Seewölfe Paket 26

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

„Na schön“, knirschte Acosta. „Dann fahrt zur Hölle! Der Teufel soll euch alle holen, und wenn ihr Bastarde je wieder meinen Kurs kreuzt, dann gibt es Zunder.“

„Das gilt auch für dich“, sagte Prado. „Paß auch gut auf, daß dir nicht ein paar von deinen Kerlen ins Kreuz springen, wenn du dich umdrehst.“

Er stänkerte noch ein bißchen, um die anderen aufzuhetzen, doch die meisten hatten noch Angst vor Acosta. Sie ergriffen allerdings auch nicht seine Partei und blieben sehr wortkarg.

Dann winkte Prado Acosta lässig mit der Hand zu, als wolle er ein paar Hühner verscheuchen.

Acosta änderte den Kurs, zähneknirschend und von einer berstenden Wut erfüllt. Am liebsten hätte er Prado und seine fünf Kerle vom Floß geschossen, doch das Kräfteverhältnis war gut verteilt, denn auch die anderen waren alle bewaffnet.

„Nun reg dich wieder ab“, sagte Dino kleinlaut. „Wir brauchen die anderen ja nicht unbedingt.“

Acosta war so von Wut erfüllt, daß er eine ganze Weile lang nicht antworten konnte. Mit Haß in den Augen starrte er dem Floß nach, auf dem die „Fahnenflüchtigen“ und „Abtrünnigen“ hockten und in aller Seelenruhe dem weißen Strand einer Insel zupaddelten.

„Ich lege diesen Schweinehund um“, sagte Acosta heiser. Er wollte schon wieder zur Muskete greifen, aber Esposito drückte den Lauf mit sanfter Gewalt zur Seite.

„Bringt doch nichts ein“, sagte er ruhig. „Die zielen im Augenblick mit vier Musketen auf uns.“

Acosta hatte das in seiner grenzenlosen Wut nicht einmal bemerkt. Jetzt sah er, daß vier grinsende Kerle höhnisch über ihre Musketen das Floß anvisierten.

Da legte er die Waffe mit einem Fluch zurück. In seinen Augen aber loderte ein unversöhnliches Feuer, das vom Haß genährt war.

„Drecksbande, verfluchte“, knurrte er. „Aber wir schaffen es auch allein, ohne die Mistkerle.“

„Richtig“, stimmte Miguel zu. „Du wolltest uns doch noch deinen Plan verklaren.“

So langsam beruhigte Acosta sich wieder.

„Ja, ich habe vor, die Insel da drüben anzulaufen.“

„Da, wo Prado hin will?“

„Nein, verdammt, die andere da drüben. Dort können uns die Kerle von der Karavelle nicht sehen. Auf der Insel warten wir die Dunkelheit ab und kehren dann wieder zurück. Bei der richtigen Finsternis entern wir die Karavelle, nachdem wir uns rangepirscht haben.“

„Wir sind aber nur sechs Mann“, gab Dino zu bedenken.

„Das weiß ich selbst. Aber ich will das Gold haben, bevor es den anderen Dreckskerlen in die Finger fällt. Deshalb entern wir eben mit nur sechs Mann. Das hat auch gleich noch den Vorteil, daß wir dann um so schneller das Gold kriegen.“

Miguel und Esposito kratzten sich die Schädel, weil sie Acostas Gedankengänge nicht ganz begriffen. Die drei anderen sahen ebenfalls verunsichert aus.

„Das kapiere ich nicht ganz“, sagte Miguel lahm. „Wieso kriegen wir das Gold dann schneller?“

Acostas Gesicht nahm wieder einen hinterhältigen Ausdruck an. Er grinste jetzt auch etwas schief, denn er glaubte, wieder einmal ganz genial zu handeln.

„Ganz einfach. Wenn wir entern, dann schnappen wir uns den erstbesten Kerl, überwältigen ihn und nehmen ihn in die Mangel. Dann werden die anderen schon aufstecken, wenn sie nicht das Leben ihres Kumpans riskieren wollen.“

„Und wenn sie es trotzdem tun?“

So ganz waren die anderen von der Theorie des schnellen Goldes noch nicht überzeugt.

„Stellt keine dämlichen Fragen“, sagte Acosta. „Dann schnappen wir uns eben den nächsten Kerl. Ich möchte wissen, was da schiefgehen soll! Wir müssen nur vorsichtig sein.“

Einer hatte aber doch noch Einwände, und das war der glatzköpfige Esposito, der mißtrauisch Acosta anblickte.

„Da sind immer noch zwei Sachen, die mir nicht gefallen. Die Kerle haben Drehbassen an Bord. Wenn sie uns rechtzeitig bemerken, dann werden sie uns mit Blei beharken, daß es nur so raucht.“

„Wir werden eben so leise heransegeln, daß sie uns nicht bemerken. Und was mißfällt dir sonst noch?“

„Die Sache mit Prado. Was tun wir, wenn wir mit dem gleichzeitig bei der Karavelle sind?“

„Sind wir nicht“, behauptete Acosta. „Wir werden eher da sein, weil wir eher aufbrechen. Von dem Gold werden Prado und seine Dreckskerle überhaupt nichts sehen, und wenn sie glauben, sie könnten es uns später auf die laue Tour abnehmen, dann sind sie geliefert.“

„Hoffentlich geht alles glatt“, sagte Miguel zweifelnd, aber auch diese Bedenken räumte Acosta schnell aus.

„Sicher geht alles glatt. Einesteils bin ich ganz froh, daß Prado mit den anderen Bastarden verschwunden ist. Das hat für uns nämlich noch einen weiteren Vorteil.“

Die anderen hörten wieder interessiert zu, denn Acosta sprach diesmal mit solcher Sicherheit, als hätten sie das edle Metall bereits eingesackt.

„Welchen Vorteil?“

„Na, überlegt doch mal: Wenn die sechs Kerle weg sind, brauchen wir das Gold auch nicht mit ihnen zu teilen. Dann gehört uns alles.“

Rein rechnerisch hörte sich das gut an. Es gab nicht mehr Hälften, sondern nur noch eine Masse, die durch sechs geteilt werden mußte, obwohl sich Acosta als der Initiator wohl den größten Teil der Beute bewilligen würde. Aber dann hatten sie immer noch genug. Schließlich war es eine ganze Schiffsladung voller Goldbarren, die auf sie wartete.

Sie steuerten die Nachbarinsel an und zogen das Floß auf den Strand.

Die Dunkelheit war schon zu ahnen. Nicht mehr lange, und die Sonne würde hinter der westlichen Kimm verschwinden.

Acosta rieb sich die Hände und freute sich auf die Dunkelheit. Wenn ihnen nur einer der Kerle in die Finger fiel, dann konnten sie ihn so lange in die Mangel nehmen und piesacken, bis er das Versteck mit dem Gold verriet.

Das waren Acostas Gedanken, und daher konnte er es kaum erwarten, endlich loszuschlagen.

Auf der anderen Insel rieb man sich ebenfalls die Hände.

„Den Dreckskerl sind wir los“, sagte Prado zufrieden. „Sollen sie nur entern und sich die Schädel einrennen. Die haben offenbar die Drehbassen auf der Karavelle vergessen. Sobald die lieben Freunde bemerkt werden, ist es aus mit ihnen. Die Kerle werden sie wegputzen wie alte Lappen.“

„Hoffentlich“, sagte Senona, ähnliche Gedanken hegend wie Acosta. „Dann wird der Batzen für uns auch größer bei der Teilung.“

Das freute auch die anderen sehr.

„Weiter, weiter“, drängte Santos, „was tun wir dann?“

„Ich bin davon überzeugt, daß sich das Gold nach wie vor auf der Insel befindet, wo wir mit der ‚San Jacinto‘ gestrandet sind. Das ist für mich so sicher wie das Amen in der Kirche. Es kann gar nicht woanders sein.“

Darin stimmten ihm alle zu.

„Keiner wird so dämlich sein und sich damit abplagen, das Gold auf eine andere Insel zu schaffen“, meinte Normando.

„Richtig, das können wir voraussetzen. Wir werden daher auch in der Nacht zurückkehren, aber nicht, um die Karavelle zu entern, denn das dürfte uns nichts einbringen, wie ich schon gesagt habe.“

„Du willst Acosta das Gold holen lassen und es ihm dann bei günstiger Gelegenheit abnehmen?“ fragte Santos.

„Der hat es noch gar nicht. Wir werden die Insel anlaufen und uns dort festsetzen, um alles genau zu beobachten. Das kann ruhig einige Zeit dauern.“

Er sah Enttäuschung in den Gesichtern und schüttelte den Kopf.

„Ich habe doch gerade eben gesagt, daß das Gold auf der Insel und nicht auf der Karavelle ist. Aber diese Kerle werden das versteckte Gold ja auch irgendwann einmal holen. Dazu müssen sie dann allerdings erst an Land gehen. Diese Gelegenheit warten wir ab und schlagen dann zu, wenn sie nicht mehr damit rechnen. Dann haben wir zumindest ein oder zwei Kerle in der Hand. Und daß die uns das Lied vom Gold singen werden, das verspreche ich euch, wenn wir sie danach sehr höflich fragen. Aus einem Kerl kriegt man alles heraus, wenn man es nur richtig anstellt. Dafür habe ich ein paar feine Methoden, denen auch der stärkste Kerl nicht standhält. Haben wir ein paar von den Kerlen, ist die Gruppe aufgesplittert. Ein paar an Land, ein paar auf dem Schiff. Der Vorteil liegt dann ganz klar auf unserer Seite, denn mit den Drehbassen können sie schließlich nicht an Land. Wir liegen in der besseren Position. Erst danach werden wir uns überlegen, wie wir weiter vorgehen. Alles andere ist vorerst müßig. Das muß sich aus der Handlung selbst ergeben. Wir haben also erst einen Teil des Planes zu erfüllen, woraus sich der andere entwickelt. Das ist besser, als blindlings anzugreifen.“

Jetzt waren alle am Feixen und am Grinsen, denn Prados Plan schien wesentlich erfolgreicher zu werden als Acostas Hauruck-Methode. Sie wünschten ihren Kumpanen nur noch, daß sie sich blutige Köpfe holten.

Inzwischen war das Floß auf den Strand gelaufen. Mit vereinten Kräften zogen sie es noch ein Stück höher hinauf.

Von Acosta war nichts mehr zu sehen, von der „San Jacinto“ und der Karavelle ebenfalls nicht. Sie konnten hier erst einmal in aller Ruhe abwarten und es sich gemütlich machen.

Sie hockten sich erwartungsvoll an den Strand und holten ihre Vorräte vom Floß.

„Kalte Verpflegung“, sagte Prado, „ein Feuer können wir uns hier nicht erlauben, man würde es sehr weit sehen. Aber wenn wir Rotwein dazu trinken, rutscht es auch ganz gut hinunter.“

„Gut, daß wir uns für dich entschieden haben“, sagte Santos. Er säbelte sich eine Speckscheibe ab, kaute etwas Hartbrot dazu und spülte mit Rotwein nach.

Die anderen mampften drauflos und freuten sich, daß sie sich bald jeden Wunsch erfüllen konnten.

Dann starrten sie in den Sonnenuntergang und sahen zu, wie die Riesenscheibe scheinbar im Meer versank.

 

Jetzt war nur noch ein kleiner Bogen übrig, der rasch tiefer glitt und schließlich auch verschwand. An der Kimm standen nur noch bunte Wolken in den Farben Orangerot und Tieflila, die immer mehr in Schwärz übergingen.

Dann war die Nacht da.

„Wer will, der kann sich ein paar Stunden hinlegen“, sagte Prado. „Einer geht den Strand ab, damit wir keine Überraschungen erleben.“

„Die Karavelle segelt bestimmt nicht hierher“, sagte Santos.

„Ich denke an unseren lieben Freund. Dem traue ich viel eher zu, daß er heimlich heransegelt und einen kleinen Feuerzauber auf uns veranstaltet.“

Schlafen wollte keiner, denn Acosta trauten sie nicht über den Weg. Der kriegte es in seinem Haß fertig und stattete ihnen einen blitzschnellen Besuch ab.

Daher gingen Morro und Senona die erste Runde Wache und wechselten sich später mit zwei anderen ab. Gesprächsthema war das Gold, und wie sie es einmal anlegen wollten. Darum drehte sich alles.

6.

Acosta hatte es furchtbar eilig. Ihm brannte die Zeit unter den Nägeln, weil er nicht wußte, wann Prado aufbrechen würde, denn der steckte ebenfalls nicht auf und würde bei nächster Gelegenheit zuschlagen.

„Los, hoch mit euch“, sagte er zu seinen Kerlen. „Wir müssen so früh wie möglich da sein, sonst haben wir die verdammten anderen Kerle vor uns. Beeilt euch gefälligst, gleich haben wir goldene Nasen.“

Das Gold trieb die dösenden Kerle augenblicklich hoch. Sie schoben das Floß ins Wasser, setzten das Segel und fuhren los.

„Wir haben Ostwind“, sagte Acosta, der wieder das Ruder übernommen hatte. „Dann sind wir auch schneller da. Möglicherweise ist von den Kerlen jetzt keiner mehr am Leben oder nur noch einer oder zwei.“

„Wenn die nicht mehr am Leben sind“, sagte Dino bedächtig, „dann sieht es für uns beschissen aus.“

„Wieso das denn?“ fragte Acosta leise lachend. „Dann haben wir doch alles, was wir brauchen.“

„Eben nicht – das Gold haben wir nicht, und niemand wird uns verraten können, wo es steckt.“

Ein paar Augenblicke lang herrschte absolutes Schweigen auf dem Floß. Jeder dachte intensiv nach. Sogar Acosta war für kurze Zeit betroffen, doch dann fing er sich wieder.

„Quatsch! Wenn die Kerle abgenippelt sind, haben wir keine Gegner mehr, aber ein wehrhaftes Schiff, das gut bestückt ist. Damit können wir Prado und die anderen Bastarde erledigen. Das Gold suchen wir dann in aller Ruhe. Es muß ja auf der Insel sein. Zeit und Ruhe haben wir ebenfalls. Von mir aus können alle abgenippelt sein.“

Das beruhigte die anderen Kerle wieder.

Die Nacht war nicht schwarz, wie sie es sich gewünscht hatten, doch es gab Wolkenbänke am Himmel, und der Mond ließ sich auch nicht blicken.

Etwas später sahen sie die Umrisse der Karavelle. Acosta nahm das Segel weg und ließ das Floß langsam weitertreiben.

„Keine Unterhaltung mehr“, raunte er den anderen zu. „Sieht so aus, als hätten die Kerle nicht mal eine Wache aufgestellt. Oder sie sind doch alle erledigt.“

Er sah sich lauernd nach allen Seiten um, aber von dem anderen Floß war keine Spur zu sehen. Demnach war Prado also noch unterwegs, oder er wollte noch länger warten.

Immer wieder beobachtete Acosta die Karavelle, auf der sich nichts rührte, kein Licht brannte und sich niemand zeigte.

Bei dem Gedanken, daß sie alle an dem vergifteten Proviant zugrunde gegangen waren, grinste er höhnisch. Jetzt würde es nicht mehr schwer sein, sich der Karavelle zu bemächtigen.

Seine Kerle grinsten ebenfalls bei der Vorstellung, bald im Besitz des Goldes und der Karavelle zu sein.

Die Waffen hatten sie griffbereit zur Hand.

Nach dem Einbruch der Dunkelheit waren Old O’Flynn und seine Crew auf alles gefaßt. Sie wußten, daß etwas passieren würde, nur den Zeitpunkt kannten sie nicht.

Die Drehbassen waren feuerbereit, ebenso die anderen Waffen, die griffbereit dalagen.

Eine Stunde nach der anderen war vergangen. Die Zwillinge schauten abwechselnd durch das Spektiv.

„Die lassen sich aber verdammt viel Zeit“, meinte der Kutscher. „Die werden doch nicht etwa geläutert und gereinigt verschwunden sein? Das kann ich mir absolut nicht vorstellen.“

„Die Flöße sind ja auch keine Schnellsegler“, sagte Martin Correa. „Die brauchen selbst bei dem guten Ostwind eine Weile, bis sie herangetörnt sind.“

Nach abermals einer Stunde meldete sich Philip junior.

„Da sind sie, noch ziemlich unten im Süden. Aber es ist nur ein einziges Floß zu sehen.“

„Dann spielen wir ihnen zum Tanz auf“, sagte Old Donegal entschieden. „Wir feuern, sobald sie auf Musketenschußweite heran sind. Ich bin mir nämlich nicht sicher, ob die Kerle nicht ein paar Waffen auf die Flöße geschmuggelt haben.“

„Pardon gibt’s jedenfalls nicht mehr“, sagte Carberry, „die Kerle wollen uns an den Kragen, und ich sehe nicht ein, daß wir sie immer wieder schonen sollen.“

Nils, Sven, Stenmark und Carberry hatten die Drehbassen der Steuerbordseite besetzt und warteten. Sie hielten sich so, daß sie von dem Floß aus nicht gesehen werden konnten. Für die Angreifer mußte das aussehen, als sei nicht einmal eine Wache an Bord.

Kurz darauf war zu erkennen, daß auf dem Floß das Segel weggenommen wurde.

„Jetzt wollen sie sich anpirschen“, sagte Carberry, „die müssen uns für ziemlich bescheuert halten.“

Das Floß trieb nur noch langsam näher, seit das Segel weggenommen worden war. Aber es behielt die Richtung bei.

Old Donegal und die Zwillinge stierten sich die Augen nach dem anderen Floß aus. Es mußte den gleichen Kurs segeln, wenn es die „Empress“ erreichen wollte, aber es war nicht zu sehen.

Sie wunderten sich darüber und fragten sich, was die Kerle wohl vorhaben mochten, denn es war ungewöhnlich, daß nur sechs Mann die „Empress“ entern wollten.

Eine Gestalt auf dem Floß richtete sich auf und schien scharf zur Karavelle zu starren. Eine zweite richtete sich ebenfalls langsam und vorsichtig auf.

„Sieht aus, als hielten sie Musketen in den Händen“, sagte Hasard junior leise, „aber so genau kann ich das leider nicht erkennen.“

Der Abstand verringerte sich langsam. Haargenau trieb das Floß auf die Steuerbordseite der „Empress“ zu.

Eine Wolkenwand zog vorüber. Für Augenblicke wurde die Sicht so schlecht, daß sie nicht einmal mehr das Floß sahen. Dann konnten sie es wieder erkennen und auch die sechs Gestalten, die jetzt alle zusammengekauert auf den Planken hockten.

„Feuer“, sagte Old O’Flynn, als das Floß auf Musketenschußweite heran war.

Die Schwärze der Nacht wurde jäh von vier überaus grellen Blitzen zerrissen. Vier lange Feuerzungen leckten aus den Drehbassen. Dann rollte der Donner über die See.

Ein Blei- und Eisenhagel fegte mit vernichtender Gewalt über das Wasser und schlug auf dem Floß ein.

Der Hilfsmast zersplitterte und flog in hohem Bogen davon.

Ein Kerl schrie laut und brüllend auf. Das Floß schwankte, und ein weiterer Mann stürzte ins Wasser. Innerhalb von Sekunden befanden sich vier der Angreifer im Wasser. Sie gingen unter und tauchten auch nicht mehr auf.

Zwei andere, Dino und Acosta, hatte es ebenfalls erwischt. Ihr letzter Eindruck war der eines endlos langen Blitzes gewesen. Mehr hatten sie nicht gesehen, und auch die Einschläge der Blei- und Eisenkugeln nicht mehr gespürt.

Jetzt saßen die beiden letzten Gestalten in sich zusammengesunken und tot auf dem Floß.

Die Drehbassenladung hatte ausgereicht, alle sechs Angreifer außer Gefecht zu setzen.

Carberry blickte an der Drehbasse vorbei. Die beiden Dänen und der Schwede Stenmark sahen ebenfalls zu dem Floß.

„Aus und vorbei“, sagte Old O’Flynn mit harter Stimme. „Die Kerle waren nicht zimperlich, und wir sind es auch nicht. Wir hatten keine Veranlassung, die Schnapphähne zu schonen. Sie haben es selbst nicht anders gewollt.“

Die beiden zusammengesunkenen Gestalten rührten sich nicht mehr. Das Floß trieb jetzt langsam und teilweise zersplittert in Richtung Westen davon.

Sie blickten ihm nach, bis es die Dunkelheit nach einer Weile verschluckte.

„Wo, bei allen Nachtgeistern, bleibt nur das andere Floß?“ fragte Old O’Flynn verwundert. „Warum war es bei dem Angriff nicht dabei? Da geht doch etwas nicht mit rechten Dingen zu.“

Der Kutscher hatte bereits darüber nachgedacht und glaubte, auch ein Ergebnis zu haben.

„Wir wissen ja nicht, welche Kerle auf diesem Floß waren. Wir wissen nur, daß es sechs waren, die uns überfallen wollten. Aber die sechs Kerle auf dem anderen Floß hatten dem früheren Steuermann von der ‚Viento Este‘ schon den Gehorsam aufgekündigt. Ansätze zur Aufmüpfigkeit haben wir ja beobachten können. Die Kerle haben sich ganz einfach zerstritten, und so geht jeder seiner eigenen Wege. Das ist die plausibelste Erklärung, die ich habe. Deshalb sind die anderen nicht dabei und kochen jetzt ihr eigenes Süppchen.“

„Ja, so könnte es sein“, sagte Stenmark, „das würde erklären, warum die sechs Halunken allein angreifen wollten. Der eine hatte Stunk mit diesem Acosta und hat fünf Kerle um sich geschart. Die fünf anderen sind bei dem anderen Kerl geblieben.“

Old O’Flynn seufzte leise und starrte zu den Zwillingen, die immer noch abwechselnd durch das Spektiv spähten.

„Nichts zu sehen?“

„Nein gar nichts. Auch das Floß ist jetzt im Westen verschwunden.“

„Behaltet die westliche Richtung trotzdem hin und wieder im Auge“, empfahl er.

„Die kehren sicher nicht mehr zurück“, sagte Carberry. „Die letzten beiden sind tot, die hat es erwischt.“

Old O’Flynn aber war ein mißtrauischer Mann. „Vielleicht hat er sie doch nicht erwischt und sie spielen jetzt den toten Mann, und kommen dann zurück.“

„Tote kehren nicht mehr zurück“, sagte Martin. „Ich habe deutlich gesehen, wie der kleine Mast zersplitterte, neben dem die beiden saßen. Sie sind schlagartig zusammengesunken, als hätte der Blitz sie gefällt.“

„Das habe ich auch gesehen“, sagte Nils. „Die Befürchtung brauchen wir nicht zu haben.“

Schließlich war Old O’Flynn selbst davon überzeugt, jedenfalls sagte er das, konnte sich aber den Blick in westliche Richtung doch nicht verkneifen.

Der Kutscher nahm den Faden wieder auf und sagte: „Diese anderen sechs Kerle sind vermutlich nicht gerade zu Lämmern geworden. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie jetzt auf das Gold verzichten werden.“

„Das kann ich mir auch nicht vorstellen“, sagte Sven. „Solche Buschklepper geben doch nicht auf, und wenn sie sich zehnmal blutige Nasen holen. Der Kutscher hat recht – wir müssen mit weiterem Besuch rechnen.“

„Damit rechne ich sowieso“, brummte Old Donegal. „Sechs großmäulige Helden werden noch mal einen Versuch wagen. Deshalb bleiben wir auch gefechtsbereit. Am besten, wir stellen zwei Posten auf, die pausenlos beobachten.“

Carberry reckte seinen mächtigen Brustkasten. „Vielleicht hält die anderen Schnapphähne das Drehbassenfeuer ab. Sie müssen es auf jeden Fall gehört haben, wenn sie nicht gerade auf den Ohren sitzen. Kann sein, daß diese Nacht kein Überfall mehr erfolgt und die Kerle fürs erste die Hosen voll haben.“

„Darauf verlasse ich mich lieber nicht.“

„Sollst du auch nicht“, sagte Carberry, „wir stellen zwei Wachen auf und beobachten. War ja nur eine Vermutung von mir.“

Die Drehbassen waren inzwischen wieder feuerbereit. Auch die nächste Gruppe Schnapphähne würde eine herbe Enttäuschung erleben. Sie wußten zumindest, daß sie sich nicht ungesehen heranpirschen konnten, und sie durften auch mit Sicherheit annehmen, daß ihre Kumpane das Zeitliche gesegnet hatten, wenn sie logisch denken konnten. Vielleicht waren diese Kerle etwas schlauer als die anderen.

Jene, die keine Wache hatten, legten sich neben den Drehbassen auf die Planken, um ein paar Stunden zu schlafen.

Edwin Carberry behielt mit seiner Vermutung recht. In dieser Nacht blieb alles still und ruhig.

Das abgetriebene Floß kehrte nicht mehr zurück, und auch die anderen Kerle ließen sich nicht blicken.