SAII-RON

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Z serii: SAII-RON #1
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„Verdammt, warum konntest du nicht in meinem Bannkreis bleiben?“

Du gibst mir die Schuld? Das kannst du nicht wirklich Ernst meinen!

Die unzähligen, kleinen Schnitte auf meiner Haut loderten noch immer wie Feuer. Einzig die schwarzen Runen hatten sich beruhigt.

„Prinzesschen wie es scheint, ist Shinn endlich da. Sag ihm, ich werde ihm in den Arsch treten, wenn wir uns das nächste Mal sehen.“

Ich musste lächeln, da ich wusste, das es Tchai tatsächlich tun würde. Shinn tat mir jetzt schon leid.

„Es ist alles gut Tchai. Es ist nichts, was nicht wieder wird. Nur ein paar Schnitte mehr nicht. Bitte komm bald wieder.“

„Ich versuche es.“

Meine Augen sammelten sich mit Tränen und ich spürte, wie sie über meine Wangen liefen. Ich wünschte mir, so sehr, er wäre hier.

Shinn ging vor mir in die Hocke und berührte sachte meine Arme.

Ich sog scharf die Luft ein und sah in mit tränennassen Augen an. Jede Berührung schmerzte so unaussprechlich.

„Komm lass uns zurück zum Lager gehen. Ich werde mich dort um deine Verletzungen kümmern.“

Anscheinend war seine Wut mir gegenüber verflogen. Ich nickte kurz und ließ mich von ihm aufhelfen. Gestützt von Shinn zwängten wir uns durch das Dickicht zum Bachlauf. Das leise vor sich hin murmelnde Wasser trotzte den Ereignissen.

„Shinn wer war dieses Mädchen?“, fragte ich ihn, als wir durch den kleinen Bach zu unserem Lager gingen.

Er holte tief Luft und schüttelte leicht den Kopf.

„Ein Sicheldämon! Mich wundert es, das sie sich so weit hinter die Grenze wagt. Meistens handeln sie im Auftrag ihres Meisters.

Wärst du innerhalb des Bannkreises geblieben wäre dir auch nichts passiert. Aber sie hat dich gekonnt herausgelockt. Sie sind sehr gerissen. Ich weiß das Tchaikor vor Wut kocht. Ich habe ihm versprochen gut auf dich aufzupassen.“

Schuldbewusst senkte ich den Kopf, während wir uns dem flackerndem Feuerschein näherten.

Ein Dämon also.

Es war das erste Mal das mir wirklich einer gegenüber stand. Es ärgerte mich insgeheim das es mir nicht früher aufgefallen war, das etwas nicht mit ihr stimmte.

Wir erreichten unser Nachtlager und das knisternde Feuer beruhigte meine aufgewühlten Gefühle. Dawn und Jasahra schienen von den Vorkommnissen nichts mitbekommen zu haben, denn ich sah sie nirgends. Sobald die Zwei die Zeit dazu fanden, verschwanden sie gemeinsam. Ich wusste, was sie trieben und ignorierte es so gut es ging. Shinn schien meinen suchenden Blick zu bemerken.

„Wenn du die Beiden suchst, wirst du sie hier nicht finden“, bestätigte mir Shinn meine Vermutung.

Er half mir mich neben das Feuer zu setzen und verschwand kurz, um in seiner Reisetasche nach etwas zu suchen. Im Grunde war es mir auch egal ob Dawn und Jasahra da waren. Shinn war derjenige, der mir im Augenblick am meisten helfen konnte. Außerdem solange Jasahra mit besserer Laune zurückkam, sollte es mir nur Recht sein. Sie war oft genug unausstehlich.

Ich biss die Zähne zusammen, als ich versuchte mich in eine halbwegs bequeme Position zu setzen. Mir fehlte noch immer jegliche Kraft. Shinn kam zurück und kniete neben mir nieder.

Er hielt einen Tiegel mit einer seltsam riechenden Paste in den Händen.

„Was ist das?“, fragte ich und zog meine Nase kraus.

„Eine Heilsalbe aus den Mooren im Norden. Sie wird helfen die Schmerzen der Schnitte etwas zu lindern.“

Ohne auf eine Reaktion von mir zu warten begann Shinn mit geübten Fingern die Paste auf meiner Haut zu verteilen. Von meinen Armen langsam aufwärts streichend, arbeitete er sich zu meinem Hals vor.

„Layra zieh dein Oberteil aus, damit ich all deine Verletzungen behandeln kann.“

Ich erstarrte und schüttelte schnell den Kopf.

„An den Armen sind die schlimmsten Wunden, Shinn. Danke das du mir hilfst“, entgegnete ich und verschränkte vorsichtig meine Arme vor der Brust.

Shinn schnaubte genervt und erinnerte mich dabei an Tchai. Sie waren sich auf einer seltsamen Art und Weise sehr ähnlich.

Shinn schienen meine Worte nicht zu überzeugen, denn er zog ohne weiteres meine Arme vorsichtig auseinander, packte meine Tunika am Saum und zog sie mir in einer einzigen, schnellen Bewegung über den Kopf.

Bevor ich etwas dagegen tun konnte, saß ich schon halb nackt vor ihm. Wieder wollte ich schützend meine Arme vor der Brust verschränken, als er mit fast schmerzhafter Stärke meine Hände packte und sie an meiner Seite fest hielt.

Langsam senkte er den Kopf und ich hielt gleichzeitig die Luft an. Sein Blick fixierte den Anhänger meiner Kette und er verzog kurz seinen Mund. Eine undefinierbare Regung huschte über sein Gesicht.

„Shinn?“

„Eine hübsche Kette hast du da Hohepriesterin. Hast du sie von Tchai oder von Krischan bekommen?“

„Von Krischan. Er gab sie mir zum Schutz vor den schwarzen Reitern von damals. Oder besser gesagt zum Schutz vor einem gewissen Mann“, antwortete ich leise.

Shinns Augen glitzerten und er kam mir noch näher. Sein langes, verstrubbeltes Haar kitzelte mich auf meiner verletzten Haut. Seine Lippen verweilten kurz über meiner Brust und ich spürte seinen Atem, als er das Sprechen anfing.

„Ich hätte nie gedacht das ich den Pakt, den Saii-ron mit der Hohenpriesterin und den Abgesandten der Drachenwandler geschlossen hat, wirklich einmal sehen würde. Diese Runen! Weißt du wie viel Macht sie haben?“

Ich ahnte das Shinn nicht wirklich eine Antwort hören wollte. Ich biss mir auf die Lippe, als mir seine Nähe bewusst wurde. Meine Schmerzen reduzierten sich auf ein Mindestmaß und ich krallte unbewusst meine Hände in das Gras neben mir. Seine Lippen berührten die Haut zwischen meinen Brüsten und ich keuchte erstaunt auf.

„Shinn …“

„Schhh, schhh. Ruhig Priesterin. Lass mich deine Schmerzen lindern.“

Die schwarzen Runen auf meiner Haut gerieten leicht in Bewegung und ich fühlte wie sich mein Herzschlag beschleunigte.

Das Feuer vor uns knisterte und die Dunkelheit schien uns mit willkommenen Armen zu begrüßen.

Shinn murmelte Worte in einer fremden Sprache und die Magie entfaltete sich mit lindernder Macht über mich.

Er war so nah! Ich schloss meine Augen und lehnte mich etwas zurück. Shinns Magie umwogte einem schützenden Kokon gleich, die Stellen des Schmerzes. Plötzlich verstummte er und ließ meine Arme los. Ich spürte, wie er mit der Fingerspitze zart die schwarzen Runen nach fuhr.

„Zieh dir wieder etwas über, du frierst!“

Leichte Röte färbte meine Wangen und ich beeilte mich schnell wieder mein Oberteil überzuziehen.

„Danke“, murmelte ich verlegen.

„Dafür bin ich hier.“

Er wollte sich schon erheben, verharrte dann jedoch.

Mit einer schnellen Bewegung packte er mich im Nacken und zog mich zu sich. Unsere Lippen trafen aufeinander und ich spürte seine Zunge in meinen Mund gleiten. Ich war viel zu überrascht, um mich zu wehren. Shinns Kuss war überwältigend. Doch er löste sich schnell wieder von mir und wich etwas zurück.

„Ein Kuss der Hohenpriesterin. Was denkst du wie viele Männer ihn begehren? Und doch bis du nur für einen Einzigen geschaffen.“

Seine geraunten Worte berührten etwas tief in mir. Ich spähte durch meine Wimpern um Shinns Gesichtsausdruck deuten zu können.

Was meint, er damit das ich für einen Einzigen geschaffen bin?

Bevor ich ihn aber danach fragen konnte, wurde Shinn an der Schulter unsanft nach hinten gerissen und vor uns stand ein ziemlich wütender Dawn.

„Was bei allen Gehängten tust du da?“, grollte er und baute sich drohend vor Shinn auf.

Mit einer geschmeidigen Bewegung erhob sich Shinn und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Beruhige dich Dawn! Ich kenne meine Grenzen.“

„Sieht nicht so aus.“

Jasahras belustigtes Lachen drang über das Feuer hinweg zu uns.

„Du weist doch Shinn, das er kein Erbarmen mit denen kennt, die sein Eigentum anrühren. Vor allem du müsstest das wissen!“

„Jasahra sei still!“

Dawns Wut steigerte sich und selbst Jasahra schien zu merken, das es besser wäre, sie nicht noch weiter zu schüren. Shinn schnalzte genervt mit der Zunge und ging zu einer der Provianttaschen. Er angelte einen Weinschlauch hervor und setzte sich damit wieder neben mich ans Feuer.

„Dawn es ist nichts Schlimmes passiert. Shinn hat sich nach der Begegnung mit dem Sicheldämon nur um meine Verletzungen gekümmert“, versuchte ich ihm unsere Lage zu erklären.

Shinn neben mir verschluckte sich hörbar und brach dann in lautes Husten aus. Dawn hingegen verlor jegliche Farbe und sank vor mir nieder. Schnell besah er sich die feinen Schnitte und starrte dann Shinn abermals böse an.

„Wie konnte das passieren? Es war deine Aufgabe sie mit einem Bannkreis zu schützen. Du weist, wie wichtig es ist Layra heil zum Turm der Drachen zu bringen!“

„Wenn ihr euch nicht vergnügt und eurer Lust nachgegeben hättet, dann wäre sie vielleicht noch sicherer gewesen“, Shinns provozierende Worte verklangen in der Nacht.

„Ja wie du schon sagtest vielleicht! Der Bannkreis war deine Aufgabe. Immerhin haben wir dich deshalb überhaupt mitgenommen.“

„Shinn wären wir jetzt nicht rechtzeitig gekommen hättest du einen Fehler gemacht, den du mit deinem Leben bezahlt hättest“, meinte Jasahra leicht hin.

Sie hatte sich auf die anderen Seite des Feuers hingesetzt und sich eine warme Felldecke über die Schultern gezogen.

„Was meint ihr damit? Immer redet ihr über einen Unbekannten, dem ich gehören soll. Dann sagt mir auch seinen Namen.

 

Ist es einer aus dem Kristallrat? Ein Adeliger? Oder wer?“

Jasahra kniff die Lippen zusammen und sah Dawn fragend an. Dieser schüttelte wütend den Kopf und richtete seinen Blick störrisch auf die Flammen. Was war nur los mit ihnen? Immer machten sie Andeutungen und wenn man die Beiden darauf ansprach, dann schwiegen sie. Ich hatte gehofft auf dieser Reise etwas mehr von den Leuten des Turmes der Drachen zu erfahren, doch noch immer waren sie für mich fremd.

„Sie haben Angst es dir zu sagen Hohepriesterin. Denn eigentlich ist es nicht mehr als eine uralte Prophezeiung“, antwortete mir Shinn auf meine eigentliche Frage.

„Eine Prophezeiung?“, fragte ich verwirrt.

Shinn nickte und reichte mir den Weinschlauch. Ich nahm dankend einen großen Schluck und wartete darauf das er fortfuhr.

„Sie besagt, das die Hohepriesterin der elften Generation einem gewissen Krieger versprochen wurde. Sie solle seine Frau werden und zusammen würden sie unvorstellbare Macht erlangen. Gemeinsam würden sie dem Land zu Wohlstand und Frieden verhelfen. Aus ihrer Verbindung soll ein Kind hervorgehen, das die Dunkelheit und das Licht in sich vereint und für immer das Gleichgewicht in seinen Händen hält. Die Prophezeiung ist sehr alt Layra und die wenigsten können sich noch daran erinnern. Die Leute vom Turm der Drachen leben mit dieser Prophezeiung von Generation zu Generation.“

Shinn schwieg kurz und auch Dawn und Jasahra hingen ihren eigenen Gedanken nach. Das Feuer flackerte vor sich hin und erzeugte zuckende Schatten am Rande der Dunkelheit.

Es war das erste Mal das mir jemand davon erzählte. Immer hatte ich nur vereinzelte Andeutungen gehört, doch jetzt wusste ich, wovon sie hinter vorgehaltener Hand gesprochen hatten. Ich war also angeblich einem ganz bestimmten Mann versprochen. Und das schon lange vor meiner Geburt.

Ein ungutes Gefühl breitete sich in mir aus. Zum Glück war es nur eine Prophezeiung. Die wenigsten Menschen gaben wahrscheinlich noch etwas darauf. Es war bestimmt nur eine Geschichte, wie man sie Kindern in ihren Betten vor dem Schlafen erzählte.

„Nun ja etwas halb Vergessenes ist nicht mehr als eine Geschichte, oder nicht? Gibt es auch einen Namen zu diesem Mann, dem ich angeblich gehören soll?“, fragte ich mutig.

Shinn lachte leise und Dawn musterte mich über das Feuer hinweg sichtlich besorgt.

„Es gibt einen Namen zu diesem Krieger Layra, aber man sollte ihn nicht unbedacht nennen“, meinte Dawn leise.

Ich sah ihn auffordernd an und rieb mir vorsichtig über meine verletzten Arme. Shinn hatte ebenfalls eine Decke über meine Schultern gelegt und sich neben mir ausgestreckt.

Dawn zögerte und ich merkte ihm an, das er mir die Wahrheit vorenthalten wollte.

Wieso nur? Man kann nichts herauf beschwören, was es nicht tatsächlich gibt.

„Dawn bitte!“

Er seufzte ergeben.

„Sein Name ist Dazai.“

Mein Blut gefror und ich versuchte vergeblich Luft in meine Lungen zu bekommen. Ich erstickte ohne etwas dagegen tun zu können. Mein Blick verschwamm und plötzlich sah ich nur noch das Feuer vor mir, das alles verschlang.

Warme Hände umgriffen mein Gesicht und ich konzentrierte mich panisch auf Dawns Gesicht vor mir.

„Atme ruhig! Bei uns kann dir nichts passieren. Wie gesagt, es ist nur eine alte Prophezeiung und außerhalb der Mauern des Turmes der Drachen kennt sie fast niemand mehr.“

Shinn umgriff mich von hinten und seine Magie pulsierte über mich hinweg. Mit einem Mal konnte ich wieder atmen und ich ließ mich erschöpft gegen ihn sinken.

„Warum jagt dir dieser Name solch eine Angst ein? Er ist dir anscheinend nicht unbekannt. Woher kennst du ihn?“, fragte Dawn vorsichtig.

„Der Mann, der damals mein Dorf angegriffen hatte hieß so“, antwortete ich mit belegter Stimme.

Egal wie viele Jahre vergehen sollten, er würde mich immer verfolgen. Auch, wenn es nur in meinen Gedanken war.

Warum nur? Konnte es sich tatsächlich um den gleichen Mann handeln? Der Krieger aus der Prophezeiung und der Herr und Meister der schwarzen Reiter? Oder hießen sie nur zufällig gleich?

Fragen die unbeantwortet blieben. Wenn es ein und derselbe Mann sein sollte, wenn die Prophezeiung sich in die Wahrheit verwandelte, dann würde ich mein Leben beenden. Nie auch nur eine Sekunde würde ich es ertragen von ihm berührt zu werden. Er hat mir damals alles genommen. Mein Leben wie ich es kannte beendet.

Ich spielte mit dem achtförmigen Anhänger an meiner Kette.

Noch hielt mein Schutz und ich war sicher vor ihm. Er durfte mich niemals finden!

Shinn strich mir beruhigend über meine Haare weiter den Rücken hinab.

„Wir werden morgen unsere Route östlicher halten. Wie es aussieht, sind wir zu nahe an die Grenze des nordwestlichen Xin-te-ras Waldes gekommen“, überlegte Dawn und setzte sich wieder neben Jasahra ans Feuer.

„Oder sie haben ihr Gebiet ausgedehnt“, entgegnete sie.

Ich kannte den Xin-te-ras Wald aus Erzählungen. Er galt als undurchdringbar, geheimnisvoll und gefährlich. Reisende machten einen weiten Bogen um ihn herum, denn er galt als Unglückswald, der jeden verschlang, der ihn unerlaubt betrat. Der Wald umgab den westlichen Berg Xintos, welcher der Letzte der nördlichen Bergkette war.

Hinter dieser Bergkette kamen die weiten Grasebenen, denen sich die Eiswüsten anschlossen.

Der Xin-te-ras, das Herrschaftsgebiet der Dämonen.

„Wir sollten uns hinlegen, wir werden morgen beim ersten Anzeichen der Dämmerung aufbrechen. Der Umweg kostet uns wertvolle Zeit. Ich will noch vor den Herbststürmen den Turm der Drachen erreichen“, erklärte Dawn.

„Ja unsere wertvolle Priesterin darf keinem Unwetter ausgesetzt werden. Nicht das sie ihr Amt nicht antreten kann“, meinte Jasahra süß.

Sie hatte sich hingelegt und ihre Decke bis zu den Ohren gezogen. Dawn gesellte sich zu ihr und zum Glück trennte das Feuer uns voneinander, denn ich hatte keine Lust ihre eindeutigen Bewegungen, wie in fast jeder Nacht, beobachten zu müssen.

--OO--

In dieser Nacht begann der Traum.

Reiter mit schwarzen Pferden, mit blutroten Reitgeschirr, jagten mich durch einen düsteren Wald.

Die Stämme der Bäume waren verkrüppelt und wuchsen in grotesken Formen gen Himmel. Von den Blättern der Bäume regnete Blut und sammelte sich in großen Pfützen auf dem Boden. Es rann über mein Haar und verwandelte es in lange, klebrige Strähnen.

Immer wieder stolperte ich und konnte mich im letzten Moment abfangen, um nicht zu stürzen. Die mich verfolgenden Pferde wieherten schrill und ich fühlte beklemmende Angst. Ich spürte die schiefergrauen Augen des ersten Reiters im Rücken. Unaufhaltsam kam er näher.

So sehr ich mich auch bemühte schneller zu rennen, so kam ich doch immer langsamer vorwärts. Meine Beine gehorchten meinen Befehlen nicht und rührten sich nicht mehr von der Stelle.

Mit Entsetzten musste ich beobachten, wie mein Verfolger näher kam. Seine lodernden Augen hielten mich gefangen und mein Körper erstarrte zu Eis. Als er mich erreichte glitt hinter ihm ein kleines Mädchen vom Pferd. Es kam mit seltsam springenden Schritten auf mich zu, zeigte mir sein spitzzähniges Lächeln und umarmte mich.

Weiß glühender Schmerz explodierte in meinem gesamten Körper und ich wurde innerlich zerrissen. Hitze brannte sich durch mich hindurch. Ein Schrei kam über meine Lippen.

Das Einzige was der Mann vor mir tat, war zu lächeln.

„Layra Verdammt mach die Augen auf!“

„Dawn sie ist total heiß, sie hat Fieber!“

„Dann tu etwas dagegen, immerhin bist du für ihre Gesundheit zuständig!“

Ein gemurmelter Fluch drang an meine Ohren und ich versuchte mich aus den starren Fängen des Albtraums hervor zu kämpfen.

Langsam verflog der Traum. Die Schmerzen blieben.

Mir war unglaublich heiß, sodass ich versuchte die Decke abzuschütteln.

„Priesterin lasst die Decke über euch oder ihr werdet die Nacht nicht überleben“, prophezeite mir Jasahra mit freudlosem Lächeln.

„Ich bin härter im Nehmen, als du denkst“, murmelte ich störrisch.

Seit wann war sie über mein Wohlergehen besorgt? Es gelang mir mittlerweile mich auf die besorgten Gesichter vor mir zu konzentrieren. Shinn wirkte wieder Magie, die mich anscheinend heilen sollten und Dawn beobachtete mich einfach nur mit einem besorgten Gesichtsausdruck. Jasahra hingegen war schon wieder aus meinem Blickfeld verschwunden.

„Hier trink das Layra.“

Shinn hielt mir ein seltsames Gebräu an meine Lippen und ich tat ihm widerwillig den Gefallen. Es schmeckte sonderbar. Immerhin wurde mir nicht übel davon.

„Und jetzt leg dich wieder hin. Wenn wir Glück haben ist das Fieber bis morgen abgeklungen. Ich werde dich nochmal mit der Salbe aus den Mooren einreiben“, meinte Shinn und verschwand kurz, um diese übelriechende Paste zu holen.

Ich war total erschöpft und spürte, dass das Fieber mich fest in seinen Fängen hatte. Shinn behandelte meine verletzten Arme mit geschickten Händen und als seine Finger unter meine Tunika glitten, schloss ich müde die Augen. Seine Berührungen linderten meine Schmerzen und irgendwann glitt ich in einen traumlosen Schlaf.

5

Die nächsten Tage zogen sich in einem immer wiederholenden Rhythmus dahin. In der frühsten Morgendämmerung brachen wir auf und ritten stetig nach Osten. In der Abenddämmerung schlugen wir unser Nachtlager auf und legten uns erschöpft nieder. In jeder der folgenden Nächte suchte mich der gleiche Traum von schieferfarbenen Augen heim.

Der von Albträumen geplagte Schlaf raubte mir die Kraft, die ich für den Tag brauchte. Von Tag zu Tag wurde ich schwächer und weder Dawn noch Shinn konnten es verhindern. Shinns Unruhe wuchs und Dawns sorgenvolle Gesicht war ein ständiger Begleiter geworden. Das Fieber, das mich in der ersten Nacht nach dem Angriff des Sicheldämons heimgesucht hatte, verschwand. Zurück blieb ein Schwächegefühl.

Ich fühlte mich matt und bei jeder Bewegung des Pferdes spürte ich die kleinen, fast verheilten Schnitte auf meiner Haut.

Wir kreuzten die nördliche Handelsroute und erfuhren von fahrenden Händlern, dass es immer mehr Aufstände im Süden gab. Es gingen die Gerüchte um, das die Gegner des Kristallrates nach den Waffen riefen und die Gelegenheit nutzten neue Abkommen zu schließen. Feinde wurden zu Verbündeten und Freunde zu neuen Feinden.

Es hatte nicht lange gedauert, das sich

Saii-rons Auftauchen außerhalb des Turmes der Drachen herumsprach.

Es war die einmalige Gelegenheit der Aufständischen ihn in ihre Finger zu bekommen. Sobald ich meine Position im Turm der Drachen eingenommen hatte, sollten sich auch die Aufstände legen.

So war zumindest die Hoffnung von allen. Wir mussten uns beeilen.

Dawn war die letzten Tage sehr schweigsam geworden.

Ihn beunruhigte etwas, das mit jedem Tag, der verstrich, zunahm. Ich spürte oft genug seinen besorgten Blick auf mir. Jasahra die hinter ihm ritt, benahm sich wie immer, aber sie hielt Pfeil und Bogen griffbereit an ihrer Seite.

Ich warf einen kurzen Blick hinter mich zu Shinn, doch er achtete nicht weiter auf mich, sondern beobachtete aufmerksam unsere Umgebung.

Gegen Nachmittag zogen dunkle Wolken auf und der Wind nahm zu.

„Wir suchen uns heute Nacht eine Unterkunft, ich denke, es wird ziemlich stürmisch werden.“

Ich konnte Dawn nur Recht geben. Obwohl ich meinen Umhang fest um mich gezogen hatte, spürte ich die kalten Finger des Windes darunter fahren. Shinn lenkte sein Pferd neben meine Stute und ergriff die Zügel.

„Vielleicht hilft dir ein warmes Bett, damit du dich wieder etwas erholen kannst. Du siehst nicht gut aus Layra.“

„Es klingt auf jeden Fall sehr verlockend“, gestand ich und überließ Shinn die Führung meines Pferdes.

„Wie weit ist es noch Dawn?“

Jasahras Frage war kaum durch das Heulen des Windes zu verstehen. Sie hatte sich mittlerweile Pfeil und Bogen umgehängt und ihr Schwert sicherheitshalber gezogen.

Dawns Antwort verstand ich nicht, doch Jasahra schien sie nicht zu gefallen. Sie wandte sich zu Shinn um, schüttelte kurz den Kopf und hielt vier Finger in die Luft. Er schien ihr Zeichen richtig zu deuten und schloss zu Dawn auf. Vier Meilen als noch. Eigentlich war es eine Strecke, die mit Pferd schnell zu schaffen war. Doch bei den einsetzenden Wetterverhältnissen konnte es ein schwieriges Unterfangen werden. Die Äste der Bäume beugten sich im Wind und unzählige Blätter segelten auf uns nieder. Zusammen mit dem einsetzenden Regen. Ich war froh, das Shinn mein Pferd lenkte, denn ich hatte alle Mühe im Sattel zu bleiben. Meinen Begleitern schien es nicht besser zu gehen. Die Pferde wurden unruhig und wieherten nervös. Ich betete zu den Göttern, dass wir es bis zur Unterkunft schafften. Als der erste Blitz den schwarzen Himmel erhellte, erreichten wir endlich das Gasthaus Zur Einäugigen Köchin.

 

Völlig am Ende meiner Kräfte stieg ich von meiner Stute und reichte die Zügel dem Stallburschen, der mit mürrischer Miene die Tiere in den angrenzenden Stall führte.

Ich folgte Dawn zur Eingangstür des Gasthauses. Ein Schild aus dunklem Holz über dem Eingang schwang laut quietschend im Wind. Es zierte das Gesicht einer einäugigen Frau, die einen Kochlöffel schwang.

Zweifeld sah ich nach oben zum windschiefen Dach des Hauses. Es hatte allen Anscheins schon seine besten Jahre hinter sich. Zumindest schien es tatsächlich Gäste zu beherbergen, denn einige erhellte Fenster aus dem ersten Stockwerk warfen flackernde Lichtpunkte in die Dunkelheit. Es hatten sicherlich viele Reisende eine Unterkunft vor dem Unwetter gesucht. Hoffentlich waren überhaupt noch Zimmer frei.

„Worauf wartest du Priesterin? Bist du es nicht gewohnt in solch einer Gesellschaft die Nacht zu verbringen?“, lachte Jasahra und drängte sich an mir vorbei.

„Ich bin schon seit Wochen deine Gesellschaft gewohnt, da kann das hier nicht schlimmer werden“, entgegnete ich gereizt.

Shinn legte mir lachend eine Hand auf den Rücken und schob mich einfach weiter hinter Dawn und Jasahra her.

„Es ist ein ganz normales Gasthaus Layra. Der äußere Anschein trügt oftmals. Die Wirtin und ihr Mann sind sehr nette Leute.“

„Du warst schon öfters hier?“

„Nun ja, früher …“

Shinn verstummte und bevor ich ihn weiter fragen konnte, erklang ein Donnergrollen das mich zusammen zucken ließ. Schnell folgte ich Dawn und Jasahra.

Das Innere Zur Einäugigen Köchin wirkte tatsächlich um einiges einladender. Ein riesiger Kamin, mit fröhlich vor sich hin flackerndem Feuer, nahm die Stirnseite des Schankraumes ein. Den Rest füllten etliche, schwarze Holztische und Bänke. Ein Schanktresen zog sich über die gesamte Breitseite des Gasthauses. Im hinteren Teil führte eine kaum beleuchtete Treppe vermutlich in den ersten Stock. Dawn ließ sich in der Nähe des Kamins nieder und ich setzte mich erschöpft zu ihm.

Meine Kleidung klebte wie eine zweite Haut an mir. Mit dem Feuer in meinem Rücken sah ich mich etwas genauer um.

Shinn lehnte über dem Schanktresen und säuselte einem der Barmädchen etwas ins Ohr, die daraufhin kichernd errötete.

Mit einem Mal war mir klar, warum er hier schon öfters war. Wieder eine Gemeinsamkeit mit Tchai.

Jasahra tauchte plötzlich neben mir auf und schwang eines ihrer Beine über die Bank, um sich neben Dawn zu setzen.

„Warst du erfolgreich?“, fragte er sie.

Jasahra zog lächelnd zwei kleine Bronzeschlüssel hervor und legte sie vor ihm auf den Tisch.

„Zwei Zimmer konnte ich noch ergattern. Eines für uns und eines für Shinn und die Priesterin“, entgegnete sie zufrieden.

„Oder eines für uns zu dritt und eines für Layra“, meinte Dawn mit einem Blick auf mich.

„Nun mir soll es recht sein. Ich teile mir gerne mit Shinn das Zimmer und das Bett. Haben wir immerhin schon öfters gemacht!“

Ihr zuckersüßes Lachen ging fast in dem lauten Stimmengewirr des Gasthauses unter. Die Gäste unterhielten sich lautstark, spielten Karten oder tranken bis zum Umfallen.

Hier und da konnte ich ein Paar Schuhe unter den Tischen hervorlugen sehen. Die Schankmädchen bahnten sich geübt, mit großen Tabletts in den Händen, einen Weg durch die Reihen.

„Ich brauche kein eigenes Zimmer“, wandte ich ein um nochmal auf unsere Unterhaltung von gerade zurückzukommen.

„Doch das brauchst du!“

Shinn stellte einen riesigen Bierkrug mit vier dazugehörigen Bechern vor uns ab. Er setzte sich mir gegenüber und schenkte uns ein.

„Du musst vor allem zuerst deine nassen Kleider wechseln. Deine Gesundheit ist schon angeschlagen“, sagte Shinn.

„Du solltest auf ihn hören. Ich mache mir auch Sorgen, dass das Fieber wiederkehren könnte.“

Dawn nahm sich einen Becher und behielt mich dabei im Auge. Er wusste, dass ich störrisch sein konnte und somit tat ich ihm auch den Gefallen.

„Mir ist nicht mehr kalt. Das Feuer hier hat geholfen, das schon der Großteil meiner Sachen trocken ist. Außerdem sitzt ihr genauso nass am Tisch. Ich bin nicht weniger empfindlich wie ihr!“

Dawn stützte sein Kinn auf der Hand ab und grolle etwas von einem sturen Weib. Shinn runzelte die Augenbrauen, schwieg aber ansonsten. Gut sie hatten es verstanden. Ich ließ mir nicht jedes Mal vorhalten, das ich zu zart besaitet war und jeder mich wie ein rohes Ei behandeln musste.

„Nun ihr habt die Hohepriesterin gehört, also lasst sie. Immerhin fällt sie dann nicht so auf“, meinte Jasahra leicht hin.

„Es gilt hier das gleiche Layra. Sieh niemanden direkt an, deine Augen würden dich verraten. Und schweig, wenn dich jemand in ein Gespräch verwickeln will.“

Ich nickte Shinn zu das ich ihn verstanden hatte. Mein Blick schweifte verstohlen über die Gäste und ich konnte mir nicht vorstellen, das es einer von ihnen auf Saii-ron abgesehen hatte. Wahrscheinlich war kein einziger unter ihnen der überhaupt von dem Kristall oder mir wusste. Ein paar raubeinige Gestalten konnte ich zwar erkennen, aber sie schienen sich um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Keiner warf einen Blick zu uns und wir blieben unbehelligt.

„Shinn hast du denn nicht etwas zu Essen bestellt?“, fragte Jasahra, nachdem sie sich schon zum zweiten Mal etwas nachschenkte.

„Ich denke, Linda wird es bald bringen.“

„Wer ist Linda?“, fragte ich.

Er grinste mich breit an und ich fragte mich, was an meiner Frage so lustig war.

„Die Köchin!“

Kaum hatte er es ausgesprochen, wurde auch schon ein Topf mit undefinierbarem Inhalt vor uns hingestellt. Teller, ein Korb Brot und eine Schüssel mit Haferbrei folgten.

Und dann konnte ich einen Blick auf Linda werfen. Sie war eine Frau mittleren Alters, hatte Rundungen an den richtigen Stellen und die Farbe ihrer Haare glich tiefrotem Wein. Ihr Gesicht war unverwechselbar und ich wusste, wie das Gasthaus zu seinem Namen gekommen war. Über Lindas linkes Auge spannte sich eine schwarze Augenklappe.

Shinn stieß mich unter dem Tisch am Bein an und schnell senkte ich den Blick.

„Danke Linda meine Liebe“, bedankte sich Shinn und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

„Lasst es euch in dieser stürmischen Nacht schmecken. Hier gibt es den besten Eseleintopf in der Umgebung!“

Linda lachte fröhlich und wandte sich dann anderen Gästen zu.

Meine Begleiter hatten ihre Teller gefüllt und reichten den Schöpflöffel an mich weiter. Zögerlich nahm ich eine kleine Portion. Mein Magen knurrte wie zum Protest.

„Layra wie willst du zu Kräften kommen, wenn du nur so wenig isst?“, fragte mich Dawn und brach sich ein Stück Brot ab.

„Ich … esse … schon noch.“

Ich konnte mich nur noch nicht mit dem Gedanken abfinden, das in dem Eintopf vor mir Esel herumschwamm.

Schließlich siegte mein Hunger und nachdem mein Teller leer war, musste ich zugeben, dass es gar nicht mal so schlecht geschmeckt hatte. Jasahra hatte sich zu einer Runde Kartenspieler gesellt und Shinn bestellte bei dem Mädchen hinter dem Tresen den fünften Krug Bier an diesem Abend. Allmählich wurde ich müde und unterdrückte nur mit Mühe ein Gähnen. Dawn merkte es jedoch sofort.

„Hier nimm!“

Er schob mir den kleinen, bronzefarbenen Zimmerschlüssel hin.

„Das vorletzte Zimmer auf der linken Seite des Ganges. Wir sind gleich eines daneben. Geh dich ausruhen. Wir kommen nach, sobald wir ausgetrunken haben. Es ist sicher, ich habe vorhin noch alles kontrolliert.“

„Danke Dawn.“

„Soll ich dich noch nach oben bringen?“, frage Shinn der mit einem neuen Bierkrug zurückgekehrt war.

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