Seewölfe Paket 30

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Dicht vor ihnen waren die gewaltigen Schlünde der Kanonen zu erkennen. Etliche Vierzigpfünder waren auf die Schebecke gerichtet. Überall auf den Decks standen Soldaten.

Die Dons ließen sich Zeit. Eine der Schaluppen törnte zu dem Riesenschiff „El Lucifero“ und legte dort an. Ein Teniente erklomm kurze Zeit später das Achterdeck und meldete etwas.

„Ein Generalkapitän“, sagte Don Juan.

„Dann habt ihr ja den gleichen Rang“, spottete Hasard.

Don Juan grinste trotz der verfahrenen Situation.

„Mir wird man meinen Rang längst abgenommen haben. Ich fürchte nur, daß jener Generalkapitän ein gewisser Don Miguel de Salamanca ist.“

„Was bedeutet das?“

„Wir kennen uns von früher.“

„Verdammt!“ zischte Hasard. „Und dann bist du noch nicht unter Deck? Verschwinde augenblicklich!“

„Ich verstecke mich nicht vor meinen Gegnern.“

„Das solltest du aber, denn wenn er dich erkennt, wirst du dir eine Menge Ärger einhandeln.“

„Du gehst das gleiche Risiko ein, auch mit Bart“, erwiderte der Spanier. „Du versteckst dich ja auch nicht, obwohl die Gefahr durchaus besteht, daß man dich ebenfalls erkennt.“

„Ich bin der Kapitän.“

„Und ich der Generalkapitän“, sagte Don Juan und grinste wieder.

„Man kann ein Spielchen auch auf die Spitze treiben.“

„Ich weiß.“

„Du bist ein sturer Bock, Mister Juan.“

Der Kerl auf dem oberen Achterdeck palaverte noch immer mit dem Generalkapitän.

Don Juan hätte zu gern einen Blick durch den Kieker geworfen, aber da waren mehr als tausend Augen auf sie gerichtet, und es wäre sehr aufgefallen, wenn er den Generalkapitän gemustert hätte.

Er war sich jedoch ziemlich sicher, daß es Salamanca war. Die Bewegungen waren typisch für ihn, wie er den Kopf schief hielt, wenn ihm jemand was sagte.

„Möchte wissen, was die bequatschen“, sagte Hasard. Er stellte sich ganz dicht vor Don Juan hin und stemmte die Fäuste in die Hüften.

„Du nimmst mir die Sicht, Sir Hasard“, sagte der Spanier.

„Ganz bewußt, mein Lieber. Der Señor Generalkapitän belieben nämlich gerade, durch ein Spektiv zu spähen. Deshalb nehme ich dir die Sicht und drehe den Kopf ein wenig zur Seite. Vom Profil her wird er auch mich sicher nicht kennen.“

„Der Kerl ist ein ehrgeiziger Bullenbeißer“, erklärte Don Juan. „Ein richtiges Rübenschwein, wie ihr immer sagt. Wenn er selbst auf dem Plan erscheint, muß ein ganz schwerwiegender Grund vorliegen.“

„Also suchen sie doch mich“, sagte Hasard ungerührt. „Sie wollen den Seewolf fangen, weiter nichts, und das ist ihnen ja vorerst auch gelungen. Ich werde Mühe haben, ihnen einzureden, daß ich ein ganz anderer bin.“

„Du nimmst das reichlich gelassen hin, Sir.“

„Soll ich deshalb in Tränen ausbrechen? Ich kann es leider nicht mehr ändern, und das Leben unserer Männer riskiere ich nicht, wenn es absolut unsinnig erscheint.“

Hasard trat zur Seite, denn der Generalkapitän hatte das Spektiv wieder weggelegt.

„Mich bedrückt noch ein Alptraum“, murmelte er Seewolf. „Wir haben leider nicht vereinbart, wie jeder von uns Spaniern heißt, die wir ja darstellen. Wenn die Kerle uns verhören, oder was immer sie vorhaben, wird es eine verdammte Menge Widersprüche geben. Aber dazu ist es nun ebenfalls zu spät. Im übrigen werde ich reden, wenn die Dons an Bord sind.“

Die Schaluppe legte ab, nachdem der Teniente abgeentert war. Jetzt nahm sie Kurs auf die Schebecke.

„Es geht los“, sagte Hasard.

8.

Der Teniente war ein blasierter Kerl mit einem dünnen Bart. In seiner Begleitung befand sich ein Corporal mit massiger Gestalt und finster blickenden Augen.

Der Teniente hatte einen schmalen, verkniffenen Mund und durchdringend blickende Augen wie die eines Habichts. Auf seiner linken Wange befand sich eine Narbe, die bis ans Kinn reichte.

Die beiden enterten auf. Natürlich fragte auch keiner, ob es gestattet sei, an Bord kommen zu dürfen. Das ließ ihre überhebliche Arroganz gar nicht zu.

„Wo ist der Kapitän?“ blaffte der Teniente den Profos an, der ihn mit mürrischem Gesicht musterte und ihm am liebsten gleich den Hals umgedreht hätte.

Carberry winkelte den Daumen ab und zeigte über die Schulter nach achtern.

„Sie kriegen wohl Ihr Maul nicht auf, was?“ brüllte der Don.

„Ich kann sogar mit dem Arsch wackeln“, knurrte der Profos zurück. Er war mächtig sauer.

„Sie melden sich nachher bei mir!“ rief der Teniente. „Das ist eine Frechheit, das lasse ich mir nicht bieten!“

„Einen Scheiß werde ich tun!“ brüllte der Profos und drehte sich um.

Der Teniente hatte sofort stinkige Laune, und seine Lippen verkniffen sich noch mehr. Der Corporal sah noch finsterer drein.

Die beiden marschierten mit dröhnenden Schritten nach achtern, wo Hasard, Don Juan, Ben Brighton und Dan O’Flynn standen. Es war wie Spießrutenlaufen, als sie durch die Gasse der schweigenden Arwenacks marschierten.

„Wer ist der Kapitän?“ fragte der Teniente ungnädig.

„Ich“, sagte Hasard, ohne sich zu rühren.

„Name?“ Da war ein deutliches Schnarren in der Stimme.

„Virgil Senona. Und Ihr Name?“

„Frechheit!“ schrie der blasierte Kerl empört. „Das geht Sie überhaupt nichts an. Sie haben mich mit Teniente anzureden, oder können Sie meinen Rang nicht sehen?“

„Ich sehe nur einen aufgeblasenen Kerl vor mir“, sagte Hasard ruhig. „Im übrigen verzichte ich darauf, Sie mit Ihrem Rang anzureden. Was wollen Sie also von einem friedlichen Handelsfahrer, indem Sie eine ganze Armada aufbieten und mit Mord und Totschlag drohen?“

Der Don lief rot an. Seine Lippen zitterten.

„Wir können auch anders“, drohte er. „Ich kann Sie in Eisen legen und mitsamt Ihrem Schiff an Land bringen. Dann stehen Ihnen unangenehme Zeiten bevor.“

„Ich weiß, zu was meine Landsleute fähig sind“, sagte Hasard. „Aber wenn Sie nicht so schreien, können wir uns auch vernünftig unterhalten.“

Hasard war ungemein erleichtert, aber auch etwas ratlos, denn er fragte sich, was die Dons wohl wollten. Sie hatten ihn nicht erkannt, das war sicher, sonst hätte es hier nur so gewimmelt.

Aus diesem Grund beschloß er, ein wenig höflicher zu sein, um den Kerl nicht unnötig zu provozieren.

„Was ist Ihr Heimathafen?“ fragte der Teniente.

„Cádiz.“

„Was haben Sie geladen?“

„Ein wenig Gewürze, ein paar Silberbarren.“

„Aha. Das ist nicht viel für einen Handelsfahrer auf dem Weg in die Heimat, nicht wahr?“

„Dem stimme ich zu.“

„Dann wollen wir uns mal über das Schiff unterhalten“, sagte der Teniente gehässig. „Ist es für einen spanischen Handelskapitän nicht etwas ungewöhnlich, ein Barbareskenschiff zu segeln?“

„Sehr ungewöhnlich“, sagte Hasard ernst. „Aber das hängt wiederum mit dem Umstand zusammen, daß wir kaum etwas geladen haben.“

„Das verstehe ich nicht“, sagte der Don irritiert.

Der Corporal sagte gar nichts. Er riß nur das Maul auf und gähnte ungeniert, bis seine achteren Backenzähne sichtbar wurden.

„Nun, ich hatte eine kleine, ältere Galeone, aber auf der Höhe der tunesischen Küste hatte ich sie nicht mehr. Da überfielen uns ein paar maurische Schnapphähne, plünderten mein Schiff aus und verbrannten es, weil es ihnen offenbar zu alt war. Wir konnten an Land entkommen und haben im Gegenzug ein paar Tage später die Schnapphähne geentert, als sie ahnungslos waren. Da ich kein Schiff mehr hatte, nahm ich mir die Schebecke. Ich denke, das war mein gutes Recht.“

Offenbar hatte sich Hasard mit seiner Antwort einige Sympathien bei dem Teniente erworben, denn der lächelte kurz und verkniffen.

„Das war sehr richtig“, sagte er gnädig. „Hoffentlich haben Sie die Halunken auch umgebracht.“

„Die meisten schon.“

„Dafür sollte man Ihnen einen Orden geben. Schlagt die Mauren tot, wo immer ihr sie antrefft.“

„Ist das alles, was Sie wissen wollten?“ fragte Hasard. „Haben Sie in uns Mauren vermutet und daher diesen gewaltigen Aufwand getrieben?“

Zum ersten Mal lächelte der Teniente. Der Corporal auch, aber es war mehr ein Zähnefletschen und sah gar nicht gut aus.

Hasard gefiel auch das Lächeln des Teniente nicht. Da lag Boshaftigkeit drin. Heimtücke und Hinterhältigkeit. Er gab jedoch keine Antwort auf die Frage.

„Können wir jetzt weitersegeln?“ fragte Hasard erleichtert.

„Gleich, es dauert nicht mehr lange.“

Die Arwenacks grinsten sich klammheimlich eins, daß alles so gut abgelaufen war. Etwas später erfolgte allerdings die Ernüchterung.

Der Don trat jetzt vor Don Juan hin und musterte ihn.

„Wer sind Sie?“ fragte er katzenfreundlich.

„Juan Quintanas aus Sevilla, Kaufmann. Ich bin Gast an Bord und reise bis nach Cádiz mit.“

„Sind Sie sicher?“ fragte der Don höhnisch. Er warf dem Corporal einen Blick zu und grinste gemein.

„Warum nicht? Von Cádiz aus reise ich weiter. Entweder über Land oder den Guadalquivir hinauf.“

„Wie war doch Ihr Name?“

„Juan Quintanas, das sagte ich doch.“

„Ah ja, das sagten Sie. Wäre es nicht vielleicht möglich, daß Sie Ihren Namen verwechseln?“

„Ich habe ein gutes Gedächtnis.“

Hasards Blick wurde langsam starr. Er wagte kaum noch, Luft zu holen. Es sah aus, als würde gleich eine Bombe platzen.

„Sind Sie nicht möglicherweise Juan de Alcazar, Sonderbevollmächtigter der spanischen Krone, Generalkapitän?“

„Ich?“ fragte Don Juan lächelnd. „Das ist mir aber ganz neu.“

 

Er spürte, wie ihm Eiswasser durch die Adern rann, dann schien es zu Staub zu werden und zu rieseln.

„Sie streiten es also ab?“

„Das muß ich wohl, wenn ich nicht der Mann bin, für den Sie mich halten.“

Die Arwenacks waren ebenfalls starr. Mit allem hatten sie gerechnet, aber damit nicht.

Der Teniente schien die unfreundliche Stimmung zu spüren, denn er drehte sich um und kniff die Augen zusammen.

„Nun ist die Katze aus dem Sack“, sagte er drohend. „Wenn einer von euch Kerlen diesen Verräter beschützen will und auf die Idee verfällt, mich oder den Corporal als Geisel zu nehmen, um de Alcazar freizupressen, dann …“

„Wird man Sie mit in die Luft blasen“, sagte Hasard. „Das ist klar. Aber er ist wirklich nicht der Mann, den Sie suchen.“

Eigentlich war das ganze ein idiotischer Witz, fand Hasard, eine Situation, die schon tragikomisch war. Hier stand der gefürchtete und verhaßte Seewolf vor den Spaniern und niemand erkannte ihn. Verrückt war das!

„Sie können das überhaupt nicht wissen“, knurrte der Teniente den Seewolf an. „Wenn der Kerl bei Ihnen Gast ist, dann hat er sich natürlich unter einem anderen Namen eingeschlichen. Sie haben sich aus der Sache sowieso herauszuhalten. Dieser Mann wird gesucht, denn er hat Hochverrat begangen, Verrat an der spanischen Krone. Geben Sie jetzt endlich zu, daß Sie de Alcazar sind!“

„Der bin ich nicht.“

Wieder erschien das hinterhältige Grinsen auf dem blasiert wirkenden Gesicht.

„Corporal!“ schnauzte er. „Ordern Sie fünf Mann ab, die das Schiff von vorn bis achtern durchsuchen. Es könnte sein, daß sich irgendwelche Kerle unter Deck versteckt halten.“

„Es hat sich niemand versteckt“, sagte Hasard, aber seine Worte änderten nichts daran, daß das Schiff gründlich durchsucht wurde.

„Segeln Sie zum Flaggschiff hinüber, Corporal, und bitten Sie den Generalkapitän persönlich an Bord, wie das besprochen war. Er hat es sich ausbedungen, wenn irgendwelche Zweifel bestehen.“

„Jetzt ist der Ofen aus“, raunte Don Juan. „Wenn das der Kerl ist, erkennt er mich auch.“

„Was auch immer geschieht“, flüsterte Hasard, „wir lassen dich nicht im Stich, auch wenn wir augenblicklich hilflos sind. Denke immer daran. Wir werden dasein.“

„Danke.“

Der Teniente war ganz Herr der Lage und gab sich wieder arrogant und überheblich.

„Kennen Sie Don Miguel de Salamanca?“ fragte er grinsend.

„Nein“, antwortete Don Juan.

„Sie werden ihn gleich kennenlernen. Sicher wird er sehr erfreut sein, Sie wiederzusehen.“

Der hohe Herr erschien kurze Zeit später in Paradeuniform persönlich an Bord der Schebecke. Er war ein Mann mit einem groben Gesicht und funkelnden Augen.

Als er Don Juan sah, begann er mit falscher Herzlichkeit zu lachen.

„Mein lieber Don Juan“, sagte er mit polternder Stimme. „Jetzt gehen Sie der spanischen Krone wenigstens nicht mehr verloren, und Sie brauchen auch nicht zu befürchten, einmal in der Ferne zu sterben. Das wird hier geschehen, und zwar schon bald, wie ich annehme. Oder sind Sie etwa nicht Don Juan?“ fragte er mit beißendem Spott.

In Don Juans schiefergrauen Augen regte sich nichts. Er blieb kühl und gelassen, nur in seinen Mundwinkeln stand Spott. Hasard fand, daß er kalt wie Gletschereis blieb. Ihn konnte anscheinend nichts mehr erschüttern.

„Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Don Miguel“, sagte er kühl.

„Na, ich wußte doch, daß Sie es sind. Das sah ich schon vom Achterdeck meines Schiffes aus. Ich dachte, Sie seien in der Karibik, um El Lobo del Mar zu jagen. Wo haben Sie den Bastard denn?“

„Ich weiß nicht, wo er steckt. Wahrscheinlich rupft er gerade wieder ein paar Silberschiffe. Der Mann ist leider nicht zu fassen, er ist mir immer wieder entwischt.“

„Interessant. Und Sie haben ihn vier lange Jahre gejagt? Man sprach davon, daß Sie an Bord seines Schiffes gesehen worden sind.“

„Gerüchte, die wahrscheinlich der korrupte Gouverneur in Havanna in Umlauf gebracht hat“, erwiderte Don Juan mit einem feinen Lächeln.

„Sie haben sich nicht mit dem Britenbastard verbündet, nein? Aber nein, das traue ich Ihnen auf keinen Fall zu, mein Lieber. Aber die spanische Krone denkt leider anders darüber. Sie hat eine Kopfprämie von zehntausend Reales ausgesetzt, wenn man Sie fängt.“

„Demnach scheine ich hoch im Kurs zu stehen. Das ehrt mich natürlich.“

„Ihr Lästermaul wird man Ihnen noch stopfen, Sie Verräter. Sie hätten es einfacher haben können. Sie hätten den Schurken zur Strecke bringen, eine ungewöhnlich hohe Belohnung kassieren und sich damit zur Ruhe setzen können. Aber nein, ein Mann wie Sie muß sich mit Spaniens Todfeind verbünden und gegen die eigenen Landsleute kämpfen.“

„Große Worte, Don Miguel“, sagte Don Juan gelassen. „Haben Sie auch die Beweise dafür?“

„Die haben wir, so klein ist die Welt nicht mehr. Es gibt sogar ein paar Zeugen, mit denen wir aufwarten können. Sie werden wegen Hochverrats und etlicher anderer Delikte angeklagt. Das Urteil steht schon jetzt fest: Tod durch die Garotte.“

„Das ist immer gut, wenn das Urteil schon vorher feststeht“, entgegnete Don Juan spöttisch. „Dann haben es die Richter leichter und brauchen nicht lange zu suchen. Darf ich noch erfahren, wer sich den Judaslohn verdient hat?“

„Judaslohn? Das sind noch patriotisch denkende Männer, die so handeln und einen Verräter der Krone ausliefern. Es war einer der Männer von dem Versorgungsboot, der Sie sofort erkannt hat.“

Der Corporal meldete, daß das Schiff durchsucht worden sei. Man habe jedoch nichts gefunden.

„Wen suchen Sie denn noch?“ fragte Don Juan. „Sie haben mich doch gefunden.“

Der Generalkapitän sah sich um. Er gab keine Antwort, aber er musterte die Arwenacks gründlich. Auf dem „Adligen“ blieb sein Blick etwas länger haften. Hasard dagegen streifte er nur mit einem flüchtigen Blick, was der Seewolf überrascht zur Kenntnis nahm.

„Wo ist dieser Killigrew?“ fragte er hart.

„Wie soll ich das wissen? Schön, ich hatte ein paar Male Auseinandersetzungen mit ihm, aber das liegt lange zurück.“

„Wir wollen mehr über seine Gepflogenheiten wissen, und wenn Sie nicht bereit sind, freiwillig darüber auszusagen, wird man Sie der Folter unterwerfen. Sie sind verhaftet, Juan de Alcazar. Ich werde Sie in Ketten legen und an Bord meines Schiffes bringen lassen.“

„Was geschieht mit diesen Bastarden hier, Señor Generalkapitän?“ fragte der Teniente. „Können sie weitersegeln, oder haben Sie anders entschieden?“

Don Miguel de Salamanca zog die Stirn kraus.

„Da sind noch ein paar Fragen offen. Veranlassen Sie, daß die Kerle in Gibraltar einlaufen, und lassen Sie sie nicht aus den Augen. Das Schiff wird unter strenge Bewachung gestellt.“

Der Teniente salutierte. Dann grinste er diabolisch, als er durch den dicken Corporal Don Juan Eisenketten anlegen ließ.

Don Juan brachte es wahrhaftig fertig, den Arwenacks zuzulächeln, als er auf die Schaluppe übersteigen mußte. Nerven schien er keine zu haben.

Sie mußten Segel setzen und mit dem Pulk in den Hafen von Gibraltar segeln.

„Diesmal sitzen wir in dem größten Misthaufen, den es je gab“, sagte der Profos erbittert. „Und das Schlimmste daran ist, daß wir ihm nicht helfen können. Wir können gar nichts tun.“

„Jetzt noch nicht“, sagte Hasard mit steinernem Gesicht. „Aber ihr habt mich damals bei den Dons rausgehauen, als ich vor dem Erschießungskommando stand, und wir werden einen Weg finden, Don Juan herauszuhauen. Und wenn wir dieses ganze verdammte Land umkrempeln! Irgendwie gibt es immer einen Weg.“

„Wenn es dann nur nicht zu spät ist“, murmelte Ben düster. „Die Dons scheinen es verdammt eilig zu haben, ihn vom Leben zum Tode zu befördern.“

„Sie werden ihn erst verhören“, erwiderte Hasard, „und das geht alles nicht von heute auf morgen. Für uns ist im Augenblick wichtiger, daß uns niemand erkennt, sonst sind wir alle geliefert. Also, Kopf hoch und nicht verzagen.“

Das taten sie auch nicht, aber ihre Stimmung war gedrückt …

ENDE


1.

Niemand hatte für die Schönheit der Landschaft einen Blick übrig.

An der Südspitze von Spanien erhob sich zwischen der Bahia de Algeciras und dem Mittelmeer ein fast tausenddreihundert Yards breiter und mehr als vierhundert Yards hoher nach Norden und Osten steil abfallender Kalkfelsen, eine der „Säulen des Herkules“, nur durch einen breiten Schwemmlandstreifen mit dem Festland verbunden.

Auf dem Felsen tummelten sich Affen, Magoten genannt. Es gab sie schon, seit die Mauren die Stadt gegründet hatten, und es würde sie noch in Ewigkeiten geben.

Im Westen ging es durch die Estrecho de Gibraltar, wo der Atlantik das Wasser ins Mittelmeer drückte, wo es die starke West-Ost-Strömung an der Oberfläche und die untergelagerte schwächere Gegenströmung gab.

Dieser Weg war den Arwenacks allerdings versperrt. Sie wollten nach England segeln, doch daraus wurde vorerst nichts.

Trotz allem hatten sie noch Glück, denn zu ihrer allergrößten Verblüffung hatte keiner der zahlreichen Dons den Seewolf erkannt, sonst wäre längst die Hölle losgewesen.

Vielleicht lag es daran, daß Hasard einen Bart trug, einen schwarzen Bart mit glitzernden Silberfäden. Auch sein Haar war an den Schläfen ergraut und schimmerte silbern.

Den Dons hatte vorerst genügt, daß er sich als Virgil Senona, Kauffahrer und Kapitän aus Cádiz ausgegeben hatte. Aber für die Spanier und ganz besonders den Generalkapitän De Salamanca, gab es noch einige „Ungereimtheiten“, deshalb mußten sie unter schwerer Bewachung den Hafen von Gibraltar anlaufen.

Immer wenn Hasard aufblickte, sah er die zahlreichen Seesoldaten an Bord der Kriegsgaleonen, die schweren Geschütze, deren dunkle Schlünde auf sie gerichtet waren, und hin und wieder den überlegen grinsenden Generalkapitän auf dem Achterdeck der „El Lucifero“, dem es eine Genugtuung war, Don Juan de Alcazar gefangen zu haben.

Carberry blickte in hilfloser Wut zurück, wenn die Spanier herübergrinsten. Sie taten es höhnisch und überlegen, und überlegen waren sie auch.

„Diesmal haben sie uns endgültig“, sagte er zu Ferris Tucker, der mit mißmutigem Gesicht an Deck stand. „Möchte bloß wissen, wie wir aus dieser Situation wieder mit heilen Knochen herausgelangen.“

„Für uns gibt es ganz sicher einen Weg“, meinte Ferris, „solange die Dons nicht merken, wer da in ihrer Mitte segelt. Aber für Juan sieht es verdammt schlecht aus.“

„Ich weiß. Ich habe auch mit allem gerechnet, nur nicht damit, daß es ausgerechnet Juan erwischt. Wenn ich das vorher geahnt hätte, dann wären die Halunken auf dem Bumboot von mir persönlich zu den Fischen geschickt worden. Aber jetzt hilft alles Lamentieren nicht.“

„So ist es“, erwiderte Ferris ruhig. „Wir können froh sein, daß sie Hasard nicht erkannt haben. Ich sehe das so: Wenn sie Juan haben und uns nicht erkennen, können wir vermutlich wieder weitersegeln. Von da an haben wir die Möglichkeit, etwas für ihn zu tun. Haben sie uns aber alle, dann sind die letzten Segel gesetzt. Wir hätten nicht mehr die geringste Chance. Wir dürfen uns jetzt nur nicht verraten und müssen einen kühlen Kopf behalten sowie die Ruhe bewahren.“

Der Profos knurrte etwas, das Ferris nicht verstand. Sie unterhielten sich leise im Flüsterton und ganz unauffällig. Auch die anderen benahmen sich so, als hätten sie nichts zu verbergen. Sie gaben sich eher empört, daß man sie so behandelte.

Ferris warf einen Blick zu Hasard.

Der Seewolf gab sich ganz den Anschein, als ginge ihn das alles nichts an. Sehr ruhig, ausgeglichen und gelassen wirkte er. Nur wer ihn näher kannte, der wußte, wie es in ihm aussah und wie seine Gedanken ständig um einen Punkt kreisten: Er überlegte seine weiteren Schritte und schätzte kühl die Lage ab.

Sie bewegten sich inmitten eines Pulks spanischer Schiffe, die sie von allen Seiten umklammerten. Pete Ballie, der am Ruder stand, hatte alle Hände voll zu tun, die Schebecke so zu segeln, daß sie nicht an die Bordwände der wesentlich langsameren und schwerfälligeren Kriegsgaleonen stieß.

Trotz der üblen Lage, in der sie sich befanden, war Hasard noch heilfroh, daß die Spanier sie zwangen, den Hafen von Gibraltar anzulaufen.

 

So bestand wenigstens die Aussicht, möglicherweise etwas darüber zu erfahren, wohin sie Don Juan brachten, auch wenn es nur ein kleiner Anhaltspunkt war.

Andererseits war es höllisch riskant, gerade diesen Hafen anzulaufen, denn die Gefahr der Entdeckung wurde immer größer.

So ähnlich mochte auch Ben Brighton denken, der die Stirn in Falten gelegt hatte und zur Hafeneinfahrt blickte. Er sah die Einfahrt gar nicht, er fixierte lediglich einen imaginären Punkt davor.

Die Unterhaltung an Bord der Schebecke wurde nur noch auf Spanisch geführt, damit die Dons keinen fremden Brocken aufschnappten und noch mißtrauischer wurden.

Hasard blickte aus den Augenwinkeln zu Old O’Flynn. Der Alte stand da wie aus Eisen gegossen, und in seinem Blick lag soviel Hochnäsigkeit, wie der Seewolf sie an ihm noch nie gesehen hatte. Wie ein spanischer Grande stand er da in seiner weißen Halskrause und dem kaschierten Holzbein, das unter dem Gewand nicht zu erkennen war. Sie hatten es dementsprechend ausgepolstert.

Old O’Flynn schien über alles erhaben zu sein. Er sah hochmütig und hoheitsvoll über die Dons hinweg, die ihn heimlich musterten und nicht einzuordnen vermochten.

Der Blick des Seewolfs kehrte zu den Schiffen zurück. Da waren drei große Brocken, die unglaublich stark armiert waren. Das Flaggschiff des Generalkapitäns, die „El Lucifero“, dann die „Nuestra Señora de Flores“ und schließlich der große Brocken „Virginidad“.

Jungfräulichkeit, dachte Hasard, das paßt zu diesem Feuerspucker wie die Faust aufs Auge.

Eine grobe Stimme riß ihn aus seinen Betrachtungen.

Der Teniente von der Schaluppe brüllte: „Sie legen dort an der Pier an, Steuerbordseite! Dort vertäuen Sie! Keiner verläßt das Schiff!“

„Verstanden“, sagte Hasard ruhig.

Die „El Lucifero“ nahm Kurs auf eine lange hölzerne Pier, die „Virginidad“ vertäute dicht dahinter, und die „Nuestra Señora de Flores“ ging dicht hinter der Hafeneinfahrt vor Anker. Mit ihrer Breite versperrte sie den größten Teil der Einfahrt.

Karavellen und Schaluppen nahmen ebenfalls Kurs auf die kleineren Piers, wo sie vertäuten.

Die Seewölfe brachten die Schebecke vierkant an die Pier. Ein paar Soldaten nahmen schweigend die Leinen wahr und belegten sie an den hölzernen Pollern.

Der Teniente mit dem dünnen Bart verließ die Schaluppe und brüllte ein paar Befehle.

Daraufhin traten zwölf mit Musketen bewaffnete Spanier vor und nahmen Aufstellung. In zackiger Formation marschierten sie von Bord. Der blasierte Teniente ging wichtigtuerisch voran. Ihm folgte der Corporal mit dem Nußknackergesicht, dann die Soldaten. Ihre Schritte dröhnten laut auf den Holzbohlen.

Vor der Schebecke der Arwenacks hielt der Trupp an.

„Auf der Pier verteilen!“ schrie der Teniente. „Die Musketen sind schußbereit zu halten! Es wird sofort geschossen, sobald einer der Kerle ohne Sondererlaubnis das Schiff verläßt! Dafür haften Sie, Corporal, verstanden?“

Der Corporal hatte verstanden. Er tat das kund, indem er ebenfalls laut brüllte und die zwölf Kerle anpfiff.

Mit der fürchterlichen Drohung „Sie hören noch von mir!“ wandte sich der Teniente ab und ging zur Schaluppe zurück. Mit den Worten hatte er Hasard gemeint. Der Seewolf gab jedoch keine Antwort.

Er sah, wie die zwölf Kerle ihren Posten bezogen und sich auf der Pier verteilten. Der Corporal hockte auf einem Poller und stierte Schiff und Leute an. Hin und wieder gähnte er ungeniert.

Die meisten Arwenacks zogen sich auf die andere Schiffsseite zurück, wo sie ungestört miteinander reden konnten, ohne von den Soldaten gehört zu werden.

„Jetzt sitzen wir zwischen zwei Stühlen“, sagte Hasard, „und dazu noch sozusagen in der Schwebe.“

„Noch hat dich keiner erkannt, Sir“, sagte Dan O’Flynn. „Es sieht auch nicht so aus, als würden sie Verdacht schöpfen. Der Bart verleiht dir ein völlig anderes Aussehen.“

„Ich dachte weniger an mich, es geht um Juan. Wenn sie ihm die Frage stellen, wo er als angeblicher Gast zugestiegen sei und an mich die gleiche Frage richten, erhalten sie zwei verschiedene Antworten. Für so dämlich halte ich die Dons nicht, daß ihnen das nicht auffällt.“

„Es wird noch mehr Ungereimtheiten geben“, sagte Dan. „Sie brauchen unsere Leute nur einzeln zu verhören, dann sitzen wir hoffnungslos in der Patsche. Wir sollten uns wenigstens jetzt noch absprechen, solange wir Gelegenheit dazu haben. Jeder muß einen gewissen Part übernehmen, damit es keine Unstimmigkeiten gibt.“

„Gut, dann holen wir das jetzt nach, aber perfekt können wir nicht sein, dazu sind wir zu viele Männer.“

Eine halbe Stunde lang wurden Einzelheiten besprochen, doch es war einfach zu viel, was da auf jeden einzelnen einstürmte. Zwar konnte sich jeder seinen neuen Namen merken, doch die der anderen war schon ausgesprochen schwierig.

Inzwischen war es Mittag geworden. Die Sonne schien immer noch freundlich und warm vom Himmel.

Die Arwenacks hätten jetzt mit Kurs auf den Atlantik gelegen und wären nach England gesegelt.

Doch das Bild hatte sich grundlegend geändert. Sie waren inmitten schwimmender Festungen gefangen und konnten keinen einzigen Schritt an Land tun.

„Lassen wir es uns nicht verdrießen“, sagte der Kutscher. „Es gibt Mittagessen, und danach sehen wir weiter.“

Eine halbe Stunde nach dem Essen, das sie an Deck einnahmen, erschien der Teniente. Er blickte den Seewolf verkniffen und überheblich an.

„Der Generalkapitän, Don Miguel de Salamanca, will Sie sprechen“, sagte er unfreundlich. Sein Blick wanderte weiter und blieb an Old O’Flynn hängen. „Und Sie möchte er auch sehen.“

Old O’Flynn blickte sehr hochnäsig zu dem Teniente.

„Ich wüßte nicht, was ich mit dem Generalkapitän zu besprechen habe“, erklärte er blasiert. „In meinen Kreisen ist es nicht üblich, daß man mich einfach abkommandiert. Richten Sie das dem Generalkapitän gefälligst aus. Wenn er mich zu sprechen wünscht, dann soll er mir eine Eskorte oder eine Sänfte schicken. Sie wissen wohl nicht, wen Sie vor sich haben, Sie Schnösel!“

Hasards Gesicht wurde ausdruckslos und starr. Am liebsten wäre er laut herausgeplatzt, aber er behielt sich in der Gewalt.

Er sah, wie der Teniente wegen des „Schnösels“ zusammenzuckte, den Alten verärgert musterte, die Beleidigung aber ohne weiteren Kommentar schluckte. Dann salutierte er kurz.

„Ganz nach Ihren Wünschen“, schnarrte er und drehte ab.

Als er weg war, sah Hasard den kauzigen Alten entgeistert an.

„Sag mal, wen, um Himmels willen, willst du eigentlich darstellen? Du kannst doch hier nicht so großkotzig auftreten.“

„Warum nicht?“ fragte Old O’Flynn gelassen. „Immerhin bin ich der legitime Sohn des Fernando Alvarez de Toledo, spanischer Feldherr und Oberbefehlshaber der Heere Kaiser Karls des Fünften, wenn’s genehm ist.“

„Um Gottes willen“, murmelte Hasard erschüttert. „Das nimmt dir doch kein Mensch ab. Du, und der Sohn des Herzogs von Alba! Hatte er denn überhaupt einen?“

„Na klar“, versicherte der Alte unerschütterlich. „Warum sollte er keinen gehabt haben?“

„Und wenn diesen Sohn zufällig jemand kennt?“

„Dann bin ich der zweite Sohn. Dieser Affenarsch von Generalkapitän soll mir erst einmal das Gegenteil beweisen.“

„Jetzt ist ohnehin alles egal“, murmelte Hasard. „Die Widersprüche werden sich gleich häufen. Warten wir es ab. Und von wo aus bist du auf der Schebecke mitgesegelt?“

„Das geht den Salamander, oder wie der Kerl heißt, einen Scheiß an“, murmelte Old O’Flynn. „Der soll nur wagen, einen spanischen Granden auszufragen. Dem werde ich was flöten.“

Die Arwenacks trauten ihren Augen nicht, als schon ein paar Minuten später tatsächlich vier Kerle auftauchten, die eine leere Sänfte trugen. Der Teniente marschierte vor der Sänfte her und hatte einen knallroten Schädel.

Wo sie die Sänfte aufgetrieben hatten, war den Arwenacks allerdings schleierhaft, aber sie hatten eine, mit Baldachin, mit Plüsch ausgeschlagen und silbernen und goldenen Bommeln und Troddeln an der Seite. Sehr eindrucksvoll sah das aus.

Old Donegal selbst sah allerdings auch sehr eindrucksvoll aus. Er betrachtete die Sänfte etwas geringschätzig, als sei sie für ihn zu schäbig, ließ sich aber schließlich zu einem gnädigen Kopfnicken herab und betrat etwas steifbeinig die Pier, wo die Soldaten sofort respektvoll vor ihm zurückwichen.