SAII-RON

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Z serii: SAII-RON #1
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Doch sie kamen mich nicht suchen. Ich würde keinen von ihnen wiedersehen.

Ein Schluchzen bahnte sich einen Weg über meine Lippen und allmählich löste sich die Anspannung aus meinem Körper.

Meine Gedanken kehrten zu dem fremden Reiter mit den schiefergrauen Augen zurück.

Er musste der Anführer gewesen sein. Seine Präsenz war überwältigend, angsteinflößend. Und was hatten die Worte, wir haben sie gefunden, zu bedeuten? Meinten sie meine Mutter?

Lebte sie vielleicht noch und die Fremden hatten sie mitgenommen? Aber was nutzte sie ihnen ohne Saii-ron?

Saii-ron, welche Bedeutung hast du nur wirklich. Ich verstehe es einfach nicht. Was soll ich denn jetzt nur machen?

Meine Finger strichen abwesend über den kleinen Lederbeutel in meiner Hand. Mit einem Mal überkam mich ein ungutes Gefühl.

Ich hatte mit dem Stein ziemlich fest zugeschlagen und der Arm des Fremden war auch nicht gerade weich gewesen.

Noch einmal lauschte ich angestrengt, doch ich hörte keine verräterischen Geräusche im Wald. Es wunderte mich, das die Reiter ihre Verfolgung so schnell aufgegeben hatten. Vielleicht hatten sie eine Falle geplant und warteten nur darauf das ich mich zeigte.

Zwiespältige Gefühle stritten in mir, bis ich mich nach einem letzten, kurzen Zögern dazu entschloss mein Versteck zu verlassen.

Vorsichtig stieg ich aus dem stickigen Inneren des Baumes. Kaum spürte ich das Gras unter meinen Füßen, kniete ich mich hin und sah mich vorsichtig um. Nirgends war eine Spur der Fremden zu sehen. Immer noch kniend lehnte ich mich zurück an die harte Rinde des Baumes. Als ich den kleinen Lederbeutel in meinen Händen ansah, kamen mir die beschwörenden Worte meiner Mutter in den Sinn.

Öffne niemals diesen Beutel Layra, unter keinen Umständen!

Aber ich muss! Was ist, wenn der Stein durch den Aufprall beschädigt wurde? Es kann ja schließlich nicht so schlimm sein, sich einen Kristall anzusehen. Nur ein kurzer Blick, was soll schon passieren?

Langsam zog ich die kleinen Lederschnüre, die den Beutel verschlossen hielten, auseinander. Mir stockte der Atem.

Noch nie hatte ich etwas vergleichbar Schönes gesehen.

Ein Tränenförmiger Stein in der Größe einer Kirsche kam zum Vorschein. Das Sonnenlicht, das seinen Weg durch die Äste fand, ließ ihn in allen erdenklichen Farben schillern.

Wie konnte man verlangen sich etwas so Wunderschönes nicht anzusehen?

Der Stein zog mich unaufhaltsam in seinen Bann und ein Gefühl tief in meinem Inneren erwachte zum Leben. Ich konnte es nicht beschreiben, aber es ließ einen leichten Schauer über meine Haut streichen. Ich drehte Saii-ron vorsichtig zwischen meinen Fingern, doch zum Glück konnte ich nirgends einen Riss oder eine Beschädigung erkennen. Nach einem letzten staunenden Blick legte ich Saii-ron wieder zurück in den Lederbeutel und band ihn mithilfe der Lederschnüre an meinem Kleid fest.

Mit leichtem Unbehagen stellte ich fest, das die Sonne ihren höchsten Stand schon überwunden hatte. Es würde nicht mehr lange dauern und die Nacht würde hereinbrechen.

Bis dahin musste ich aus dem Wald sein und ein anderes Versteck gefunden haben. Wenn die Jäger der Nacht ihre Streifzüge nach Beutetieren durch das Unterholz begannen, hielt sich hier keiner freiwillig und ohne Waffen auf.

Nicht nur die Nacht, sondern auch Hunger und Durst stellten mich vor eine Herausforderung. Ich hatte bis auf ein schnelles, kurzes Frühstück noch nichts zu mir genommen. Egal wie groß meine Angst war, ich musste versuchen im Dorf einen Unterschlupf für die Nacht zu finden. Ich hoffte nur das die Fremden verschwunden waren. Denn sonst wüsste ich nicht wohin. Das nächste Dorf lag gut einen Tagesmarsch von hier entfernt. Unerreichbar für ein Mädchen in meinem Alter. Vorsichtig begann ich den Rückweg, immer darauf bedacht so schnell wie möglich in Deckung zu gehen sollte ich ein verräterisches Geräusch hören. Je näher ich meinem Dorf kam, desto mehr nahm ich den Rauchgeruch wahr. Er breitete sich in Schwaden zwischen den Bäumen aus und schwebte Unheil verkündend um mich herum. Es war nicht mehr weit. So leise wie es ging, bog ich die letzten Zweige, die mir die Sicht versperrten, zur Seite.

Dorf konnte man, das was ich vor mir sah, wohl nicht mehr nennen.

Es glich eher einem gespenstischen Ort aus Schutt und Asche. Das Feuer hatte alles vernichtet. Nur vereinzelte Wände der ehemaligen Hütten waren noch zu erkennen. Mit unsagbaren Entsetzen lief ich den kleinen Hang zu den ersten Ruinen hinab. Noch immer glaubte ich die Macht des fremden Reiters, der mich verfolgt hatte, zu spüren. Kein Hinweis zeugte jedoch auf die Anwesenheit der Fremden. Mit bedachten Schritten suchte ich mir einen Weg durch mein ehemaliges Dorf. In vielen der Holzruinen glühten noch Funken. Ich musste aufpassen, wohin ich meine Füße setzte, denn das verkohlte Holz war trügerisch.

Der Anblick unserer völlig zerstörten Hütte ließ meine Tränen erneut fließen. Hinzu kam noch der beißende Rauch, der das Dorf in seiner Gewalt hielt. Von meinem kleinen Zuhause war nichts mehr geblieben. Schränke, Stühle, der Esstisch egal was es war, alles war dem Feuer zum Opfer gefallen. Selbst die Toten in den Gassen waren nicht verschont geblieben. Nur mit Mühe konnte ich den Blick von den entstellten Menschen abwenden.

Eines wusste ich jedenfalls mit absoluter Gewissheit. Hier konnte ich die Nacht nicht bleiben. Der Rauch würde mir die Luft zum Atmen nehmen und ich würde morgen früh wahrscheinlich nicht mehr aufwachen.

Zögerlich wandte ich mich nach Osten in Richtung der Berggruppe. Dort zwischen den zerklüfteten Gesteinsmassen wand sich ein Pfad auf die andere Seite. In der Dunkelheit war der Weg zu tückisch, aber vielleicht fand ich zwischen den größeren Steinen Schutz. Etwas anderes fiel mir in diesem Moment nicht ein.

Wieder wünschte ich mir meine Waffe dabei zu haben, denn damit würde ich mich sicherer fühlen. Die zerstörten Hütten jedoch nach zurückgebliebenen Waffen zu durchsuchen, dazu fehlte mir jegliche Kraft. Mein Magen fühlte sich an, als hätte ich schon Tage nichts mehr gegessen und der Durst war eine reine Qual. Ich hoffte, das ich zwischen dem Geröll und dornigen Büschen auch ein paar essbare Wurzeln fand. Diese würden beides Lindern. Den Hunger und den Durst. Mit müden Beinen begann ich auf die Berggruppe im Osten zuzuhalten. Das Gras strich leicht über meine Beine und die nachlassende Hitze fühlte sich auf meiner Haut wie eine kleine Wohltat an. Je weiter ich von dem zerstörten Dorf wegkam, desto leichter konnte ich wieder Atmen.

Es dauerte fast eine Stunde bis ich die Ausläufer des Gebirges erreichte. Die ersten riesigen Felsbrocken lagen wie hingeworfen in dem grünen Gras und zeigten die Grenze der Kargheit an.

Ich schaffte noch ein paar Schritte, bevor ich mich erschöpft an einen der Gesteinsriesen sinken ließ.

Nur eine kurze Pause!

Ich schloss meine Augen. Meine Lider brannten und ich war so müde.

Mit einem Mal spürte ich einen Sog in mir, ein Gefühl als würde sich mein Innerstes nach außen kehren. Dieser Eindruck verstärkte sich noch und als ich ein undefinierbares Geräusch hörte, riss ich meine Augen wieder auf. Ich drückte mich instinktiv noch enger in den Schatten des großen Felsbrockens.

Aus welcher Richtung auch immer dieses Geräusch kam, ich konnte es nicht bestimmen.

Was soll ich tun, wenn es die fremden Reiter sind?

Wenn ER es ist?

Ich konnte nicht mehr weglaufen, denn dazu war ich viel zu erschöpft! Mit zusammen gekniffen Augen suchte ich die Ebene vor mir ab. In der Ferne konnte ich das zerstörte Dorf gleich einem dunklen Schemen erkennen. Ein Sirren in der Luft ließ mich schließlich meinen Blick heben und ich erstarrte zum wiederholten Male an diesem Tag. Zunächst schien es so, als ob die Luft selbst sich immer schneller drehen würde. Gemischt mit herangezogen Rauschschwaden bildeten sich kleine Luftwirbel aus grauen Schlieren, durchsetzt mit dem letzten, golden Sonnenlicht des Tages. Inmitten des Wirbels bildete sich eine noch dunklere Silhouette ab.

Langsam sickerte das Erkennen in meine verwirrten Gedanken.

Ein Drache! Das mächtige Tier nahm mehr und mehr Gestalt an und seine Ausmaße waren beachtlich.

Ich hatte schon viele Erzählungen gehört und vor allem Lehrstunden über Drachen gehabt. Somit fiel mir es auch erstaunlich leicht festzustellen, das es sich bei diesem hier um einen Feuerdrachen handelte. Ein unverwechselbares Merkmal waren die smaragdfarbenen Schuppen und die blutroten Krallen des Tieres.

Der Drache schlug zweimal mit seinen Schwingen und der aufkommende Wind nahm trockenes Gras und die letzten verbliebenen Rauchschwaden mit sich. Als die Beine des Tieres den Boden berührten und sein gewaltiger Kopf in meine Richtung schwenkte, wusste ich das mich der Drache mit Sicherheit bemerkt hatte. Seine Augen verengten sich zu bedrohlichen Schlitzen und ein tiefes Grollen erklang. Witternd sog er die Luft durch seine Nüstern und verharrte lauernd. Unfähig mich zu Bewegen wartete ich darauf, was der Drache als Nächstes tun würde.

Bestimmt wird er mir mit einem einzigen Bissen meine Knochen brechen.

Alles was ich über Drachen gelernt hatte war, das sie gefährliche, eigennützige Wesen sind. Aber was tat er hier?

Sie durften sich doch in dieser Region gar nicht aufhalten. Soviel ich wusste, lebten die Feuerdrachen in den Eiswüsten des Nordens. Aber was erwartet man von solchen, die sich nicht einmal an ihre eigenen Regeln hielten, geschweige denn an die der Menschen.

Was hat er nur vor? Auf was wartet er?

 

Meine einzige Chance war es, so schnell es ging eine Felsspalte zu finden, in der ich mich verstecken konnte.

Meine Anspannung stieg, als der Drache sich plötzlich in Bewegung setzte. Um ihn nicht noch zusätzlich zu reizen, versuchte ich mich so langsam wie möglich aufzurichten. Der Feuerdrache vor mir schien jedoch jede Bewegung genau mitzuverfolgen.

Mein Überlebenswille meldete sich Lautstark zu Wort.

Mit einem Ruck fuhr ich in die Höhe und wurde fast augenblicklich mit einem gewaltigen Stoß wieder zu Boden gedrückt. Ich schrie erschrocken auf, wobei zeitgleich ein tiefes Brüllen aus Richtung des Feuerdrachen erklang.

„Bleibe ruhig sitzen Kind! Er tut dir nichts. Entschuldige, wenn ich dich erschreckt habe.“

Die dunkle, warme Stimme hinter mir ließ mich vor Erleichterung fast wieder in Tränen ausbrechen.

„Krischan!“

Ich wirbelte zu dem Mann mittleren Alters herum und drückte mich fest in seine Umarmung.

„Krischan ich bin so froh, das du da bist. Die Fremden! Sie haben alle getötet! Mama …“

Meine Stimme kippte und tiefe Schluchzer erschütterten meinen ganzen Körper. Wieder ertönte ein tiefes, böses Grollen.

Ich spürte, wie Krischan sanft mit seiner Hand über meinen Kopf fuhr und leise, beruhigende Worte murmelte.

„Es tut mir so leid Layra. Ich konnte nicht schneller hier sein. Als ich den schwarzen Rauch am Himmel bemerkte, habe ich mich sofort auf den Weg gemacht. Doch trotz aller Eile, gibt es nun mal nur den Pfad über die Berge. Du weist selbst wie umständlich und lang der Weg auf die andere Seite ist. Es grenzt an ein Wunder, das ich die Rauchschwaden heute Morgen überhaupt gesehen habe.“

Krischans ruhige Stimme half mir mich wieder etwas zu beruhigen.

Widerwillig ließ ich ihn los und trat einen kleinen Schritt zurück. Ich hatte Krischan schon lange Zeit nicht mehr gesehen, doch sein Aussehen hatte sich nicht verändert. Seine braunen Haare gingen nahtlos in einen dichten Bart über und in ebenso erdfarbene Bekleidung. Krischan legte mir seinen Arm um die Schulter und der Geruch von warmen Leder und Wald hüllte mich ein.

„Kleines du zitterst! Du musst müde, durstig und am Ende deiner Kraft sein. Nach dem was du heute miterlebt hast, ist das kein Wunder. Setzt dich noch einen Moment hin! Bevor wir gehen müssen wir noch etwas sehr Wichtiges klären“

Ich blickte fragend zu ihm hoch und mit einem Mal fiel mir der riesige Drache wieder ein. Über die Wiedersehensfreude mit Krischan hatte ich ihn völlig vergessen. Wie konnte das nur passieren?

„Nun zu dir! Jage dem Mädchen keine Angst ein, sondern komm her!“

Meine Augen weiteten sich vor Schreck und Unglauben. Hatte Krischan dem Drachen gerade einen Befehl erteilt? Kannte er ihn etwa? Noch während mir die beiden Gedanken durch den Kopf gingen, bewegte sich der Feuerdrache vor uns. Zuerst begann das Licht sich in immer schneller werdenden Kreiseln zu drehen, nur um sich dann um ihn herum immer dichter zusammenzuziehen. Seine Silhouette verschwamm und nahm Schritt für Schritt, den er näher kam, die Form eines Menschen an.

Meine Hand krallte sich unbewusst in Krischans Ärmel, doch es schien ihn nicht sonderlich zu stören. Er musterte mit einem leichten Lächeln auf den Lippen den sich nähernden Drachen.

Was passiert hier? Ein Drache, der sich dem Befehl eines Menschen beugt und sich wandelt!

In der Region, in der ich lebte, kam es ganz selten vor, das man einen Drachen über den Himmel fliegen sah. Geschweige denn einen Drachenwandler gegenüber stand.

„Schon lange nicht mehr gesehen, Tschaikor!“

„Lange ist gar kein Begriff alter Mann!

Der Mann vor mir fesselte meine Aufmerksamkeit.

Angefangen von seinen wohlgeformten Beinen, die in einer schwarzen Hose steckten, weiter zu seiner schlanken Taille bis zu seiner stattlichen Größe. Als er näher kam, sah ich das Spiel seiner Muskeln unter seinem leicht geöffneten Hemd. Ich legte den Kopf in den Nacken um auch sein Gesicht betrachten zu können, wobei es mir schwerfiel sein Alter einzuschätzen. Sein weißes Haar stand im starken Kontrast zu seiner makellosen Haut. Vielleicht war er nur ein paar Jahre älter als ich oder aber so alt wie Krischan oder gar noch älter. Sein Anblick zog einen wahrhaftig in seinen Bann.

„Schließe deinen Mund Kind! Es ist unhöflich jemand so anzustarren. Noch dazu, wenn du die Person nicht einmal kennst.“

Ich klappte nach Krischans leichten Tadel schnell meinen Mund wieder zu und senkte schuldbewusst den Kopf.

„Du hältst dich selbst nicht an Höflichkeiten Krischan! Kein Wunder das dein kleines Prinzesschen hier, bis jetzt anscheinend noch nichts dergleichen gelernt hat.“

Die verächtliche Stimme des Mannes ließ mich verstohlen nach oben blinzeln. Grasgrüne Augen musterten mich interessiert, bevor sein Blick wieder zu Krischan zurückglitt.

„Wie ich sehe haben ein paar Jahrzehnte Abgeschiedenheit deiner Arroganz keinen Abbruch getan.“

Die Spannung zwischen den beiden Männern nahm spürbar zu und ich wollte gerade aufstehen, als ich abermals von Krischans Hand zurückgehalten wurde.

„Dein Vater wird sehr erfreut sein das du …“

Mein Vater! Das Letzte was mein Vater sein wird, ist tot! Denn ich werde diesem Verräter eigenhändig sein Genick brechen“, zischte der Mann wütend.

Krischan lachte leise und hob beschwichtigend die Hände.

„Wie der Vater so der Sohn, Tchaikor. Nun euer Wiedersehen wird sowieso noch etwas warten müssen. Wie das Schicksal so will, müssen wir wohl unsere Streitigkeiten erst mal begraben und uns auf das vor uns Liegende besinnen.“

Mit diesen Worten strich Krischan erneut leicht über mein Haar und lächelte mich dabei aufmunternd an.

„Sieht wohl so aus! Ich hatte auch nicht damit gerechnet das ich nach all diesen Jahrzehnten, das Erste, das ich sehe, das Gesicht eines alten Mannes und das eines verängstigten Kindes ist. Eigentlich wollte ich zwischen den Beinen einer wohlgeformten Frau in meiner menschlichen Gestalt zurückkehren. Wovon du … noch Jahre entfernt bist Prinzesschen.“

Der Mann lächelte mich herausfordernd an und zog seine Augenbrauen leicht nach oben. Erwartete er wirklich eine Antwort von mir?

Wenn ich nicht so einen Durst hätte, würde ich dir schon ein paar Worte sagen und du könntest dich auf etwas gefasst machen, du … du eingebildeter Bastard!

Ein tiefes Lachen glitt über mich und ich sah den großen Mann vor mir unsicher an.

„Ganz nett Prinzesschen, ich glaube, ich werde jede Menge Spaß mit dir haben! Anscheinend schlummert in dir doch etwas Wildheit. Ich bin gespannt, wie lange es dauert, bis du sie mir zeigst.“

Er war in meinem Kopf! Das konnte nicht sein, das durfte nicht sein! Meine Augen weiteten sich vor Unglauben. Zeitgleich begann mein Herz schneller zu schlagen und ich schüttelte leicht den Kopf. Der Mann verzog seine Lippen zu einem schmalen Lächeln. Sein Blick schweifte kurz zu dem kleinen Lederbeutel an meiner Hüfte. Doch ohne eine Gefühlsregung zu zeigen wandte er sich zu Krischan um.

„Ich denke, wir sollten es langsam hinter uns bringen. Ich habe nicht vor hier noch länger herumzustehen. Ich habe genau wie sie Hunger, Durst und ich brauche eine Frau zwischen meinen Beinen. Zu meinem Leidwesen hat man sie aber allen Anscheins nach nicht wirklich auf ihre Aufgabe vorbereitet. Wie kommt es Krischan, das ich nach so unendlich vielen Jahrzehnten vor einem unwissenden Kind stehe, um mit ihm einen Pakt einzugehen?

Ihre Verletzlichkeit und Unschuld umhüllen sie und machen mich zu einem gewissen Grad sehr reizbar!“

„Nun Tchai es kommt meistens nicht so, wie man denkt! Und es ist das eingetroffen mit dem wir alle nicht gerechnet haben. Layras Mutter, die Hohepriesterin, hatte anscheinend nicht mehr die Zeit dazu sie auf ihre Aufgabe vorzubereiten. Die Fremden, die heute Morgen ihr Dorf überfallen haben wussten von Saii-ron. Layra Kleines, beantworte mir bitte nur eine Frage. Was genau hat deine Mutter zu dir gesagt, als sie dir Saii-ron gab?“

Krischan kniete sich neben mich und legte beide Hände auf meine Schultern. Ich sah in sein gutmütiges Gesicht und versuchte die letzten Worte meiner Mutter wiederzugeben.

„Sie sagte noch, ich solle auf keinen Fall den Kristall ansehen. Und ich soll zum Turm der Drachen gehen. Dort würden sie mir alles erklären und mir helfen“, endete ich mit rauer Stimme.

Ich war so erschöpft. Am liebsten hätte ich die Augen geschlossen und mich einfach in das Gras gelegt. Es war mir egal, ob ein Drache in Menschengestalt vor mir stand und mich mit einer undurchdringlichen Miene betrachtet oder nicht. Ich hätte in diesem Moment alles dafür getan einfach in ein alles verschlingendes Vergessen zu fallen.

„Layra!“

Krischans Stimme schreckte mich auf. War ich tatsächlich kurz eingeschlafen, ohne es auch nur zu merken? Krischans Griff um meine Schultern wurde etwas fester.

„Layra warum hast du dich nicht an die Worte deiner Mutter gehalten und Saii-ron doch angesehen?“

„Ich hatte Angst, das er einen Riss hat. Ich wollte ihn doch gar nicht herausholen, ich …“

„Prinzesschen ich danke dir. Du hast mir ein paar weitere Jahrzehnte trostlosen Daseins erspart. Leider hatte ich wirklich gehofft das ich wenigstens mit einer etwas reiferen Frau einen Pakt schließen kann.“

„Einen Pakt?“, fragte ich leise.

„Ja Layra, einen Pakt. Zwischen dir und Tchai. Ihr beide seid miteinander verbunden, seit du Saii-ron das erste Mal angesehen hast. Ich werde versuchen es dir kurz zu erklären. Saii-ron steht für den Frieden in unserem Land und …“

Krischan verstummte kurz und seine Augen suchten Tchais.

Ich sah ebenfalls zu ihm auf, doch außer einem kurzen Stirnrunzeln war keine Regung auf seinem Gesicht zu erkennen.

„Nun um es abzukürzen. Es war jeder Hohenpriesterin verboten den Kristall anzusehen, denn nur dadurch wurde verhindert, dass eben dieser Drache gerufen wird. Denn ohne Tchais Schutz von Innen wird Saii-ron geschwächt und der Friedensvertrag ist angreifbar. Und eines wissen wir mit Sicherheit! Es gibt jede Menge Leute, die gegen diesen Vertrag waren“.

„Aber warum will jemand das dieser Frieden zerstört wird?“

„Ganz einfach Prinzesschen. Jeder strebt nach Macht, so klein sie auch sein mag. Und wer Saii-ron besitzt, hält die Macht dieses Landes in Händen.“

Tchais Stimme hatte einen gleichgültigen Klang angenommen, doch in seinen grünen Augen tobte ein Sturm, der seine Gefühle widerspiegelte. Ich senkte erschöpft den Kopf. Meine Kräfte verließen mich allmählich.

„Ich glaube, ich brauche etwas Zeit, um das alles zu verstehen!“

„Kleines wir werden dir jede Menge davon geben. Zuallererst wirst du mit mir mitkommen und dich ausruhen. Später werden wir uns überlegen was unsere nächsten Schritte sind.“

Krischan erhob sich wieder. Sein Blick schweifte über die dunklen Überreste des Dorfes.

„Tchai, besiegelt euren Pakt, damit wir aufbrechen können“

„Wird auch langsam Zeit! Schließlich muss ich meine Freiheit feiern. Am besten mit zwei willigen Frauen, etwas zu Trinken und zu Essen.“

Tchai rieb sich begeistert die Hände und kniete sich dann mit einem verschlagenen Lächeln vor mir hin.

„Prinzesschen jetzt bist du dran! Sei so lieb und öffne diese störenden Knöpfe an deinem Kleid. Ich will dich in deiner ganzen Unschuld vor mir sehen.“

Was? Nein auf keinen Fall! Krischan wird nicht zulassen, das mich dieser hinterhältige Schuft zu so etwas zwingt. Ich bin keines dieser Mädchen, die sich vor so einem Bastard auszieht!

Hilfe suchend sah ich zu Krischan, doch er nickte mir nur auffordernd zu, als Tchai in belustigtes Gelächter ausbrach.

„Tchaikor!“

„Krischan Du hörst nicht, was sie denkt. Prinzesschen das Erste, das ich dir beibringen werde ist, deine Gedanken zumindest etwas besser unter Verschluss zu halten.“

Ich krallte meine Hände schützend vor meiner Brust in den Stoff des Kleides und wich ein kleines Stückchen vor Tchai zurück. Dieser schloss die entstandene Lücke jedoch sofort wieder. Seine rechte Hand näherte sich langsam meinen verkrampften Händen.

Erst jetzt fielen mir seine roten, spitz zulaufende Nägel auf.

So rot wie die Krallen eines Feuerdrachen.

„Kleines lasse Tchai euren Pakt besiegeln. Es passiert dir nichts Schlimmes. Er wird dich nie absichtlich verletzten. Durch diesen Pakt seid ihr aneinander gebunden, in vielerlei Hinsicht“, erklärte Krischan.

 

„Glaub mir es wird ganz schnell gehen.“

Tchai kam noch näher und ich spürte zum ersten Mal ein schwaches Gefühl des Friedens an diesem Tag. Sein weißes Haar wehte leicht in der aufkommenden Abendbrise und seine grünen Augen funkelten vergnügt. Auf einmal wich er jedoch zurück und seine Miene verfinsterte sich merklich.

„Krischan, wie kommt es, das ich den Geruch von ihm an ihr wahrnehme?“, knurrte Tchai böse.

Von Ihm? Konnte es sein das noch immer etwas von dem fremden Reiter von heute früh an mir haftete? Ich sah Tchai mit großen Augen an, als sein Gesichtsausdruck sich verdüsterte und seine Hände sich zu Fäusten ballten.

„Ich rieche ihn an ihr! Krischan er hat sie gezeichnet. Dieser Bastard!“

„Layra wie sah dieser Reiter von heute Morgen aus?“

Krischans Stimme hatte einen alarmierenden Ton angenommen.

Mein Blick glitt zwischen Tchai und Krischan hindurch und schweifte über die Ebene. Langsam senkte sich die Sonne und die Hitze des Tages verschwand. Durst, Hunger und Erschöpfung blieben jedoch.

Ich versuchte noch einmal meine Gedanken zu sammeln.

„Was mir am meisten an ihm aufgefallen ist, waren seine Augen. Sie waren so grau wie der Schiefer aus den Bergen. Er war ein einziger schwarzer Albtraum, von seinem schwarzen Haar bis zu seinen ebenso schwarzen Stiefeln. Ihn umgab eine Aura der Macht und Bösartigkeit. Und doch schien er kurzzeitig verwundert zu sein mich dort zusehen, als ob er mich kennen, aber mich nicht in unserem Dorf erwartet hätte.“

Ich verstummte und ließ meine Hände seitlich zu dem kleinen Lederbeutel sinken. Tchai kniff ärgerlich die Augen zusammen und sah Krischan herausfordernd an, dessen Lippen zu einem harten Strich zusammengepresst waren.

„Was treibt diesen Bastard hier her? Krischan warum mischt er sich in Angelegenheiten ein die ihn nichts angehen?“, fragte Tchai.

Krischan hatte zwischenzeitlich eine kleine Tasche geöffnet, die er immer bei sich hatte, um Heilpflanzen zu sammeln. Er holte eine Kette mit einem achtförmigen Anhänger heraus. Ich erkannte, dass es die gleiche Kette war, die auch Krischan um den Hals trug. Nur wenige Augenblicke später hatte er sie mir schon umgehängt.

„Hiermit werden wir erst einmal Ruhe vor ihm haben. Dieser kleine Anhänger wird Layra vor ihm bewahren. Doch ich befürchte es wird nicht lange anhalten. Er wird sich erneut auf die Suche nach Layra machen. Jetzt wo er weiß, dass sie hier ist. Es wundert mich, das er sie nicht gleich mitgenommen hat“, überlegte Krischan.

Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken, als ich an die Worte des fremden Reiters dachte. Viel hatte nicht gefehlt und er hätte mich tatsächlich mitgenommen.

„Tchai deine Aufgabe hat allem Anschein nach einen neuen Reiz erhalten. Es wird ihm nicht gefallen, das ihr zwei den Pakt miteinander eingeht! Was uns dazu bringt, das die Zeit drängt!“

„Da stimme ich dir zu.“

Bevor ich auch nur reagieren konnte, hatte Tchai mit seiner linken Hand meine Arme gepackt und riss mit seiner Rechten die obersten Knöpfe meines Kleides auf. Ich merkte, wie der Stoff meine Haut freigab und schrie empört auf. Das halb aufgerissene Kleid rutschte vollkommen über meine Schultern und ich saß innerhalb weniger Sekunden mit nackten Oberkörper vor Tchai, dessen Lächeln immer breiter wurde.

„Von deiner Weiblichkeit sehe ich tatsächlich noch nicht viel Prinzesschen!“

Ich spürte, wie mir heiße Röte ins Gesicht schoss.

„Krischan, was tut er da? Bitte hilf mir. Sag ihm das er mich loslassen soll!“

Meine verzweifelte Stimme traf auf taube Ohren, denn von Krischans Seite kam keine Hilfe.

„Layra bitte, lasse Tchai euren Pakt schließen. Keine Angst es ist nicht das wonach es aussieht. Er wird dich nicht auf diese Weise entweihen. Es wird vielleicht etwas weh tun, aber es geht nicht anders. Du hast dein Schicksal neu bestimmt und zu diesem gehört jetzt auch Tchai.“

Ich stand völlig unter Schock, denn ohne Krischans Worte richtig zu begreifen nickte ich nur. Ich wollte es einfach hinter mich bringen, was auch immer Tchai mit mir vorhatte.

Dieser fasste mein Schweigen als endgültige Zustimmung auf und zog mich mit einer geschmeidigen Bewegung etwas näher zu sich heran. Ich fand mich halb in seinen Armen liegend wieder. Tchais Griff um meinen nackten Oberkörper löste ein beschützendes Gefühl in mir aus, sodass mich eine innere Ruhe überkam. Sein rechter Zeigefinger näherte sich langsam der Stelle zwischen meinen kaum vorhandenen Brüsten, dort wo mein Herz schlug. Als sein roter Nagel meine Haut berührte und mit leichtem Druck eindrang, zuckte ich überrascht zusammen. Tchais Gesicht schwebte über mir und ich sah darin seine Anspannung.

„Prinzesschen jetzt wird es etwas wehtun.“

Kaum das Tchais geflüsterten Worte seine Lippen verlassen hatten, spürte ich, wie der Schmerz einsetzte. Beginnend, wo Tchais Nagel meine Haut berührte breitete sich ein Brennen aus, das mir die Tränen in die Augen trieb. Tchais Griff wurde fester und ich hörte seine leise gemurmelten Worte, ohne deren Sinn zu verstehen. Der Schmerz breitete sich in immer größer werdenden Kreisen aus. Ich hatte das Gefühl, als würde meine Haut in Flammen stehen. Ich biss die Zähne aufeinander, um nicht laut aufzuschreien. Meine Hände krallten sich in das Gras neben mir und ich war froh schon halb zu liegen, denn spätestens jetzt hätte ich mich nicht mehr auf den Beinen halten können.

„Atme Kleines! Es ist bald geschafft“, hörte ich Krischans warme, beruhigende Stimme zu mir durchdringen.

Ich blinzelte ein paar Mal, um die Tränen aus den Augen zu vertreiben und sah dann an mir hinab, auf die Stelle meiner Pein.

In einer immer größer werdenden Spirale brannten sich schwarze Runen in meine Haut. Kleine Schweißtröpfchen liefen meine Schläfe hinab. Meine Atmung wurde flacher und mein Blick verschwamm.

Ich konnte nicht mehr! Es tat so verdammt weh.

Mama wusstest du, dass mir das bevorsteht? Hast du deshalb versucht mich davor zu schützen. Ich wünschte sosehr, du wärst hier!

„Sie wäre stolz auf dich, würde sie dich jetzt sehen.“

Tchais Worte klangen beruhigend in meinem Kopf und spiegelten nichts von seiner äußeren Anspannung wider.

„Es ist gleich geschafft. Nur noch ein paar Sekunden. Wenn du schreien willst, dann tue es. Es gibt niemanden, außer uns, der dich hören könnte“, entgegnete Tchai gepresst.

Ich sah ihn mit schmerzverzerrten Gesicht an und seine Augen funkelten in dem Moment noch grüner als bisher. Er schien direkt in meine Seele blicken zu können. Mit einem Mal verstärkte sich der brennende Schmerz und ich keuchte gepeinigt auf.

„Die letzte Rune Prinzesschen. Sie wird den Pakt endgültig besiegeln“, warnte Tchai leise.

Kaum hatte er es ausgesprochen, schien die Haut an meiner linken Brustwarze förmlich zu verglühen. Der Schrei, der über meine Lippen kam, hallte ewig über die Ebene.

Das Letzte, das ich noch merkte, bevor ich in die Arme vollkommener Dunkelheit fiel, war Tchais Hand, die sich schützend auf meine geschundene Haut legte.

2

Das Entkommen aus der Dunkelheit war schwer, denn mein Verstand weigerte sich aus den Tiefen des Vergessens hervorzukommen. Das Einzige, das mich antrieb, war ein Gefühl, das wie eine schwere Last auf mir lag und mich aus der willkommenen Leere meiner Gedanken holte.

Zwei Stimmen, die sich aufgebracht miteinander unterhielten, weckten mich endgültig. Nein, vielmehr war es eine Stimme, die ich lautstark schimpfen hörte und eine leisere, beschwichtigendere.

Ich bewegte langsam meine Hand und spürte weiches Fell unter mir. Lag ich etwa Zuhause in meinem Bett und hörte den Streit zweier Nachbarn?

Schiefergraue Augen, gefolgt von grasgrünen tauchten vor mir auf. Mit einem Mal rasten die vergangenen Stunden an mir vorbei und das bislang unbekannte Gefühl verwandelte sich in tiefsten Schmerz. Ich hatte alle verloren, meine Freunde und Nachbarn, meine Mutter.