Seewölfe Paket 30

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„Und bei ihnen befindet sich ein Mann in Uniform!“ stieß Dan O’Flynn hervor, der ebenfalls mit dem Rohr zum Ufer blickte. „Und ein Mädchen!“

„Stimmt!“ pflichtete Bill ihm bei. „Der Uniform nach scheint der Mann ein Engländer zu sein! Ein englischer Kapitän!“

„Hölle und Teufel!“ brüllte Carberry. „Das kann nicht wahr sein!“

„Kurs auf die Bucht!“ befahl der Seewolf.

Kurz darauf ging die Schebecke in der Bucht vor Anker. Hasard, Ben, Carberry und Shane pullten zum Ufer und gingen an Land. Sie sahen, daß sich die Menschen zwischen den Hütten zögernd und mißtrauisch verhielten.

Hasard trat jedoch auf sie zu und rief auf spanisch: „Wir sind Freunde! Wir haben soeben die Piraten besiegt! Wir wollen euch helfen!“ Dasselbe wiederholte er auf englisch.

Burl Ives reagierte als erster. Er tat einen Schritt auf den Seewolf und dessen Kameraden zu und sagte: „Sind Sie Engländer?“

„Aye, Sir“, erwiderte Ben Brighton lächelnd. „Kapitän Philip Hasard Killigrew und seine Crew.“

„Das gibt es nicht!“ stieß Ives entgeistert hervor. Dann straffte er sich und sagte: „Mein Name ist Burl Ives, ich bin der Kapitän der ‚Samanta‘. Dies hier ist Miß Farah Acton, meine Passagierin.“ Er zog das Mädchen an der Hand zu sich heran.

Hasard, Ben, Shane und der Profos schüttelten den beiden die Hände. Inzwischen hatten sich die Fischer langsam genähert. Mit staunenden Mienen lauschten sie der Unterhaltung, von der sie kein Wort verstanden.

„Es ist ungewöhnlich, eine junge Dame an Bord eines Segelschiffes anzutreffen“, sagte der Seewolf und lächelte Farah zu.

Sie errötete.

Burl Ives erwiderte: „Harold Acton und seine Tochter Farah gingen in Bristol an Bord. Nach dem Tod seiner Frau vor zwei Jahren wollte Mister Acton in ein südliches Klima umsiedeln, da er gesundheitliche Schwierigkeiten hatte. In Italien wollten die beiden seßhaft werden. Doch leider gerieten wir in den Sturm, der mein Schiff, die ‚Samanta‘, auf diese Küste warf. Dann wurden wir von den Piraten überfallen.“

„Sie haben alle getötet, auch Mister Acton?“ erkundigte sich der Seewolf.

Ives berichtete wieder, wie sich alles zugetragen hatte. Farah begann leise zu weinen. Der Kapitän legte ihr tröstend die Hand auf die Schulter.

„Es tut mir sehr leid, daß Sie Ihren Vater verloren haben“, sagte Hasard zu dem Mädchen. „Doch seien Sie froh, daß Sie noch leben und Kapitän Ives Sie durch seinen mutigen Einsatz vor der Gewalt der Piraten beschützt hat.“

Farah blickte zu Hasard auf.

„Sie haben recht, Mister Killigrew“, entgegnete sie leise. „Ich bin dankbar dafür, und ich werde Kapitän Ives das, was er für mich getan hat, nie vergessen.“

Nun war es an Ives, verlegen zu werden. Er räusperte sich und wußte nicht mehr, wohin er schauen sollte. Zum Glück griff Ben Brighton ein. Er erzählte, wie das Gefecht gegen Olivaros Bande verlaufen war.

Hasard wandte sich an die Spanier. Zunächst nannte er seinen Namen und stellte seine Mannen vor. Dann erfuhr er von Domingo Calafuria, welche Begebenheiten sich im Dorf abgespielt hatten.

„Ich bedaure nur, daß wir nicht schon eher erschienen sind“, sagte der Seewolf daraufhin.

Domingo Calafuria lächelte. „Ohne Sie und Ihre Mannschaft, Señor, hätten wir niemals gegen diese Bande von Teufeln siegen können. Sie haben uns gerettet.“

„Sind denn wirklich alle tot?“ fragte Rodrigo.

„Es hat Überlebende gegeben“, erwiderte Hasard. „Ich vermute, daß die meisten ertrinken. Aber es ist damit zu rechnen, daß sich einige an Land retten.“

„Himmel“, sagte Hernán Zorba. „Wir müssen sie finden!“

„Gibt es hier im Dorf noch etwas zu holen?“ fragte Hasard.

„Was meinen Sie, Señor?“ Domingo setzte eine etwas ratlose Miene auf.

„Ich meine die Beute der Piraten.“

Ben Brighton übersetzte diese Frage auch Burl Ives und Farah Acton, und Ives antwortete: „Aber natürlich. Einmal abgesehen von den Fässern mit dem Whisky und dem Bier – irgendwo muß noch meine Schatulle liegen.“

„Was für eine Schatulle?“ erkundigte sich der Seewolf.

„Ich hatte sie Olivaro dafür ausgehändigt, daß er uns am Leben ließ und Farah verschonte“, erklärte der Kapitän. „Ich bin ziemlich sicher, daß Olivaro die Schatulle nicht mitgenommen hat, als er an Bord seines Schiffes gegangen ist. Wir haben in unserem Gefängnis gehört, wie er eine der Bohlen des Fußbodens löste. Vielleicht hat er die Schatulle dort versteckt.“

„Ich glaube, Olivaro gehört zu den Überlebenden“, sagte Shane.

„Ganz sicher sogar“, sagte Hasard. „Ich habe gesehen, wie er ins Wasser sprang. Wenn er es bis zum Ufer geschafft hat, dann wird er sich die Schatulle holen wollen. Außerdem weiß er ja nicht, daß seine Wächter tot sind. Noch ahnt er nicht, daß sich das Dorf wieder in der Hand seiner rechtmäßigen Besitzer befindet.“

„Wir müssen sofort etwas unternehmen!“ drängte Rodrigo.

„Ed“, sagte Hasard. „Die Männer verlassen sofort das Schiff und beziehen im Dorf Stellung. Nur Old O’Flynn und sechs Mann bleiben als Wache an Bord.“

„Aye, Sir.“ Carberry lief zum Ufer und gestikulierte zur Schebecke hinüber. Dann setzte er sich in das Boot und pullte zum Schiff.

Die Fischer rannten durch das Dorf und nahmen ihre Posten ein. Hasard, Shane und Ben ließen sich von Ives und dem Mädchen zu der Haupthütte führen. Hier brauchte Ives nicht mehr als ein paar Minuten, um die lose Bohle zu finden. Er förderte die Schatulle zutage und wies sie vor.

„Das Geld ist noch drin“, stellte er fest, nachdem er den Deckel geöffnet hatte. Spontan drückte er Hasard die Schatulle in die Hand. „Hier, jetzt gehört sie Ihnen, Sir.“

Hasard schüttelte den Kopf und reichte ihm die Schatulle zurück. „Das kommt überhaupt nicht in Frage. Ich würde von Ihnen niemals ein Geschenk annehmen.“

„Aber was Sie für uns getan haben …“

„War meine Pflicht“, erwiderte Hasard ernst.

„Wir sind stolz darauf, ein ganzes Fischerdorf und zwei englische Bürger aus den Klauen einer Piratenbande befreit zu haben“, sagte Ben Brighton.

Plötzlich ertönte draußen ein Pfiff.

„Achtung“, sagte der Seewolf. „Es scheint sich etwas zu tun.“ Er griff zur Pistole.

9.

Olivaro und seine drei letzten Kumpane näherten sich von der Nordseite dem Fischerdorf. Von einem etwas erhöhten Punkt aus konnten die Kerle sehen, wie das Beiboot der Schebecke voll besetzt zum Ufer glitt. Im Dorf selbst regte sich nichts.

Olivaro schloß daraus folgendes: Die fremden Bastarde waren gerade erst eingetroffen und schickten sich nun an, an Land zu gehen und das Dorf zu besetzen. Corvo und die drei anderen Wächter lagen auf der Lauer. Im richtigen Moment würden sie das Feuer auf die Hunde eröffnen.

Es galt also, Corvo und die drei Posten sinnvoll zu unterstützen. Olivaro gab seinen Begleitern ein Handzeichen. Vorrücken – es mußte jetzt ihr Bestreben sein, zu Corvos Gruppe zu stoßen.

Er, Olivaro, würde das entbrennende Feuergefecht dazu nutzen, sich die Schatulle zu schnappen, die Geiseln aus dem Keller zu holen und abzuhauen.

Als die Piraten ins Dorf schlichen, vernahmen sie einen Pfiff. Kein Zweifel, das war Corvo, der seinen Kerlen soeben ein Zeichen gab.

Doch Olivaro sollte eine herbe Überraschung erleben.

Er pirschte mit seinen Kumpanen an der Rückwand einer Hütte entlang. Sie umrundeten die Ecke und bewegten sich weiter. Als sie auf die Gasse treten wollten, die zu dem Hauptquartier führte, öffnete sich links von ihnen eine Tür. Der Lauf einer Muskete schob sich durch den Spalt.

Eine Stimme sagte: „Ergebt euch! Ihr habt keine Chance!“ Die Stimme gehörte Hernán Zorba.

Auf den Dächern der Hütten richteten sich Gestalten auf. Sie waren mit Steinschleudern bewaffnet. Aus zwei Gassen traten Domingo und Rodrigo Calafuria sowie weitere fünf Fischer. Sie hatten Messer und Säbel. Und aus der Haupthütte traten fünf Gestalten. Sie marschierten geradewegs auf die Piraten zu – Hasard, Shane, Ben, Burl Ives und Farah Acton.

„Verrat!“ zischte Olivaro.

„Olivaro“, sagte der Seewolf auf Spanisch. „Das Spiel ist aus! Deine vier Wachtposten sind tot!“

„Und die Schatulle habe ich wiedergefunden“, sagte Ives.

„Was für eine Schatulle?“ schrie einer der Piraten.

„Münzen, was?“ heulte der Kerl hinter ihm.

„Du hast uns betrogen!“ brüllte der vierte Kerl.

„Wolltest dir die Beute unter den Nagel reißen!“ rief der erste Pirat hinter Olivaro. „Nur darum hast du die Engländer am Leben gelassen!“

Von der Bucht liefen Carberry und ein Trupp Arwenacks ins Dorf. Olivaro konnte verfolgen, wie sie mit gezückten Waffen alle strategisch wichtigen Punkte besetzten. Das Boot glitt zurück zur Schebecke. Bald trafen weitere Männer ein. Es war sinnlos, zu kämpfen. Und auch fliehen konnte Olivaro nicht mehr. Ja, das Spiel war aus.

Das begriffen auch die drei anderen Piraten. Sie stürzten sich auf ihren Anführer. Olivaro hieb mit dem Messer um sich wie ein Verrückter. Zwei Kerle sanken getroffen zu Boden. Ehe Hasard und seine Kameraden eingreifen konnten, prallte auch der dritte Pirat blutend gegen die Hausmauer. Stöhnend kippte er zur Seite.

Hernán Zorba trat ins Freie.

„Recht so“, sagte er. „Bringt euch gegenseitig um.“

Olivaro wirbelte zu ihm herum. Haß loderte in seinen Augen.

„Du fühlst dich stark, weil du eine Muskete hast, wie?“ schrie er.

Hernán Zorba stellte die Muskete weg und zückte sein Messer.

„Dann zeig mir mal, was in dir steckt, du Ratte“, sagte er.

 

Olivaro wollte sich auf den Mann werfen, doch der Seewolf trat dazwischen. Seine rechte Hand landete bretthart auf Olivaros Unterarm. Der Kerl brüllte auf. Das Messer fiel zu Boden. Olivaro wich langsam zurück.

„Feiglinge!“ heulte er.

„Also los“, sagte Domingo Calafuria. „Auf was warten wir? Knüpfen wir ihn auf.“

Hasard schüttelte den Kopf. „Ben, gib mir deinen Degen.“

„Sir“, sagte Burl Ives. „Das Anrecht auf ein Duell mit diesem Hundesohn steht mir zu.“

„Dieses Mal muß ich Ihnen widersprechen, Mister Ives“, entgegnete der Seewolf gelassen.

Er ließ Olivaro nicht aus den Augen. Ihre Blicke begegneten sich. Noch war die wilde Macht, die in diesem Glatzkopf steckte, nicht gebrochen, das spürte Hasard deutlich.

Domingo Calafuria trat vor. „Dieser Kerl gehört uns, Señor Killigrew!“

„Nein. Ich gewähre ihm das Recht, sich zu schlagen.“

„Señor Killigrew“, sagte Rodrigo Calafuria. „Sie wissen nicht, was dieser Satan uns angetan hat! Unseren Frauen!“

„Ich kann es mir denken.“

„Ihr stinkenden Ratten“, sagte Olivaro. „Ich hätte euch alle der Reihe nach abgemurkst.“

„Daran haben wir nicht den geringsten Zweifel“, sagte Ben.

Er war neben seinen Kapitän getreten und händigte ihm seinen Degen aus.

Hasard warf Olivaro den Degen vor die Füße. Er steckte die Pistole weg und zückte den eigenen Degen.

Olivaro grinste hämisch. „Was gewinne ich denn, wenn ich siege?“ fragte er. „Nichts. Die anderen Drecksäcke hier werden mich aufhängen.“

„Wenn du siegst, hast du freies Geleit“, entgegnete der Seewolf. „Ben Brighton, mein Erster Offizier, bürgt dafür, falls ich sterbe.“

Olivaro lachte. „Das soll ich glauben?“

„Du hast mein Wort“, sagte der Seewolf.

„Dein Wort ist mir einen Dreck wert!“ brüllte Olivaro.

„Señor“, sagte Hernán Zorba. „Merken Sie nicht, daß er die Ehre nicht wert ist, die Sie ihm geben?“

Hasard ließ die Degenklinge durch die Luft pfeifen. Plötzlich hatte Olivaro eine blutige Schramme auf der rechten Wange.

„Bist du ein jämmerlicher Feigling, Olivaro?“ fragte Hasard.

Mit einem wilden Fluch bückte sich der Piratenführer und hob den Degen vom Boden auf. Dann kreuzte er mit dem Seewolf die Klinge. Er erwies sich als guter Fechter. Gleich bei seinem ersten Ausfall trieb er den Seewolf ein Stück zurück.

Hasard zog sich auf die Gasse zurück. Die Männer wichen auseinander. Olivaro stürzte sich mit wildem Lachen auf seinen Gegner und bearbeitete ihn mit der Klinge. Fast sah es so aus, als würde die Klinge Hasards Gesicht treffen.

Aber wie durch Zauberei fegte der Seewolf den Degen des Gegners zur Seite weg. Olivaro wurde nach rechts gerissen. Die Wucht des Paradehiebes ließ seine Schulter schmerzen. Er konterte sofort, aber auch jetzt gelang es ihm nicht, einen Treffer anzubringen. Zu gut war die Deckung des Seewolfes, zu flink seine Reaktionen.

Hasard ging zum Gegenangriff über. Mit einer Finte lockte er Olivaro aus der Reserve. Blitzschnell stieß Hasard zu, und der Pirat hatte noch eine Schramme – auf der linken Schulter. Olivaro stolperte rückwärts. Er war verwirrt. Seine Fassung war ins Wanken geraten.

Hasard folgte ihm und deckte ihn mit einer Serie von wirbelnden Hieben ein. Olivaro sicherte sich ab. Klirrend schlugen die Klingen gegeneinander. Halten konnte der Pirat sich aber nicht, er wich wieder zurück – bis an die Tür des Hauptquartiers. Er stieß die Tür mit dem Rücken auf.

Hasard trieb Olivaro ins Innere. Fluchend blockte der Pirat die immer schneller auf ihn einprasselnden Schläge ab. Dann sprang er hinter den Tisch, packte einen Stuhl und schleuderte diesen auf Hasard zu.

Hasard duckte sich. Der Stuhl prallte krachend gegen die Wand.

„Du gemeiner Bastard, Olivaro!“ schrie draußen Domingo Calafuria. „Schlag dich wie ein Mann!“

Olivaro trat gegen den Tisch, der polternd umstürzte. Olivaro glaubte, Hasard abgelenkt zu haben und wollte blitzartig zustechen. Doch wieder war der Gegner auf der Hut. Hasard wich aus – Olivaro stolperte ins Leere. Als er an Hasard vorbeiraste, verspürte er einen siedendheißen Schmerz in der Seite.

Olivaro knallte mit der Schulter gegen die Wand. Er stöhnte, lehnte sich gegen die Wand und drehte sich zu Hasard um.

„Du Schwein hast mich schon wieder getroffen“, sagte er keuchend.

„Das ist der Sinn dieses Duells“, erwiderte Hasard. Langsam trat er auf seinen Feind zu.

„Mich erledigst du nicht“, flüsterte Olivaro.

„Jeder Mann findet einmal seinen Meister.“

„Eingebildet bist du wohl gar nicht?“ höhnte Olivaro. Dann sprang er unversehens auf Hasard zu. Er duckte sich tief und versuchte, dem Seewolf den Degen in den Unterleib zu rammen.

Aber wieder reagierte Hasard schnell genug. Mit voller Wucht schlug er zu und drückte die gegnerische Klinge dadurch zur Seite weg. Olivaro heulte auf. Er stolperte zu dem umgekippten Tisch und fiel um ein Haar darüber.

Mit einer lästerlichen Verwünschung fuhr der Pirat zu Hasard herum.

„Stirb!“ schrie er.

Wie von Sinnen rannte er auf den Seewolf zu und hieb wild mit dem Degen um sich. Aber er brachte keinen Treffer an.

Der Seewolf war verschwunden, er schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Olivaro sah Schleier vor seinen Augen. Alles drehte sich um ihn – und dann bohrte sich der Stahl brennend mitten in seine Brust.

Olivaro torkelte quer durch den Raum. Weg, dachte er, nur weg hier. Er ließ den Degen fallen und wankte zur Tür. Hasard war hinter ihm, aber Olivaro registrierte es nicht mehr.

Die Männer murmelten, als Olivaro ins Freie stolperte. Domingo Calafuria wollte etwas unternehmen, doch sein Sohn hielt ihn zurück. Olivaro torkelte wie ein Betrunkener zum Ausgang des Dorfes. Fast hatte es den Anschein, als würde er es noch schaffen, im Wald unterzutauchen.

Dann aber knickten die Knie des Piraten ein, und Olivaro brach zusammen. Er krümmte sich und dachte: wenn ich doch bloß die verdammte Schatulle hätte.

Hasard war Olivaro gefolgt. Als dieser sich auf den Rücken drehte, blickte er ihm in die Augen.

„Nun ist es endgültig aus, Olivaro“, sagte der Seewolf.

„Fahr doch – zur Hölle …“

„Den Gefallen kann ich dir nicht tun.“

„Fahrt alle – zur …“

Olivaros Blick wurde starr, sein Körper versteifte sich. Als die Männer der Schebecke, die Fischer und Ives mit dem Mädchen bei Hasard eintrafen, sagte Hasard: „Er ist tot.“

„Seine Seele wird in der Hölle schmoren“, sagte Domingo Calafuria.

„Schafft ihn weg“, sagte Hernán Zorba.

Die Fischer hoben den Toten auf und trugen ihn fort. Hasard drehte sich zu Domingo, Rodrigo und den anderen um.

„Ich glaube, ihr könnt jetzt eure Familien ins Dorf holen“, sagte er.

Am Abend wurde im Dorf gefeiert. Die Fischer ließen ihre Retter hochleben. Burl Ives spendierte Bier und Whisky. Dies sei der schönste Tag seines Lebens, sagte er, und die Arwenacks nahmen es ihm ohne weiteres ab. Besonders, als sie später bemerkten, wie Farah den Kapitän küßte. Sie hatte sich unsterblich in ihn verliebt.

Am nächsten Tag hatte sich das Wetter beruhigt. Die Arwenacks setzten die Schebecke instand. Ferris Tucker und sechs Helfer schlugen Bäume und verarbeiteten sie zu Planken und Spieren. An Bord des Dreimasters wurde fleißig gehämmert und gezimmert. Bei dem Gefecht gegen die Piraten hatten sich die Lecks wieder vergrößert. Aber im Verlauf des Tages gelang es den Mannen, das Schiff wieder voll und ganz in Schuß zu bringen.

Hasard und Ben halfen Burl Ives und Farah Acton, den toten Harold Acton aus dem Wrack der „Samanta“ zu bergen. Danach beerdigten sie ihn unweit des Ufers und stellten ein hölzernes Kreuz für ihn auf. Farah begann wieder zu weinen.

Später aber tröstete Ives sie mit den Worten: „Dein Vater wäre stolz, wenn er wüßte, daß für dich alles gut ausgegangen ist.“

„Ja“, sagte sie. „Und dort, wo er jetzt ist, gibt es keine Schmerzen und Qualen mehr.“

Sie kehrten zum Dorf zurück.

„Was werdet ihr jetzt unternehmen?“ fragte Hasard die beiden.

„Wir werden heiraten“, entgegnete der Kapitän.

„Hier?“

„Wenn es die Möglichkeit gibt, einen Pfarrer zu holen, warum nicht?“ sagte Burl Ives.

Dieser Punkt war schnell geklärt. Domingo Calafuria sagte, man brauche nur zu dem zwanzig Meilen weiter westlich gelegenen Fischerort zu segeln. Dort gebe es einen Pfarrer.

„Wir können euch mitnehmen“, schlug der Seewolf vor.

„Wohin?“ fragte Ives.

„Bis zum spanischen Festland“, erwiderte Hasard.

Ives schüttelte den Kopf. „Das hat wenig Sinn. Spanien und England liegen nach wie vor in Feindschaft miteinander, und man würde uns dort vielleicht sogar als Spione festnehmen. Nein, das halte ich für keine gute Lösung. Trotzdem, vielen Dank.“

„Ja“, sagte Farah. „Auch ich danke Ihnen von Herzen, Mister Killigrew. Ihnen und Ihren Männern.“

„Wie gesagt, wir haben nur unsere Pflicht getan.“

„Mehr als das“, sagte Ives.

Ben räusperte sich.

„Wir könnten Ihnen vorschlagen, mit uns zurück nach England zu segeln“, sagte er. „Aber wir sind selbst noch nicht sicher, was wir tun werden. Vielleicht überqueren wir auch den Atlantik und suchen die Karibik auf.“

„Darüber müssen wir noch mit der Crew abstimmen“, fügte der Seewolf hinzu.

„Ich möchte auch nicht zurück nach England“, sagte Farah.

„Lieber nach Italien?“ fragte Burl Ives.

„Ja.“

„Dann weiß ich, was wir tun“, sagte der Kapitän. „Wir bleiben noch eine Weile hier im Dorf. Hier sind wir unter Freunden. Irgendwann kommt ein Schiff, das uns nach Italien mitnimmt. Wir haben ja Zeit genug.“

„Wir wünschen euch für die Zukunft alles Gute“, sagte der Seewolf.

Später setzte er zur Schebecke über und inspizierte das Schiff. Die Arbeiten waren abgeschlossen. Ferris Tucker meldete, daß der Dreimaster wieder voll seetüchtig und manövrierfähig sei. Der Weiterreise stand nichts mehr im Wege.

Am Nachmittag verabschiedeten sich die Mannen von den Fischern und den beiden Engländern.

„Wir werden euch nie vergessen“, sagte Domingo Calafuria, der vor der versammelten Menge eine Rede hielt. „Euer Andenken wird immer in unseren Herzen sein.“

Don Juan de Alcazar sprach auch noch einige Sätze in seiner Muttersprache, die sehr patriotisch und eindrucksvoll klangen. Asuncion Calafuria, ihre Tochter und die anderen Frauen vergossen ziemlich viele Tränen.

Dann war es soweit. Die Arwenacks schüttelten ihren neugewonnenen Freunden die Hände, gingen an Bord, lichteten den. Anker und setzten die Segel. Bei strahlendem Sonnenschein glitt die Schebecke aus der Bucht. Am Ufer standen die Spanier, Burl Ives und das Mädchen. Sie winkten Hasard und seinen Männern nach, bis sie die Schebecke an der Kimm nicht mehr erkennen konnten.

Die Arwenacks segelten nach Westen. Kurs auf Gibraltar lag an. Sie wollten jetzt so schnell wie möglich in den Atlantik – wenn es nicht weitere Zwischenfälle gab, die sie erneut aufhielten.

Der Seewolf hoffte inständig, daß die Weiterfahrt ruhig verlaufen würde. Aber eine Garantie gab es nicht. Die See und die Menschen, die sie befuhren, waren unberechenbar …

ENDE