Eine zweite Chance

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

„Wollen wir zusammen das Essen zubereiten?“, fragte Julie.

„Ich habe gar keinen Hunger“, schüttelte Jason den Kopf.

„Komm schon. Wir müssen etwas essen. Dann kommen wir auch auf andere Gedanken.“

„Aber ich vermisse meinen Papa“, weinte er wieder.

„Jason, ich vermisse ihn auch. Glaube mir. Trotzdem. Lass uns in die Küche gehen.“

Julie nahm seine Hand und ging mit ihm und Charlott in die Küche. Diesmal war es stiller als sonst. Alle saßen ruhig am Tisch und schauten auf den leeren Platz. Obwohl Rae selten mit ihnen zusammen aß, war es jetzt etwas anderes. Sie wussten, dass er nicht mehr hier wohnte. Julie versuchte alles, um die Kinder aufzuheitern, aber es war schwierig. Sie aßen kaum etwas.

Am nächsten Morgen brachte Julie ihre Kinder zur Schule. Sie wollte sie diesmal begleiten. Unterwegs bekam sie einen Anruf. Es war Vicky, die ihr mitteilen wollte, wann die Beerdigung von ihrem Vater stattfand. Julie hatte ja versprochen, sie zu begleiten. Julie redete noch ein paar Worte mit ihr, dann war sie auch schon in ihrem Büro. Sie arbeitete als Innenarchitektin. Die Arbeit machte Julie Spaß. Sie hatte sehr nette Kollegen und Kolleginnen. Inzwischen wurde Freundschaft daraus. Während der Arbeit konnte sie so wenigstens für ein paar Stunden ihre Gedanken beiseite schieben. Trotzdem bemerkten auch die anderen, dass etwas mit Julie nicht stimmte. Sie war schon seit ein paar Tagen abwesend und nicht recht bei der Sache, aber keiner wollte sie darauf ansprechen. Doch jetzt machten sie sich richtig Sorgen. Heute war sie ganz anders und sah richtig schlecht aus.

„Was ist los mit dir, Julie,“ fragte Katrin.

Mit ihr und Linda hatte sie ein besonders freundschaftliches Verhältnis und sie trafen sich auch oft privat. Sie wussten, dass Rae oft unterwegs war und Julie manchmal traurig darüber war.

„Hat es mal wieder mit der Arbeit von Rae zu tun?“

„Diesmal nicht“, gab sie nur kurz zurück.

„Diesmal nicht? Mit was denn dann. Nun sag schon. Mit dir ist doch irgendetwas?“

„Ich habe mich von Rae getrennt“, schaute sie Katrin an.

In diesem Moment kam auch Linda hinzu und blieb erstarrt stehen.

„Was? Aber warum? Ihr ward doch so glücklich.“

Katrin schaute Linda und dann Julie verständnislos an.

„Das sah vielleicht nach außen so aus. Aber wir hatten schon seit einigen Wochen Schwierigkeiten. Ich dachte, wir würden es wieder hinbekommen, aber ich habe mich geirrt.“

„Hast du nicht mit ihm darüber gesprochen. Kann er nicht etwas weniger arbeiten? Das muss doch möglich sein. Er hat Familie. Es muss ihm doch daran gelegen sein, dass er mehr Zeit mit euch verbringt?“

Linda schüttelte ungläubig den Kopf.

„Ich sagte ja schon, es ist diesmal nicht die Arbeit und die vielen Geschäftsreisen. Da ist noch etwas anderes.“

„Was? Was willst du damit andeuten? Nein, sag, dass das nicht wahr ist? Das glaube ich nicht. Ist etwa eine andere Frau im Spiel?“, erschrak Katrin.

„Doch.“

„Nein. Das ist doch nicht möglich. Doch nicht Rae. Du musst dich irren.“

Katrin konnte es nicht glauben.

„Doch. Leider irre ich mich nicht. Ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen und er hat es zugegeben.“

Julie hatte Tränen in den Augen.

„Wie lange weißt du es schon?“, umarmte Katrin sie.

„Seit ein paar Tagen. Den Verdacht hatte ich schon etwas länger, aber ich hatte es ignoriert und verdrängt. Er hat eine Affäre mit seiner Kollegin. Beim ersten mal dachte ich mir noch nichts dabei, obwohl es da schon seltsam war. Sie hatten sich umarmt. Aber dann sah ich beide in einer eindeutigen Situation, da war es mir klar.“

„Dann hast du ihn darauf angesprochen?“, fragte Linda.

„Klar. Er wollte es beenden. Für ihn hätte diese Affäre keine Bedeutung. Doch ich habe genug, es ist ja nicht das erste mal. Damals habe ich ihm eine Chance gegeben und es lief auch lange Zeit wirklich gut, aber, dass es jetzt wieder passiert ist, geht mir nicht in den Kopf. Ich habe einfach genug.“

Julie musste die Tränen unterdrücken.

„Du hast nie etwas gesagt. Ich wusste ja nicht, dass da schon mal was gelaufen war. Das tut mir so leid. Was geht in Raes Kopf vor. Sieht er denn nicht, was für eine wunderbare Frau er hat. Und seine Kinder? Die beiden sind so toll. Was sagen die beiden denn dazu? Wissen sie schon Bescheid?“, wollte Katrin wissen.

„Seit gestern. Sie verstehen es nicht. Als ich es ihnen mitteilte weinten beide. Ich versuchte sie zu trösten, aber es gelang mir nicht ganz. Sie hängen sehr an Rae. Sie werden ihm bestimmt auch fehlen, denn er liebt sie, sehr, dass weiß ich.“

„Und du, was empfindest du noch für ihn?“, schaute Linda sie an.

„Natürlich bin ich enttäuscht und wütend auf ihn. Aber trotzdem fehlt er mir. Wenn ich ins Schlafzimmer komme und sehe, dass seine Sachen weg sind, bin ich traurig. Ich vermisse ihn, denn ich liebe ihn immer noch.“

Katrin und Linda umarmten sie.

„Es tut uns wirklich so leid. Wir hoffen, dass sich alles wieder einrenkt und Rae zur Vernunft kommt. Das wünschen wir dir und deinen Kindern. Da spreche ich, denke ich, für uns beide“, drückte sie Katrin nochmal.

„Ich glaube nicht mehr dran. Auch wenn er wirklich die Affäre beendet, weiß ich nicht, wie lange es dauert, bis es wieder geschieht. Ich habe das Vertrauen zu ihm verloren. Was sucht er eigentlich? Eine lange Zeit lief es wirklich gut zwischen uns, in jeder Beziehung. Immer wieder hat er mir seine Liebe gestanden, hat er mich verwöhnt, war ein liebevoller Partner und Vater. Doch schon seit ein paar Wochen habe ich eine Veränderung festgestellt. Er sah mich gar nicht mehr. Er hat mich nicht mehr wahrgenommen. Ich war einfach nur da. Da hätte ich schon hellhörig werden müssen, aber ich dachte, es hätte etwa mit seinem neuen Projekt zu tun. Doch das war es nicht. Ich verstehe es nicht. Blind war ich.“

Was sollte Katrin dazu sagen? Sie verstand es ja auch nicht. Ebenso wie Linda. Welche Ratschläge sollten sie ihr geben? Zum Glück hatte Katrin keinen festen Freund. Nur einen Bekannten. Katrin war 30 Jahre und seit drei Jahren kannte sie jetzt Nat schon. Es war für beide reine Freundschaft, dass hatten sie rechtzeitig festgestellt. Nat war, genau wie Rae, beruflich sehr eingespannt. Trotzdem verbrachten die beiden soviel Zeit wie möglich miteinander. Also konnte sie Julie keine Tipps geben. Linda war etwas jünger und hatte sich gerade von ihrem Freund getrennt. Aber nicht weil er eine Andere hatte. Sie merkten ebenfalls beide, dass sie ganz unterschiedliche Ziele und Erwartungen hatten. Man trennte sich in Freundschaft. Hatte aber immer noch Kontakt.

„Ich bin immer für dich da, Julie. Du kannst immer mit mir reden.“

„Danke Katrin. Ich weiß. Aber momentan kann mir keiner helfen.“

Schweigend arbeiteten alle wieder weiter.

Rae war wütend auf sich selbst. Warum habe ich sie betrogen, schon wieder? Ich liebe sie doch, über alles. Und ich liebe meine Kinder. Gerne möchte ich sie in die Arme nehmen und um Verzeihung bitten, dachte er. Doch er konnte auch Julie verstehen. Sie hatte es nicht leicht mit ihm. Er musste die Sache beenden und zwar heute noch. Er saß an seinem Schreibtisch und sah zu Sharon. Ihre Büros waren nur durch eine Glasscheibe getrennt. Ein richtiger Idiot war ich, dachte er. Es stand fest, er musste es tun. Er musste mit Sharon Schluss machen. Er hatte ihr keinerlei Versprechen gemacht. Sie wusste, dass er verheiratet war und Kinder hatte. Also dürfte es kein Problem werden. Er hat ihr immer gesagt, dass er seine Familie nie verlassen würde. Sie störte es nicht. Sharon wollte sich nicht binden, dass sagte sie ihm immer. Sie fand es in Ordnung so, wie es war. Sharon war sprunghaft und liebte die Abwechslung. Als sie in die Firma kam und Rae sah, wusste sie, dass sie diesen Mann haben musste. Sie wollte Rae unbedingt besitzen und, dass hatte sie geschafft, auch wenn er nur einen Teil seiner Zeit mit ihr verbrachte. Ihr reichte es. Er war das nächste Opfer in ihrer Sammlung. Nur wusste das niemand. Doch nach und nach wollte Sharon mehr. Sie wollte Rae ganz. Nicht nur für ein paar Stunden. Sie kannte Raes Frau und Kinder von dem Bild, dass er auf seinem Schreibtisch stehen hatte. Dieses Bild hatte sie sich schon ein paar mal genau angeschaut. Beim letzten mal als sie es in der Hand hielt, Rae hatte gerade das Büro verlassen, lächelte sie und sah die Frau auf diesem Bild an.

„Er wird sich von dir trennen. Er gehört mir. Ich werde dafür sorgen, dass er euch verlässt. Tut mir wirklich leid für dich.“

Dann stellte sie das Bild schnell wieder an seinen Platz und verließ das Büro. Ja, es reizte sie plötzlich, diese Ehe zu zerstören. Dann würde er ganz zu ihr gehören. Dieses Ziel wollte sie unbedingt erreichen, egal ob sie zusammen blieben oder nicht. Vielleicht hatte sie danach auch schnell das Interesse an ihm verloren und es gab wieder einen neuen Mann, den sie im Auge hatte. Das kam nicht selten vor. Sie schmiedete einen Plan. Rae aber ahnte von alldem nichts.

Rae hatte nie daran gedacht, seine Familie zu verlassen. Für ihn war es nur ein kleines Abenteuer. Rae schaute zu ihr hinüber und überlegte, wie er es ihr am besten beibringen konnte. In diesem Augenblick schaute sie auch zu Rae und lächelte ihn an. Noch ahnte sie nicht, was Rae vor hatte. Rae dachte gerade an Jason und Charlott. Er schämte sich vor seinen Kindern. Das konnte er ihnen niemals sagen. Ob er mit Julie nochmal reden sollte? Sie wollte doch bestimmt auch nicht, dass seine Kinder davon erfuhren. Hoffentlich durfte er beide weiterhin sehen. Er vermisste sie, so wie Julie.

„Hey, Rae, wo bist du mit deinen Gedanken?“, wollte Richard, sein Arbeitskollege und Freund wissen.

 

„Wieso?“,schaute er erstaunt.

„Ich habe dich gerade gefragt, ob du heute Abend mit in den Club kommst. Wir wollen unseren Erfolg feiern.“

„Nein. Ich komme nicht mit. Das wäre, denke ich nicht gut.“

„Was? Du bist doch sonst immer dabei. Hast du plötzlich dein Familienleben wieder entdeckt? Oder ist etwas mit deiner Frau oder deinen Kindern? Julie hatte doch noch nie etwas dagegen? Hat sie etwa mitbekommen, dass Sharon auf dich steht und dir schöne Augen macht? Bist du etwa schwach geworden. Lässt sie dich deswegen nicht mehr mitgehen? Die Arme“, lachte Richard.

„Lass meine Frau aus dem Spiel.“

Richard schaute ihn entgeistert an.

„Wow, hab ich etwas verpasst? Hab ich was falsches gesagt? Das war doch nur Spaß.“

Richard wollte einen Witz machen. Der ging aber völlig daneben. Rae schaute ihn wütend an.

„Entschuldige Rae. Aber es war wirklich nur ein Spaß. Ich weiß, dass du eine wundervolle, hübsche Frau hast und sie nie betrügen würdest. Das würde ich an deiner Stelle auch nicht.“

Wenn du wüstest, dachte Rae. Ich bin ja auch ein Idiot.

„Tut mir leid, Richard. Aber im Moment läuft einiges schief bei mir.“

„Aber wieso denn? Wir haben einen großen Fisch an Land gezogen, du bist glücklich verheiratet und hast eine wunderbare Familie. Was wünscht man sich mehr. Hoffentlich habe ich mal so viel Glück, wie du.“

„Hey. Na, was gibt es Neues? Alles klar für heute Abend?“

Luis trat zu den beiden und schaute sie fragend an.

„Ich komme heute Abend nicht mit, bevor du auch noch weitere Fragen stellst“, schüttelte Rae den Kopf.

„Ok? Du hast keine Lust zu feiern? Mal was ganz neues. Ist etwas zu Hause? Etwas mit Julie? Oder…?

Weiter kam Luis nicht.

„Hab ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt?“, schaute Rae wütend.

„Oh oh. Ehekrise? Eigentlich kann ich mir das bei euch gar nicht vorstellen“, fügte er noch hinzu.

„Nun rück schon raus. Was ist los? Warum gehst du nicht mit?“, wollte jetzt Richard wissen.

„Ich habe keine Lust. Klar?“, wollte er das Gespräch beenden.

„Das kannst du uns nicht weismachen. Du bist normal immer der Erste, wenn es ums Feiern geht“, grinste Luis.

„Diesmal nicht. Mir steht nicht der Kopf nach feiern. Wisst ihr zufällig, ob irgendwo eine kleine Wohnung zu vermieten ist?“, fragte Rae.

„Eine Wohnung? Für wen?“, runzelte Richard die Stirn.

„Für mich. Ich suche eine Bleibe. Bin im Moment im Hotel.“

Richard und Luis schauten sich entgeistert an und mussten sich setzen.

„Du wohnst im Hotel? Aber warum denn?“, staunte Richard.

Hatte er etwa den Nagel auf den Kopf getroffen? Gibt es eine andere Frau. Hat Sharon etwas damit zu tun? Oder hat Julie einen anderen Mann kennengelernt? Das Letztere konnte sich Richard nicht vorstellen. Obwohl er es verstehen könnte. Rae ließ Julie oft allein.

„Raus mit der Sprache. Was ist los? Ich denke doch nicht, dass deine Frau einen anderen hat. Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen“, schüttelte Richard den Kopf.

„Nein, hat sie auch nicht. Ich habe Mist gebaut.“

„Du? Aber wieso? Was hast du getan?“, wollte Luis wissen.

„Ich habe, dass heißt, ich hatte eine Affäre. Noch heute werde ich es beenden.“

„Sag nicht, dass es Sharon ist? Ich ahnte so etwas. Wollte es aber nicht glauben. Deswegen hatte ich auch vorhin diesen Spaß gemacht. Sag, dass ich falsch liege.“

Richard schaute ihn wütend an.

„Du liegst nicht falsch. Es ist Sharon. Aber es hatte für mich keinerlei Bedeutung.“

„Ausgerechnet Sharon. Du spinnst doch. Warum sie? Sie ist so kalt und berechnend. Die hat doch mit jedem was. Denkst du, dass du der einzige bist. Was suchst du bei ihr. Warum überhaupt eine andere Frau? Ich verstehe dich nicht.“

Richard war richtig sauer auf Rae.

„Der gleichen Meinung bin ich auch. Sie versucht es doch wirklich bei jedem. Und du bist auf sie reingefallen. Hätte ich wirklich nicht von dir gedacht. Ihr ward für mich immer ein Traumpaar. Hat Julie dich rausgeworfen? Arme Julie. Ich mag sie sehr, deine Frau. Das war bestimmt ein Schock? Wie konntest du ihr das antun?“, schüttelte Luis den Kopf.

„Keine Ahnung. Das war einfach ein Ausrutscher. Ich will sie ja nicht heiraten. Es war ein Abenteuer. Nichts ernstes.“

Rae saß wie ein Häufchen Elend auf seinem Sessel.

„Nichts ernstes? Warum dann überhaupt? Und du willst heute mit Sharon Schluss machen? Ich bin mal gespannt, ob sie dir keine Schwierigkeiten macht, wenn du sie abservierst. Ich traue ihr nämlich nicht“, meinte Richard.

„Was soll sie denn schon groß tun?“, wollte Rae wissen.

„Ich hoffe für dich, nichts. Sie hatte es von Anfang an auf dich abgesehen. Alle haben es bemerkt. Das ausgerechnet du auf sie reinfällst, geht mir nicht in den Kopf. Wie willst du das wieder in Ordnung bringen, mit deiner Frau und deinen Kindern? Für Julie war es was ernstes.“

Richard war sichtlich verärgert.

„Ich werde mich ändern. Ab sofort.“

„Guter Vorsatz. Hältst du es auch durch? Es ist traurig. Du hast wirklich eine so tolle Familie. Viele würden gerne mit dir tauschen und du wirfst das alles einfach weg.“, schüttelte Luis den Kopf.

„Ich bin ja auch ein Vollidiot, ich weiß. Hoffentlich gelingt es mir, alles wieder hinzubiegen.“

„Ich wünsche es dir, Rae. Vor allen Dingen liegt mir Julie am Herzen. Sie tut mir richtig leid. Wie haben deine Kinder das aufgenommen?“, fragte Luis nach.

„Weiß ich nicht. Ich glaube, sie wissen es noch gar nicht. Hab sie nicht mehr gesehen. Julie wollte, dass ich das Haus verlasse, bevor sie aus der Schule kamen.“

„Hoffentlich darfst du sie sehen?“, klopfte Richard ihm auf die Schulter.

„Was die Wohnung betrifft, werde ich mich umhören“, meinte Luis.

Mit diesen Worten widmeten sie sich wieder ihrer Arbeit. Alle hatten ein ungutes Gefühl, was Sharon betraf. Richard und Luis tat natürlich auch Rae leid, obwohl er diese Situation verursacht hatte und sie ihm gerne den Kopf gewaschen hätten. Sie kannten Julie ganz gut, da beide schon öfter mal bei Rae eingeladen waren. Wie es ihr wohl geht? Richard und Luis ging die ganze Sache nicht aus dem Kopf.

Rae versuchte Julie zu erreichen. Er wollte unbedingt seine Kinder sehen. Als Julie auf ihr Handy schaute und sah, dass es Rae war, wollte sie zuerst nicht dran gehen. Doch dann überlegte sie es sich anders. Sie vermisste ihn. So konnte sie wenigstens seine Stimme hören. Auf keinen Fall durfte er es bemerken.

„Was willst du Rae“, meldete sie sich.

„Hey, Julie. Kann ich heute Abend die Kinder sehen? Ich vermisse sie. Und dich auch. Hast du es ihnen schon gesagt? Ich möchte es ihnen erklären.“

„Die Kinder wissen Bescheid. Ich musste es ihnen sagen. Das du die Kinder vermisst glaube ich dir, dass du mich vermisst nicht. Du hast ja Ersatz gefunden.“

„Ich mache noch heute Schluss, dass verspreche ich dir. Bitte, lass mich zu den Kindern.“

„Komm heute Abend so gegen 18.00 Uhr. Und noch was, du musst nicht Schluss machen, dass mit uns ist vorbei.“

Sie beendete das Gespräch noch bevor Rae ihr danken konnte. Julie wusste aber auch, dass für sie gar nichts vorbei war. Sie liebte Rae. Es würde lange dauern, bis sie darüber hinweg war. Rae fiel ein Stein vom Herzen. Julie hatte eingewilligt. Auf der anderen Seite hatte er ein schlechtes Gewissen den Kindern gegenüber. Wie würden sie auf ihn reagieren. Vielleicht konnte er heute Abend doch noch mal mit Julie reden und es in Ordnung bringen. Mit gemischten Gefühlen wartete er auf den Abend.

„Was machen wir nach dem Clubbesuch?“, flüsterte Sharon Rae leise ins Ohr.

Sie hatte die Gelegenheit wahr genommen, da Richard und Luis kurz aus dem Zimmer gingen. Er hatte gar nicht bemerkt, dass sie an seinen Schreibtisch trat.

„Ich komme nicht mit.“

Sharon sah ihn eigenartig an.

„Wie? Warum nicht? Oh, du willst, dass wir gleich zu mir gehen? Das kann ich einrichten. Wir bleiben nur ganz kurz. Ich kann es kaum erwarten“, lächelte sie süffisant.

„Nein. Komm mit nach draußen. Ich muss etwas mit dir besprechen.“

Rae ging nach draußen. Sharon folgte ihm. Richard und Luis beobachteten beide, als sie wieder zurückkamen.

„Hoffentlich geht das gut“, wandte sich Richard an Luis.

Sharon wollte Rae um den Hals fallen, doch Rae hielt sie zurück.

„Lass das, bitte.“

„Was ist los mit dir? Du bist doch sonst nicht so zurückhaltend. Manchmal kannst du es kaum erwarten mit mir alleine zu sein. Wieso willst du mit mir reden und warum gehst du nicht mit in den Club?“, fragte sie.

„Sharon, es tut mir leid, aber es ist zu Ende. Das mit uns. Ich liebe meine Frau und möchte sie nicht mehr betrügen. Sie hat es nicht verdient. Julie ist eine wundervolle Frau. Ich weiß, dass ich dir damit vielleicht weh tue. Aber ich liebe meine Familie und möchte endlich mein Leben ändern. Verzeih mir. Doch für dich war das alles ja auch nur eine vorübergehende Affäre. Da waren wir uns ja einig. Wir werden uns also ab heute nicht mehr sehen. Versuch es auch gar nicht erst, mich wieder herumzukriegen. Du wirst es nicht mehr schaffen. Ich weiß auch gar nicht, wieso ich mich auf dich eingelassen habe. Leider kann ich es nicht mehr ungeschehen machen. Aber jetzt ist es vorbei. Endgültig.“

Rae wollte gehen, doch Sharon hielt ihn am Arm.

„Was sagst du da? Denkst du wirklich, dass du mich so einfach beiseite schieben kannst. Wir hatten doch wunderschöne Stunden. Du konntest gar nicht genug von mir bekommen. Jetzt willst du es so einfach beenden. Ich hab mich in dich verliebt. Für mich war es keine Affäre. Es war viel mehr. Du machst dir etwas vor. Schon lange hast du dich von deiner Frau und deinen Kindern entfernt. Du kommst nicht von mir los. Schon bald kommst du wieder angekrochen. Denkst du wirklich, dass ich dich so einfach frei gebe. Nein, so leicht mache ich es dir nicht. Überleg dir gut, was du tust. Wenn du mich jetzt verlässt, werde ich alles deiner lieben Frau erzählen und glaube mir, die wird nicht begeistert sein.“

„Sie weiß es. Ich habe es ihr gebeichtet. Also, dass kannst du vergessen.“

Rae drehte sich um und wollte gehen.

„Es gibt noch andere Mittel. Glaub mir. Nicht lange, dann wird sie von sich aus in eine Scheidung einwilligen. Oh, die armen Kinder. Ihr Papa hat ihre Mutter betrogen und die Familie zerstört“, lachte sie böse.

„Was soll das heißen? Was willst du von mir? Ja, wie hatten schöne Stunden, aber sie waren für mich ohne Bedeutung. Ich habe dir nie etwas versprochen. Und ich habe dir nie gesagt, dass ich dich liebe. Das tue ich nämlich nicht. Also lass es gut sein. Du findest einen, der zu dir passt. Du bildest dir nur ein, dass du mich liebst. Bist du überhaupt dazu im Stande, jemanden zu lieben? Du wolltest mich besitzen, dass war alles. Ich Idiot bin darauf reingefallen. Aber jetzt ist es zu ende. Ich wollte mich nie scheiden lassen, dass wusstest du.“

„Für mich ist nichts zu ende. Du wirst dich scheiden lassen, glaube mir. Du bist das, was ich will. Für mich ist das schon lange klar. So einfach kommst du mir nicht davon.“

„Auf keinen Fall werde ich mich scheiden lassen. Niemals wird das geschehen. Im Gegenteil, ich werde versuchen, meine Ehe zu retten und jetzt, lass mich in Ruhe. Du bist ja verrückt. Es ist vorbei.“

Rae ging. Aber für Sharon war die Sache noch nicht zu ende. Wütend schaute sie ihm hinterher. Richard hatte recht. Sharon wollte sich rächen.

Am Nachmittag, als Julie und die Kinder wieder zu Hause waren, teilte sie ihnen mit, dass ihr Vater sie besuchen wird.

„Papa zieht wieder hier ein. Hurra“, rief die kleine Charlott.

„Nein, Charlott. Papa kommt uns nur besuchen“, klärte sie Jason auf.

„Er bleibt nicht?“, wollte sie wissen.

„Nein. Aber er will euch unbedingt sehen. Das ist doch schön, oder?“, schaute Julie die beiden an.

„Ich freue mich darauf, Mama“, nickte Jason.

„Ich auch“, lächelte Charlott.

Dann war es soweit. Jeden Moment müsste Rae kommen. Schon hörte man, wie jemand den Schlüssel im Schloss umdrehte. Da die Kinder schon gewartet hatten, stürzten sie sofort zur Tür.

„Papa“, riefen beide und fielen ihm um den Hals.

„Hey, meine Süßen. Ich habe euch vermisst. Ich hab euch sehr, sehr lieb“, nahm er sie in den Arm.

„Ich dich auch“, riefen beide, wie aus einem Mund.

 

„Wo ist Mama?“, fragte Rae.

„Sie ist in der Küche“, teilte ihm Charlott mit.

„Mama macht das Abendessen. Willst du mitessen?“, wollte Jason wissen.

„Wenn es Mama recht ist, gerne.“

Alle gingen in die Küche.

„Hey, Julie. Die Kinder haben mich gebeten, mit euch zusammen zu essen. Ist es dir recht?“

„Hey. Wenn die Kinder es wünschen, soll es so sein.“

Julie sah ihn nicht an, aber ihr Herz klopfte, wie am ersten Tag, als sie sich sahen. Am liebsten wäre sie ihm um den Hals gefallen. Rae betrachtete sie ganz genau. Hatte er nur das Gefühl, oder hatte sie sich verändert. Sie sah so zerbrechlich aus. Aber dadurch war sie noch hübscher. Wie konnte er sie nur betrügen. Er hatte ihre Liebe verraten, dass wurde ihm immer bewusster.

„Kann ich dir helfen?“, fragte er als er näher kam.

„Nein. Es ist alles fertig. In einer halben Stunde können wir essen.“

Der Duft seines Rasierwassers stieg ihr in die Nase. Einen kurzen Augenblick schloss sie die Augen und dachte an die Momente, als er sie in seinen Armen hielt und sie küsste.

„Ok. Ich kümmere mich mal um die Kinder.“

Rae schaute sie seltsam an. Sie spürte seine Blicke, aber drehte sich nicht nach ihm um. Wenn sie es getan hätte, wer weiß, was dann geschehen wäre.

Bald schon hörte man das Lachen der Kinder. Rae brachte sie immer zum Lachen. Sie tobten im Zimmer von Jason herum. Wie lange wird das wohl noch so sein?, dachte sie bei sich.

„Ich brauch eine Pause“, kam Rae lachend aus dem Kinderzimmer.

„Das Essen ist sowieso fertig. Jason, Charlott, kommt ihr bitte“, rief Julie.

Am Tisch ging es genauso weiter. Rae machte Späße mit den Kindern und sie lachten. Sie sahen glücklich aus. Rae schaute ständig Julie an. Seine Blicke verrieten, dass er sich nach ihr sehnte. Julie kannte diese Blicke und wusste nur zu gut, was sie bedeuteten. Aber diesmal blieb sie stark, auch wenn sie ihm am liebsten in die Arme gefallen wäre.

„Papa, spielst du noch Klavier mit mir? Ich habe geübt.“

„Klar. Dann lass uns mal loslegen“, lächelte er.

„Ich möchte auch“, lief Charlott hinterher.

„Du kommst nach Jason dran. Ist das ok?“, wollte Rae von ihr wissen.

Inzwischen räumte Julie den Tisch ab. Sollte sie ihm verzeihen? Nochmal eine Chance geben? Wie schön wäre es, wenn er jetzt hier bleiben könnte. Sie wusste genau, was dann passieren würde. Nein, dass konnte und wollte sie nicht zulassen. Er musste gehen. Sie wollte es so. Er wird sich nie ändern, dachte sie noch.

Rae brachte auch noch die Kinder ins Bett. Mit Charlott sang er wieder dieses lustige Lied, dass nur er und seine Tochter kannten.

„Gute Nacht, Süße. Denk immer daran. Ich habe dich lieb. Es wird vielleicht etwas dauern, bis ich wieder komme. Sei nicht traurig“, küsste er sie.

Charlott schlang ihre Arme um seinen Hals und drückte ihn so fest, wie sie nur konnte. Dann ging er zu Jason ins Zimmer.

„Ich versuche beim nächsten Training dabei zu sein. Ist das ok für dich? Soll ich dir noch etwas vorlesen?“

„Das wäre schön. Ach, Papa, du hast meine Schläger. Ich kann sie hier nirgends finden. Sie sind bestimmt noch in deiner Sporttasche, vom letzten mal.“

„Die bringe ich natürlich mit.“

Sie suchten zusammen eine Geschichte aus und Rae las seinem Sohn vor.

„Gute Nacht, Großer. Pass gut auf die Mama auf. Ich liebe sie sehr und dich und Charlott auch.“

„Papa? Warum hast du ihr weh getan?“, wollte Jason plötzlich wissen.

Rae hoffte, dass seine Kinder ihn nicht darauf ansprachen. Aber jetzt tat es Jason doch.

„Ich weiß es selbst nicht. Ich werde es dir erklären, wenn ich mir im klaren über alles bin. Ich verspreche aber, dass ich ihr nie mehr weh tun werde. Ja?“

„Ist ok, Papa. Du hast sie doch noch lieb?“

„Sehr sogar, Jason. Glaube mir.“

„Ich hab dich auch lieb, Paps. Mama weint oft. Sie hat dich bestimmt auch noch lieb. Gute Nacht.“

Rae ging zu Julie ins Wohnzimmer. Sie saß auf der Couch mit einem Glas Wein und Tränen in den Augen.

„Julie? Ist alles in Ordnung?“

Sie schaute ihn an.

„Nichts ist in Ordnung. Du kannst jetzt wieder gehen. Die Kinder liegen im Bett. Es gibt keinen Grund mehr hierzubleiben.“

„Doch. Du bist der Grund. Julie. Ich war ein Vollidiot, ich weiß. Heute habe ich mit Sharon endgültig Schluss gemacht. Gib mir noch eine Chance. Ich möchte dir beweisen, dass ich mich ändern kann und will. Du und die Kinder, ihr seid für mich das Wichtigste. Leider habe ich es erst jetzt begriffen.“

Rae kam näher.

„Zu spät, Rae. Du hast es zu spät begriffen. Ich kann dir nicht mehr vertrauen. Das schlimme ist, ich weiß nicht, was ich falsch gemacht habe. Du warst immer für mich der einzige. Ich habe dich mehr geliebt, als ich dir sagen kann. Hast du in unserer Beziehung etwas vermisst, Rae? Die Stunden, die wir miteinander verbracht haben, waren wunderbar. Sie waren die Erfüllung unserer Liebe, das dachte ich auf jeden Fall. Aber für dich war es das anscheinend nicht.“

„Du hast nichts falsch gemacht. Ich habe nichts vermisst in unserer Beziehung. Wenn wir zusammen waren, war ich glücklich. Es war immer wunderschön mit dir. Das war auch nie der Grund.“

„Welcher Grund war es dann?“, wollte sie wissen.

„Keine Ahnung, Julie. Ich weiß es selbst nicht. Bitte, lass es uns nochmal versuchen.“

„Nein“, schüttelte Julie den Kopf.

Rae kam ganz nah und nahm sie in den Arm.

„Ich bitte dich, Julie. Ich liebe dich.“

„Geh jetzt, Rae. Wenn du die Kinder sehen willst, ruf mich an. Aber jetzt lass mich allein.“

Ruckartig zog er sie an sich und küsste sie. Rae schaute sie danach traurig an, drehte sich um und verschwand. Viel hätte nicht mehr gefehlt und sie hätte seinen Kuss erwidert und ihm wieder alles verziehen. Aber diesmal wollte sie stark bleiben. Er musste einsehen, dass er so nicht mit ihr umspringen konnte. Spät ging sie zu Bett. Lange konnte sie nicht einschlafen. Sie dachte an seinen Kuss. Ein Schauer lief durch ihren Körper. Julie sehnte sich nach ihm.

Rae war in Versuchung, doch noch in den Club zu gehen, aber er tat es nicht. Ins Hotelzimmer wollte er jetzt auch nicht, also ging er in eine Bar, die in der Nähe des Hotels lag. Er blieb lange, sehr lange. Er trank viel, sehr viel. Wie er in sein Zimmer kam, wusste er am Morgen nicht mehr. Mit einem gewaltigen Kater stand Rae auf und schaute auf die Uhr. Es war schon spät. Er hatte anscheinend den Wecker nicht gehört. Schnell sprang er mit einem Brummschädel unter die Dusche und eilte ins Büro.

„Auch schon da? Guten Morgen, Rae“, begrüßten ihn Richard und Luis.

„Euch auch einen guten Morgen. Sprecht bitte nicht so laut“, schaute er sie an.

„Wow. Wo bist du den gestern versackt?“, wollte Luis wissen.

„In einer Bar, in der Nähe meines Hotels. Ich weiß nicht einmal mehr, wie ich in mein Zimmer kam“, schüttelte Rae den Kopf.

„So siehst du heute Morgen auch aus. Ist etwas passiert?“, schüttelte Richard den Kopf.

„Ich war gestern noch bei meinen Kindern. Wollte mit Julie reden.“

„Und?“

„Nichts. Sie verzeiht mir nicht. Dabei liebe ich sie, mehr als jemals zuvor. Gestern ist es mir so richtig bewusst geworden, auch, was ich ihr angetan habe.“

„Lass ihr Zeit und ändere dich schleunigst. Vielleicht gibt sie dir doch nochmal eine Chance“, klopfte ihm Luis auf die Schulter.

„Ich glaube nicht. Trotzdem versuche ich mich zu ändern. Ich muss es. Denn sonst verliere ich auch noch meine Kinder.“

Rae schaute traurig aus dem Fenster.

„Du hast gestern einiges verpasst.“

Richard wollte ihn auf andere Gedanken bringen.

„Ja?“

„Du hättest mal Sharon erleben sollen. Die hat mit jedem geflirtet. Ich möchte nicht wissen, mit wem sie diesmal im Bett gelandet ist. Einige unserer Kollegen waren ganz schön hinter ihr her“, grinste Luis.

„Das ist mir so was von egal. Sie kann machen was sie will. Ich habe ihr gesagt, dass es aus ist, zwischen uns.“

„Oh. Deshalb. Wie hat sie reagiert?“, wollte Richard wissen.