Eine zweite Chance

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Eine zweite Chance
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Carmen Sommer

Eine zweite Chance

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Eine zweite Chance

Davis

Das Gespräch mit Vicky

Die Bar

Brae, ein guter Freund

Rae‘s Geheimnis

Die Scheidungspapiere

Julie verliebt sich

Rae und die Wahrheit über seine Eltern

Rae und der Alkohol

Charlott‘s Unfall

Rae hat die Hoffnung verloren

Katrin‘s Geheimnis über ihre große Liebe

Rae braucht einen Drink

Julie bereut die Nacht

Julie macht sich Sorgen um Rae

Wo war Rae

Julie und Rae kamen sich näher

Wird Julie Rae verzeihen

Impressum neobooks

Eine zweite Chance

Eine zweite Chance

„Kannst du mir nicht verzeihen? Ich weiß, dass ich Mist gebaut habe. Wieder einmal. Bitte. Das werde ich dir nie wieder antun. Ich verspreche es. Ich bin ein Idiot.“

„Oh ja. Das bist du. Hast du einmal an mich und vor allem an die Kinder gedacht? Ich weiß nicht, was in deinem Kopf vorgeht. Ich kann es einfach nicht verstehen. Du wirst dich nie ändern. Das Ganze hatten wir schon vor ein paar Jahren. Nie hätte ich gedacht, dass du wieder eine Affäre anfängst. War unsere Ehe ein Fehler? Was habe ich falsch gemacht. Du warst für mich immer die große Liebe. Nie habe ich mich für einen anderen Mann interessiert. Ich gehörte zu dir und ich dachte, dass du es genauso siehst.“

Julie hatte Tränen in den Augen.

„Ich habe immer an euch gedacht. Das ist wahrscheinlich schwer zu verstehen, aber es ist so. Für mich bedeuteten diese Frauengeschichten nichts, denn ich liebe euch. Julie, ich liebe dich, über alles. Du bist mein Leben. Unsere Kinder sind die Erfüllung unserer Liebe. Ihr seid mein Leben. Nie wollte ich euch verlassen. Es war einfach ein Ausrutscher. Ich habe nicht nachgedacht. Ach, ich weiß auch nicht. Verstehe es selbst nicht.“

„Ein Ausrutscher, Rae? Das soll ich dir glauben? Es geht doch schon seit mehreren Wochen. Was vermisst du in unserer Ehe, dass du es bei anderen Frauen suchst? Ich war fest davon überzeugt, dass unsere Ehe wieder intakt ist, nach deinem ersten Fehltritt. Es war immer wunderschön mit dir und ich dachte, dass du es auch so empfindest. Doch in letzter Zeit warst du anders, du hattest dich verändert und ich wusste nicht warum. Jetzt ist es mir klar.“

„Unser Ehe bedeutet mir alles. Glaub mir. Du bist alles für mich. Ich vermisse nichts. Vom ersten Augenblick, als ich dich sah und in meinen Armen hielt, war ich verliebt in dich. Das hat sich nicht geändert. Vielleicht habe ich es als selbstverständlich angesehen, dass du immer für mich da warst. Du bist für mich die wundervollste, hübscheste, zärtlichste und leidenschaftlichste Frau der Welt. Das habe ich dir viel zu selten gesagt. Es tut mir leid, Julie.“

Rae wollte sie in die Arme nehmen, aber Julie wich zurück.

„Alles was du sagst, kann ich nicht glauben, denn sonst wäre es nicht so weit gekommen. Anscheinend genüge ich dir nicht. Ich kann dir nicht das geben, was du suchst.Du hast mich in letzter Zeit kaum angesehen. Stimmt, ich war immer da, habe Tag und Nacht auf dich gewartet und mich nach dir gesehnt, während du nichts besseres zu tun hattest, als dich mit anderen Frauen zu amüsieren. Ich war wirklich dumm. Eigentlich hatte ich es schon die ganze Zeit geahnt, dass etwas nicht stimmt, wollte es nur nicht wahrhaben. Es war wie damals. Ich hätte es spüren müssen, aber ich war so blind vor Liebe, dass ich es ignorierte. Ich wollte es einfach nicht glauben. Auch wenn du mal wieder spät nach Hause kamst, oder ständig auf Geschäftsreisen warst. Wenn ich manchmal das Parfüm einer anderen Frau gerochen habe, ertrug ich es, ohne dich darauf anzusprechen. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass du mich wieder betrügen würdest. Ist das nicht zum Lachen? Sicher hast du über mich gelacht, weil ich so naiv war. Also versuch nicht, es so hinzustellen, als wäre es nur einmal passiert. Das geht schon Wochen so mit dieser anderen Frau. Wahrscheinlich wussten es alle in deiner Firma, nur ich nicht. Du hast mich verletzt und diesmal ist endgültig Schluss. Ich will und kann nicht mehr. Denkst du nicht, dass ich was besseres verdient habe? Ich war dir immer treu. Du hast meine Liebe mit Füssen getreten. Nie werde ich dir verzeihen. Also, was willst du noch hier? Geh einfach. Geh zu ihr. Sie wartete bestimmt schon auf dich. Sie kann dich haben.“

„Tu das nicht, Julie. Du hast ja in allem recht. Ich habe dich gar nicht verdient. Aber ich habe nie über dich gelacht. Wie kann ich es wieder gut machen. Ich will dich nicht verlieren, dass wollte ich nie, dass war immer meine größte Angst. Ist es jetzt wirklich geschehen? Das könnte ich nicht wieder ertragen. Du brichst mir das Herz. Was ich getan habe, kann ich nicht mehr rückgängig machen und ich fühle mich mies, wenn ich daran denke, was ich dir angetan habe. Aber ich kann nur immer wieder sagen, dass ich dich liebe. Ja, ich war unfair zu dir und ich habe dich eigentlich nicht verdient, dass alles ist mir jetzt erst so richtig bewusst geworden. Bitte, Julie, verlass mich nicht. Schick mich nicht weg. Lass mich bitte hier, bei euch. Ich werde mich ändern, ich kann es. Das verspreche ich dir. Was werden die Kinder sagen, wenn ich nicht mehr hier bin?“

Rae fiel vor ihr auf die Knie und flehte sie an.

„Du fragst jetzt nach den Kindern? Das ist zum Lachen.Ich werde es ihnen erklären, wie immer. Du warst ja sehr oft nicht zu Hause. Entweder warst du auf Geschäftsreisen oder bei dieser Frau. Sie werden es gar nicht bemerken. Spät fällt es dir auf, dass du unsere Familie zerstört hast und lass es, mit deinen Versprechen, die du sowieso nicht halten kannst. Es ist zu spät. Diesmal ist es endgültig aus. Steh auf, Rae, du machst dich lächerlich.“

Rae stand auf, kam näher und legte seine Hände auf ihre Schultern.

„Sieh mich an, Julie. Soll das wirklich alles gewesen sein?“

„Was soll das werden, Rae? Denkst du, dass ich wieder schwach werde, wenn du mich berührst und mir in die Augen schaust. Ich habe dich geliebt, Rae. Sehr sogar. Du warst mein Leben und nie hätte ich gedacht, dass es so enden würde“, schüttelte sie mit Tränen in den Augen den Kopf.

„Du willst also wirklich, dass ich gehe? Bitte Julie, lass es so nicht enden.“

„Ja, geh. Sofort. Bevor die Kinder kommen.“

„Also ist es aus? Ist unsere Ehe endgültig gescheitert? Darf ich noch nicht einmal mehr die Kinder sehen?“

„Was erwartest du? Soll ich zuschauen, wie du dich mit anderen Frauen amüsierst? Du hast dabei nie an unsere Kinder gedacht? Oder wie es mir dabei geht? Wie ich mich fühle? Nein, warum auch.“

„Es tut mir wirklich leid. Ich wollte das alles nicht. Auch wenn ich mich wiederhole, es ist einfach so passiert. Du weißt, dass ich meine Kinder liebe und dich. Das hat sich nicht geändert“, wehrte sich Rae.

„Klar. Wenn du mal zu Hause warst. Aber, wie oft warst du denn zu Hause? Hast du mich in letzter Zeit denn bemerkt. Ich war einfach nur da. Hielt alles am Laufen. Für dich war ich nichts weiter als ein Gegenstand, den man ab und zu benutzte. Findest du mich noch hübsch oder anziehend? Wann hast du es mir in letzter Zeit gesagt?“

Bei diesen Worten drehte sie sich um und schaute ihn wütend an.

„Du bist wunderschön, attraktiv und anziehend. Es stimmt, ich habe es in der letzten Zeit nicht zu dir gesagt. Aber es ist so. Auch jetzt würde ich dich gerne in meine Arme nehmen und mit dir wunderschöne Stunden verbringen, dass weißt du doch genau. Für mich war es immer die Erfüllung. Glaube mir. Du hast mir alles gegeben, was ich mir wünsche. Warum ich dir das immer wieder antue? Ich kann es dir nicht sagen, doch es liegt nicht an dir. Ich weiß auch, dass ich zu viel arbeite und wenig Zeit für euch habe. Das werde ich ändern“, versprach er wieder.

„Du siehst mich doch gar nicht mehr, Rae. Wie oft hast du deine Versprechen schon gebrochen? Ich weiß es nicht. Vielleicht gab es ja noch mehrere Frauen, von denen ich gar nichts weiß? Du warst ständig unterwegs. Jetzt ist mir auch klar, warum. Das war nicht beruflich. Es waren deine Frauengeschichten. Die wievielte war es denn? Das halte ich einfach nicht mehr aus. Es ist nicht allein deine Arbeit und vielen Geschäftsreisen. Dafür hatte ich immer Verständnis. Aber du hast Familie, Rae. Auch da hattest du versprochen, kürzer zu treten. Nichts ist passiert.“

 

„Lass es uns nochmal versuchen, bitte? Ich werde mich ändern.“

„Vergiss es. Jetzt geh endlich, bevor die Kinder zurück sind.“

„Darf ich mich nicht noch verabschieden?“

„Nein. Ich werde ihnen sagen, dass du mal wieder auf Geschäftsreise bist. Das kennen sie ja schon“, senkte Julie den Kopf.

„Ok. Ich werde jetzt gehen. Aber ich werde um dich und um unsere Kinder kämpfen. So einfach gebe ich nicht auf. Du bist meine Frau und es sind auch meine Kinder. Eine Bitte hätte ich noch, lass mich die Kinder besuchen. Versprich es mir. Ich werde dir beweisen, dass ich diesmal mein Versprechen halten kann. Ich will nur euch.“

„Geh einfach. Versprich mir nichts, was du nicht halten kannst. Wir kommen gut allein zurecht. Geh dort hin, wo du die letzten Nächte warst.“

Julie starrte aus dem Fenster. Sie konnte ihm nicht mehr ins Gesicht sehen. Warum hatte er ihr das angetan? Rae versuchte es wieder.

„Aber, sie werden bemerken, dass ich nicht mehr hier wohne? Sie sind ja nicht dumm. Meine Sachen sind weg.“

„Da fällt mir schon noch was ein. Im Moment ist es besser, wenn sie es noch nicht wissen. Sie werden ja nicht den Kleiderschrank durchsuchen. Ich werde sie langsam darauf vorbereiten.“

„Das kannst du doch nicht tun“, bat er sie.

„Nimm deine Koffer und verschwinde. Ich kann dich nicht mehr ertragen.“

Rae ging mit hängenden Armen und seinen Koffern zu seinem Wagen. Er drehte sich noch einmal um, bevor er einstieg. Immer wieder schüttelte er den Kopf. Jetzt war es wirklich soweit, er hatte sie verloren. Davor hatte er immer Angst. Geschah es jetzt gerade. Rae fuhr davon. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich ein Hotelzimmer zu nehmen, bis er eine andere Bleibe gefunden hatte. Vielleicht kam er auch bei einem Freund unter. Aber, dann würden sie Fragen stellen. Wie sollte er es ihnen erklären. Also beschloss er doch in ein Hotel zu gehen, bis er Julie davon überzeugt hatte, dass dies nicht wieder vorkam und sie ihm doch verzieh.

„Warum war ich so blöd? Warum habe ich das getan und sie so verletzt. Werde ich meine Kinder noch sehen? Alles habe ich kaputt gemacht“, sagte er zu sich selbst.

Rae war selbst schuld. Er hatte vor mehreren Wochen eine Affäre mit einer Mitarbeiterin der Firma angefangen. Julie sah beide zufällig auf der Straße, als sie in ihrer Mittagspause etwas besorgen wollte. Zuerst dachte sie sich nichts dabei. Es sah so aus, als würde Rae eine gute Bekannte umarmen und auf die Wange küssen. Sie redete nicht mit ihm darüber, Julie hatte es vergessen. Aber als sie beide vor einem Cafe wiedersah und eine Zeit lang beobachtete, sah sie, dass diese Frau Rae küsste. Rae wies sie nicht zurück. Im Gegenteil. Sie standen lange, eng umschlungen und diesmal küsste Rae diese Frau leidenschaftlich. Für Julie brach eine Welt zusammen, sie war am Boden zerstört. Wieder geschah es, er betrog sie. Es war ja nicht das erste mal. Aber sie hatte ihm damals verziehen und eine zweite Chance gegeben, weil er versprach, dass so etwas nie wieder passieren würde. Sie glaubte ihm und dachte, dass sie nun eine intakte, glückliche Ehe führen würden, aber da hatte sie sich getäuscht. Als sie Rae zur Rede stellte, gab er es zu. Für ihn war es nichts ernstes, genau wie das letzte mal, so sagte er wenigstens. Doch für Julie hatte ihre Liebe einen Riss bekommen. Ihr Herz schmerzte. Er hatte sie das zweite mal betrogen. Jetzt reichte es ihr. Sie konnte nicht mehr, auch wenn sie ihn immer noch liebte. Diesmal konnte sie ihm nicht verzeihen. Sie würde sich von ihm trennen. Es war besser so. Aber was sollte sie ihren Kindern sagen? Das ihr Vater eine andere Frau hatte und jetzt mit ihr zusammen ist? Sie nicht mehr liebte und nicht mehr bei ihnen lebte? Wie werden sie es auffassen? Würden sie es verstehen? Sie liebten Rae. Würden sie ihm dies jemals verzeihen? Julie stand immer noch am Fenster und starrte dem Wagen nach. Es war endgültig vorbei. Die Trennung war für Julie beschlossene Sache. Ihre Ehe war nach acht Jahren gescheitert.

Sie konnte sich noch gut daran erinnern, wie sie Rae kennenlernte. Es war auf einer Party ihrer besten Freundin. Sie hatten endlich ihr Examen in der Tasche. Damals waren so viele Leute da, die man gar nicht alle kennen konnte. Jeder brachte noch einen Bekannten mit, so dass es ein riesiges Fest war. Zum Glück besaßen die Eltern von Vicky einen großen Garten. Die Stimmung war super. All ihre Freunde, die sie von der Schule und Uni kannten, waren gekommen. Sie tanzten, lachten, scherzten und alberten herum. In dem Garten befand sich ein großer Pool. Als die Stimmung auf dem Höhepunkt war, tanzten alle um den Pool herum. In diesem Augenblick stieß Julie mit einem wild tanzenden, jungen Mann zusammen. Dabei stolperte sie und fiel in den Pool. Der junge Mann fühlte sich schuldig und sprang sofort hinterher. Er half ihr aus dem Wasser und trug sie zu einer in der Nähe stehenden Liege, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Dabei sahen sie sich zum ersten mal in die Augen. Sofort funkte es zwischen ihnen. Sein Name war Rae. Er entschuldigte sich mehrmals und ließ sie ab diesem Zeitpunkt nicht mehr aus den Augen. Vicky stellte Julie ein trockenes Kleid zur Verfügung. Als Julie zur Party zurückkam, steuerte Rae auf sie zu. Er nahm sie bei der Hand und sie tanzten den ganzen Abend zusammen. An diesem Abend küsste er sie zum ersten mal. Am frühen Morgen begleitete er Julie nach Hause und bat sie um ein Wiedersehen. Ab diesem Zeitpunkt waren sie unzertrennlich. Jeder der sie kannte, wusste, dass die beiden zusammengehörten und hörten schon die Hochzeitsglocken läuten.

Julie erinnerte sich an alles. Nichts hatte sie vergessen. Sie war sehr verliebt in Rae und er auch in sie. Nach zwei Jahren, war es dann tatsächlich so weit. Sie heirateten. Das war der schönste Tag in ihrem Leben und sie wusste, dass es Rae genau so ging. Sie war glücklich mit Rae. All ihre Freunde waren bei der Hochzeit dabei und jeder sah in ihnen das Traumpaar. Julie konnte sich noch gut daran erinnern, dass alle sagten, dass diese Ehe ewig halten würde und sie das Glück in ihren Gesichtern sehen könnten. Als bald darauf Jason zur Welt kam, waren sie überglücklich. Und nach der Geburt von Charlott, war ihr Glück vollkommen. Julie lächelte, wenn sie an diese Zeit dachte. Das sollte jetzt vorbei sein? Tränen rannen über ihre Wangen. Julie konnte nicht verstehen, wie es so weit kommen konnte, wie er ihr das antun konnte.

Auch Rae dachte, auf der Fahrt in ein Hotel, an die Zeit damals. Seit langer Zeit fühlte er, wie sein Schmerz über den tragischen Verlust immer weniger wurde. Er hatte die Frau seiner Träume gefunden und geheiratet. Er liebte sie über alles. Doch gleichzeitig spürte er wieder diese Angst. Die Angst einen geliebten Menschen zu verlieren. Immer hatte er diese Unruhe in sich. Die Geburt der Kinder ließ ihn eine zeit lang ruhiger werden. Aber nach einer gewissen Zeit, kam die Unruhe wieder zurück. Er wusste selbst nicht, was mit ihm los war. Warum kam er nicht Zur Ruhe, dachte er bei sich, als er vor einem Hotel anhielt.

Schnell wischte sich Julie die Tränen ab, denn jeden Moment mussten Jason und Carlott nach Hause kommen. Sie sollten sie nicht weinend vorfinden. Schon läutete es an der Tür. Julie öffnete.

„Hallo, ihr Süßen. Wie war es in der Schule?“

„Hey, Mama. Alles gut“, nickte Jason.

„Und bei dir Charlott? Sind alle nett zu dir?“

„Ja, Mama. Ich habe schon ganz viele Freundinnen.“

„Das freut mich.“

Charlott war vor ein paar Wochen erst in die Schule gekommen.

„Wann kommt Papa“, wollte Jason wissen.

„Ja, wo ist er? Kann er nicht mal länger zu Hause bleiben?“

„Tut mir leid, aber euer Vater musste mal wieder auf Geschäftsreise“, schwindelte Julie.

„Schon wieder?“, blickte Jason traurig.

Die Kinder taten ihr leid. Wie sollte sie es ihnen beibringen? Auf keinen Fall wollte sie, dass sie schlecht über ihren Vater dachten. Lange konnte sie die Lüge nicht aufrecht erhalten. Auch eine Geschäftsreise ging irgendwann einmal zu ende.

„Was wollt ihr heute noch unternehmen?“, fragte sie ihre Kinder.

„Können wir später auf den Spielplatz gehen? Einige meiner Freunde sind dort“, wollte Jason wissen.

„Gute Idee. Bist du damit einverstanden, Charlott?“, fragte Julie.

„Aber ja. Da sind bestimmt auch Kinder aus meiner Schule, die ich kenne“, strahlte sie.

„Ok. Dann macht schnell eure Aufgaben. Heute Abend kochen wir was zusammen.“

„Au ja. Können wir den leckeren Auflauf machen?“, schaute Charlott sie fragend an.

„Sicher. Ich habe alles zu Hause.“

Die Kinder verschwanden in ihren Zimmern und machten sich an die Hausaufgaben. Nach ca. einer Stunde war alles erledigt und sie machten sich auf den Weg zum Spielplatz. Dort traf Jason einige seiner Freunde und Charlott hatte auch bald Anschluss gefunden. Julie saß auf einer Bank und beobachtete beide. Ihre Gedanken aber kreisten um Rae und ihre gemeinsame Zeit. Sie vermisste ihn. Wie sollte das Leben ohne ihre große Liebe aussehen? Zum Glück waren Jason und Charlott da. Als sie die beiden so betrachtete, fiel ihr wieder einmal auf, dass Jason jeden Tag seinem Vater ähnlicher sah. Er hatte die gleichen braunen Augen und die dunkelblonden lockigen Haare. Er lächelte wie Rae. Charlott sah eher ihr ähnlich, aber manchmal, schaute sie genauso wie Rae.

„Bist du es? Doch, du bist es wirklich?“, riss sie eine, ihr bekannte Stimme aus ihren Gedanken.

Julie blickte hoch und sah in das Gesicht ihrer Freundin Vicky.

„Vicky? Hey. Was machst du denn hier? Seit wann bist du wieder im Lande?“, lächelte Julie ihre Freundin an.

„Seit ein paar Tagen. Wie lange haben wir uns schon nicht mehr gesehen?“, wollte Vicky wissen und umarmte sie.

„Schon viel zu lange. Es sind glaube ich vier Jahre her, wenn ich richtig liege“, überlegte Julie.

„So lange. In letzter Zeit war unser Kontakt etwas eingeschlafen. Was ich bedauere. Das müssen wir unbedingt wieder ändern.“, lächelte Vicky.

Julie freute sich riesig endlich ihre beste Freundin wiederzusehen.

„Was machst du hier? Wie geht es dir und deiner Familie?“,fragte sie wieder.

„Oh. Gut. Uns geht es soweit gut. Und dir? Du siehst müde aus? Was macht Rae und wo sind deine Kinder? Sie werden sich sicher verändert haben“, meinte Vicky.

Julie rief ihre beiden Kinder zu sich und stellte sie Vicky vor.

„Meine Güte. Sie sind groß geworden.“

Sie umarmte beide, bevor Jason und Charlott wieder zu ihren Freunden liefen.

„Du hast mir immer noch nicht erklärt, was du hier machst? Deine Kleine hat sich bestimmt mittlerweile auch verändert. Ist dein Mann und deine Tochter auch hier?“

„Du wirst sie gleich sehen. Ich musste noch etwas in dem Blumenladen dort erledigen.“

„Was ist los? Du schaust gar nicht glücklich aus? Ist etwas geschehen?“

„Zuerst du. Ich sehe doch, dass es dir auch nicht gut geht. Du sitzt hier so traurig und allein? Also, was ist los, Julie?“

„Rae und ich, wir haben uns getrennt.“

„Was? Das kann doch nicht sein. Ihr ward immer ein Traumpaar und so verliebt. Was ist geschehen? Seid wann seid ihr getrennt? Warum hast du mich nicht informiert? Was ist geschehen? Wie kann ich dir helfen?“

„Heute hab ich ihn rausgeworfen. Die Kinder wissen noch nichts davon. Er hat eine Affäre. Es war nicht das erste mal. Aber jetzt ist Schluss. Ich habe genug. Danke, aber du kannst mir nicht helfen.“

„Oh, Julie. Das tut mir wirklich leid. Du weißt es also selbst erst seit kurzem? Hättest du mir nur etwas davon erzählt. Ich wäre sofort hierher geflogen. Du hast gesagt, dass es nicht das erste mal war?“

„Ja. Vor ein paar Jahren hatte er schon einmal eine Affäre. Doch danach war alles wieder gut und wir hatten eine wunderschöne Zeit. Nie hätte ich gedacht, dass es wieder passieren würde. Aber, ich komme schon klar. Nur die Kinder tun mir leid. Ich weiß noch nicht, wie ich es ihnen beibringen soll. Von der Affäre selbst weiß ich seit ein paar Tagen. Zuerst überlegte ich, ob ich ihm wieder verzeihen und ihm nochmal eine Chance geben sollte. Ich stellte ihn zur Rede. Er hat es nicht einmal abgestritten. Es sei ohne Bedeutung, sagte er und er wolle es beenden. Beim ersten mal, als ich die beiden sah, dachte ich mir nichts dabei. Ich dachte, es sei eine freundschaftliche Umarmung mit der Bekannten. Aber als ich sie dann wieder zusammen sah, war endgültig Schluss. Für mich war es ein Schlag ins Gesicht. Als ich ihn darauf ansprach, kam heraus, dass es eine Kollegin von ihm ist. Danach verlangte ich von ihm, dass er die Wohnung verlässt. Er bat mich immer wieder um Verzeihung und versprach mir fest, es wirklich zu beenden. Aber ich glaube ihm nicht mehr.“

 

Julie musste sich zusammen nehmen, um nicht zu weinen.

„Ich verstehe dich. So hätte ich wahrscheinlich auch reagiert. Du glaubst es ihm nicht? Ich meine, dass er es beendet? Das alles kann ich gar nicht verstehen, denn Rae liebt dich, davon bin ich überzeugt. Was ihn da geritten hat, kann ich nicht nachvollziehen. Er hat eine wundervolle Familie. Vielleicht gibt es noch eine Gelegenheit, dass ich mit ihm rede. Er war vernarrt in dich und ich denke, dass ist er immer noch. Er muss mir das unbedingt erklären, weil ich es einfach nicht glauben will.“

Vicky wollte den Grund von Raes Verhalten herausfinden.

„Ich denke, dass du falsch liegst. Anscheinend kann ich ihm nicht das geben, was er will. Er scheint es bei dieser Frau zu finden. Aber lass uns jetzt nicht mehr über Rae reden, was ist mit dir?“

„Etwas muss es doch sein, warum er sich so verhält. Ich werde es herausfinden.“

Vicky konnte das Verhalten von Rae nicht verstehen und machte sich so ihre Gedanken.

„Schau, da kommt mein Mann und meine Kleine. Darf ich dir Bill, meinen Mann vorstellen und, dass ist unsere Tochter Kara.“

„Freut mich, euch kennenzulernen“, reichte sie Bill die Hand und streichelte Kara über die Wange.

„Bill, dass ist meine Freundin Julie, von der ich dir schon so viel erzählt habe.“

„Dachte ich mir schon. Vicky hat dich mir genauestens beschrieben.“

Bill nahm seine Frau in die Arme und lächelte Julie an.

„Macht ihr hier Urlaub, bei deinen Eltern, Vicky?“

Jetzt wollte sie endlich den Grund wissen, warum Vicky mit ihrer Familie hier war.

„Meine Mutter ist gestorben, Julie. Deshalb sind wir hier. Wusstest du das?“

„Nein! Das tut mir leid. Wie geht es dir? Und wie geht es deinem Vater?“

„Das ist nicht leicht für ihn. Es hat ihn schwer mitgenommen. Ich habe Angst, dass er es nicht alleine schafft. Wir überlegen, ob wir ihn mit zu uns nehmen sollen.“

„Und euer Haus? Was wird dann damit?“

„Keine Ahnung. Verkaufen? Bill hat seine Firma. Die kann man nicht so einfach aufgeben“, schüttelte Vicky den Kopf.

„Das kann ich verstehen. Vielleicht ist es auch gut für deinen Vater, wenn er was anderes sieht.“

Julie umarmte sie.

„Denke auch. Besser, wie wenn er zu Hause allein sitzt“, nickte Vicky.

„Ich hab mich so gefreut, dich wiederzusehen. Es tut mir wirklich sehr leid, mit deiner Mutter und, dass wir uns durch einen so traurigen Anlass wiedersehen. Ich hoffe, dass es nicht das letzte mal sein wird. Wir sollten uns wieder regelmäßig anrufen. Es soll nicht wieder so sein, dass wir lange nichts mehr voneinander hören.“

„Das hoffe ich sehr, Julie. Und, dass mit Rae renkt sich wieder ein. Willst du ihm nicht doch nochmal eine Chance geben?“

„Er hatte schon eine. Wie viele soll ich ihm noch geben? Du denkst doch nicht, dass er sich ändern wird? Ich habe das Vertrauen zu ihm verloren. Das schlimme ist, er fehlt mir. Ich liebe ihn trotz allem immer noch.“

„Was habe ich da gerade mitbekommen? Vicky hat mir soviel von dir und Rae erzählt. Wie ihr euch kennengelernt habt und wie verliebt ihr ward. Was hat er angestellt?“, schaute Bill von einem zum anderen.

„Er hat sie betrogen. Rae hatte eine Affäre“, berichte Vicky ihrem Ehemann.

„Er hat eine Affäre, Vicky. Soviel ich weiß, ist sie noch nicht beendet. Auch wenn er mir geschworen hat, dass er Schluss macht. Es war leider nicht seine erste“, erzählte Julie.

„Das tut mir leid, Julie. Schade, dass ich ihn nicht kenne, ich würde ihm die Meinung sagen. Wie kann er eine so hübsche Frau betrügen. Er hat dich nicht verdient. Denkt er eigentlich dabei auch an seine süßen Kinder?“, fragte Bill und schüttelte den Kopf.

„Rae liebt seine Kinder über alles, dass weiß ich. Aber im Moment denkt er glaube ich nur an sein Vergnügen und nicht an die Konsequenzen, die daraus entstehen.“

„Tut mir wirklich leid, auch für die Kinder.“

Bill meinte es ernst. Er kannte Rae nur von Erzählungen, aber er konnte ihn nicht verstehen. Julie sah bezaubernd aus und machte einen sehr sympathischen Eindruck.

„Du Julie, ich hätte gerne noch weiter geredet mit dir, aber wir müssen zu meinem Vater. Ich möchte ihn nicht so lange allein lassen.“

„Verstehe ich. Bitte grüß ihn von mir und ich wünsche ihm viel Kraft. Melde dich wieder bei mir. Hier ist meine Handynummer. Ich möchte bei der Beerdigung dabei sein. Schließlich kannte ich deine Mama gut. Du sagst mir Bescheid?“

„Werde ich. Machs gut Julie. Es wird schon. Ich glaube daran.“

Alle umarmten sich. Dann verließ Vicky mit ihrer kleinen Familie Julie. Diese schaute ihnen noch lange hinterher. Ja, so glücklich waren sie und Rae auch einmal. Alles Vergangenheit. Alles vorbei.

Am späten Nachmittag gingen Julie und ihre Kinder wieder zurück in ihre Wohnung. Sie kam ihr so leer vor, obwohl Rae sehr oft unterwegs war, war es diesmal anders. Es fehlte etwas. Auch wenn er erst seit ein paar Stunden weg war. Julie wusste, dass es diesmal endgültig war.

„Mama, wo ist Papas Sporttasche? Ich kann sie nicht finden. Da sind meine Tennisschläger drin. Die brauch ich unbedingt. Weißt du, wo er sie hingestellt hat?“, rief Jason.

Das darf doch nicht wahr sein. Wieso sind die in Raes Tasche?

„Jason, ich habe keine Ahnung.“

„Er hat sie doch noch nie auf Geschäftsreise mitgenommen. Ich schaue mal im Kleiderschrank nach.“

„Nein, musst du nicht“, sagte sie schnell, aber es war schon zu spät.

„Mama? Papas Kleider sind weg. Wieso sind seine Sachen nicht im Schrank?“

Jason kam zu seiner Mutter gestürmt und schaute sie fragend an. Also war es jetzt so weit, sie musste die Wahrheit sagen. So schnell hatte sie nicht damit gerechnet.

„Mama? Warum schaust du so eigenartig. Du weinst ja?“

„Was? Mama weint?“, kam auch Charlott gerannt.

„Kommt ihr mal mit ins Wohnzimmer? Ich muss euch etwas sagen.“

„Was ist denn, Mama“, nahm Charlott sie an der Hand.

„Es wird euch nicht gefallen und es hat auch nichts mit euch zu tun. Rae liebt euch, über alles, aber Papa wohnt im Moment nicht mehr hier. Wir haben uns vorübergehend getrennt. Versteht ihr?“

„Papa ist fort? Wie getrennt? Sind wir jetzt keine Familie mehr? So wie die Eltern von Jakob?“, wollte Jason wissen.

„Hat er dich nicht mehr lieb?“, schaute Charlott ganz entgeistert.

„Das weiß ich nicht, ob er mich noch lieb hat. Wir haben im Moment eine paar Probleme. Die konnten wir bisher nicht lösen. Tut mir sehr leid für euch. Ich weiß, dass ihr euren Vater vermisst, aber ihr könnt ihn sehen, wann immer ihr wollt. Er liebt euch. Und Jakobs Eltern sind geschieden, dass sind wir noch nicht.“

„Mama, hast du ihn noch lieb?“

„Ja, Jason. Ich habe ihn noch lieb. Das wird auch immer so bleiben. Doch im Moment bin ich wütend auf ihn.“

„Warum? Was hat er denn gemacht?“, fragte Jason weiter.

„Müssen wir auch wütend auf Papa sein?“, begann Charlott zu weinen.

„Nein, natürlich müsst ihr das nicht. Das würde Papa sehr traurig machen. Es geht nur um ihn und mich. Er hat etwas getan, was mich traurig macht und mich verletzt hat.“

„Verletzt? Wo bist du denn verletzt, Mami?“

Charlott und Jason nahmen sie in den Arm.

„In meinem Herzen. Mein Herz tut weh und es ist ganz traurig darüber.“

„Kommt er nochmal zurück?“, weinte jetzt auch Jason.

Julie nahm beide in die Arme.

„Ich weiß es nicht. Wir brauchen etwas Zeit. Aber das ändert nichts daran, dass er euch liebt“, tröstete sie.

„Aber jetzt sind wir keine Familie mehr, ohne Papa. Ich will, dass er wieder hier wohnt, Mama“, schluchzte Jason.

„Ich auch. Ich will zu Papa“, klammerte sich Charlott an ihre Mutter.

„Wer zeigt mir denn jetzt, wie ich den Schläger richtig halten muss? Und wer übt mit mir Klavier?“, meinte Jason.

„Dein Papa wird für dich da sein. Er wird es dir zeigen und mit dir üben.“

„Und wer singt mit mir jetzt dieses lustige Lied? Das kann nur Papa“, fügte Charlott noch hinzu.

„Wir werden es schon hinbekommen. Wenn wir zusammenhalten. Er kann euch jeder Zeit besuchen, dass verspreche ich euch. Nur er wohnt halt nicht mehr hier.“

Für die Kinder war es nicht leicht. Sie konnten das alles nicht verstehen. Warum hatte ihr Papa ihrer Mama weh getan und womit? Das ging den beiden durch den Kopf. Jedoch Julie wollte ihnen nicht sagen, dass Rae jetzt eine andere Frau hatte. Es wäre für sie noch schlimmer gewesen. Vielleicht wären sie dann böse auf ihren Vater. Oder sie hätten sich selbst die Schuld gegeben, dass wollte sie auf jeden Fall verhindern. Sie benötigten alle Zeit, um es zu verarbeiten. Den Kontakt wollte sie Rae zu seinen Kindern nicht verbieten, dass wäre das allerschlimmste für die beiden gewesen.