Seewölfe Paket 30

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5.

Am nächsten Tag wurde die Kutsche überfallen.

„Übermorgen dürften wir wohl in Cádiz sein“, sagte Don Juan zu dem Ersten Offizier und amüsierte sich insgeheim, als der ihn irritiert anstarrte.

„Wir fahren nach Madrid“, knurrte Don Pedro böse.

„Dann sollten Sie den Kurs ändern lassen, mein Bester“, schlug der Spanier spöttisch vor. „Wir haben soeben einen Fluß überquert. Täusche ich mich, oder liegt auf der rechten Seite etwa nicht die Laguna de la Janda? Ein tückisches Sumpfgebiet übrigens.“

„Das können Sie nicht wissen!“ schrie Don Pedro. „Außerdem entspricht es nicht den Tatsachen. Woher haben Sie diese Weisheit?“

„Von den Soldaten“, log Juan ungerührt. „Die quatschen doch dauernd darüber.“

Don Pedro war so erbost, daß er die Kutsche anhalten ließ. Mit hochrotem Kopf stieg er aus und stauchte die verdatterten Bewacher lautstark zusammen, die sich energisch gegen den Vorwurf wehrten, etwas Derartiges gesagt zu haben. Sie wüßten selbst nicht, wo sie sich überhaupt befänden. Nur die beiden Kutscher kannten den Weg, und die hätten absolut nichts gesagt.

„Sie erbärmlicher Bastard“, fauchte Don Pedro. „Sie wollen mich wohl veralbern oder die Stimmung gegen mich aufheizen? Wir fahren nach Madrid – und damit basta!“

„Dann sind offenbar während meiner Abwesenheit die Berge verschwunden. Oder hat man die auch vor die Inquisition gebracht? Nein, mein Bester, für Ihr Märchen müssen Sie sich einen Dümmeren aussuchen. Wir bewegen uns sozusagen auf ebenem Kiel. Hier ist überall flaches Land.“

Don Pedro schluckte. Immer wenn dieser Kerl das Maul aufriß, lief ihm die Galle über. Er fragte sich verzweifelt, woher der Mann das alles wissen konnte. Er war gar nicht in der Lage, auch nur einen kleinen Blick aus der Kutsche zu werfen, und doch wußte er haargenau, wo er sich befand.

„Ich kann Sie wieder laufen lassen“, drohte er.

„Ist das Ihre ganze Argumentation?“

Die beiden warfen sich einen feindlichen Blick zu. Dann schwiegen sie sich gründlich aus.

Nach dem nun schon obligatorischen Halt am Mittag vor einer Finca, fuhr die Kutsche durch waldiges Gebiet.

Juan döste vor sich hin. Insgeheim war er sehr erleichtert darüber, daß es nach Cádiz ging und nicht nach Madrid, wie Don Pedro das immer wieder befeuerte.

Er hörte noch überdeutlich Hasards Worte.

„Was auch immer geschieht“, hatte der Seewolf geflüstert, „wir lassen dich nicht im Stich, auch wenn wir augenblicklich hilflos sind. Denke immer daran, wir werden da sein.“

Er schrak aus seinen innerlichen Betrachtungen, als Stimmen laut wurden. Die Kutsche fuhr langsamer. Er hörte die Soldaten brüllen, Pferdeschnauben, Waffengeklirr. Dann einen lauten Schrei, der in höchster Tonlage abrupt verstummte.

Don Pedro griff nach seiner Pistole und riß die Vorhänge mit einem wilden Ruck zur Seite.

„Was ist los?“ schrie er den Kutscher an.

„Ein Überfall, Don Pedro. Im Wald haben sich ein paar Banditen versteckt. Sie sind …“

Seine Stimme brach ab. Er seufzte schwer und kippte dann vom Bock. Mit einem dumpfen Geräusch schlug sein Körper dicht neben der Kutsche auf.

Don Juan war sofort hellhörig geworden. Ein Überfall? Das konnte doch kein Zufall sein. Er sah, wie Don Pedro hart schluckte, aber keinerlei Anstalten traf, die Kutsche zu verlassen.

Die Arwenacks, dachte Juan. Sie haben der Kutsche den Weg verlegt. Er wunderte sich lediglich darüber, daß alles so schnell ging.

Dann hörte er Musketen krachen und wieder die Schreie eines Getroffenen. Auch Pistolen entluden sich. Das Stimmengewirr wurde lauter.

Don Pedro war völlig verunsichert. Der Lauf seiner Pistole zeigte mal auf seinen Körper, dann wieder entschlußlos nach draußen.

Ein Schuß aus einer Muskete traf die Kutsche. Die Kugel schlug in das Holz, zerfetzte es zu einem Viereck und drang auf der anderen Seite wieder hinaus. Nur eine Handbreite pfiff der Bleibrocken an Don Juans Kopf vorbei.

Die Männer draußen kämpften und brüllten laut. Die Pferde rissen die Kutsche ein Stück zur Seite. Mit dem rechten Hinterrad krachte sie gegen einen Baum und blieb stehen.

Der zweite Kutscher hatte ebenfalls den Bock verlassen. Der andere war vermutlich tot, und die Kutsche hatte ihn noch einmal überrollt, ehe sie stehenblieb.

Don Pedro wollte jetzt ebenfalls die Kutsche verlassen.

„Sie bleiben hier“, sagte er nervös. „Rühren Sie sich nicht!“

Als wieder ein Schuß die Kutsche traf, zog der Offizier das Genick ein und feuerte wahllos zurück.

Don Juan reagierte wie ein Urmensch mit zuckenden Reflexen. Seine kettenbewehrten Arme fuhren blitzschnell hoch und legten sich um den Hals Don Pedros.

Der Anprall erfolgte für den Offizier so unerwartet, daß er den Halt verlor, strauchelte und Juan vor die Knie rutschte. Seine Pistole fiel zu Boden, er streckte abwehrend die Hände aus.

Juan zog ihn zu sich heran, erbarmungslos und hart, und ließ ihm keine Chance. Don Pedro röchelte, er brachte nicht einmal einen Schrei zustande. Sein Gesicht lief rot an, die Augen quollen ihm aus den Höhlen.

„Den Schlüssel, aber schnell“, sagte der Spanier. „Wo ist er?“

Er lockerte den mörderischen Griff ein wenig.

Don Pedro deutete mit dem Kinn angstvoll auf seine rechte Jackentasche. Die Ketten zogen sich wieder um seinen Hals zusammen.

Im Wald wurde immer noch geschossen. Irgendwo schrie jemand laut und gellend. Die Gäule wieherten angstvoll.

Es war das Werk weniger Augenblicke, dann hielt Juan den Schlüssel zu seinem Kettenschloß dicht an den Körper gepreßt.

„Aufschließen“, sagte er heiser. „Wenn Sie den Schlüssel fallen lassen, ist es aus mit Ihnen.“

„Verfluchter Bastard“, röchelte der Spanier. Auf seiner Stirn standen dicke Schweißperlen.

Don Juan nahm ihm die zweite Pistole ab, die im Gürtel steckte, während Don Pedro sich abmühte, das Schloß zu öffnen. Für ihn war es eine Schande, überrumpelt worden zu sein. Er hatte sich zu sicher gefühlt und nicht damit gerechnet.

Mit wild zitternden Fingern schloß er auf.

Juan streifte die Ketten ab. Als Don Pedros rechter Arm hochfuhr, schlug er ihm den Knauf der Pistole an die Schläfe.

Ein klassischer Jagdhieb war das. Don Pedro wurde schlaff. Seine Knie gaben nach und er fiel mit dem Gesicht voran lautlos auf den Boden der Kutsche.

Mit einem Satz war der schlanke Spanier draußen. Ein kurzer Blick zur Orientierung genügte ihm.

Sie befanden sich in einem größeren Wald, der teilweise von einem mächtigen Verhau durchwuchert war. Nur ein schmaler Pfad führte hindurch. Links befand sich eine kleine Lichtung, rechts dichtes Buschwerk und etwas weiter voraus war der Baumbestand nicht mehr so dicht.

Die Soldaten kämpften mit wild aussehenden Gestalten. Ein paar lagen reglos am Boden, niedergestreckt von den Schüssen aus Musketen oder Pistolen. Ein paar andere flohen gerade in langen Sprüngen.

Die Soldaten behielten eindeutig die Oberhand. Sie waren besser und stärker bewaffnet.

Don Juan sah sich zwei Männer an, die hingestreckt auf dem Boden lagen. Es waren bärtige Gestalten, wilde, verwegen aussehende Buschräuber – aber keine Arwenacks, wie er anfangs geglaubt hatte.

Dieser Überfall hatte mit den Seewölfen nichts zu tun, absolut nichts. Die Kerle waren einfache Wegelagerer und Banditen, Strolche, die alles überfielen, was auch nur geringe Beute versprach.

Er grinste hart, als er losrannte.

Frei, endlich war er frei. Er würde sich nach Cádiz durchschlagen, das war kein Problem für ihn.

Stimmen brüllten erneut, ein paar Reiter galoppierten hinter ihm her. Noch im Reiten feuerten sie Pistolen und die schweren unhandlichen Musketen ab.

Der Verhau wurde so dicht, daß er kaum vorwärts gelangte. Die Reiter hingegen sprengten mitten dazwischen und walzten alles nieder, was ihnen im Wege stand.

Sie waren auch schneller mit ihren Pferden als er. Als einer dicht hinter ihm war, drehte er sich im Laufen und Vorwärtsstolpern um und feuerte.

Die Kugel prallte seitlich auf den blinkenden Brustpanzer des Dons und erzeugte einen hell klingenden Ton. Dann sirrte sie als Querschläger irgendwo ins Unterholz.

Jetzt waren es schon vier Männer, die hinter ihm herritten. Don Juan schlug einen Haken, um in den dichter werdenden Wald zu gelangen. Dort standen die Bäume so eng beieinander, daß die Pferde nur schwer hindurchgelangten.

Zwei weitere Soldaten ritten von der Lichtung aus auf ihn zu.

Dann war er urplötzlich eingekeilt. Er sah es aufblitzen, zweimal hintereinander, aber den Knall hörte er nur noch wie ein leises fernes Echo.

Der Wald schien kopfzustehen. Er hatte für einen kurzen Augenblick das Gefühl, als würde er herunterfallen. Danach wurde es übergangslos Nacht für ihn. Alles versank in schwarzer Finsternis.

Sein Erwachen war ein schmerzhafter Prozeß. Er fühlte sich wie ein riesiges Pendel, das in unglaublich langen Bewegungen hin und her schwang. War er an einem Punkt angelangt, durchzuckte ihn heftiger Schmerz. Dann schwang das riesige Pendel zurück zum anderen Punkt, und erneut setzte der Schmerz ein. Der Weg dazwischen war jedesmal wie ein Sturz in einen Abgrund.

Vorsichtig öffnete er die Augen und sah sich um.

Nichts hatte sich verändert. Sein Schädel schmerzte wie wahnsinnig, aber seinem Gegenüber, das ihn aus tückischen Augen musterte, schien es nicht anders zu ergehen. An Don Pedros Schläfe prangte eine sehr sehr große Beule.

Er war wieder gefesselt und angekettet, wie er feststellte. Diesmal hatten sie ihn so verschnürt, daß er sich kaum bewegen konnte. Er verspürte trotz der Schmerzen Hunger und Durst.

 

„Dreckiger Bastard“, sagte Don Pedro mit einem vor Wut entstellten Gesicht. „Schade, daß dieser Kerl Sie nicht richtig getroffen hat. Es ging leider zu schnell.“

Don Juan merkte, daß sein linkes Auge stark angeschwollen war. Blut hatte es verkrustet. Die Haut an seiner Stirn spannte stark. Offenbar hatte ihn ein Streifschuß erwischt. Wenn er das rechte Auge schloß, ging jedesmal ein Zucken über sein Gesicht. Vermutlich hatte er eine riesige Schramme am Kopf.

„Sie hätten an meiner Stelle nicht anders gehandelt“, sagte Don Juan trocken. „Jeder wehrt sich seiner Haut, so gut er kann, auch ein dreckiger Bastard.“

„Ich überlege mir ernsthaft, ob ich Sie nicht einfach abknallen lassen soll“, zischte Don Pedro. „Auf der Flucht erschossen. Kein Hahn kräht dann mehr danach.“

„Dann überlegen Sie nur ernsthaft weiter, wenn Sie nicht in der Lage sind, das Problem anders zu lösen.“

Die Kutsche schaukelte weiter, anfangs behäbig, dann wieder etwas schneller. Don Juan schenkte seinem Bewacher keine Beachtung mehr. Er stellte nur fest, daß dieser Don Pedro offenbar wirklich mit dem Gedanken spielte, ihn abknallen zu lassen. Hinter seiner Stirn arbeitete es ständig, und seine Wangenmuskeln zuckten wild.

Wieder eine Finca, eine kurze Rast. Die Soldaten erfrischten sich und säuberten ihre Wunden. Don Juan schätzte, daß es jetzt nur noch zehn Männer waren. Die anderen hatten bei dem Überfall offenbar den Tod gefunden.

Das Blöken von Schafen war zu hören, ein paar Stimmen.

Juan döste weiter vor sich hin. Sie vergaßen ihn völlig. Er erhielt weder etwas zu essen noch etwas zu trinken. Kein Mensch kümmerte sich um ihn. Das war wohl die ganz persönliche Rache des Ersten Offiziers, der ihn quälen wollte.

Er meldete sich auch nicht, dazu war er zu stolz, als daß er bei Don Pedro um einen Schluck Wasser gebettelt hätte. Seine Kehle war ausgetrocknet, vor seinem geistigen Auge erschien ständig ein Krug, der mit frischem kühlem Wasser gefüllt war.

Die Nacht verbrachte er wiederum schwer angekettet in der Kutsche und bewacht von den Soldaten.

„Hunger, Durst?“ fragte Don Pedro höhnisch, bevor er die Kutsche verließ.

Don Juan würdigte ihn keiner Antwort.

„Wenn Sie höflich darum bitten, lasse ich Ihnen etwas bringen“, sagte Don Pedro. „Sie brauchen nur untertänigst zu bitten.“

„Bastard“, erwiderte Don Juan grinsend.

Der Offizier schlug ihm dafür zweimal ins Gesicht.

Am späten Abend des dritten Tages erreichten sie Cádiz.

An Bord der Schebecke wurde spanisch gegessen, nämlich alles das, was der Kutscher und Mac auf dem Versorgungsboot eingekauft hatten.

Das Mittagessen begann mit einer Sopa de ajo, einer deftig gewürzten Knoblauchsuppe, die zwar nach den Worten des Profos den ganzen Atlantik einschließlich Mittelmeer total verpestete, nichtsdestoweniger aber hervorragend schmeckte.

Danach gab es die landesübliche Paella mit Reis, Olivenöl, magerem Schweinefleisch, Schinken, Flußkrebsen, weißen und grünen Bohnen, Artischocken, Pfefferschoten, Knoblauch, Zwiebeln und Schnecken.

Ganz besonders die Schnecken belauerte der Profos sehr mißtrauisch. Er drehte sie hin und her und peilte in das Innere.

„Was sind das für Dinger?“ fragte er den Kutscher. „Hast du die auch auf dem Bumboot gekauft?“

„Ja, natürlich. Es sind Schnecken.“

„Ich bin doch kein spanischer Schneckenfresser“, empörte sich Carberry. „Die mampfen Kastanien und Schnecken, ich aber nicht.“

„Es zwingt dich niemand dazu, sie zu essen“, erwiderte der Kutscher spitz. „An Bord ist ja ohnehin hinlänglich bekannt, daß du in solchen Dingen ein mäkeliger Kerl bist, ein Freßbanause, wenn man das mal so ausdrücken will. Beim Saufen bist du nicht so mäkelig, da darf’s auch ruhig mal ein übler Fusel sein.“

„Schnecken sind jedenfalls nichts für mich“, erklärte der Profos. „Da weiß man nie, was in den Gehäusen drin ist.“

„Du brauchst ja nur nachzusehen.“

Paddy Roger, anerkannter Vielfraß an Bord, erbot sich, dem Profos die Schnecken abzunehmen. Er hatte noch nie welche gegessen.

Der Profos schob ihm mit dem Löffel die Schnecken aus seiner Kumme hinüber.

Paddy schaufelte sich genußvoll einen Löffel voll und schob ihn in den Mund. Als er draufbiß, krachte es zum Entsetzen des Kutschers erschreckend laut.

„Mein Gott“, sagte der Kutscher leise. „Das darf doch nicht wahr sein. Schmeckt es denn?“ fragte er anzüglich.

Paddy nickte mampfend.

„Sehr gut, Mister Kutscher“, sagte er treuherzig. „Sie sind offenbar noch nicht ganz gar, aber wenn man sie länger im Wasser läßt, denn werden sie … Habe ich was Falsches gesagt?“ fragte er irritiert.

„Nein, nein“, sagte der Kutscher ergeben. „Manche essen die Schnecken nur ohne Gehäuse. Das gleiche gilt für Krebse.“

„Dann ist aber nicht mehr viel dran“, meinte Paddy.

„Sag ich doch die ganze Zeit“, knurrte der Profos. „Mit dem Gehäuse knirschen sie so unangenehm, aber ohne Gehäuse sieht man von den Dingern kaum etwas in der Kumme. Gibt’s das noch öfter?“

„Nein, zum Glück sind sie alle. Ich habe auch nicht viel eingekauft, und ich werde auch nie mehr welche kaufen. Euch Brüdern sollte man Seegurken in Algenbrei servieren – oder Seeigelpudding, aber auch da freßt ihr sicher noch die Stacheln mit.“

„War trotzdem ganz gut“, sagte Carberry, um den Kutscher nicht zu verärgern. „Du hast dir jedenfalls eine Menge Mühe gegeben.“

Nach dem Essen wurde der restliche Wein in den Kisten inspiziert, die „Don Alonso“ großzügig zur Verfügung stellte. Diesmal war Carberry am eifrigsten bei der Sache.

„So ein Fläschchen Wein ersetzt ein ganzes Essen“, sagte er grinsend. „Und dann hat man noch immer nichts getrunken.“

Seine Logik war wieder mal durchschlagend.

Es waren alles ausgesuchte und ganz spezielle Weine, wie sie nie einer vorm Mast zu sehen, geschweige denn zu trinken kriegte.

Ein paar Flaschen Jeréz waren dabei, dann ein würziger Manzanilla, süßer dunkelroter Malaga, und ein paar Rotweine aus dem Tal des Rio Oja. In einer weiteren Kiste lagerten Valdepeñas-Weine aus der La Mancha, und die letzte Kiste enthielt ein Sortiment roter und weißer Weine aus der katalonischen Provinz Tarragona.

„Wirklich nur das Allerfeinste“, sagte der Kutscher begeistert. „Die Señores wissen schon, was gut ist.“

„Bißchen labbrig, das Zeug“, meinte Carberry nach einem Probeschluck. „Wie wär’s denn, wenn wir die ganze Brühe zusammenkippen und sie mit etwas Rum vermischen?“

Der Kutscher und ein paar andere Mannen sahen ihn an, als sei er soeben vom Mond gefallen.

„War natürlich nur ein Scherz vom lieben Ed“, sagte der Seewolf.

„Aber natürlich“, versicherte der Profos scheinheilig. „Wer würde denn so was Gutes zusammenpanschen?“

Zu diesem Zeitpunkt ließen sie das Mittelmeer hinter sich und segelten in den Atlantik. Damit änderte sich auch gleich einiges.

Der Wind wehte aus westlicher Richtung auflandig auf die spanische Westküste zu. Sie mußten jetzt, auf Steuerbordbug liegend, mit Backbordhalsen segeln. Die Dünung wurde beträchtlich höher, und schon bald tauchte die Schebecke tief ein und nahm Wasser über.

Auf und ab ging es in einem ständig stärker werdenden Rhythmus. Der Wind war frisch, kühl und von salzigem Geruch. Aber ein Hauch voller wilder Freiheit wehte herüber, wie die Arwenacks meinten. Hier konnte man wieder tief Luft holen. Hier gab es keine Enge, keine Bedrückung. Hier war die unendliche Weite der See.

Der Segelmacher Will Thorne ließ sich auf dem Achterdeck melden. Er betrat es nie ohne Aufforderung, obwohl es bei den Arwenacks durchaus üblich war, sich dort aufzuhalten, wo es jedem paßte. Aber der Segelmacher war einer von der ganz alten Garde, ein Mann, der für die Crew einfach unersetzlich war. Er hielt sich immer an bestimmte Traditionen, und davon wich er auch diesmal nicht ab.

„Mir ist da etwas eingefallen, Sir“, begann er verlegen, wie er meist war, wenn er etwas vorzubringen hatte. „Es wurde doch kürzlich der Vorschlag unterbreitet und erörtert, wie man Don Juan in Cádiz befreien könne. Dabei war auch von einem Kloster die Rede, das in der Nähe der Hafenfestung liegt, nicht wahr?“

„Das ist richtig, Will“, sagte Hasard. „Wir sprachen allerdings nicht sehr ausführlich darüber.“

„Ich habe mir erlaubt, den Gedanken ein wenig weiter auszuspinnen“, sagte Will leise, „hauptsächlich, was die Mönche betrifft. Ich nehme an, Sir, daß du zusammen mit dem Kutscher als Mönch auftreten willst, um unerkannt und sicher in die Festung zu gelangen. Deshalb habe ich mir erlaubt – auf Freiwache natürlich – zwei passende Kutten zu schneidern. Auch die dazugehörigen Sandalen habe ich angefertigt. Ich wollte das einmal zu deiner Inaugenscheinnahme vorlegen, Sir.“

Er packte alles das, was er unter dem Arm trug, vor Hasard aus.

Der Seewolf war verblüfft und gerührt. Da hatte dieser selbstlose alte Mann wieder einmal nachgedacht und gearbeitet, und erschien nun mit einem Vorschlag, den Hasard zwar angeschnitten, aber noch nicht restlos durchgedacht hatte.

Das alles hatte er still und ohne weiteren Aufwand in der Segellast getan, die sein Revier war, wo er Segel zuschnitt, nähte, einliekte oder Plünnen für die Arwenacks schneiderte.

Hasard legte ihm dankbar die Hand auf die Schulter, was den Segelmacher sichtlich in Verlegenheit brachte. Er vermied es nach Möglichkeit, öffentlich gelobt zu werden und blieb lieber still und bescheiden im Hintergrund.

„Als Mönch“, sagte er nachdenklich, „ja, das Thema habe ich kurz angeschnitten, aber du hast es bereits als selbstverständlich vorausgesetzt, denn es ist eine gute Idee, und mit Gewalt können wir nichts ausrichten.“

„Das dachte ich mir, Sir. Die Kutten dürften genau passen, ich habe ja die Vorlagen von jedem von euch.“

Hasard sah sich die Kutten an, auch der Kutscher war sofort begeistert, als er sie musterte.

„Goldrichtig, Will“, sagte Hasard erfreut. „Du denkst immer an alles und bist sofort bei der Sache. Ohne dich wären wir nur eine halbe Mannschaft.“

Will Thorne wurde noch verlegener und lächelte schüchtern.

„Wenn ihr die Kutten habt, braucht ihr auch keine echten Mönche in Schwierigkeiten zu bringen“, meinte er. „Außerdem könnte das auffallen, wenn irgendwo zwei Mönche fehlen.“

„Auch das hast du sehr richtig überlegt, Will.“

Die Kutten paßten wie angegossen, wie es bei Will Thorne auch nicht anders zu erwarten war. Der Segelmacher leistete immer hervorragende Arbeit.

Hasard lächelte, drehte sich und wollte sich bei ihm bedanken.

Aber der Platz war leer. Still und bescheiden war Will Thorne wieder an seine Arbeit gegangen.

Der Seewolf blickte kopfschüttelnd zur Segellast, wohin Will Thorne wieder gegangen war.

Eines Tages wird er nicht mehr sein, überlegte Hasard, und dann wird uns eine Menge fehlen. Aber es war müßig, sich jetzt darüber Gedanken zu bereiten. Noch war es nicht soweit.

Mac Pellew wusch zu diesem Zeitpunkt das Geschirr an Deck und nahm die Backschaft wahr. Der Kutscher rumorte in der Kombüse herum. Jung Hasard und Philip halfen als Backschafter mit. Es war gut, daß sie noch rechtzeitig im Mittelmeer gegessen hatten, fand Hasard. Die See wurde immer dicker und lief hoch auf. Jetzt wäre das mit einigen Schwierigkeiten verbunden gewesen.

„Wir lassen die Küste achteraus liegen und gehen auf Westnordwest-Kurs, um Kontakte mit den Dons zu vermeiden. Später liegen wir Cádiz dann auf östlichem Kurs an“, sagte Hasard zu Gary Andrews, der Ruderwache ging.

Der sagte gerade noch: „Aye, aye, Sir“, dann wurde er vom Ausguck unterbrochen.

Stenmark meldete sich.

„Zwei Galeonen und ein weiteres Schiff voraus!“

Hasard sah sie Augenblicke später.

Weit südlich von Cabo Trafalgar hielten sich Schiffe auf. Es gab keinen Zweifel daran, daß es Spanier waren. Eine der Galeonen nahm Kurs auf den Atlantik und drehte später ein wenig nach Süden ab. Die andere hielt fast genau auf sie zu, während das dritte Schiff dicht unter der Küste lief.

„Sieht so aus, als wollten sie uns beschnüffeln“, meinte Dan O’Flynn. „Ihre Kanonen sind auch ausgerannt.“

„Ist ja auch ihr gutes Recht“, brummte Hasard. „Aber es gefällt mir trotzdem nicht.“