Seewölfe Paket 30

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3.

Es dauerte nicht lange, dann verging den Arwenacks das Lachen. Die Angelegenheit begann langsam peinlich zu werden.

Zwei Flötenspieler erschienen an der Pier, ein Kerl mit einer Fidel gesellte sich hinzu, und dann begannen sie zum Erstaunen der Seewölfe zu musizieren. Das war wohl als Kurzweil gedacht, doch es hörte sich erbärmlich an, denn vom Musizieren verstanden die drei Kerle absolut nichts, und so klang es dann auch.

„Um Gottes willen“, stöhnte Dan O’Flynn. „Das soll wohl zu unserer Erheiterung beitragen, was?“

„Das ist doch auch heiter“, meinte Carberry. „Sieh dir nur diese drei Hüpfer an. Die haben überhaupt keine Ahnung von Musik, aber sie spielen trotzdem unverdrossen weiter.“

Zwei dürre Kerle entlockten ihren Flöten schauerliche Töne ohne jeglichen Rhythmus, der dritte zog an den Saiten seiner Fidel, als hielte er einen Bogen in der Hand, mit dem man Pfeile abschoß.

Dann erschien eine Tänzerin, die sich schüchtern auf die Pier schob. Sie trug ein langes Kleid und wiegte sich im unregelmäßigen Takt der Spieler.

Leider war die Tänzerin etwas fett, und was sie da tanzte, kapierte ohnehin keiner. Es erinnerte sie in etwa an die beleibten Bauchtänzerinnen aus Istanbul.

Sie hatte ungefähr zehn Minuten getanzt, als der Alcalde und der Hafenmensch wieder aufkreuzten. Beide strahlten über das ganze Gesicht.

„Gefällt Ihnen die Darbietung, Señores?“ fragte der Alcalde. „Señorita Lucia ist die beste Tänzerin im Ort.“

Die Dicke hüpfte immer noch auf dem Steg herum, daß die Bohlen dröhnten und wackelten.

„Wunderbar“, sagte Hasard ernst. „Eine ausgezeichnete Darbietung, für die wir sehr dankbar sind.“

„Gut, gut.“ Der Alcalde rieb sich freudestrahlend die Hände. Dann wandte er sich an die „Darsteller“.

„Husch, husch, ab nach Hause jetzt“, sagte er. „Es hat den ehrenwerten Señores sehr gefallen. Jetzt reicht es.“

Das fanden die anderen auch, ohne es jedoch zu sagen. Aber sie waren sehr erleichtert, als sich die Darsteller nach einer tiefen Verbeugung zurückzogen.

Dezentes Klatschen erklang rein höflichkeitshalber auf seiten der Arwenacks, und dazu grinsten sie, denn jetzt konnten sie bis an die Ohren grinsen, ohne daß es auffiel.

„Ich habe inzwischen alles veranlaßt“, sagte der Alcalde stolz. „Ich habe auch die beiden Anker für Sie – Prachtstücke, Señor, wahrhaftige Prachtstücke. Das andere wird ebenfalls gleich geliefert.“

„Ich habe das natürlich auch mit veranlaßt“, krähte der Hafenmensch, aus Angst, er könne später bei Hof weniger wohlwollend erwähnt werden. Da war es schon besser, sie teilten sich den künftigen Ruhm.

„Ja, natürlich“, sagte der Alcalde etwas ungnädig. „Don Martin war auch mit dabei.“

Hasard lud die beiden Kerle zu einem Schluck an Bord ein und ließ ihnen Wein kredenzen. Das erfüllte die beiden mit einem nie gekannten Stolz, und von da ab fühlten sie sich dem spanischen Hofe wesentlich näher.

Sie tranken nicht, sie soffen ganz ungeniert. Ihre Köpfe wurden noch roter, auch wegen der Ehre, die ihnen zuteil wurde, neben einem spanischen Grande stehen zu dürfen.

Paddy Rogers reichte die Humpen weiter, die er vom Kutscher entgegennahm und würzte den Trunk mit biblischen Sprüchen.

„Und ich will dir des Himmelreichs Schlüssel geben“, sagte er salbungsvoll, als er dem Alcalden einen neuen Humpen reichte. „Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel los sein.“

„Wo – wo ist was los?“ fragte der Alcalde. Er lallte bereits ein wenig und stierte Paddy Rogers irritiert an.

„Im Himmel, mein Sohn.“

„Ach ja, im Himmel ist immer was los. Darauf, hicks, sollten wir noch einen heben.“

„Matthäus sechzehn, Vers neunzehn“, fügte Paddy belehrend hinzu.

Der Hafenmensch wackelte ein bißchen mit dem Kopf und drehte sich suchend um.

„Matthäus – wo ist er denn?“

Er stierte Old O’Flynn an und schüttelte unmerklich den Kopf. Vor seinen Augen verschwamm alles.

Der Alcalde sah sich auch nach Matthäus um und wackelte dabei noch mehr. Dann zeigte er in die Richtung, wo die Backsteinhäuser dicht am Hafen standen und sich zwei Eselskarren näherten.

„Da – da ist er! Er bringt die Dings … äh – Anker. Genau!“

Die wackeren Mannen tranken noch einen und noch einen und waren so blau, daß sie kaum noch stehen konnten.

Hasard wunderte das, doch dann sah er, daß der Profos die Humpen füllte, und dieser niederträchtige Mensch goß mit einem hinterhältigen Grinsen jedesmal einen kräftigen Schluck Rum mit hinein.

Die beiden Kerle lümmelten jetzt am Schanzkleid herum, wackelten mit den Köpfen und stierten rülpsend über den Hafen.

Den beiden Eselskarren folgten etwa fünfzehn Kerle, die verblüfft zu ihrem Alcalden und dem Hafenmeister starrten. Beide hatten ein Lied angestimmt und grölten es jetzt lautstark hinaus.

Die Anker wurden abgeladen. Die Arwenacks sprangen mit auf die Pier und brachten die Anker an Deck. Es waren zwei gute, schwere und solide Anker, genau das, was sie brauchten.

Es dauerte auch nicht lange, dann waren die Anker verzurrt.

„Auf Don Egalo!“ brüllte der Alcalde und war so gerührt, daß ihm die Tränen kamen. „Mein tapferer Freund. Grüß mir Seine Allerkalli… Allerkol… Alkoholische Majestät, oder wie der Kerl heißt. Sag ihm, er kann alles von mir haben, sag ihm das, Don Egalo.“

Er fiel Old O’Flynn um den Hals und drückte ihm die ausladende weiße Halskrause platt.

Dann starrte er ihn traurig an, und plierte auf die dicken Tränen, die Don Egalo über die Wangen liefen.

„Mein Freund – er weint vor Rührung“, schniefte er und brach in lautes Schluchzen aus.

Und weil das alles so sehr rührselig war, schniefte auch der Hafenmensch mit.

„Hallall – hallall!“ schrie er, aber das kapierte natürlich keiner, auch Don Juan nicht, obwohl der sämtliche spanische Dialekte verstand.

„Wachet und betet“, sagte Paddy mit Grabesstimme, „daß ihr nicht in Versuchung fallet! Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.“

Da liefen Old O’Flynn noch mehr Tränen über das Gesicht, und er erstickte fast vor Lachen.

Die beiden verbrüderten sich jetzt mit allen, die an Deck standen. Da war wieder mal was los, ganz besonders, als der Hafenmensch den Schimpansen Arwenack erwischte, ihn umarmte und ihm einen feuchten Schmatz aufdrückte.

„Mein Freund, Caballero“, lallte er und legte ihm einen Arm und den Hals, wobei er tief in die Knie ging. „Du bist der Kleinste an Bord, aber ein richtiger Held.“

Arwenack, derartige Liebkosungen nicht gewohnt, bleckte das Gebiß und zeigte die Zähne. Der Hafenmensch deutete das als freundliches Grinsen und klopfte ihm auf den Rücken.

Dann torkelte er zum nächsten und riß sich das Hemd an Matt Davies’ Hakenprothese auf, als er nach seinem Arm griff.

Inzwischen erschien ein weiterer Eselskarren. Zwei Männer luden die Gold- und Silberbarren ab, dann folgten Fässer mit Wein, ein paar Speckseiten und riesige Hartwürste.

Das alles wurde an Bord gemannt.

Hasard stand etwas ratlos davor und wußte nicht, was er sagen sollte.

„Ein lustiger Verein“, sagte Don Juan lachend. „Das ist ja das reinste Affentheater hier. Was tun wir jetzt mit den beiden so überaus netten Menschen?“

„Die beiden netten Menschen sind sowieso gleich restlos abgefüllt, daß sie nicht mehr laufen können. Ich werde jedem als kleine Anerkennung eine kostbare Perle in die Tasche stecken. Immerhin haben sie uns so reichlich beschenkt, daß es mir peinlich ist.“

„Trotzdem sind es Hohlköpfe“, sagte der Spanier. „Mir ist noch peinlicher, daß sich meine Landsleute so ausgesprochen dämlich benehmen.“

„Nimm es leicht“, riet Hasard. „Wenn unsere Kerle zuviel gekümmelt haben, sehen sie auch nicht geistreicher aus.“

„Aber sie sind nicht so dämlich.“

„Das nicht“, schränkte Hasard ein, „aber auch da gibt es immer wieder ein paar Ausnahmen.“

„Hallall!“ brüllte der Hafenmensch und wollte das ganze Schiff umarmen. Aber dabei landete er am Fockmast und stieß sich die Nase.

Der Alcalde erklärte weinerlich und nuschelnd, er müsse jetzt nach Hause, weil ihm kotzübel sei.

Don Martin fiel sein Weib ein, das offenbar grantig wurde, wenn er einen über den Durst getrunken hatte.

Das war auch wahrhaftig der Fall, wie sich gleich darauf herausstellte.

„Bringt die beiden zu den Backsteingebäuden“, sagte Hasard zu dem Profos, der vor Lachen kaum stehen konnte. „Schließlich bist du ja nicht ganz schuldlos an dem Zustand der Kerle.“

„Ich wollte ihnen nur eine Freude bereiten“, sagte Carberry entschuldigend. „Ich wußte ja nicht, daß sie nichts vertragen.“

Carberry schnappte sich den dicklichen Hafenmenschen, während sich Smoky den betrunkenen Alcalden auf den Rücken lud. Aber der war so in Bewegung, daß er ihn allein nicht abschleppen konnte. Also sprangen noch Roger Brighton und Nils Larsen hinzu.

Sie flankierten die beiden von rechts und links und wackelten über die Pier. Dort blieb der Hafenmensch noch einmal stehen, blickte aus trüben Augen zum Schiff und brüllte wieder sein „Hallall!“ in die Gegend, jetzt mit lauter und durchdringender Stimme.

Offenbar war das ein Signal, denn aus einem der Häuser trat eine korpulente Madonna heraus, die sich suchend umblickte. Das „Hallall“ schien ihre Sinne alarmiert zu haben. Offenbar war sie dadurch schon über weite Entfernungen über den Zustand ihres Gatten genau unterrichtet.

 

Das grimmig dreinblickende Weib hielt eine solide Bratpfanne in der rechten Hand, die sie ein paarmal hin und her wippte, anscheinend in der Absicht, bereits Maß zu nehmen.

„Halleluja“, sagte der Profos unterdrückt. „Die sieht aber sehr gesund aus, die Mutter. Die wird doch nicht …“

Die Dicke hatte strähnige Haare und stramme Beine. Ihr gewaltiger Busen bewegte sich wie ein Blasebalg, als sie in die Richtung blickte, aus der die Arwenacks die beiden Kerle heranschleppten.

„Bratpfannen in der Hand von Frauenzimmern – und dann noch vorm Haus – sind nicht unbedingt das Gesündeste“, meinte Smoky. „Das arme Kerlchen kriegt damit ganz sicher kein Festessen serviert. Ich denke, wir sollten die Kerle lieber hier absetzen und uns aus dem Staub machen. Es liegt kaum Dankbarkeit in ihrem Blick.“

„Wir sind ja schließlich nicht besoffen“, meinte der Profos kühn. „Wir leisten ja nur einen Samariterdienst.“

Smoky fühlte sich trotz allem sehr unbehaglich.

Nils und Roger setzten den Alcalden vorsichtig zu Boden, noch bevor sie die Häuser erreicht hatten. Sie nickten sich zu und empfahlen sich grinsend.

„Feiglinge“, knurrte der Profos. „Ihr Kerle habt einfach keine Argumente zur Hand und könnt die Señora nicht überzeugen.“

„Wollen wir auch gar nicht“, sagte Nils Larsen. „Du bist Profos und Zuchtmeister, das überlassen wir dir.“

Der Profos war von seinem Charme restlos überzeugt, und so sah er der Ankunft der Dicken einigermaßen gelassen entgegen.

Sie schaute jetzt noch grimmiger drein. Ihre Augen waren hinter kleinen Fettpolstern zusammengekniffen, und der Profos sah, daß sie auf der Oberlippe einen Schnurrbart hatte, auf den mancher Kerl neidisch gewesen wäre. Vielleicht hatte sie ja auch Haare auf den Zähnen, die man jetzt wegen der ebenfalls zusammengekniffenen Lippen nicht sah.

Er ließ den Hafenmenschen los und verneigte sich.

„Señora“, sagte er galant, „wir bringen Ihnen Ihren Gatt…“

„Diablo, das Schwein ist wieder besoffen, dieser verlauste Hurenbock!“ keifte die Señora wild.

Neben ihr waren zwei grinsende Bälger aufgetaucht mit einem kleinen schmutzigen Köter, der den Hafenmenschen wütend ankläffte.

„Er hat nur ein wenig Wein getrunken“, sagte der Profos.

Dann wichen er und Smoky zurück, als die Señora, fauchend und die Bratpfanne schwenkend, auf Don Martin losging.

Der hockte jetzt dümmlich grinsend am Boden, und der Köter zerrte an seinem Hosenbein. Eins der Bälger bohrte mit Genuß in der Nase, das andere bückte sich interessiert vor, um die Aktion der Mutter zu begutachten.

Die ließ auch nicht lange auf sich warten.

Der stramme Arm der Señora fuhr hoch und wieder zurück. Die dunklen Haare auf ihrer Oberlippe zitterten, und durch ihren massigen Körper ging ein Ruck, der alles wabbeln ließ.

Durch den Körper des Hafenmeisters ging ebenfalls ein Ruck, als ihm die Bratpfanne auf den Schädel knallte. Der dumpfe Gong war bis auf die Schebecke zu hören.

Der kleine Nasenbohrer grinste jetzt befriedigt, und das andere Gör brüllte begeistert: „Noch eins, Mami, gib ihm noch eins auf die Rübe!“

Die resolute Señora ließ sich das nicht zweimal sagen.

Noch während Don Martin mit glasigen Augen zur Seite kippte, wobei immer noch das dümmliche Grinsen auf seinem Gesicht lag, erfolgte der zweite Angriff.

Wieder landete die Bratpfanne auf Don Martins Schädel. Es hörte sich an, als würde auf der Schebecke geglast.

Don Martins Gesichtsausdruck veränderte sich rapide.

Er grinste nicht mehr. Er öffnete den Mund zu einem lauten Seufzer, schloß die Augen und wurde schlaff. Sein Kopf sank auf die Brust, und so blieb er einen Augenblick hocken – jenseits von Gut und Böse.

„So, du verdammter Säufer“, sagte die Señora zufrieden, „das wird dir eine Lehre sein, denke ich.“

Carberry und Smoky waren genauso erschüttert wie Don Martin. Sie sahen sich an und schluckten trocken.

„Kriegt er auch noch was aufs Maul?“ erkundigte sich der eine Knabe hoffnungsvoll.

Die Señora gab keine Antwort, aber jetzt wandte sie sich mit blitzen den Augen den beiden Seewölfen zu.

„Und jetzt zu euch, ihr verdammten Hurensöhne!“ rief sie. „Ihr seid schuld daran, daß er wieder besoffen ist, dieser miese Kerl, dieser Fuselschlucker. Schämt ihr euch …“

Carberry ließ noch einmal seinen Charme spielen, obwohl er von dem jetzt nicht mehr so ganz überzeugt war.

„Aber Señora Don Martin“, sagte er. „Wir …“

„Halt dein Maul, du langer Lulatsch!“ keifte die Señora. „Und nenne mich nicht Don Martin. Das ist kein Don, sondern ein nichtsnutziger Lümmel. Aber euch werde ich es zeigen.“

Carberry hatte mit der Attacke nicht gerechnet. Er stand da und versuchte „charmant“ zu grinsen, was bei seinem Aussehen allerdings völlig mißlang.

Da knallte es auch schon. Die Bratpfanne sauste mit einer Vehemenz heran, daß Carberry nicht mehr ausweichen konnte. Er wollte noch die Arme hochreißen, doch da ertönte schon der Gong.

„Oh, mein Gott“, hörte er Smoky wie aus weiter Ferne rufen.

Der Ruf ging in einem zweiten Gong unter, und da begann der Profos bereits mit dem Schädel zu wackeln. Sekundenlang war er völlig benommen, erst dann blickte er wieder einigermaßen durch.

Die Señora hatte sich von ihm abgewandt und traktierte jetzt den Decksältesten, der verstört die Hände über den Kopf hielt und versuchte, die rasende Furie mit den Ellenbogen von sich abzuhalten.

Aber auch Smoky mußte zwei harte Gongs einstecken, ehe es ihm mit Not und Mühe gelang, ein paar Schritte davonzurennen.

Für die Kerle auf der Schebecke war das Spektakel an Land mehr als ergötzlich. Sie hielten sich die Bäuche vor Lachen und kriegten sich nicht mehr ein. Da waren nur noch Brüllen und Gelächter an Deck und wiehernde Kerle, die sich nach allen Seiten bogen.

„Hurra!“ rief Ferris Tucker. „Wahrhaftig ein tolles Bild! Der liebe Ed kriegt eine Abreibung.“

„Er hat die beiden Kerle ja auch ganz übel abgefüllt“, sagte Hasard lachend. „Schließlich ist das nicht mehr als gerecht, wenn auch für ihn ein paar Brocken abfallen.“

Sie lümmelten am Schanzkleid der Schebecke und sahen sich den Fortgang interessiert und unter lautem Gelächter an.

4.

„Die ist ja verrückt, die alte Schachtel!“ schrie Smoky. „Die haut uns in Grund und Boden. Los, wir verschwinden, Ed, sonst gibt es noch mehr Senge.“

Carberry geriet jetzt allmählich in Braß, aber auch die Señora steigerte sich noch und wurde dabei von ihren Gören kräftig angefeuert. Die genossen es offensichtlich sehr, daß der Herr Papa ordentlich durchgewalkt wurde. Und daß zwei Fremde auch ihren Teil abkriegten, ließ sie vor Vergnügen laut krähen.

Die Señora war sehr gerecht, das mußte man ihr lassen. Drei Kerle hatten Senge bezogen, nur der Alcalde noch nicht. Der kam gerade wieder zu sich und versuchte, sich aufzurappeln.

Er stand noch mit wackligen Knien da, als ihn ebenfalls die Bratpfanne traf. Weil er sich gerade umdrehte, erwischte das zweckentfremdete Instrument seinen Hinterkopf und brachte ihn auf Trab.

Er rannte los, wie aus einer Kanone abgefeuert, schrie wild und gellend und landete dann hart auf der Nase im Staub der Straße.

Carberry und Smoky machten sich jetzt schleunigst aus dem Staub und rannten los.

Doch die Señora folgte bratpfannenschwenkend und mit wilden Worten. Sie war jetzt erst so richtig in Fahrt, aber sie erreichte die beiden nicht mehr.

Dem Profos stank es zwar ganz gewaltig, vor einer triumphierenden Furie auskneifen zu müssen, doch er hatte keine andere Wahl, sonst gab es wieder Senge.

Smoky wollte sich ebenfalls nicht länger der Lächerlichkeit preisgeben und rannte in langen Sätzen neben dem Profos her.

Weiter vorn standen Roger und Nils. Sie lehnten an einem Dalben und hielten sich daran fest, damit sie vor lauter Lachen nicht umfielen.

„Sehr witzig, das alles“, fauchte Smoky und warf einen ängstlichen Blick über die Schulter zurück, wo ihnen das attackierende Weib immer noch mit der Pfanne in der Hand nachrannte.

Aber dann gab sie auf und blieb schnaufend stehen.

Smoky und der Profos blieben ebenfalls stehen, wahrten aber genügend Abstand, damit sie jederzeit wieder die Flucht antreten konnten.

„Das darf doch nicht wahr sein“, sagte der Profos keuchend. „Diese schnauzbärtige Xanthippe hat mir tatsächlich was auf die Rübe gedonnert. Das gibt zwei ganz verdammte Beulen.“

„Mir auch, aber wenigstens haben die anderen auch kräftig was abgekriegt.“

„Das ist doch keine Genugtuung“, grollte Carberry wütend. „Wie stehen wir denn jetzt vor den anderen da? Die lachen sich krank.“

„Mann, da törnt die Kakerlakenmutter wieder los“, sagte Smoky entsetzt. „Die hat immer noch nicht genug.“

Die Señora nahm erneut Kurs auf sie, blieb dann jedoch unschlüssig stehen, als die beiden vorsichtshalber die Beine in die Hand nahmen und in Richtung Schiff abdrehten.

Voller Wut, weil sie nichts mehr ausrichten konnte, warf sie die Bratpfanne nach ihrem bedröselten Mann.

Der Hafenmensch kriegte das Ding noch einmal an den Schädel und streckte sich der Länge nach auf dem Pflaster aus. Er sah aus wie tot.

Was dann folgte, kapierten Smoky, der Profos und die anderen überhaupt nicht mehr.

Die Dicke watschelte auf ihren hingestreckten Mann zu, warf sich über ihn und brach in lautes Jammern und Wehklagen aus.

Die Arwenacks glaubten, nicht richtig zu hören.

„Mein armer Martin“, schluchzte sie tief und ergreifend. „Was haben die bösen Kerle nur mit dir getan? O Martino! Santitochen, mein kleiner Heiliger, mein Goldengel!“

„Hä?“ fragte der Profos wenig geistreich. „Bin ich jetzt bescheuert, oder sind es die anderen?“

„Die Alte spinnt“, kommentierte Smoky entsetzt. „Die hat nicht alle am Dachfirst.“

Die beiden Bälger brachen ebenfalls in lautes Plärren aus, nur der Köter kläffte den bewußtlosen Hafenmenschen weiterhin an und zerrte immer wieder an seiner Hose.

„Das gibt es doch nicht“, ächzte Smoky, „oder hat sie den lieben Martin etwa totgeschlagen?“

Immer noch hing sie schluchzend über ihm, nahm den Zipfel ihrer Schürze und wischte ihm damit über die prachtvollen Beulen, die die Bratpfanne hinterlassen hatte. Dabei erfuhr Don Martin, das liebe Santitochen, sämtliche Kosenamen, und gleichzeitig richtete sich der Señora Zorn wieder auf die Kerle, die ihn angeschleppt hatten.

Sie stand auf und suchte nach der Bratpfanne. Es sah nicht so aus, als würde der Hafenmensch damit nochmals eins übergebraten kriegen, jetzt waren wohl wieder Ed und Smoky an der Reihe.

Unter dem brüllenden Gelächter der Arwenacks und etlicher Einwohner von Denia kniffen die beiden Arwenacks aus.

„Hoffentlich sind die Drehbassen mit Grobschrot geladen, und sie können gleich feuern“, knirschte Smoky, „die verprügelt sonst noch die gesamte Mannschaft.“

Es war eine idiotische Situation, die sie völlig der Lächerlichkeit preisgab.

Als sie die Pfanne wieder in den Händen hielt, hatten der Profos und Smoky endgültig genug. Die Gören hüpften jetzt ebenfalls hinter ihnen her, um zu sehen, wie die Mutter den Kampf entschied.

Der Profos und Smoky gaben Fersengeld. Der Profos hatte die Arme angewinkelt und stürmte keuchend auf das rettende Schiff zu. Smoky folgte stöhnend und fluchend.

Die aufgebrachte Señora verfolgte sie bis auf die Pier. Dort blieb sie schnaufend stehen und hob drohend die Pfanne, als die beiden Señores mit einem Affenzahn an Bord flitzten.

„Jetzt kann sie antanzen“, sagte Smoky mit blitzenden Augen. „Wenn sie das Schiff entert, fliegt sie außenbords.“

Die eifrige Señora hatte aber nicht vor, das Schiff zu entern, obwohl es anfangs fast so aussah.

Sie belegte die beiden nur mit einigen recht deftigen Ausdrücken, von denen „Hurenböcke“ noch die harmlosesten waren.

Dann kehrte sie zurück und beklagte laut ihren Don Martin, der wieder das Bewußtsein erlangt hatte und im Straßenstaub hockte.

Der Alcalde wurde auch nicht weiter traktiert. Er sah im Gesicht übel zerschrammt aus, als er sich erhob und mit wackligen Knien still und leise davonschlich.

Mac Pellew hatte sich wimmernd an den Mast geklammert und kriegte sich nicht mehr ein. Aus seinen Augen schossen sturzbachartig die Tränen, und er hatte große Mühe beim Luftholen.

 

Carberry sah der schlagfreudigen Señora unbehaglich und mit zusammengekniffenen Augen nach.

„Möchte wissen, was es da so dämlich zu grinsen gibt“, knurrte er und befummelte seinen Schädel, an dem allmählich zwei Hörner aufzublühen begannen. Später würden sie in allen Farben schillern.

„Das war ein Bild für die Götter“, sagte der Kutscher. „Es war einfach einmalig, wie ihr erst verdroschen wurdet und dann gerannt seid. Ihr hättet euch selbst mal sehen sollen.“

Dem Profos war nicht nach Witzen zumute. Er schaute recht grantig und unfreundlich drein. Smoky erging es ähnlich, denn ihm dröhnte immer noch nachhaltig der Schädel von den beiden Treffern. Auch ihm würden prachtvolle Hörner wachsen.

Inzwischen schleppte die Señora mit Hilfe ihrer Gören den Hafenmenschen ab, der so wackelte, als habe er Pudding in den Knien.

Die Lachsalven verebbten allmählich. Der Hafenmensch wurde in ein Gebäude geschoben und verschwand darin. Vom Alcalden war ebenfalls nichts mehr zu sehen, der hatte sich abgesetzt und schämte sich jetzt wegen seiner Niederlage.

„Dann ist der Tanz ja beendet“, sagte der Seewolf mit fröhlicher Miene. „Wir haben wieder zwei Märtyrer an Bord. Alles andere haben wir auch. Mithin können wir mit dem kurzen Abstecher ganz zufrieden sein, und so steht unserer Weiterreise eigentlich nichts mehr im Wege.“

„Ich bin jedenfalls mit dem Abstecher nicht zufrieden gewesen“, sagte der Profos gereizt. „Mir langt es völlig. Die Don-Martin-Mutter hat mich restlos geschafft. Bin heilfroh, wenn wir aus diesem verlausten Kaff verschwunden sind.“

In der Ferne standen noch eine Menge Neugierige herum, aber sie verliefen sich nach und nach, denn es gab nichts mehr zu sehen. Vermutlich ging der Krach jetzt im Haus weiter.

Die Leute wandten sich schulterzuckend ab. Eine Neuigkeit war das für sie nicht. Bei Don Martin flogen immer dann die Fetzen, wenn er einen über den Durst getrunken hatte, und der Alcalde war dann meist ebenfalls der Dumme und kriegte etwas ab.

„Leinen los und ein“, sagte Hasard mit einem amüsierten Unterton.

Ein paar Einwohner sahen ihnen noch nach und winkten, als die Leinen gelöst und die Segel gesetzt wurden.

Langsam bewegte sich die Schebecke aus dem Hafen. Unter den Kattbalken hingen an Backbord und Steuerbord die beiden neuen Anker.

Als der Wind in die Segel griff, erschien ein schlaksiger Kerl mit einer langen Tröte und blies aus voller Kraft hinein.

Über den Hafen schallte ein so schauriger Ton, daß einige Arwenacks irritiert zusammenzuckten.

Der Posten blies die Neuigkeit in die Welt, daß die Schebecke jetzt aus dem Hafen laufe und in See gehe.

Er blies dreimal in sein fürchterliches Horn, damit es auch jeder mitkriegte. Er kam sich dabei sehr wichtig vor und hatte schließlich einen dunkelroten Kopf von der Anstrengung.

Aber jetzt wußten es alle, und selbst jene, die es nicht sahen: Das prächtige Schiff ging in See.

Der Posten war damit seine Verantwortung vorübergehend los und ließ sich erschöpft auf einem Stein nieder, um dem Schiff nachzublicken.

„Das war ein seltsames Völkchen“, meinte Hasard belustigt, als der Hafen von Denia achteraus kleiner wurde und nur noch der große Berg mit seinen Weinhängen und dem maurischen Schloß zu sehen waren. „Solche Leute erlebt man nicht alle Tage.“

„Aber es hat dich niemand erkannt“, sagte Don Juan. „Obwohl du direkt auf Lobo del Mar angespielt hast.“

„Ich weiß nicht, ob das ein Maßstab war, Juan. Die Leute, damit meine ich hauptsächlich den Bürgermeister und den Hafenmenschen, scheinen recht einfältig und trottelig zu sein. Als Bewährungsprobe möchte ich das eigentlich nicht ansehen.“

Old O’Flynn zupfte grinsend seine Halskrause zurecht und wischte sich verstohlen die letzten Tränen aus den Augenwinkeln.

„Ein feiner Spaß war das, Sir, ich habe mich über alle amüsiert.“

„Wir alle wohl. Mir erging es nicht anders.“

„Eigentlich“, sagte Old Donegal nachdenklich, „wäre es doch nicht verkehrt, wenn wir in diesen Gewässern weiterhin als Spanier verkleidet segeln. Es wird nicht mehr lange dauern, bis die ersten Dons aufkreuzen. Vermutlich behelligen sie uns dann nicht weiter.“

„Spanier auf einer Schebecke sind immerhin recht ungewöhnlich. Das fiel sogar dem Hafenmenschen auf. Was meint ihr?“

„Warum eigentlich nicht“, sagte Ben. „Wir können die Schebecke ja für die Krone erbeutet haben, nachdem man unser eigenes Schiff versenkt hat. Das klingt doch einigermaßen glaubwürdig.“

Hasard nickte. Das würde schon glaubwürdig klingen.

„Gut, dann segeln wir als Spanier weiter. Außerdem können wir den behäbigen Kriegsgaleonen immer noch in einem weiten Bogen ausweichen, wenn wir sie sichten sollten. Dann bleibt es dabei. Wir besprechen nachher noch die Namen, mit denen sich jeder ausgibt, falls wir den Dons begegnen sollten.“

„Über etwas anderes sollten wir auch noch sprechen“, sagte Dan O’Flynn. „Wir wollten noch darüber abstimmen, welchen Kurs wir einschlagen, ob wir vom Atlantik aus gleich in die Karibik zurücksegeln oder den Abstecher nach England unternehmen. Einmal haben wir kurz darüber gesprochen, ein Ergebnis kam jedoch nicht zustande.“

„Ja, die Abstimmung steht noch aus. Ich schlage vor, jeder überlegt sich das gründlich vierundzwanzig Stunden lang, und danach entscheiden wir uns. Für England gibt es natürlich gute Gründe. Immerhin haben wir wertvolle Kontakte in Venedig und anderswo anknüpfen können und haben etwas vorzuweisen. Das ist nur einer von etlichen Gründen.“

„Ein bißchen Heimweh ist natürlich auch dabei“, ließ sich Big Old Shane vernehmen. „Wir waren schon lange nicht mehr dort. Aber wenn wir diesmal nach England segeln, stehen wir mit ziemlich leeren Händen da. Die gute Lissy erwartet von uns zumindest Gold und Silber, und damit sind wir nicht gerade gesegnet. Sie wird sich über unseren Besuch zwar freuen, aber noch mehr würde sie sich freuen, wenn wir ihr etwas Schönes mitbringen.“

„Da hast du recht, Shane“, sagte Hasard nachdenklich. „Wir haben zwar Gold und Silber an Bord, aber im Gegensatz zu unseren früheren Raids ist das keineswegs üppig.“

Die Kerle grinsten ein bißchen verlegen. Es war nur allzu bekannt, daß Ihre Majestät, die Königin von England, eine offene Hand hatte, die gerne nahm. Kurz gesagt: Sie war reichlich geldgierig, das wußte an Bord jeder.

„In dem Fall sollten wir natürlich etwas tun“, meinte Hasard. „Da hast du wahrhaftig recht, Shane. Das muß jedoch die Gelegenheit ergeben. Möglicherweise gelingt es uns, im Atlantik einen dicken Brocken zu schnappen, vielleicht stoßen wir sogar auf einen Geleitzug, der von Kuba nach Spanien segelt.“

„Das wäre eine feine Sache. Wir haben schon lange keinen Don mehr gerupft.“

„Bisher gab es dazu auch keine Gelegenheit, sie segeln ja auf einer anderen Route.“

Denia lag jetzt schon sehr weit achteraus und war nur noch ein feiner dunstiger Strich an der Kimm.

Sie segelten fast Ostkurs, um die Küste möglichst schnell hinter sich zu lassen.

Als sie in einem Abstand von etwa vier Meilen von der Küste Cabo de la Nao rundeten, ließ Hasard auf Südkurs gehen. Eine Stunde später wurde der Kurs auf Südsüdwest gesetzt. Damit entschwand die spanische Südostküste ihren Blicken. Von der algerischen Küste war weiter im Süden nichts zu sehen.

Sie waren wieder scheinbar allein auf dem Meer, doch das änderte sich am späten Nachmittag.

Batuti gab aus dem Ausguck ein Handzeichen an Deck und rief: „Zwei feine Striche voraus an der Kimm!“

„Mit Sicherheit meine lieben Landsleute“, vermutete Don Juan.

Er behielt mit seiner Vermutung recht. Durch das Spektiv erkannte Hasard etwas später zwei Karavellen, die genau Kurs auf sie hielten.

„Spanier“, sagte Dan O’Flynn, der Mann mit den Adleraugen. „Dreimastig, lateinergetakelt, ziemlich schnelle Schiffe. Sie scheinen auch nur zu einem Drittel abgeladen zu sein. Und bewaffnet sind sie auch nicht schlecht“, fügte er nach einem weiteren Blick hinzu.

Die beiden Schiffe segelten auf Parallelkurs nebeneinander her. Ihr Abstand von Schiff zu Schiff betrug etwa zwei Kabellängen.

Auch das änderte sich nach kurzer Zeit.

„Sieh an“, sagte der Seewolf, „deine Landsleute werden neugierig und wollen uns beschnuppern, Juan.“