SAII-RON

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Z serii: SAII-RON #1
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Ich erreichte die Holzwand, presste mich dagegen und sah vorsichtig durch das kleine Fenster ins Innere. So wie es schien, war Krischan zum Glück noch nicht zurückgekehrt. Auch sonst konnte ich nichts Ungewöhnliches feststellen. Alles stand noch an seinem Platz und nichts deutete darauf hin, das etwas zerstört wurde. Vielleicht war es doch keine Räuberbande und ich hatte mich geirrt.

Ein eiskalter Schauer jagte meinen Rücken hinunter, als mir ein anderer Gedanke kam.

Die fremden Reiter von damals.

Ihr Herr.

Dazai.

Begleitete mich deshalb den ganzen Tag über dieses unbestimmte Gefühl? Hatte die Vergangenheit erneut ihre Finger nach mir und Saii-ron ausgestreckt?

Tchai verdammt, wo bist du nur?

Ich sah zu dem immer dunkler werdenden Himmel hinauf, konnte ihn aber auch dort nirgends ausmachen. Langsam bewegte ich mich an der Hüttenwand entlang und spähte vorsichtig um die Ecke.

Innerhalb von ein paar Sekunden erfasste ich die Fremden. Sie waren zu dritt. Zwei Männer und eine Frau!

Sie unterhielten sich so leise, das ich nicht ein einziges Wort davon verstehen konnte.

Ich lehnte mich wieder zurück an die schützende Wand. Wer waren diese Fremden nur? Ihre Kleidung glich nicht denen von fahrenden Händlern oder Bauersleuten. Außerdem blitzte der kalte Stahl von versteckten Waffen auf. Wenn diese drei die Bedrohung von vorhin im Wald waren, wo blieb dann verdammt nochmal Tchai? Er hatte mich in der Schwertkunst und Verteidigung ausgebildet, doch üben war das Eine, ein richtiger Kampf das Andere.

Ich biss mir auf die Lippe und fluchte innerlich. Ich musste handeln, denn wenn ich noch länger wartete, dann war es bald tiefste Nacht.

Ich schob meine Angst immerhin ein kleines bisschen zur Seite, stand entschlossen auf und lief um die Ecke zur Vorderseite der Hütte. Die drei Fremden standen mit dem Rücken zu mir und hatten mich anscheinend noch nicht bemerkt.

Ich trat aus dem Schatten heraus und blieb nur ein paar Meter von ihnen entfernt stehen.

„Kann ich euch helfen?”

Meine Stimme klang fest und ich ließ nichts von meiner Angst erkennen. Die Fremden drehten sich in einer Geschwindigkeit zu mir um, sodass ich absolut sicher war das sie nichts von meiner Annäherung bemerkt hatten. Tchai konnte in der Lektion Anschleichen Stolz auf mich sein.

Auf den Gesichtern der Fremden waren die unterschiedlichsten Reaktionen zu lesen.

Überraschung, Erkennen und Verärgerung?

„Wir wollen zu Krischan!“, erklärte der Mann, der mir am nächsten stand mit dunkler Stimme.

Sein Gesicht überzog ein dichter, schwarzer Bart und auch seine Kleidung war von tiefstem Schwarz.

Was wollten sie denn von Krischan? Seit ich bei ihm war, waren noch nie solche Leute hier gewesen. Bauern, Händler und Freunde ja. Aber bewaffnete Fremde, niemals.

„Wie ihr seht, ist er nicht da. Also verschwindet!“

Panik überkam mich als ich meinen Blick zu den anderen Beiden hinübergleiten ließ. Auch sie waren in schwarze Mäntel und Hosen gekleidet. Das konnte nicht wahr sein. Mein Herzschlag verdoppelte sich und ich umgriff mein Schwert fester, sodass meine Knöchel weiß hervortraten.

Sie konnten doch nicht wirklich zu diesen fremden Reitern von damals gehören. Schnell sah ich mich um, ob ich irgendwo Pferde mit blutroten Reitgeschirr sah, konnte aber auf Anhieb keine entdecken.

Langsam wich ich einen Schritt zurück und hob mein Schwert.

„Wer bist du, das du es wagst, uns vorzuschreiben was wir tun sollen Kind?“, fragte die Frau und kam mir nach.

Ich nahm sofort meine erlernte Verteidigungsstellung ein. Mein rechtes Bein einen kleinen Schritt nach hinten, Körpermitte leicht gedreht, Knie leicht gebeugt.

Die Frau vor mir lachte leise und zog ihr bis dahin unter dem Mantel verstecktes Schwert. Ich riss erschrocken die Augen auf und verfolgte, wie sie belustigt mit ihrer rechten Hand über die geschärfte Klinge strich. Sie musterte mich interessiert und verzog ihre Lippen.

„Nett Kleines, aber weit wirst du so nicht kommen!“

Sie war schnell und ich konnte von Glück sagen, das ich Tchai als Lehrer hatte. Ihr Schwert vollführte einen horizontalen Seitwärtshieb und traf mit einem Klirren auf die Schmalseite meiner Klinge. Von der Wucht ihres Angriffs überrascht biss ich die Zähne zusammen und starrte sie panisch an. Die Frau schien von meiner Gegenwehr verwundert und eine unschöne Falte erschien auf ihrer Stirn. Mit einer schnellen Seitwärtsdrehung brachte ich mich außer Reichweite ihres Schwertes.

Der bärtige Mann wich ebenfalls ein paar Schritte zur Seite und verstellte mir, mit vor der Brust verschränkten Armen, provozierend den Weg. Fehlte nur noch der dritte Mann und sie hätten mich umringt.

Ich konnte ihn schräg hinter der Frau im Schatten der Bäume ausmachen. Wollte er sich etwa im Wald verstecken? Zumindest erweckte er nicht den Anschein seinen Begleitern helfen zu wollen.

„Mein Kind willst du uns nicht verraten, wer du bist?“

Der bärtige Schrank vor mir sah mich mit schief gelegtem Kopf und hochgezogen Augenbrauen an.

„Nein, ich kenne euch nicht und ihr seid diejenigen die bewaffnet vor unserer Hütte stehen und nach Krischan verlangt. Wenn dann müsstet ihr euch vorstellen!“

„Du lebst also tatsächlich bei Krischan?“, fragte die Frau erstaunt und näherte sich mir abermals.

Bevor ich antworten konnte, überzog ein unglaublicher Schmerz meine Brust. Ich keuchte auf und ließ mein Schwert sinken. Was war das? Ich spürte förmlich wie die schwarzen Runen und Symbole auf meiner Haut in Bewegung gerieten, als wären sie zum Leben erwacht. Eine Woge ungebändigter Wut schlug über mir herein und ich wurde mit einem starken Griff um meine Taille gepackt und zurückgezogen.

„Sie wird euch keine weitere Frage mehr beantworten!“

Ich spürte Tchais Wärme an meinem Rücken und seine linke Hand, die mich von hinten umgriff und sich auf meine Brust legte. Sofort ließ der brennende Schmerz nach.

„Tut mir leid, das es so lange gedauert hat. Ich wurde von einem gut versteckten aber schlecht errichteten Bannkreis aufgehalten.“

„Wer sind sie Tchai?“

„Ich bin mir nicht sicher. Jedoch scheinen sie eine gewisse Macht mit sich zu führen, denn sie tragen Drachensmaragde bei sich!“

Drachensmaragde also. Deshalb hatte Tchai die Ankunft der Fremden auch nicht vorhersehen können. Die grünen Steine, die mit roten Schlieren durchzogen waren, konnten einen Drachenspürsinn verwirren und täuschen.

Tchais dunkle Wut umspülte uns und richtete sich mit ihrer ganzen Kraft auf die Fremden vor uns. Die Frau wich hastig mehrere Schritte zurück und auch der Bärtige sah zumindest teilweise beeindruckt aus. Die Dämmerung schien sich enger um Tchai zusammen zuziehen und ich wusste, das er gleich seine Wandlung vollziehen würde. Wäre er erst einmal in seiner Drachengestalt hätten die Fremden keine Chance. Leider würde von Krischans Hütte auch nicht mehr viel übrig bleiben, denn wenn sich Tchai auf einen Kampf einließ überlebte im unmittelbaren Umfeld nur sehr wenig.

„Tchaikor!“

Die mahnende Stimme ließ mich erleichtert aufatmen und ich drehte mich zu Krischan um. Neben mir fluchte Tchai wütend, packte mein Handgelenk und zog mich mit zu Krischan.

„Krischan, wir wussten nicht das die Kleine wirklich zu euch gehört.“

Ungläubig beobachtete ich, wie zuerst der bärtige Mann gefolgt von der Frau in eine tiefe Verbeugung fiel. Auch der Mann im Schatten der Bäume rührte sich leicht und sank auf sein Knie, um es seinen Begleitern gleich zu tun.

„Krischan was …“

Krischan schüttelte leicht den Kopf und ich verstummte augenblicklich. Er hielt seinen braunen Kräuterbeutel, der sichtlich gefüllt war, in der einen Hand und seinen Wanderstab in der Anderen. Mir entging Krischans stille Warnung nicht und ich rutschte näher an Tchai heran. Dieser stemmte streitlustig seine Hände in die Hüfte und funkelte die drei Knieenden vor uns böse an. Noch immer loderte ein dunkles Feuer in seinen grünen Augen.

„Es ist lange her seit wir uns das letzte Mal gesehen haben Dawn. Eigentlich hätte ich euch etwas früher erwartet! Aber wir sollten zu aller erst nach Innen gehen, dort können wir in Ruhe reden“, meinte Krischan und wandte sich ohne auf eine Antwort zu warten um.

Noch immer verharrten die Fremden kniend und ich bezweifelte langsam, dass sie sich überhaupt noch rühren würden.

Tchai stieß einen abfälligen Laut aus und zog mich einfach hinter sich her in Richtung der Hütte. Kaum hatten wir uns in Bewegung gesetzt erhoben sich die drei, mir noch Unbekannten, um uns zu folgen. Tchai schob mich vor sich durch die Tür und ich betrat hinter Krischan die kleine Hütte, die seit acht Jahren mein Zuhause war.

Krischan entzündete mehrere Öllampen und entfachte das Feuer im Kamin zu neuem Leben. Tchai lehnte sich angriffslustig mit verschränkten Armen neben den alten Kamin an die Wand und beobachtete wie zuerst der bärtige Mann – Dawn -, gefolgt von der Frau eintrat. Als Letztes erschien der bis dahin im Schatten verborgene dritte Fremde. Ich merkte, wie Tchais Stimmung um schwang noch bevor er mit zwei großen Schritten vor dem Mann stand und ihn an den Schultern gepackt gegen die Wand stieß.

„Du! Ich hätte wissen müssen das du deine Finger darin verwickelt hast. Wer sonst kennt meine Schwachstellen so gut wie du?“

Die leise geflüsterten Worte erreichten mehr meine Gedanken als mein Ohr. Tchai kannte ihn tatsächlich und allem Anschein nach hatte er nicht damit gerechnet ihn hier vor sich stehend zu sehen.

„Ein Bannkreis? Shinn! Gerade du müsstest doch wissen, das es Tchai nicht aufhalten kann“, meinte Krischan belustigt und setzte sich an einen der Stühle um den großen Holztisch.

 

Der Angesprochene verzog sarkastisch seine Lippen und sah dabei Tchai herausfordernd in die Augen.

„Nun du kennst mich ebenfalls Krischan und weißt das ich mir keine Gelegenheit entgehen lasse ihn zu ärgern.“

Shinns Stimme glitt wie Seide über mich. Zum ersten Mal konnte ich ihn genauer betrachten. Er war groß, wobei ihn Tchai immer noch um einen Kopf überragte. Sein hellbraunes, wild fallendes Haar reichte ihm bis zu den Schultern und seiner Statur nach zu urteilen verstand er sich genauso gut auf den Umgang mit dem Schwert wie auf Bannkreise. Zwei goldene Ringe, die durch eine kleine Kette miteinander verbunden waren, blitzten an seiner rechten Hand auf, als er diese zu Tchais Gesicht hob.

„Übrigens Tchai, du hast dich kein bisschen verändert.“

Die gehauchten Worte des Fremden bewirkten das sich Tchai kurzzeitig versteifte, nur um sich dann mit einem Ruck umzudrehen und wieder zu seinem Platz neben dem Kamin zurückzukehren.

„Nun da wir uns alle herzlichst begrüßt haben … setzt euch doch. Ich denke wir haben eine Menge zu Besprechen. Jedoch hole ich uns zuvor noch etwas Wein und eine kleine Stärkung.“

Mit diesen Worten erhob sich Krischan und verschwand in den angrenzenden Raum. Die darauf eintretende Stille war beinahe greifbar. Ich stellte mich neben Tchai, denn dort fühlte ich mich sicher. Die ganze Situation überforderte mich zunehmend.

Ich sah wie dieser Dawn und die Frau, deren Namen ich noch immer nicht kannte, mich interessiert musterten. Ich ergriff unbewusst Tchais Hand und merkte, wie er sie beruhigend drückte.

„Du bist sehr still Kind, verrätst du uns nun deinen Namen? Hätten wir gewusst das du die neue Hohepriesterin bist, wären wir nicht so …“

„Unhöflich gewesen?“, fragte ich schroff.

Bevor Dawn antworten konnte, kam Krischan mit dem Wein und stellte die Becher auf den Tisch.

„Ihr müsst Layra entschuldigen. Es kommen nicht oft Fremde in diese Gegend und sie wurde von uns dazu erzogen Vorsicht walten zu lassen und nicht zu viel von sich preiszugeben.“

Ich dankte Krischan im Stillen, das er das Reden übernahm.

Er wusste bestimmt, wie hilflos ich mir momentan vorkam.

„Setzt dich zu ihnen Prinzesschen. Die Geschichte wird etwas länger dauern. Ich werde kurz nach draußen gehen, ich bin gleich wieder zurück.“

Mit großen Schritten durchquerte Tchai den Raum und verschwand ohne ein weiteres Wort durch die Tür nach draußen. Shinns Blick folgte Tchai und kaum fiel die Holztür hinter ihm zu, schob Shinn seinen Stuhl zurück und stand auf.

„Entschuldigt mich!“

Er verbeugte sich kurz vor Krischan und verschwand ebenfalls nach draußen. Wer waren diese Leute? Sie schienen voller Respekt zu Krischan aufzublicken. Ich setzte mich zögerlich neben ihn an den Tisch und nahm mir ebenfalls einen Becher Wein. Nach einem kleinen Schluck spürte ich, wie sich seine Wärme in meinem Bauch ausbreitete.

„Krischan wir hätten dich früher von unserer geplanten Ankunft in Kenntnis setzten sollen. Leider wurden wir immer wieder von Aufständischen und sonstigen Gesindel auf unserer Reise aufgehalten. Überall kommt es zu kleineren Kämpfen und man merkt, das der Frieden ins Wanken gerät. Umso wichtiger ist es, das die Hohepriesterin mit Saii-ron in die Reihen des Kristallrates zurückkehrt. Sie haben uns nun geschickt, um der Priesterin eine sichere Reise zu gewährleisten.“

Mir lief es kalt den Rücken hinab. Der Wein konnte daran nichts ändern. Hatte Krischan Kontakt zu ihnen aufgenommen?

Warum auf einmal nach all den Jahren?

Wir waren uns einig gewesen, dass wir so lange es ging Saii-ron bei uns versteckt hielten. Es war einfach sicherer, zumindest hatte ich das bis jetzt angenommen.

Krischan neben mir strich sich beträchtlich über seinen Bart und warf mir einen kurzen Seitenblick zu.

„Nun Dawn ich weiß über eure Absichten Bescheid, denn ich habe Amirallia vor einigen Wochen über Layras Aufenthaltsort in Kenntnis gesetzt und mich mit ihr über die kommenden Verpflichtungen von Layra unterhalten.“

Ich keuchte bei Krischans Geständnis kurz auf und krallte meine Hand in das Holz des Stuhles, auf dem ich saß. Langsam griff ich nach meinem Becher und trank einen größeren Schluck. Der Wein brannte sich meine Kehle hinab und ich bemühte mich nicht erneut aufzukeuchen. Krischan bemerkte meine Bemühungen und legte mir sachte eine Hand auf mein Knie.

„Wie es aussieht, hat das Mädchen von deinen Plänen noch nichts gewusst“, meinte die Frau leicht amüsiert und hob mir lieblich lächelnd ihren Becher entgegen.

Über den Tisch hinweg funkelte ich sie böse an und hätte ihr am liebsten den Inhalt meines Bechers über geschüttet. Sie lachte glockenhell auf und lehnte sich mit verschränkten Armen auf ihrem Stuhl zurück.

„Jasahra lass es gut sein“, meinte Dawn und wandte sich dann mir zu.

„Wir freuen uns dich endlich kennen zu lernen Layra. Immerhin haben wir schon sehr lange auf dich gewartet. Wir waren in tiefster Sorge, als wir vom Tod deiner Mutter erfuhren, da wir nicht wussten, was mit dir geschehen war.“

Mir wurde mit einem Mal schlecht. Was wussten denn diese Fremden schon von meiner Mutter? Woher wollten sie wissen, dass sie tatsächlich tot war? Ich klammerte mich noch immer an die Hoffnung, dass sie irgendwie den fremden Reitern von damals entkommen war. Nach acht Jahren nahm mir Dawn meine Hoffnung mit nur einem einzigen Satz. Ich legte eine Hand über meinen rebellierenden Magen und erhob mich.

„Layra, geht es dir gut? Du siehst …“

Ich hob schnell meine Hand und erstickte Dawns wahrscheinlich gut gemeinte Worte, bevor sie über seine Lippen kamen.

„Ich muss nur kurz mal an die frische Luft. Ich glaube, mir bekommt der Wein nicht sonderlich.“

Mit diesen Worten entschuldigte ich mich, warf einen kurzen Blick zu Krischan der meine Lüge durchschaute und umrundete den Tisch um auf die Tür zuzugehen. Ich musste so schnell es ging weg von hier.

Meine Vergangenheit hatte mich eingeholt.

Als ich in die lauwarme Dunkelheit nach draußen trat, fiel mir das Atmen leichter. Ich sah mich kurz um, ob ich Tchai oder Shinn sah, aber von den Beiden fehlte jede Spur. Was auch immer die Zwei für eine Vorgeschichte hatten, ich würde sie nur zu gerne kennen.

Vorerst belasteten mich aber Dawn und Jasahras Absichten, weswegen sie hergekommen waren. Krischan hatte dem Kristallrat über mich berichtet. Warum nur? Saii-ron war bei mir, bei uns Dreien sicher.

Ich ging langsam um die Hütte herum und lehnte mich erschöpft an das raue Holz. Der Tag endete nicht gerade so, wie ich ihn mir heute Morgen vorgestellt hatte. Jetzt wusste ich immerhin, weshalb ich den ganzen Tag solch ein ungutes Gefühl hatte.

Die Geräusche der Nacht beruhigten mich. Ich ließ mich auf den Boden gleiten und legte den Kopf in den Nacken. Die Sterne blitzten hell am Nachthimmel und der Mond kam langsam über den Bergen zum Vorschein. Sein Licht tauchte die Umgebung vor mir in eine unwirkliche Landschaft. Bestehend aus tiefsten Schatten und hellen Lichtpunkten die Sicherheit versprachen.

Wenn ich zurückdachte, war ich immer neugierig gewesen, wie die Leute vom Turm der Drachen wohl so waren.

Ob sie festliche Kleider oder blitzende Rüstungen trugen und welche Titel und Positionen sie innehaben würden.

Jedoch hatten sich meine teils träumerischen Vorstellungen mit Dawn und Jasahra in Luft aufgelöst. Sie waren das genaue Gegenteil. Sie waren Krieger und jagten mir ein ungutes Gefühl ein. Ich verstand Krischan immer noch nicht. Wieso nur hatte er mich nicht vorgewarnt das sie kommen würden. Ich wollte nicht von hier weg.

Ich fühlte mich hier sicher und Krischans Hütte war zu meinem neuem Zuhause geworden. Meine Mutter hatte mir nie meine Pflichten als Priesterin beigebracht und ich fühlte mich auch nicht als solche.

Ich hörte das Knacken von Zweigen und kurz darauf brach nur ein paar Meter von mir entfernt Shinn durch das Unterholz der Lichtung. Tchai folgte ihm nur einen Atemzug später. Ich konnte Shinns Gesichtsausdruck im Dunkeln nicht erkennen.

Alleine an seinen stampfenden Schritten und der Schnelligkeit, mit der er im Inneren der Hütte verschwand, konnte man seine Stimmung jedoch erahnen.

Ich wartete auf das erneute Öffnen und Schließen der Tür, doch anscheinend hatte Tchai nicht die Absicht hinter Shinn herzugehen.

Die Beiden riefen immer mehr Fragen in mir auf. Ich biss mir nachdenklich auf die Lippe, doch meine Neugier gewann mal wieder.

Vorsichtig lugte ich kniend um die Ecke der Hütte um nach Tchai zusehen, als ich in sein von weißen Haar umrahmtes Gesicht blickte. Ich schrie erschrocken auf und landete fast auf meinen Hintern, hätte mich Tchai nicht an den Armen festgehalten.

„Das kommt davon, wenn man nach spioniert“, tadelte er mich.

„Ich spioniere nicht, ich wollte nur einen Moment Ruhe vor allen“, schnaubte ich und lehnte mich wieder zurück an die Hüttenwand.

Tchai gesellte sich zu mir und eine Weile saßen wir schweigend nebeneinander, nur den eigenen Gedanken nachhängend.

Die Grillen zirpten ihr Abendlied und ab und an schrie eine Eule auf der Jagd nach ihrer Beute. Ich liebte die Sommernächte, wenn die Hitze des Tages noch ausreichte, um die Dunkelheit zu erwärmen.

Wenn ich daran dachte, dass ich mit den Leuten aus dem Turm der Drachen bald abreisen würde, wurde mir zum wiederholten Male schlecht.

Abwesend zwirbelte ich mir eine lange Strähne meines Haares um den Finger, bis Tchai sanft meine Hand nahm und sie zu sich zog.

„Prinzesschen was geht in deinem Kopf vor? Du spielst nur mit deinen Haaren, wenn du fieberhaft überlegst, wie du ein Problem lösen kannst.“

Er ergriff die Strähne meines Haares und wickelte sie sich selbst um den Finger. Mit jeder Schlinge zog er meinen Kopf näher an sich heran, bis sich schließlich unsere Nasenspitzen fast berührten. Seine grünen Augen blickten mich funkelnd an und ich seufzte ergeben.

Er neigte leicht den Kopf und schon spürte ich die hauchzarte Berührung seiner Lippen. Es war ein keuscher Kuss, den ich schon viele Male zuvor von ihm bekommen hatte. Tchai wollte mich nur necken. Mittlerweile verstand ich auch, warum er jede Nacht eine andere Frau hatte. Sie mussten ihm alle zu Füßen liegen.

Er war so unsagbar schön und sein Charme konnte einem regelrecht die Sinne verwirren. Tchai hatte mir versucht zu erklären, das man zwischen den abenteuerlichen, nächtlichen Vergnügungen und der wahren Liebe unterscheiden musste. Ich konnte weder bei dem einem noch bei dem anderen mitreden, geschweige denn das ich es wirklich verstand. Wenn Tchai mich so küsste, flammte auf jeden Fall kein Feuer in mir auf und nach seinen Erklärungen war das nötig um die wahre Liebe zu finden. Für wilde Abenteuer war Tchai immer zu haben, allerdings nicht mit mir. Er betonte zwar immer das ich die richtigen Proportionen hatte, unser gemeinsamer Pakt es aber nicht zuließe auch nur in diese Richtung zu denken. Tchai löste sich langsam von meinen Lippen, lächelte mich verführerisch an und ließ meine Haarsträhne aus seinen Fingern gleiten.

„Du bist so süß geworden Prinzesschen. Ich bin gespannt auf den Mann, dem du einmal dein Herz schenken wirst.“

Ich schnaubte genervt. Bis jetzt hatte ich noch keinen einzigen Mann an mich herangelassen und ich verspürte auch nicht die Absicht es in nächster Zukunft zu tun. Da Tchai nicht infrage kam reduzierte sich die Auswahl der Männer auch schon auf null. Außer den paar Ausnahmen als ich mit Krischan in eines der größeren Dörfer gereist bin, hatte ich sowieso noch keine wirkliche Gelegenheit gehabt einen Mann kennenzulernen. Normalerweise waren die Frauen in meinem Alter meistens schon verheiratet und hatten mindestens zwei Kinder. Ich befand mich noch meilenweit davon entfernt. Eigentlich war ich mir auch nicht sicher, ob eine Hohepriesterin heiraten durfte.

„Ich glaube ich werden mich nur wilden Vergnügungen hingeben“, meinte ich nachdenklich, woraufhin Tchai in tiefes Gelächter ausbrach.

„Das glaube ich dir sofort. Vielleicht triffst du im Turm der Drachen ja mal einen netten Verehrer.“

„Tchai ich freue mich nicht wirklich auf diese Reise. Es wird alles anders werden und das Einzige was ich weiß ist, das ich Saii-ron beschützen muss.“

Eine Zeit lang verfolgte jeder von uns seine eigenen Gedanken. Ich wusste das es Tchai, auch wenn er es nicht so offen zeigte, ebenfalls schwerfiel von hier weg zu gehen. Wir hatten uns an unser Leben so, wie es war gewöhnt. Ich war nie blauäugig der Zukunft gegenüber gestanden und irgendwann wäre der Moment so oder so gekommen das ich mein Amt hätte antreten müssen.

 

Aber musste es doch so schnell sein?

„Kennst du Dawn und Jasahra?“, fragte ich schließlich leise.

Nach Shinn musste ich ihn nicht fragen, denn es war offensichtlich, das die beiden sich zuvor schon über den Weg gelaufen waren.

Ich lehnte mich an Tchais Schulter und wartete auf seine Antwort.

„Ich kenne die Beiden nicht persönlich. Krischan hat mir einmal von Dawn erzählt. Er ist dem Kristallrat ergeben und handelt stets in dessen Auftrag. Von Jasahra kann ich dir nichts erzählen. Ich kann bei beiden keine genauen Absichten erkennen, was vielleicht an den Ringen liegen könnte die meine Sinne täuschen. Wir müssen uns auf Krischans Wort verlassen. Er kennt die Leute vom Turm der Drachen besser als ich.“

Tchai hatte Recht, ich musste auf Krischan vertrauen der wusste, was das Beste war. Meine Neugier ließ mir keine Ruhe. Immer wieder musste ich an Shinns und Tchais Begegnung denken und die Frage brannte mir auf der Zunge und ließ sich nicht zurückhalten.

„Und Shinn?“, fragte ich schließlich und warf ihm einen kurzen Seitenblick zu.

Ich merkte, wie sich Tchais Muskeln anspannten und er zu einer Erklärung ansetzte.

„Er ist ein Magier der höchsten Kaste. Ich habe ihn schon sehr lange nicht mehr gesehen. Einen Tag bevor ich verbannt wurde haben sich unsere Wege das letzte Mal gekreuzt. Warum er mit den Leuten des Turms der Drachen reist, kann ich dir nicht sagen. Vielleicht ist er der Abgesandte des Magiers aus dem Kristallrat.“

Tchais Antwort stellte mich nicht ganz zufrieden. Es musste noch mehr zwischen den Beiden geben. Dafür war die Spannung zwischen ihnen viel zu greifbar.

„In welcher Verbindung standet ihr denn genau zueinander?“

„Layra es ist egal, in welcher Verbindung wir standen. Es ist schon viel zu lange her um es überhaupt zu erwähnen. Er ist ein alter Freund! Manchmal mehr und manchmal weniger“, knirschte Tchai durch zusammen gebissene Zähne.

„Nach all der Zeit sehen wir uns jetzt wieder und du bezeichnest mich als Freund? Ich würde unsere Verbindung zueinander enger sehen! Sehr viel enger!“, entgegnete Shinn, der mit verschränkten Armen genau vor uns stand.

Tchai schoss in die Höhe und auch ich erhob mich schnell.

„Shinn du verdammter …! Nimm diesen verfluchten Ring ab oder ich werde es tun. Mit deinem Finger daran!“, fauchte Tchai drohend und baute sich vor ihm auf.

Der silberne Drachensmaragdring an Shinns linker Hand leuchtete hell im Mondlicht. Shinn lächelte ihn provozierend an, während die Luft um Tchai sich zusammenzuballen schien. Er würde sich doch nicht ausgerechnet jetzt in einen Drachen verwandeln!

„Nimm ihn dir ruhig Tchai. Von mir aus auch meinen Finger. Die anderen beiden Ringe sind mir wichtiger, wie du bestimmt weist!“

Tchai tat einen weiteren wütenden Schritt auf Shinn zu, bis sich fast ihre Nasenspitzen berührten. Eines musste ich dem Magier lassen, er wusste, wie man Tchai reizen konnte.

Ich ergriff entschlossen Tchais Arm und zog ihn etwas zu mir zurück.

„Egal was ihr zwei miteinander zu klären habt. Bitte tut es nicht jetzt und nicht hier.“

Shinn zog eine Augenbraue in die Höhe und verbeugte sich leicht vor mir.

„Wie ihr wünscht Hohepriesterin. Ich wollte euch nur holen kommen, denn Krischan und die Anderen verlangen nach eurer Anwesenheit“, entgegnete er schmeichelnd.

Ich sah Tchai fragend an, doch er zuckte nur mit den Schultern und schüttelte leicht den Kopf. Für das Erste hatte ich die Beiden daran hindern können sich gegenseitig umzubringen. Ich bezweifelte jedoch, dass ich immer rechtzeitig da sein würde um den unausweichlichen Streit der Zwei zu schlichten.

Tchai ergriff meine Hand und gemeinsam gingen wir wieder zurück ins Innere der Hütte.

Krischan und Dawn unterhielten sich wie zwei alte Freunde, während Jasahra auf ihren Stuhl hockte und sichtlich gelangweilt ihren Becher zwischen den Händen drehte. Die Weinkaraffe war bis auf einen kleinen Rest geleert. Ich nahm sie mir und verschwand in die Küche, um sie erneut zu füllen.

„Wie es aussieht, ist sie etwas schüchtern.“

Die Worte drangen gedämpft zu mir und ich merkte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg. Dawn hatte Unrecht. Ich war nicht schüchtern, ich war nur nicht daran gewohnt Fremde bei uns zu haben.

Mit gefüllter Karaffe und vorgetäuschten Lächeln kehrte ich wieder an den Tisch zurück. Mir war bewusst, dass alle Augen auf mich gerichtet waren und ich stelle den Weinkrug vielleicht mit etwas zu viel Schwung auf den Tisch.

„Layra Liebes, Dawn und ich haben uns geeinigt das es das Beste ist, wenn du schon morgen mit ihnen aufbrichst. Es ist sehr wichtig, das Saii-ron zum Turm der Drachen gebracht wird. Nach Dawns Berichten wird die Reise nicht einfach werden und es ist sicherer die längere Route zum Turm der Drachen zu nehmen“, erklärte mir Krischan, als ich mich zu ihnen setzte.

Ich schrie innerlich auf. So schnell wollten sie schon wieder aufbrechen. Ich dachte, ich hätte noch etwas mehr Zeit, um mich darauf vorzubereiten.

„Ich werde mich, auf das verlassen was du für das Richtige hältst“, entgegnete ich tonlos und schenkte mir Wein nach.

Krischan merkte, das ich nicht begeistert darüber war morgen schon aufzubrechen, doch er schwieg. Jasahra gähnte ungeniert und trank ihren Becher in einem Zug aus.

„Nun wir sollten uns dann alle zur Ruhe begeben, denn der kommende Tag wird anstrengend werden. Vor allem, wenn man solch eine Reise nicht gewohnt ist“, meinte Dawn.

„Na endlich! Ich dachte schon, die Nacht endet, ohne etwas Vergnügen gehabt zu haben“, rief Tchai und stand schwungvoll auf.

Ich warf Tchai einen bösen Blick zu. Ihn schien es anscheinend nicht zu stören, das wir morgen unser Zuhause verließen.

„Prinzesschen wir sehen uns morgen und sei bis dahin brav“, er zwinkerte mir zu und ich streckte ihm die Zunge heraus.

Tchai konnte unmöglich sein. Der Blick mit dem Shinn ihn ansah, sprach Bände. Zorn und Unglauben wechselten sich auf Shinns Gesichtszügen ab und ich meinte auch eine Spur von Eifersucht darauf zu entdecken. Ich wettete, er wusste, das Tchai zu einer seiner Frauen aufbrach. Es war immerhin kein Geheimnis, das Drachenwandler ein sehr herumtriebiges Volk waren.

Shinn erhob sich mit verdrießlichem Gesichtsausdruck und verschwand ohne ein weiteres Wort in einem der angrenzenden Räume. Sein Verhalten war mehr als sonderbar.

Auf unserer gemeinsamen Reise konnte ich ihn vielleicht nach seiner und Tchais Vergangenheit fragen. Vielleicht war er gesprächiger als Tchai.

Tchai blickte ihm mit einem triumphierenden Lächeln hinterher.

„Musste das sein Tchai?“, fragte Krischan.

Tchai schnaubte genervt, klopfte Krischan auf die Schulter und hauchte mir einen Kuss auf die Wange.

„Wir sehen uns morgen“, verabschiedete er sich und war im nächsten Moment durch die Tür nach draußen verschwunden.

Ich blinzelte mehrmals und sah vorsichtig zu Krischan rüber. Es wurde immer seltsamer. Krischan kannte anscheinend die Verbindung der Beiden.

Dawn und Jasahra wünschten Krischan und mir eine gute Nacht und folgten Shinn ins angrenzende Zimmer. Ich sammelte die leeren Weinbecher auf und brachte sie in die Küche.

„Layra es tut mir leid.“

Krischans war mir gefolgt und ich hatte schon geahnt das er sich bei mir entschuldigen wollte.

„Ich hätte dich früher über meine Pläne in Kenntnis setzten sollen. Es ist wichtig das Saii-ron und vor allem das du als Hohepriesterin zum Turm der Drachen gehst. Den Frieden zu Schützen ist das Wichtigste für uns alle. Glaube mir es fällt mir nicht leicht, dich gehen zu lassen.“