Die Verdammten Reiche

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Nie hätte ich gedacht das meine weiße Seele so mächtig sein konnte. Immer hatte ich ihr Gegenstück für das machtvoller von beiden gehalten, doch anscheinend hatte ich mich da getäuscht. Die silbrige Barriere meiner weißen Seele hüllte mich in einen schützenden Kokon und fasziniert beobachtete ich die kleinen Wirbel, die immer wieder darin entstanden. Es war so wunderschön anzusehen, das ich mich regelrecht in diesen Anblick verlor und die sich nähernde Gefahr vergaß.

Jedoch nur so lange, bis ich grob am Kinn gepackt wurde und von einem Augenblick zum nächsten in zwei amarantfarbene Abgründe blickte.

„Du bescherst mir nichts als Ärger kleine Hexe. Wie kannst du es wagen in meinem Reich diese Reinheit freizulassen? Ich hätte dir beide Seelen nehmen sollen!“

Akeshs harte, gefühllosen Worte lösten eine andere Art von Angst in mir aus, doch gleichzeitig entfachte die Berührung seiner Finger ein fast vergessenes Gefühl. Von jetzt auf gleich erlosch meine weiße Magie und ich kam mir wieder unsagbar verletzlich vor. Akeshs Augen huschten über meinen Hals, aber bevor ich etwas sagen konnte, ließ er mich los und stand auf.

Ein Zittern überkam mich und ängstlich sah ich zu seiner riesigen Gestalt auf. Er beachtete mich aber nicht weiter, sondern trat an mir vorbei und dem Magier gegenüber, der direkt hinter mir stand.

Ich hatte nicht einmal bemerkt das er mir so nahe gekommen war.

„Xylas, was bei allen Verdammten tust du hier?“

Akeshs Stimme war mehr ein Knurren als verständliche Worte, doch der Magier schien ihn nur zu gut zu verstehen. Ein entwaffnendes Lächeln erschien auf seinen schön geschwungenen Lippen und mir wurde mit einem Mal noch kälter.

„Freust du dich denn nicht mich zu sehen?“

„Nicht im Geringsten.“

„So ehrlich wie immer, aber genau das liebe ich an dir mein Bruder.“

Xylas warf mir an Akesh vorbei einen unleserlichen Blick zu und mir wurde erst in diesem Moment bewusst, wie falsch ich lag. Xylas war nicht nur irgend ein Magier, nein, er war viel mehr. Er war ein wilder Gott!

„Anscheinend begreift deine kleine Hexe endlich, mit wem sie sich angelegt hat.“

„Ist es nicht eher so, das du sie provoziert hast? Du holst sie aus dem Verlies nur um sie dann umzubringen?“, fragte Akesh missmutig.

„Ich wollte dich nur zum Handeln zwingen. Du wirktest so unentschlossen“, verteidigte sich Xylas mit einem Schulterzucken.

Ungläubig starrte ich Xylas an. Er war es also gewesen der mich aus meiner kalten Zelle hierher gebracht hatte. Unmöglich, das konnte nicht wahr sein!

Das Schlimmste daran war jedoch, dass mich in seinen Armen dieses verräterische Gefühl der Geborgenheit ergriffen hatte und allmählich begriff ich meinen Irrtum. Xylas Gefährlichkeit lag im Verstecken, anders als bei Akesh, dessen tiefschwarze Aura schon Warnung genug war. Xylas war derjenige, der Rias und die anderen umgebracht hatte. Selbst wenn er es nicht eigenhändig getan hatte, so hatte er zumindest den Befehl dazu gegeben. Wütend ballte ich meine Hände.

„Ich werde dich eigenhändig umbringen!“, zischte ich zornig und funkelte ihn böse an.

„Nur zu, versuche dein Glück!“

„Du hast sie alle umgebracht! Du -“

„Sei still Ellysa!“

Akeshs scharfer Befehl ließ mich verstummen. Xylas zog herausfordernd eine Augenbraue nach oben während sich seine Augen unheilvoll verdunkelten.

„Du hast es ihr also nicht gesagt? Du hast ihr die Wahrheit über ihre Gefährten verschwiegen? Anscheinend willst du sie doch quälen.“

„Verschwinde Xylas! Misch dich nicht in meine Angelegenheiten ein!“, stieß Akesh wütend hervor, während seine Aura dunkler und erdrückender wurde.

Xylas verkniff sich ein Lächeln und in einer fast sanft anmutenden Geste strich er Akesh mit dem Finger über die Wange.

„Lass uns ein anderes Mal darüber sprechen. Ich habe gerade tatsächlich nicht so viel Zeit und die will ich mir schließlich nehmen, wenn ich mit dir zusammen bin. Wie es scheint, macht meinen Männern ein kleiner Dieb Probleme. Bis bald mein Lieber.“

Nach einem letzten eisigen Blick auf mich, drehte sich Xylas um und war schon im nächsten Moment verschwunden.

„Was hat das alles zu bedeuten?“, hauchte ich.

Zu mehr war ich nicht in der Lage. Der brennende Schmerz von Xylas Angriff war zwar verschwunden, aber das änderte nichts daran, das ich mich kraftlos und müde fühlte. Mit klopfendem Herzen wartete ich darauf, das mir Akesh antwortete.

Bedeuteten Xylas Worte das Rias, Viktor und die anderen noch lebten? Das ich auf einen uralten Trick hereingefallen war? Bedeutete es, das ich mich von Xylas gekonnt hab täuschen und anstacheln lassen? Das Keross teilweise Vernichtung tatsächlich nichts weiter war, als das Ergebnis eines kleinen Spiels, indem ich einer braven Schachfigur gleich den Zug der Zerstörung ausgeführt hatte? Und wofür das alles? Nur um zu zeigen wie gefährlich ich war? Das meine Kräfte endlich versiegelt werden mussten?

Ich musste es von Akesh hören, ich musste die Wahrheit erfahren!

„Es ist Zeit, das ich dich zurückbringe.“

Akesh Worte jagten mir einen kalten Schauer über den Rücken und ich sah die Chance verstreichen von ihm die Antwort zu bekommen, die ich so sehr begehrte.

„Nein, warte!“, flehte ich, als er sich mit einer geschmeidigen Drehung zu mir umwandte.

Seine unheilvolle Aura legte sich wie ein erstickender Mantel über mich, als er sich hinabbeugte und mich hochhob. Ich sackte an seine breite Brust und eine vernebelte Erinnerung blitzte in meinem Kopf auf.

„Bitte, bitte bring mich nicht zurück in das Verlies.“

Ich konnte die Tränen in meiner Stimme hören und hasste mich selbst dafür.

Seit wann war ich so hilflos geworden? So verwundbar?

Die Antwort kam sofort, seit mir meine schwarze Seele fehlte. Die Kraft, die sie mir gegeben hatte, war mit nichts gleichzusetzen.

„Hast du Angst vor der Kälte, der Dunkelheit oder vor mir?“, fragte Akesh und ich konnte das dunkle Vibrieren seiner Stimme an seiner Brust hören.

„Ich weiß es nicht. Ich weiß momentan gar nichts mehr“, antwortete ich ehrlicherweise.

Wahrscheinlich war es von allem etwas. Das Eingesperrt sein in dieser kalten Zelle hatte mich mit meinen Ängsten und meiner Einsamkeit konfrontiert. Seltsamerweise verspürte ich gerade in Akeshs Nähe nichts davon. Sogar meine Angst war im Moment verschwunden.

Darüber, dass sich das schlagartig ändern konnte, war ich mir nur all zu bewusst. Unbewusst krallte ich meine Finger in Akeshs Tunika und erntete ein tiefes Brummen von ihm.

„Ich hatte nicht vor dich in das Verlies zu bringen. Zumindest noch nicht.“

Stattdessen brachte er mich zurück in den Raum mit dem großen Bett. Er setzte mich darauf ab, hob die Decke an und als ich ihn verständnislos ansah, hob er missmutig eine Augenbraue.

„Ab mit dir unter die Decken!“

Zögerlich kam ich seiner Aufforderung nach, auch wenn es mich ungeheure Kraft kostete meine Arme und Beine zu bewegen.

„In Zukunft wirst du meinen Befehlen schneller nachkommen“, grollte Akesh und zog mir die Decke bis zur Nase hoch.

„Wie kommst du darauf, das ich dir gehorchen werde?“, murmelte ich müde und spürte wie meine weiße Seele tröstend ihre Finger nach mir ausstreckte.

„Aus dem einfachen Grund, das dir gar keine andere Wahl bleibt. Du bist hier in den Verdammten Reichen Liebes. Wenn du keine Gefangene in Ketten sein willst, dann wirst du dich mir unterwerfen und meinen Befehlen nachkommen.“

Meine Wiederworte blieben mir im Hals stecken, als sich Akesh drohend zu mir hinabbeugte und seine Lippen den meinen so nahe kamen.

Ich wartete darauf das er mich küsste und verfluchte mich im selben Moment dafür. Ich durfte mir durch Akeshs Spiel nicht erneut die Sinne vernebeln lassen. Er musste mir erzählen was wirklich mit Rias und den anderen passiert war. Wenn es Hoffnung gab, durfte er es mir nicht verheimlichen.

Einzelne, hauchzarte Fäden meiner Magie sammelten sich an meinen Fingern und zerstoben sofort wieder. Meine weiße Magie strömte durch mein Innerstes und drängte darauf herauszukommen.

„Wie nervig“, knurrte Akesh und richtete sich wieder auf.

Seine ungewöhnlichen Augen schienen mich regelrecht zu verschlingen und hätte ich es gekonnt, dann hätte ich fluchtartig das Zimmer verlassen.

„Was mache ich nur mit dir Liebes?“

Ich wusste, dass er nicht wirklich eine Antwort erwartete und somit schwieg ich. Stattdessen beobachtete ich, wie er sich seine Tunika über den Kopf zog und mir einen unverhüllten Anblick auf das beeindruckende Muskelspiel seines Oberkörpers gab. Noch immer wie betäubt sah ich, wie er nach dem Knopf seiner Hose griff und sie sich in einer einzigen fließenden Bewegung auszog. Schnell schloss ich die Augen, während mir heiß brennende Röte in die Wangen stieg.

Bei allen Göttern was tat er da? Ich war verloren!

Woher ich die Kraft nahm die Decken zurückzuschlagen, mich auf die Seite zu rollen, bereit für die Flucht aus dem Bett, wusste ich nicht. Aber es spielte auch keine Rolle.

Starke Arme umschlossen mich von hinten und zogen mich an einen stahlharten Körper. Ich keuchte auf und erstarrte.

„Flüchten ist sinnlos kleine Hexe. Du würdest es nicht einmal bis zur Tür schaffen und um ehrlich zu sein bin ich überrascht, das du es überhaupt noch schaffst, die Augen offen zu halten.“

Akesh zog mich enger an sich und ich meinte regelrecht zu ersticken. Vielleicht lag es auch daran, das ich schlichtweg vergaß zu atmen. Zittrig saugte ich Luft in meine brennenden Lungen. Ich fühlte mich wie ein wehrloses Tierchen in den Fängen eines Monsters, eines sehr gut gebauten Monsters. Meine weiße Magie versiegte endgültig und ich fühlte mich seltsam verlassen.

 

„Was hast du mit mir gemacht? Was hast du mit meiner schwarzen Seele getan? Warum hältst du mich in diesem … diesem Zustand gefangen?“, fragte ich leise und versuchte nicht an den gut gebauten Körper zu denken, der sich an mich drückte.

Bei allen Göttern, der Mann war die reinste Sünde!

„Wäre es dir lieber ich hätte dich getötet?“

Akeshs Atem strich über meinen Hals und ein unerwartetes Kribbeln erwachte in meinem Bauch.

Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Ich wollte auf gar keinen Fall sterben, aber so wie ich mich jetzt fühlte, so unvollständig, war auch nicht das, was ich wollte. Wenn mein weiteres Leben so aussehen sollte, gefangen in irgendeinem Verlies, mit diesem Sturm an Gefühlen in mir, mit dieser Wut, der Trauer, Hoffnungslosigkeit, dann war die Antwort auf Akesh Frage ein klar und deutliches ja. Ja, er hätte mich töten sollen. Aber …

„Ich weiß was in deinem Innersten vorgeht, aber glaube mir, ich werde es dir nicht so einfach machen. Ich habe eine Entscheidung getroffen und du wirst damit zurechtkommen. Sollte ich spüren, dass du aufgibst, werde ich dich wirklich töten. Ich werde deine verbliebene Seele im Nichts auflösen, so wie es der Rat befohlen hatte und es wird nicht einmal mehr ein Hauch von dir übrig bleiben.“

Akeshs emotionslosen Worte jagten mir eine kalte Furcht ein. Ich verstand noch immer nicht seine wahren Beweggründe.

Warum hatte er anders gehandelt, als man von ihm verlangt hatte?

„Vielleicht habe ich schon aufgegeben“, flüsterte ich und war mir sicher, Akesh würde es nicht hören, doch ich irrte mich.

„Nein, das hast du nicht. Du hättest vorhin nur stehen bleiben müssen und Xylas hätte deinem Leben ein Ende gesetzt. Anscheinend liegt dir noch etwas daran.“

„Sag mir die Wahrheit. Leben Rias und die anderen noch?“

Akesh schwieg und ich ahnte, das er mir nicht antworten würde. Zumindest jetzt nicht. Bittere Enttäuschung überkam mich, da mir auch kein Grund einfiel, warum er mir nicht einfach die Wahrheit sagen konnte.

„Bring mich zurück in das Verlies.“

Ich spürte, wie sich Akesh hinter mir anspannte und dann auf einmal war seine Hand zwischen meinen Brüsten. Ich konnte durch den dünnen Stoff des Kleides die Wärme seiner Haut spüren und verbrannte regelrecht.

„Wenn ich dich zurückbringe, wirst du morgen nicht mehr aufwachen.“

Akeshs Finger zogen den Ausschnitt des Kleides zur Seite und ich verglühte endgültig.

„Warum?“, brachte ich gerade so heraus, während ich versuchte die verschiedensten, wild durcheinander stürmenden Gefühle in mir zu bändigen.

„Deine weiße Magie raubt dir die Kraft, seit du in den Verdammten Reichen bist. An solch einem Ort wie diesem kann nichts Reines bestehen und im Moment bist du das Reinste, was es hier gibt. Solange ich nicht in deiner Nähe bin, wird sie immer wieder hervorkommen. Sie wird versuchen die Dunkelheit selbst auszulöschen, eine Tatsache, die niemals möglich sein wird und während sie dies versucht, wird sie letztendlich dich dabei auszehren.“

Akeshs Finger strich aufreizend langsam über meine Haut und näherte sich meinem Nippel. Unbewusst hielt ich die Luft an und hielt mich gerade noch davon ab, verräterisch die Beine zusammenzupressen. Ein dunkles Lachen vibrierte in seiner Brust als er mir gleichzeitig in mein Ohr biss und in meinen Nippel kniff. Erschrocken schrie ich auf und wand mich in dem engen Gefängnis seiner Arme, aber es gab kein Entkommen.

„Beruhige dich! Heute Nacht werde ich dir nichts Schreckliches antun. Doch für alles, was danach kommt, werde ich nichts versprechen. Und nun versuche dich zu entspannen kleine Hexe. Du brauchst Schlaf, damit du mir entsprechend deiner Angewohnheit, die Stirn bieten kannst.“

Ich runzelte zweifelnd die Stirn, gab aber nach. Auch wenn ich es nicht zugeben wollte, so musste ich mir doch eingestehen, das es am vernünftigsten war, erst einmal auf Akesh zu hören. Vielleicht hatte er wirklich recht, was meine weiße Seele betraf. Seit ich in den Verdammten Reichen aufgewacht war, hatte ich mich auf seltsame Weise ausgelaugt gefühlt. Es war ein schrecklicher Gedanke, das das Reine in mir tatsächlich dazu in der Lage wäre, mich umzubringen.

Sollte es nicht eigentlich überhaupt nicht dazu fähig sein?

„Wie soll ich schlafen, wenn du deine Hand zwischen meinen Brüsten hast?“

„Das ist dein Problem Liebes und nun sei still!“

Ich verzog halbherzig den Mund. Ich war viel zu erschöpft, um etwas pampiges zu erwidern. Außerdem meinte Akesh, ich würde heute Nacht in Sicherheit sein.

Die Frage war nur, konnte man vor einem wilden Gott wirklich sicher sein?

Mir blieb nichts anderes übrig, als abzuwarten und am Ende entschied mein erschöpfter Körper. Ich trieb in einen traumlosen Schlaf und es war seit langer Zeit das erste Mal, das ich mich nicht mehr einsam fühlte.

3. Kapitel

Zacharias

Ich wich dem Schlag aus, der mich um ein Haar von den Beinen gerissen hätte. In einer schnellen Rechtsdrehung wirbelte ich zur Seite und brachte mich somit aus der Reichweite meines Angreifers.

„Du elendiger Bastard!“, schrie er wütend und wirbelte zu mir herum.

Im selben Moment versetzte ich ihm einen Fußtritt, der ihn mit gebrochenen Kiefer zu Boden schickte.

Einen Moment blieb ich regungslos stehen und lauschte, ob der kurze Kampf irgendein neues Gesindel anzog, doch es blieb still und die Gasse verlassen. Ich atmete erleichtert durch und stieß den ersten zu Boden gegangenen Mann mit meiner Stiefelspitze in die Seite. Er rührte sich nicht, was mir Zeit verschaffte von hier zu verschwinden.

Latherra war eine wilde Stadt mit noch wilderen Bewohnern. Kein Wunder, das mein Vater und der Rest meiner Familie so gerne hier herkamen. Sie fühlten sich hier unter ihresgleichen, obwohl es nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein konnte. Die vier Männer am Boden gehörten zu einer der vielen Straßenbanden, die es hier gab. Erpressung und Mord waren nur ein kleiner Teil ihrer tagtäglichen Beschäftigung und es war am klügsten, sobald die Nacht hereinbrach, sich nicht mehr draußen herumzutreiben. Was mich wieder zu dem Gedanken zurückbrachte, das ich dringend ein Zimmer für die Nacht brauchte. Ich war seit zwei Tagen in Latherra und die erste Nacht hatte ich noch in meiner Wolfsgestalt vor den Toren der Stadt verbracht, aber seit heute Morgen regnete es und ich hasste Regen, vor allem wenn er mein dichtes Fell durchweichte und mich die Kälte spüren ließ.

Ich musste an den riesigen Kamin in Kassathors Thronsaal denken, an Ellysa, die auf einem der großen Bodenkissen lag und zufrieden ein Buch las und an Viktor, der … .

Ich ballte wütend die Fäuste und zwang mich nicht an Viktor zu denken. Seine Rufe nach mir, als ich aus Kassathor floh, hallten jede Nacht in meinem Innersten wieder. Was auch immer Viktor mit mir angestellt hatte, was auch immer diese Gefühle, die ich in seiner Gegenwart verspürte zu bedeuten hatten, ich musste es vergessen. Ellysas Rettung war das Einzige was hier und jetzt zählte.

Ich straffte meine Schultern und lief entschlossen los. In diesem Viertel von Latherra sollte ich schnell ein freies Zimmer finden. Keiner der reisenden Händler stieg hier freiwillig ab. Ich stieß gegen eine am Boden liegende alte Dose, die scheppernd in den Schatten der Gasse verschwand. Ich verfluchte mich selbst für meine Sturheit, denn eigentlich könnte ich es mir ganz einfach machen. Ich wollte in die Verdammten Reiche, um Ellysa zurückzuholen. Somit bräuchte ich einfach nur zum Haus meines Vaters gehen, das dortige Tor in die Verdammten Reiche nehmen und schon wäre ich Ellysas Rettung ein Stück näher. Der einzige Nachteil daran war, das ich mich in die Reichweite der bestimmenden Hand meines Vaters begeben würde. Ich wusste selbst nicht warum ich haderte. Warum ich einfach nicht den Mut hatte meinem Vater gegenüberzutreten. Das hieß, mit Mut hatte es nicht viel zu tun, eher mit Sturheit. Ich versuchte mir selbst einzureden, dass ich einfach noch eine weitere Nacht brauchte, um meinem Vater nach all den Jahren wieder gegenüberzutreten. Vielleicht hatte ich auch Glück und er hielt sich nicht in Latherra auf, was aber nur hieß, dass ich ihm spätestens in den Verdammten Reichen über den Weg laufen würde.

Neben dem unaufhörlich niederprasselnden Regen verdarben mir die Gedanken an meinen Vater noch zusätzlich die Laune. Missmutig bog ich um eine Ecke und prallte ungebremst mit einer kleineren Gestalt zusammen. Ein bekannter Geruch stieg mir in die Nase und ich riss ungläubig die Augen auf.

„Entschuldigung ich …“

Weiter kam die in einen langen Regenmantel gehüllte Gestalt nicht, denn ich packte sie kurzerhand am Kragen und riss ihr die Kapuze vom Kopf.

„Raffael!“, knurrte ich überrascht und starrte in zwei bernsteinfarbene Augen, die meinen so sehr ähnelten.

„Zacharias!“, rief eine überraschte Stimme.

Durchweicht bis auf die Haut, mit aufgeplatzten Fingerknöcheln, bot ich sicherlich nicht das Bild eines großen Bruders.

„Bei allen Gehängten! Was tust du hier? Warum treibst du dich mitten in der Nacht in diesem Viertel herum?“

Immerhin hatte der Bengel den Anstand zu erröten und ich ließ ihn los.

„Nenne es einen unglücklichen Zufall oder würdest du lieber hören, das ich auf dich gewartet habe?“

Ich starrte den Jungen vor mir sprachlos an. Seine Augen funkelten fröhlich unter einem grauen, verwuschelten Haarschopf hervor.

„Belassen wir es vorerst bei einem unglücklichen Zufall“, entgegnete ich ausweichend, denn ich haderte, ob ich wirklich wissen wollte warum er hier war.

„Wie du willst. Aber ich freue mich dich wiederzusehen. Ich habe dich vermisst, Bruderherz.“

Das breite Grinsen meines jüngeren Bruders warf mich völlig aus der Bahn.

„Weiß Vater das du hier bist?“

Mein Bruder senkte ertappt den Blick und ich wusste, das ich genau ins Schwarze getroffen hatte.

„Können wir das woanders besprechen?“, fragte er, griff nach meiner Hand und zog mich mit erstaunlicher Kraft mit sich.

„Nun warte Mal!“, rief ich und hielt ihn zurück.

„Zacharias bitte. Es ist hier nicht sicher.“

„Läufst du vor jemanden davon?“, fragte ich alarmiert und misstrauisch zugleich und konnte ein leichtes Knurren nicht aus meiner Stimme heraushalten.

„Vielleicht.“

„Was hast du angestellt?“

„Nichts was dich angeht! Bitte, können wir nicht woanders reden?“

„Ein Kind hat um diese Uhrzeit in diesem Viertel nichts zu suchen“, schimpfte ich.

„Ich bin kein Kind mehr!“

„Doch das bist du!“

Raffael war der jüngste Sohn meiner Eltern und da die Zeit in den Verdammten Reichen anders verging, war er aus der Sicht von uns Wölfen zwar fast erwachsen, jedoch in menschlichen Maßstäben gemessen nicht älter als vierzehn Sommer. Dass er sich mitten in der Nacht in einer zwielichtigen Gasse herumtrieb, anstatt brav in seinem Bett zu liegen und zu schlafen, musste einen triftigen Grund haben. Ein ungutes Gefühl ergriff mich, als ich in die dunkle Gasse zurückschaute. Es fühlte sich an, als würde dort etwas lauern, dem mit allergrößter Vorsicht zu begegnen war.

„Bitte Zacharias“, drängte Raffael und versuchte mich weiter zu ziehen, als ich mich nicht rührte.

Nach einem letzten Blick, in die mit Dunkelheit angefüllte Gasse, gab ich mich geschlagen.

„Na gut, aber ich will später keine Lügengeschichten von dir hören!“

Mein Bruder nickte schnell und schenkte mir ein entwaffnendes Lächeln. Dieses Lächeln hatte ihn schon unzählige Male gerettet. Selbst mein Vater konnte ihm nicht standhalten.

„Wo willst du unterkommen?“, fragte Raffael, als wir auf die belebtere Straße hinaustraten.

Ich zuckte die Schultern und ließ meinen Blick umherschweifen.

„Hauptsache raus aus dem Regen.“

„Stimmt, du hast den Regen noch nie gemocht.“

 

Raffael folgte mir, als ich zielstrebig weiterlief. Ich glaubte wirklich nicht an Zufälle und das ungute Gefühl, das ich irgendetwas übersah verfolgte mich hartnäckig.

Wir fanden ein kleines Gasthaus, das noch genügend freie Zimmer hatte und froh war, eines davon für diese Nacht zu vermieten. Glücklich, endlich im Trockenen zu sein, schloss ich die Zimmertüre hinter uns und warf einen sehnsüchtigen Blick zu dem kleinen Kamin.

„Wir hätten auch einfach nach Hause gehen können.“

„Ich weiß“, seufzte ich und stieß mich von der Türe ab.

Ich bräuchte nur an der Tür meines Vaters zu klopfen und schon wäre ich umringt von Dienern, die mir jeden Wunsch erfüllen würden. Es wäre so einfach, wäre nicht mein Vater mit seinen unumstößlichen Ansichten.

„Warte! Lass mich das machen. Immerhin hast du darauf bestanden das Zimmer ganz alleine zu bezahlen.“

„Hättest du überhaupt Geld gehabt?“, fragte ich zweifelnd, als Raffael an mir vorbeihuschte, um sich um das Feuer zu kümmern.

„Na ja, hätte ich dich nicht getroffen, dann hätte ich mir auch kein Zimmer genommen, also …“

„Schon in Ordnung“, knurrte ich und zog mir den nassen Mantel aus. Der Rest meiner Kleider folgte in einem unordentlichen Haufen und zufrieden kroch ich unter die dünne Decke des Bettes. Es gab nichts Schöneres als ein trockenes Bett und hoffentlich bald ein freudig vor sich hin flackerndes Feuer.

In meiner Wolfsgestalt war es mir egal, wo ich schlief und in den Wochen meiner Reise hierher hatte ich es in vollen Zügen genossen wieder auf vier Beinen zu sein, meinem wilden Instinkt freien Lauf zu lassen. Ich war gerannt, hatte die Muskeln und Sehnen meines vierbeinigen Ichs aufs Äußerste strapaziert und hatte mich so losgelöst wie schon lange nicht mehr gefühlt.

„Was ist mit dir passiert?“

Ich öffnete blinzelnd die Augen und sah direkt in Raffaels unschuldiges Gesicht, als er sich über mich beugte. Ich liebte meinen kleinen Bruder und all die Jahre, die ich ihn nicht gesehen hatte, schmerzten. Damals als mich mein Vater und Akesh als Strafe in dieses Land geschickten hatten, war Raffael noch ein Unfug treibender Bengel gewesen und auch wenn er älter geworden war, so zweifelte ich, dass er vernünftiger geworden war.

„Was meinst du?“, fragte ich verwirrt.

„Du wirkst irgendwie verändert.“

„Man verändert sich automatisch, wenn man die Verdammten Reiche verlässt.“

„Du meinst, wenn man Vater verlässt.“

„Raffael …“

„Er wartet darauf, dass du zurückkommst.“

„Warum? Ich habe nichts, das ich ihm geben könnte.“

Raffael schwieg und obwohl er noch so jung war, wusste er nur zu gut, um die Differenzen zwischen unserem Vater und mir.

„Er will das du in absehbarer Zeit die Erbfolge weiterführst.“

Ich gab einen genervten Laut von mir, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und starrte die braune Holzdecke über mir an. Mein Vater wusste ganz genau, was ich davon hielt in seine Fußstapfen zu treten. Das von mir verlangt wurde, die nächste Generation zu zeugen war nur die Krönung des Ganzen. Meine Eltern waren zwar mit vielen Kindern gesegnet, aber nur die männlichen Nachkommen, durften nach dem Recht der Wölfe, den Stammbaum weiterführen. Und da lag das Problem begraben. Raffael und ich waren die einzigen Söhne meines Vaters und da Raffael viel zu jung war um überhaupt an so etwas zu denken, fiel mir als ältester Sohn diese Rolle zu.

„Zuerst schickt er mich weg, lässt all die Jahre nichts von sich hören und glaubt dann, das ich freudestrahlend und hocherfreut über seine Pläne zu ihm zurückkehre?“

Das ich an dem Ganzen selbst Schuld hatte, das ich in meinem jugendlichen Leichtsinn etwas zu sehr übertrieben hatte, wusste ich nur zu gut. Was alles nur noch viel schlimmer machte.

Ich musste versuchen meinem Vater so gut es ging aus dem Weg zu gehen, auch wenn es in den Verdammten Reichen schwer sein würde, unbemerkt vor den Blicken meines Vaters und Akeshs zu Ellysa zu gelangen.

„Vielleicht lässt Vater ja mit sich reden?“, meinte Raffael, während er sich seine Kleider vom Körper streifte und dann unter die Decken seines Bettes kroch.

„Lass es gut sein. Du weißt genauso gut wie ich, dass wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, er schwer davon abzubringen ist. Erzähl du mir lieber, warum du mitten in der Nacht in diesem Viertel herum streunst!“

Raffael hatte immerhin den Anstand zu erröten und strich sich eine seiner wilden Locken aus der Stirn. Sie erinnerten mich so sehr an Ysas Lockenfülle.

„Was hast du angestellt?“, fragte ich halb knurrend, halb grinsend.

„Nichts Schlimmes. Ich habe nur ein paar Magier verärgert.“

„Du hast was?“, fragte ich und stemmte mich auf die Ellbogen hoch, um meinen Bruder besser ansehen zu können.

„Als ob du das früher nie getan hast!“

„Nimmst du mich gerade als Beispiel? Ich glaube nicht, dass du so enden willst wie ich.“

„Erzählst du mir, wie es so war? Was du alles erlebt hast?“

Ich hörte ihm ganz genau seine schlecht versteckte Begeisterung an.

„Du weichst mir aus! Du weißt, dass Magier gefährlich für uns Wölfe werden können. Halte dich von ihnen fern.“

„Ja, ja mach ich, versprochen!“

Raffael winkte ab und grinste mich nicht wirklich überzeugend an. Ich stöhnte innerlich auf und nahm mir vor nochmal in Ruhe mit ihm darüber zu sprechen. Raffael durfte nicht so unvorsichtig sein.

„Erzählst du mir nun etwas?“

„Morgen, ich bin müde“, murrte ich und drehte mich Richtung Wand auf die Seite.

„Na gut, dann gute Nacht. Ich bin froh, dass du wieder da bist.“

Ich hörte, wie sich Raffael unter seine Decken verkroch und lächelte in mich hinein.

„Schlaf gut“, flüsterte ich und schloss die Augen.

Das leise Knistern des Feuers entspannte mich und langsam wurde mir warm. Wie sehr ich doch dieses Wetter hasste und es schien auch nicht so, als würde es aufhören zu regnen. Das Einzige das ich neben den Regen auch nicht loswurde, war dieses ungute Gefühl. Dort in der zwielichtigen Gasse war es fast übermächtig gewesen. Ich konnte es nicht einordnen und das beunruhigte mich mehr als ich zugeben wollte. Diese böse Vorahnung, genauso wie das Wissen darüber, das ich morgen höchstwahrscheinlich meinem Vater begegnen würde, hinderten mich am Einschlafen. Erst als das Feuer zu winzigen Flämmchen geschrumpft war, ergaben sich meine zahllosen Gedanken der Müdigkeit.

-¤-¤-¤-¤-

Ich schreckte jäh aus dem Schlaf, als sich etwas auf meinen Mund presste und ich ein heißes Kribbeln an meinem Hals spürte.

„Ich hoffe, du hast es in deiner Wolfsgestalt genossen. Es wird für eine sehr lange Zeit das letzte Mal gewesen sein!“

Ich riss die Augen auf und wagte es nicht mich zu bewegen. Mein Herz hämmerte mir in der Brust und meine Gedanken überschlugen sich.

Wie konnte er so schnell hier sein? Wie war es möglich, dass er mich eingeholt hatte?

„Überrascht mich zu sehen mein Hübscher? Bestimmt, wo du doch so sehr darauf aus warst Hals über Kopf aus Kassathor zu flüchten.“

Viktors Stimme war ein zorniges Beben. Er war wütend und ich konnte es ihm nicht einmal verübeln. Ich wollte mich so gerne bei ihm entschuldigen, aber seine Hand auf meinem Mund hinderte mich daran. Nun wusste ich zumindest auch, woher dieses ungute Gefühl gekommen war. Verdammt Viktor bebte vor Zorn und ich hatte die schlimme Befürchtung, er würde es mir nicht erklären lassen.

Viktor zog mich mit seiner freien Hand näher und hielt mich zwischen sich und der Wand gefangen.

„Ich weiß was in deinem Kopf vorgeht Zacharias. Du überlegst dir gerade, wie du mich besänftigen kannst, aber das kannst du nicht. Seit ich aus Kassathor aufgebrochen bin, habe ich mir ausgemalt was ich mit dir machen werde, wenn ich dich in die Finger bekomme. Glaubst du mir, wenn ich dir sage, dass du nicht einmal einen Hauch dessen ahnst, was ich jetzt gerne mit dir anstellen würde?“

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