür gelehnt hat und seufzt. "Es ist nur - das ist das erste Mal, dass ich den Vater meiner Freundin kennenlerne."

"Wirklich? Wieso?"

"Keine Ahnung, es kam irgendwie nie dazu. Es war mir nie wichtig, ob ich ihre Eltern kannte."

Bei der Vorstellung, wie er ein anderes Mädchen umgarnt, versetzt mir einen Stich ins Herz, auch wenn es Vergangenheit ist. "Ach so", sage ich und sehe mit aufeinandergepressten Lippen aus dem Fenster, weil ich das Gefühl habe, dass meine Augen zu viel verraten könnten. Trotzdem bin ich froh, dass Aiden diesmal nicht so denkt, dass wir gemeinsam seine Premiere feiern können.

Kurze Momente später fahren wir auch schon in den Hof meines Vaters und ich merke, wie sehr ich ihn vermisst habe. Ich freue mich unheimlich ihn wieder zu sehen. Es ist kaum zu glauben, dass es jetzt schon einen Monat her ist, dass ich ihn besucht hatte.

Weil ich sehe, wie Aiden sich schon zum fünften Mal in der letzten Minute nervös durch die Haare fährt, lege ich meine Hand beruhigend auf sein Bein, bevor wir aussteigen. "Baby, du musst nicht aufgeregt sein. Ich liebe dich und deshalb wird er dich auch lieben. Okay?" Ein wenig beruhige ich mich selber mit den Worten, denn innerlich bin ich ebenfalls ein wenig aufgeregt. Immerhin ist es lange her, seit ich einen Mann mit nach Hause gebracht habe.

Aiden atmet tief durch. "Okay."

Ich küsse ihn. Wir steigen aus und klingeln an der Haustür.

Er steht neben mir, die Hände hinter dem Rücken und er wippt von einem Fuß auf den anderen. Es ist unglaublich süß, wenn er nervös ist. Es sieht ihm überhaupt nicht ähnlich, wegen etwas so unsicher zu sein. Eigentlich ist er sonst der selbstbewusste Aiden, der sich allem stellt. Doch heute scheine ich eine Schwäche an ihm entdeckt zu haben, Väter.

Die Tür öffnet sich.

Dad steht in Jogginghose und weißem T-Shirt im Türrahmen und sieht uns verdutzt an.

"Hi Dad", sage ich lächelnd, um die unangenehme Stille zu durchbrechen.

Er sieht von Aiden zu mir. "Ravely", lächelt er. Es ist ihm anzusehen, wie es in seinem Kopf rattert, während er Aiden ansieht. "Kommt rein." Er geht einen Schritt zur Seite und ich betrete das Haus, Aiden folgt mir.

Dad schließt die Tür hinter uns. "Also...", sagt er und sieht mich ein wenig fragend an.

Aiden räuspert sich und hält ihm freundlich die Hand hin. "Hallo Sir, ich bin Aiden."

Ich schmunzele.

Mein Vater schüttelt seine Hand und sieht ihm eindringlich in die Augen, sein Blick ist dennoch warm und freundlich. "Ich bin Jared."

Als ich sehe, dass Dad etwas sagen will, unterbreche ich ihn. "Aiden ist mein Freund, falls du dich fragst, was es mit ihm auf sich hat."

Er hebt die Brauen und sieht wieder zu Aiden, plustert sich ein wenig auf. Wie ein typischer Dad eben.

Aiden kommt mir auf einmal wie ein verlorener Welp vor, was überhaupt nicht weiß, was es tun soll. Er nickt nur und lächelt.

"Tatsächlich?", fragt mein Vater und betrachtet Aiden skeptisch von oben bis unten.

"Ja, Sir."

Dads Mundwinkel zucken erst, dann lächelt er breit und seine autoritäre Seite fällt von ihm ab. "Lasst uns doch ins Wohnzimmer gehen, hier ist der Boden immer so kalt." Er zeigt auf seine blanken Füße.

Ich lache und wir folgen ihm in unser Wohnzimmer. "Ich wundere mich wirklich wieso du nicht eine Dauererkältung hast, wenn du nie Socken trägst."

Es stimmt. Dad trägt Zuhause so gut wie nie Socken, zumindest im Sommer.

"Hach, weißt du", er setzt sich stöhnend auf die braune Couch im Wohnzimmer, "die Füße eines Mannes können so einiges aushalten. Nicht wahr Aiden?"

Aiden lächelt und nickt, während er sich neben mich hinsetzt. "Ganz recht."

Dad lehnt sich in der Couch zurück und verschränkt die Arme. "Also ich wage zu behaupten, dass es so einiges gibt, was im letzten Monat passiert ist, das ich vielleicht wissen sollte."

"Offensichtlich." Ich lache.

"Aber bevor ich gleich deinen netten Freund ausfrage... hat Scarlett dich erreicht?"

Ich nicke. "Ja, sie ist gestern nach London gekommen. Wir haben sie heute Morgen mitgenommen."

"Okay." Er lehnt sich nach vorne, faltet seine Hände und sieht zu Aiden, der sofort den Blickkontakt aufnimmt. "Also Aiden, kommen wir zu dir."

Aiden

Ach du Scheiße.

Seine Augen scheinen direkt in meine Seele blicken zu können - zumindest fühle ich mich so. Am liebsten würde ich jetzt schlucken, doch das bestätigt nur die Vermutung, dass mich die ganze Sache hier supernervös macht und das muss Ravens Vater nicht unbedingt merken. Denn wenn ich mir vorstelle, meine Tochter stellt mir ihren Freund vor und er sitzt dort wie ein Häufchen Elend, würde ich ihm wahrscheinlich nicht mal mehr wirklich eine Chance geben. Deshalb richte ich mich ein wenig auf und beuge mich nach vorne um ihm zu zeigen, dass ich offen für alles bin. Immerhin geht es hier nicht um irgendeine 0-8-15 Sache.

Während dem Moment vor der Tür, habe ich kurz an den Tipp von der Grundschule gedacht, wenn man nervös ist: Sich die Leute einfach nackt vorstellen. Tja, das habe ich dann doch lieber schnell aufgegeben, denn die Vorstellung Ravens Vater nackt zu sehen, würde wahrscheinlich so einiges verkomplizieren.

"Also erzähl mal", beginnt Ravens Vater das Gespräch.

Viel Spaß, man.

"Arbeitest du?"

Ich schüttele mit dem Kopf. "Nein, ich gehe mit Raven auf die ZOS."

"Aha, ist auch besser so. Studieren ist wichtig, nicht wahr?"

"Ist es, Sir."

"In welche Richtung geht dein Studium denn?"

"Englische Literatur."

"Dann schreibst du also ebenfalls."

"Ja, schon seit ich klein bin."

Er sieht mit erhobener Braue zu Raven. "Jetzt verstehe ich."

Sie lächelt und zuckt mit den Schultern. Ihr Lächeln beruhigt mich ein wenig.

Er sieht wieder zu mir. "Und welchen Beruf willst du nach dem Studium erlernen? Ich meine, es kann schwer werden, einen Job in dieser Richtung zu finden."

Ich nicke. "Das stimmt. Aber ich denke, dass ich weiterhin auf den einfachen Schriftsteller hinarbeiten werde, immerhin ist es das, was ich immer wollte." Ich lasse die Tatsache weg, dass ich bereits Geld mit meinem Buch verdiene, denn ich möchte nicht als arroganter Angeber dastehen.

"Ist das dein erstes Jahr auf dem College?"

"Nein, mein zweites."

"Also bist du jetzt neunzehn? Zwanzig?"

"Zwanzig. Im Februar werde ich einundzwanzig."

"Also alt genug um zu wissen, was richtig und falsch ist, nehme ich an?"

Meine Mundwinkel zucken leicht. "Ganz richtig, Sir."

"Sehr gut. Wie steht es mit deiner Familie? Sind deine Eltern verheiratet?"

"Sie leben getrennt, seit ich sechzehn bin. Meine Mutter lebt in Holmes Chapel, mein Vater lebt ebenfalls in London."

"O", macht er. "Wie du wahrscheinlich weißt, leben Ravelys Mutter und ich auch nicht zusammen, schon seit Jahren nicht mehr."

"Jaja, ich weiß."

 

"Und hast du noch Geschwister?"

Raven atmet hörbar tief Luft ein.

"Meine Schwester starb vor ungefähr einem Jahr."

Leicht erschrocken hebt er die Brauen und entfaltet seine Hände. "Das tut mir leid für dich."

"Schon in Ordnung." Leicht lächele ich, um die Stimmung nicht runterzuschrauben.

"Das muss eine schwere Zeit für dich gewesen sein. Ich kann das nachvollziehen, meine Mutter starb vor zwei Jahren."

Ich würde ihm gerne widersprechen, doch ich nicke einfach nur.

"Dad, bist du bald fertig?", stöhnt Raven. "Wir wollten mit Scar noch zum Poseidon?"

Er sieht sie verwirrt an. "Was wollt ihr denn beim Gott der Meere?"

Sie rollt die Augen und ich muss mir ein Lachen verkneifen. "Das ist der Pub in dem wir schon eintausend Mal drin waren."

"Ach so, das Teil." Er richtet sich wieder an mich. "Schrecklicher Pub, sag' ich dir. Grässliche Rockmusik gemischt mit dem Gestank von dem Schweiß der Männer, die von ihren Frauen rausgeschmissen wurden, weil sie wieder mal zu viel Bier getrunken haben."

"Dann scheint es wohl eine gute Bar zu sein, wenn diese Männer, nachdem ihre Frauen sie rausgeschmissen haben, noch mehr Bier dort trinken wollen", sage ich und lache leicht.

Ravens Vater lacht ebenfalls und ich fühle mich das erste Mal wohl.

Es ist doch eigentlich ein gutes Zeichen, wenn der Vater lacht oder? Irgendeine Sympathie muss hier doch entstehen.

Raven verschränkt die Arme. "Wenn es so eine grausame Bar ist, dann sollten wir sie uns vielleicht schön trinken", sagt sie und sieht ihren Vater selbstsicher an.

"Nein", sagen Ravens Vater und ich gleichzeitig.

Ich spüre seinen Blick kurz danach auf mir.

Raven sieht mit gerunzelter Stirn zwischen uns hin und her. "Ich verstehe schon", sagt sie, als sie aufsteht. "Ich gehe nach oben und mach´ mich ein wenig frisch." Sie richtet sich an ihren Vater. "Lass ihn bitte am Leben." Dann sagt sie zu mir: "Bringst du dann bitte unsere Tasche hoch, wenn ihr fertig seid?"

"Klar." Ich lächele ihr zu und bin mir gleichzeitig unsicher darüber, was gleich passieren wird, wenn ich mit ihrem Vater alleine bin. Sie kann mich doch hier nicht einfach sitzen lassen. Er ist wie der Löwe, der mich beschattet, während ich als Maus um mein Leben ringe. Ja, das beschreibt es relativ gut.

Okay, eventuell ist es ein klein wenig übertrieben.

"Danke", lächelt sie aufmunternd und streicht mir kurz über die Wange, bevor sie die Treppen hoch geht. Sie muss doch ganz genau merken, wie verdammt unsicher ich mir bin.

Ich sehe ihr hinterher, dann blicke ich wieder zu ihrem Vater, der ihr ebenfalls nach sieht.

Als wir die Tür hören, sagt er: "Sie ist wundervoll, nicht wahr?"

Ich nicke schmunzelnd. "Ja, das ist sie." Und es ist die hundertprozentige Wahrheit.

Der braunhaarige Mann, der mir quer gegenüber sitzt, seufzt. "Aiden, pass auf", fängt er an. "Ravely ist meine Tochter und ich liebe sie."

Aufmerksam höre ich ihm zu, bin jedoch ein bisschen geschockt von seiner plötzlichen Ernsthaftigkeit.

"Ich weiß nicht, ob sie es dir erzählt hat, aber sie hatte schonmal einen Freund. Ich glaube, das war vor drei Jahren ungefähr. Er hat sie unglaublich schlecht behandelt und hat ihr grausame Dinge angetan. Ich -“

"Ich liebe ihre Tochter", unterbreche ich ihn bestimmt.

Er sieht mich an.

"Und ihr damaliger Freund war ein Idiot, ja ich weiß, aber er hat sie nicht mal ansatzweise so sehr geliebt wie ich es tue, Sir. Und ich verspreche ihnen, dass ich versuchen werde, gut genug für sie zu sein."

Sein Blick ist durchdringend. "Wieso sollte ich sie dir anvertrauen, wenn du dir nicht mal sicher bist, gut genug für sie zu sein?"

Nach einer kurzen Pause sage ich leicht lächelnd: "Ich denke, dass sie es einfach müssen, denn Sie wissen, genauso gut wie ich, dass niemand für ihre Tochter gut genug sein wird. Sie lieben Raven und wollen nur ihr Bestes - und das versuche ich zu sein, jeden Tag."

Er schweigt und sieht mir so tief in die Augen, als könne er dadurch herausfinden, ob ich die Wahrheit sage oder nicht. Doch nach ein paar Momenten, lehnt er sich zurück und schmunzelt. "Ich mag dich."

Ich hebe überrascht die Brauen. Okay, damit hatte ich jetzt am wenigsten gerechnet. Ich hatte eher damit gerechnet, dass er mich mit einem Arschtritt aus dem Haus schmeißt, nachdem ich ihm gesagt habe, dass ihm nichts anderes übrig bleibt, als mir zu vertrauen. "Ähm, danke, Sir."

"Nenn mich einfach Jared. Ich habe ja verstanden, dass du Manieren hast", sagt er amüsiert.

Erleichtert atme ich auf. Und ja, ich bin verdammt erleichtert. "Okay. Jared."

"Und jetzt bring meiner Tochter endlich die Taschen hoch. Ich wette, sie wartet schon oben auf dich." Sein Lächeln ist ehrlich.

Ich nicke und stehe auf. "Mach ich."

Als ich gerade zur Haustür gehen will, sagt Ravens Va - Jared noch: "Sei besser für sie als ich damals für meine Frau war."

"Das werde ich."

Als ich draußen an meinem Auto ankomme, lehne ich mich seufzend dagegen und atme die kalte, frische Luft ein, als wäre sie Wasser nach einem Marathonlauf. Das war wahrscheinlich das unangenehmste, anstrengendste und gleichzeitig komplizierteste Gespräch meines Lebens. Ich hatte mir ja schon viele Szenarios für solche Gespräche ausgemalt, aber dass sie so verdammt schwierig sind, hätte ich niemals gedacht. Ich kam mir vor wie in einem Verhör und diesmal war ich nicht der Cop, nein, die Position hatte Ravens Vater übernommen.

Ich öffne den Kofferraum und hole die große Sporttasche heraus, in der meine und Ravens Sachen sind. Sie hat natürlich wieder viel zu viel eingepackt, aber ich habe sie machen lassen. "Man sollte immer auf Nummer sicher gehen", ist ihr üblicher Spruch gewesen.

Mir fällt eine riesige Last von den Schultern, nachdem ich das Kennenlernen mit Jared endlich hinter mir habe. Ich nehme an, dass das das Schwierigste an Anfängen neuer Beziehungen sein kann. Denn wenn die Eltern einen nicht mögen, hat eine Beziehung keine Zukunft, das habe ich schon oft bei Freunden mitbekommen, und ich bin froh, dass Raven und mir nicht das gleiche Schicksal droht.

Als ich die Treppen zu Raven hochgehe, sitzt Jared auf der Couch und hat seine nackten Füße auf dem Wohnzimmertisch ausgestreckt und sieht fern.

"Raven?", rufe ich durch den Flur, als ich die vier verschiedenen Türen sehe.

"Hier!", ruft sie aus der linken Tür.

Ich betrete den Raum, der sich als ihr Zimmer rausstellt und sehe sie auf ihrem Bett liegen, mit dem Handy in der Hand.

Ihr Zimmer ist relativ einfach gehalten. Die Wände in einem leichten orange und die Regale aus dunklem Holz, die voll mit Büchern und Notizbüchern sind. Ich kann mir vorstellen wie konservativ sie während der High School war und wie wenig Wert sie auf Dekoration legte. Ich kann mir vorstellen, wie sie jeden Tag an diesem Schreibtisch saß und schrieb, las und lernte um ihren Traum Schriftsteller zu werden, wahr werden zu lassen. Schon komisch, dass sie bis vor fünf Wochen immer noch so war. Ich habe sie noch nie schreiben gesehen, während der Zeit, in der sie bei mir ist. Hat sie vielleicht ihren Traum aufgegeben?

"Und?" Raven sieht von ihrem Handy zu mir auf und macht mir auf ihrem Bett Platz.

Ich lasse die Tasche auf den Boden fallen und lasse mich stöhnend neben sie fallen. "Ich bin ja wirklich vieles gewohnt", nuschele ich in ihr Kissen. "Aber das hat mir wirklich mehr abverlangt, als alles das mir je zuvor in der Schule vorgekommen ist."

Sie lacht und ich sehe zu ihr. "Worüber habt ihr noch geredet als ich weg war?", fragt sie dann.

Ich grinse schelmisch. "Das wirst du wohl nie erfahren."

"Sei nicht so gemein! Ständig verheimlichst du mir die besten Sachen."

"Was verheimliche ich dir denn?"

"Zum Beispiel dein blödes Buch! Ich weiß immer noch nicht, wie es heißt."

Ich lache. "Sagte ich nicht -“

"Jaja", stöhnt sie und schaut wieder auf ihr Handy. "Neugier ist eine Tugend, ich weiß schon."

"Gut", sage ich und lege mich auf den Rücken. "Wann wollte Scar uns treffen?"

"In einer halben Stunde sollen wir da sein."

"Bringt sie Danny mit?"

Raven runzelt die Stirn. "Ich hoffe es nicht. Sie hat bisher nichts über ihn gesagt."

Raven

"Das gibt’s nicht", stöhne ich und lehne meinen Kopf an die Kopflehne von Aidens Auto, während ich mein Handy in meine Hosentasche stecke. "Danny, der überaus nette Danny, kommt auch. Scar hat mir gerade geschrieben."