Eine neutrale Tüte bitte! Menschen im Sexshop

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1.2

Jung, ungebunden, aufgeschlossen, sucht …

Natürlich besuchen auch ganz normale, aufgeschlossene Singles aller Altersklassen einen Erotik-Shop. Wer, wenn nicht sie? Aber es gibt eben auch Besonderheiten.

Die für mich faszinierendsten Exemplare der Spezies Single, haben etwas minimal Lauerndes. Ganz harmlos, gemeint ist sicher keine Massenmörder-Ausstrahlung, aber doch die auffällige Außenwirkung dauerhaften Wartens. Es mag daran liegen, dass diese Männer fast schicksalshaft oft in der zweiten Reihe stehen. An der Kasse, beim Ansprechen eines Verkäufers, allein schon beim Umsehen im Ladengeschäft wirkt der Warter wie ein lauerndes Fragezeichen auf der Suche nach ganz vielen Antworten. Möglicherweise liegt es daran, dass wirklich unheimlich viele Fragen in diesem Menschen stecken.

Das Schicksal des introvertierten Bedenkenträgers ohne Womanizer-Ausstrahlung. Ein paar Kilo zu viel, ein paar Haare zu wenig, ein gewisses Maß andauernder Transpiration, zu viel Sorge um Unwahrscheinlichkeiten, zu wenig um den eigenen Style, alles zusammen Dinge, die einen leider zum Wartenden auf Glück und Erleben machen können.

Der Warter lauert auf Möglichkeiten zu einem Gespräch, einer Veränderung, einer Erfahrung, einem Fick, einer Beziehung, einem etwas mit Abenteuer gefüllten Leben. Und bleibt dennoch dabei unheimlich kritisch, schließlich könnte all das ja auch irgendwelche Gefahren beinhalten. Also nicht gerade die beste Grundlage für ein lockeres Kennenlernen unter entspannten Menschen – auch nicht mit einem Sexshop-Angestellten.

Es bleibt einfach gerne alles ein wenig distanziert. Also ich. Ich bleibe doch tatsächlich distanziert, wenn sich jemand unsicher am Verkaufstresen herumdrückt und dann von einem Leder-Harness erzählt, den er jetzt gerade unter der Kleidung trage. Unterlegt mit diesem „Sie wissen schon“-Blick. Sie wissen schon, ich bin ein unheimlich verwegener Mensch, denn genauso fühle ich mich gerade. Und es wird Ihnen doch bestimmt auch überhaupt nicht seltsam vorkommen, wenn ich Sie darum bitte zu kontrollieren, ob die Lederriemen dieses Harness an allen Stellen richtig sitzen. Denn insbesondere an der Hüfte und hier unten im Schritt …

Äh – nein. Dort kontrollieren wir nicht. Auch nicht, wenn bei uns gekauft. Wir kennen alle diese Geschichten, auch die unterschwelligen und halbseidenen, die uns zu Erfüllungsgehilfen machen sollen. Und exakt so eine wird das gerade. Das ist so ähnlich, wie wenn meine Kolleginnen oder ich uns doch bitte mal eben ein breites Spielhalsband umlegen lassen sollen. Aus reinen Testzwecken natürlich. Nur um mal zu sehen, wie es der heimlich Angebeteten so stehen könnte. Oder wie es überhaupt an einer Frau aussieht.

Wer sich so weit nicht wagt, möchte zumindest von uns in Fesseln gelegt werden. Der Warter nimmt gerne mit, was geht. Auch das Kleinste, die winzigste erreichbare Realität, einen Hauch von Erleben. Und wie hundsgemein, dass wir Verkäuferinnen uns bei Wünschen dieser Art eher sperrig verhalten. Wir behelfen uns mit Formulierungen wie „Ach, das schaffen Sie sicherlich auch selbst“ oder „Halsbänder werden nur mit Stolz getragen und mit Liebe vergeben“. Aber letztendlich ist auch ein freundliches Nein eben doch ein Nein.

Und unter uns Gebetsschwestern: Das geht einigen meiner männlichen Kollegen nicht anders. Klar haben wir ein paar echt leckere Sahneschnitten darunter. Jung und hübsch, sehr sympathisch. Die haben nicht selten eine Besucherhand am Po oder eine bittende Kontaktanfrage auf dem Facebook-Account. Und in den seltensten Fällen sind sie glücklich darüber. Nur weil sie sich charmant aus der Affäre ziehen, wird der plumpe Versuch nicht besser, sondern bleibt übergriffig. Klar kann man/frau seine Nummer auf einen Zettel kritzeln und ein nettes Angebot machen, aber anfassen geht gar nicht. Weder in hetero noch in schwul und das nicht erst seit #metoo.

Doch zurück zum Warter, dessen Lust ist groß und die Suche extrem bestimmend. Hinter einer ganz normalen Puppen-Dekoration kann man bei uns einen winzigen Blick auf einen Raum erhaschen, der nicht öffentlich zugänglich ist. Wenn man sich viel Mühe gibt und einen schwarzen Vorhang ein klein wenig zur Seite schiebt, dann kann man ihn sehen. Man benötigt also eine Menge Neugierde, um ihn zu erkennen. Einen völlig normalen Raum mit schwarzen Wänden, ohne spannendes Interieur. Hier finden hin- und wieder BDSM-Seminare statt, manchmal drehen wir hier auch unsere Produktvideos. Ganz banal. Aber der Warter findet ihn, kommt ganz nah an den Verkaufstresen und raunt regelmäßig mit vor Spannung gesenkter Stimme:

„Sagen Sie – in diesem Raum dort hinten – kann man da auch mal etwas erleben?“

„Wie meinen Sie das genau?“

„Nun ja, ich dachte, dort wird vielleicht mal etwas vorgeführt oder so. Etwas Spezielles.“

„Da muss ich Sie leider enttäuschen. Dort hinten halten wir nur Kunden gefangen, die nachts den Ausgang nicht mehr gefunden haben. Da passiert nicht viel.“

Die kurzzeitige Schnappatmung ist den Spaß wert, auch wenn wir sie mit einem Augenzwinkern schnell wieder weglächeln. Dass es tatsächlich ab und zu Vorführungen gibt, die jedoch keinem festen Zeitplan unterliegen, verschweigen wir lieber. Der aufmerksame Kunde bekommt sie nur mit, wenn er zu passender Zeit am passenden Ort steht und rein zufällig Zeuge einer kleinen Szene wird, die er so sicher nur einmal im Leben erlebt. Eine befreundete Domina des Hauses, eine eloquente, liebenswürdige Dame, terminiert sich hin und wieder mit ihren Einzelgästen bei uns, wenn sich diese die Umsetzung einer Entführungs-Fantasie wünschen.

Man weiß nicht, was für unsere Kunden dann der verwirrendere Moment ist: dass sich plötzlich sehr leise eine Tür der Umkleidekabine öffnet, zwei Voll-Latex-Dominas mit gewaltigen Brüsten einem überraschten Kunden von hinten einen Gummisack über den Kopf stülpen, ihn ruck zuck verschnüren und aus dem öffentlichen Blickfeld schleifen? Oder dass wir Angestellten das ganze Szenario völlig unbeteiligt wahrnehmen und keinerlei Miene verziehen? Man kann nur raten, aber die fassungslosen Gesichter der Besucher wären eine Fotoserie wert.

Unbestritten ein Traum für einen der erlebnisorientierten Warte-Singles, den zu sehen, er nur leider kaum Möglichkeiten haben wird. Solche Aktionen kommen wirklich selten vor und werden von uns nie angekündigt. Und selbst wenn: einmal in eine andere Richtung geblickt und schon ist das Zuschauer-Abenteuer leider verpasst. Der Charme einer Entführung liegt bekanntlich im Überraschungs- und Schnelligkeitsmoment. Beides beherrschen die beiden Damen ausgesprochen gut. Und von der weiteren Behandlung ihrer Gäste bekommen die unseren gar nichts mehr mit. Das Hinterzimmer hat eben doch so seine kleinen, intimen Geheimnisse.

Vielleicht wartet „jung, ungebunden, aufgeschlossen, sucht …“ aber auch gerade an ganz anderer Stelle oder sucht bei einer meiner Kolleginnen einen psychologischen Exkurs über seine persönlichen Vorlieben. Vor deren Umsetzung er oft ebenso viel Angst hat wie vor ihrer Nichterfüllung. Oder noch viel schlimmer: dass irgendjemand davon erfahren könnte. Draußen im richtigen Leben. Dort wo real geliebt und erlebt wird. Naja – Leidenschaft braucht Begeisterung, Begeisterung braucht Realität, Realität braucht Mut. Finde den offensichtlichen Fehler des Wartens.

Man kann es glauben oder nicht: das weibliche Pendant zum aufgeschlossenen Single-Mann zeigt sich übrigens meist bedeutend entschlossener. Selbst eine – auf den ersten Blick – eher graue Maus wagt sich an konkrete Informationen, sucht sich Adressen, geht alleine auf Partys, datet sich und bekommt in der Wartezeit auf Mr. Right ziemlich konkret heraus, wie sie sich den künftigen passenden Partner vorstellt und was mit ihm erlebt werden möchte. Frauen können gnadenlos gut sein, wenn sie es wagen, sich für ihre Bedürfnisse zu entscheiden. Da wird viel weniger hoffnungsvoll herum gesehnt und schließlich doch erst einmal gelassen. Frauen sind da meist offen, machen sich schlau, entscheiden und tun es einfach. Sie fragen ja bekanntlich auch problemlos nach dem Weg und lesen sogar Produktbeschreibungen.

Im Gegensatz zu einem von mir sehr geschätzten, eher zurückhaltenden Stammkunden. Der kam eines Tages un­­typischerweise etwas grummelnd vorbei und sagte, dass die Idee vom letzten Mal „irgendwie blöd gewesen sei“. Ich erinnerte mich. Er hatte sich ein Shunga Lovebath von mir empfehlen lassen. Eine Art aphrodisierenden Zusatz, dessen Spezialität darin liegt, sich nach Zugabe ins Badewasser in eine besonders sämige Konsistenz aus Gel-Perlen zu verwandeln. Eine Lustwanne voll duftendem Glibber also, was ziemlich genau dem entsprach, was er sich für sein Date gewünscht hatte. Dummerweise las er allerdings die Gebrauchsanweisung nicht und warf das zweite Tütchen Zauberpulver versehentlich mit der Verpackung weg. Nämlich genau jenes, mit dem sich der Glibber anschließend wieder in klares Wasser zurückverwandelt hätte. Somit stand der arme Kerl wohl ausdauernd mit einem Pümpel vor seiner Wanne, um das Lovebath durch den Abfluss auch wieder wegzubekommen. Bei dieser Vorstellung konnte ich die Äußerung „es wäre irgendwie blöd gewesen“ extrem gut verstehen. Bei guten Dates pümpelt man eher nicht.

Und dann gibt es wiederum diejenigen, die aus schierem Glück fast platzen mögen und oftmals schlägt ihr Herz für Dinge, die man nicht in ihnen vermuten würde. Ein sehr netter, kugelrunder, kleiner Rocker beispielweise, in Lederkluft und Jeansweste, kam schwitzend mitten im Hochsommer. Ein ganz liebenswürdiges, kommunikatives Kerlchen, das mir einen ganzen Schwung Korsetts auf den Tresen legte. Es ging um passende Größen für ihn, wir mussten ein bisschen wühlen gehen, denn auch die XXL-Damengrößen wollten seinen Waschbär-Bauch nicht so recht umschließen. Aber wir fanden natürlich etwas und er bat mich mit in die Umkleide, um ihn zu beraten. Das ist dann schon niedlich, wenn unter der Rockerkluft ein Ganzkörperanzug aus rotem Lack zum Vorschein kommt. Kein Wunder, dass diesem kleinen Hobbit extrem heiß war. Jedoch: Seine Augen strahlten, als wir das schwarz-rote Korsett tatsächlich geschlossen und auch ein wenig geschnürt bekamen. Und dann stand er da vor dem Spiegel, drehte sich verspielt ein wenig nach links und nach rechts und wollte von mir wissen, ob er das wohl tragen könne.

 

Und ich finde: ja! Absolut. Das kann er. Weil er diesen schrillen Fetischtraum glücklich trägt und mit Leben füllt. Es macht nicht unbedingt „einen schlanken Fuß“, aber darum geht es ja auch nicht. Er fühlt sich pudelwohl und wird damit irgendetwas Spannendes anfangen. Zuhause oder in einem Club, der dafür ausgerichtet ist. Und jetzt, in diesem Moment, standen wir eben beide lächelnd in einer Kabine, er legte freudestrahlend die behaarten Hände auf seinen runden Bauch, streckte sich ein wenig aufrechter und sagte völlig überzeugend:

„Stimmt! Das ist sehr schön und betont die Taille. Schließlich kann man doch zeigen, was man hat! Hach, ich liebe mein kleines Geheimnis!“

Ja. Und ich liebe, besonders in solchen Momenten, meinen Job und würde ihn gegen keinen anderen tauschen wollen, in denen wir uns so oft mit all den genormten Masken begegnen. Es hat doch jeder sein sehnsüchtiges, kleines Geheimnis. Auch wenn nicht jedes in Lackrot unter einer Lederkombi herausblitzt.

1.3

Mastermind: Der „auf alles perfekt vorbereitet“-Single

Ein ziemlich engagierter Trockenschwimmer ist der nächste Single-Typus. Und ich gebe zu, beim ersten Kontakt mit dieser Spezies dachte ich lange Zeit, ich wäre im falschen Film oder hätte irgendeine relevante Information verpasst.

Dass Männer bei uns auch für ihre Frauen einkaufen, ist nichts Ungewöhnliches. Manche verschenken zum Hochzeitstag etwas, das sie gerne mal an ihr sehen würden. Die einen mit kleinem Budget und eher recht plakativen Ideen, andere mit ganz ausgezeichnetem Geschmack. Wir weiblichen Angestellten haben schon oft einem Mann unser aufrichtiges Kompliment ausgesprochen, wenn da einer mit viel Liebe zum Detail eine Auswahl an Dessous, Düften, Nylons und Accessoires zusammenstellte, die fast ein wenig neidisch machen kann. Und es gibt auch die sehr bemühten Männer, die offensichtlich hilflos geraume Zeit vor einer meterlangen Dessous-Wand stehen, aber eine Beratung scheuen. Manchmal lösen wir Kolleginnen dieses Problem, indem wir ganz zufällig ein Stück entfernt ein Gespräch unter uns beginnen und uns über Optik und Passform verschiedener Modelle austauschen. In solch einem Fall sieht man nebenan dann die Ohren wachsen und nicht selten wandert anschließend genau eines der besprochenen Modelle, sogar in selbst ausgewählter Größe, an die Kasse. Eine Art Beratung-light, die uns immer wieder viel Spaß macht.

Aber es gibt auch Geschenkanlässe, die in mir eine Menge Fragen aufwerfen:

„Ich hätte gerne etwas für eine Frau.“

„Aber klar, gerne. Was soll es denn sein?“

„Naja, ich weiß nicht so recht. Vielleicht erstmal etwas, was sie anziehen kann.“

„Ok, haben Sie sich ein spezielles Material vorgestellt? Hier im Fetisch-Bereich kann ich Ihnen Lack, Wetlook und Latex anbieten.“

„Was wird denn gerne getragen?“

Es folgt eine kleine Materialkunde, bei der wir eher zu den leicht tragbaren Dingen tendieren, da ein klassischer Latex-Käufer wüsste, dass er Latex bevorzugt.

„Ja, dann vielleicht sowas wie hier drüben.“

„Welche Größe soll es denn sein?“

„Ich kenne mich da nicht so genau aus. So wie Sie etwa. Vielleicht mit etwas mehr (alternativ: weniger) Busen.“

„Gut, dann wäre das ungefähr eine M-Size. Meinen Sie, das kommt hin?“

„Ja, das könnte ich mir ganz passend vorstellen. Und dann noch was Erotisches zum Spielen.“

„In welche Richtung soll es denn gehen?“

„Ich hatte da ehrlich gesagt auf Ihre Beratung gehofft.“

„Sehr gerne, aber ein klein wenig thematische Starthilfe müssen Sie mir schon bitte geben.“

„Naja, also es wäre schön, wenn sie mich ein bisschen dominieren würde. Aber so, dass es auch ihr Spaß macht.“

„Ähm, wir stehen hier zwischen Peitschen, Fesseln, einer Unzahl an Painplay-Artikeln, Keuschheitskäfigen und Co. Was reizt Sie denn besonders?“

„Alles.“

„Ok. Was halten Sie davon, wenn ich Ihnen eine Art Starter-Set zusammenstelle? Sehr brauchbare Dinge, mit denen man kaum falsch liegen, aber einiges ausprobieren kann?“

„Das klingt gut, aber unbedingt auch etwas Verwöhnendes für die Frau. Etwas, was sie richtig heiß macht.“

„Das bekommen wir hin. So (lang und breit erklärt), ich denke, das wäre ein sinnvolles Set, mit dem Sie zuhause Freude auslösen werden.“

„Prima, das nehme ich alles. Inklusive Kleid. Und Stiefel. Hohe Stiefel bis zum Oberschenkel bitte.“

„Gerne. Welche Schuhgröße trägt die Dame?“

„Was ist denn die Durchschnittsgröße bei ungefähr 1,70 m?“

„Kann man so nicht sagen. 40 vielleicht. Aber fragen Sie doch am besten bei Ihrer Partnerin nach.“

„Das kann ich nicht. Es gibt sie doch noch gar nicht.“

In solchen Momenten werde sogar ich sprachlos. Ja, es gibt wirklich Singles, die eine Unmenge an Geld in die Ausstattung einer imaginären Traumfrau investieren, der sie irgendwann zu begegnen hoffen. Und die mit mittelgroßen Brüsten dann hoffentlich in eine durchschnittliche M-Size und eine ebenso durchschnittliche 40er Schuhgröße passt. Und dann ganz, ganz schnell, von einer erotischen Devotionalien-Schatzkiste überrascht, all die Zauberdinge professionell einzusetzen versteht, um der langjährigen Sehnsucht des frisch kennengelernten Kandidaten endlich Befriedigung zu verschaffen. Ach ja, die Liebe und die Hoffnung sind doch wahre Himmelsmächte!

Aber wie so oft im Leben: die einen darben einsam, die anderen schwelgen im Überfluss. Bei den jungen, gutaussehenden Dauer-Singles mit Parship-Mitgliedschaft herrscht eher Flut denn Ebbe. Bekanntlich wird sich dort alle elf Minuten neu verliebt und man könnte fast das Gefühl bekommen, dass es sich dabei immer um ein und denselben Single handelt.

Uns kann das mehr als recht sein, vor allem wenn die Jungs verspielt genug sind, für jede Affäre eine eigene, kleine Toy-Kiste einzurichten, was ja fast schon einen fürsorglichen Charakter hat. Denn wer möchte am Freitag schon den Dildo der Mittwochsfrau in sich haben? Eben. Für mich ist das sogar sehr amüsant, wenn noch an der Kasse kleine Häufchen gebildet werden, damit für unterschiedliche Vorlieben und zugehörige Partnerinnen auch nichts vergessen wird.

„Dann leg doch bitte noch eine Packung XXL-Kondome zum Silikon-Gleitgel und den Nippel-Saugern. Und zum Flogger und dem Bondage-Tape die Gummis mit Bananengeschmack.“

„Spannende Mischung. Ich hätte jetzt eher auf umgekehrt getippt. Fruchtgeschmack für die SM-Braut? Und seit wann kaufst du XXL?“

„Die sind nicht für mich, sondern für die XXL-Dildos der kleinen, schönen Fee. *lacht* Und die SM-Braut hasst Bananen, ich freue mich jetzt schon auf ihr Gesicht, wenn sie die Dinger probieren darf.“

„Dann komm mal nicht durcheinander mit deinen Schätzen.“

„Keine Sorge, das wandert sauber in unterschiedliche Kartons. Ordnung im Chaos ist verdammt wichtig.“

„Deshalb stecke ich dich ja auch in die Kunden-Schublade ‚Der auf alle Eventualitäten perfekt vorbereitet‘-Single.“

„Immer zu. Hey, ich hätte da übrigens noch Kapazitäten.“

„Lass mal stecken, ich könnte deine Mutter sein.“

„Schade, die Milf-Schublade ist bei mir noch frei.“

Tja. Ein echtes Organisationstalent im Kreise der Hoffnungsträger.

1.4

Profirunde: Der Erklärbär

Oh wir lieben ihn. Kaum jemand bringt uns so viel Spaß wie der Erklärbar. Seine charakteristischen Kennzeichen: er ist Single, aber umgibt sich unheimlich gerne mit Frauen aus seinem Freundeskreis. Das kann eine Kommilitonin sein, eine Party-Bekanntschaft oder auch eine Affäre. Witzigerweise ist es fast egal, ob er mit der Dame nun in einer intimen Beziehung steht oder nicht. Sogar ihm selbst erscheint dies vermutlich nebensächlich, Hauptsache sie ist bereit dazu, ihm lange und aufmerksam zu folgen. Denn der Erklärbär liebt es, sich selbst reden zu hören. Lange, ausufernd, ohne Punkt und Komma, dafür mit weit ausholender Geste und großer Attitüde. Das Letzte, was er bei seinem Auftritt brauchen kann, ist jemand, der sich wirklich auskennt, deshalb haben wir Verkäufer bei ihm frei und dürften gut und gerne nach Hause gehen. Tun wir natürlich nicht, aber wir achten auf ausreichend Abstand zu seiner Lehrstunde und versuchen seine natürliche Autorität nicht zu untergraben.

Der Erklärbär lernt gerne an. Es steckt eben ein echter Führer in ihm. Ein Wissender, ein Praktiker, ein Mann für jede Gelegenheit. Das Tollste ist, dass er alle Produkte kennt. Rundum alle. Alle Produkte, alle Praktiken, alle Exzesse. Der Mann – und ich schwöre, es ist immer ein Mann – ist ein Phänomen, das sich glücklicherweise auch von selbst erklärt, denn: Der Erklärbär lustwandelt ausschweifend durch unsere Fachabteilungen mit den Worten: „Das hier habe ich alles auch zuhause.“

Faszinierend, nicht wahr? 500 qm Fetisch für die unterschiedlichsten Vorlieben und der Erklärbär hat alles zu Hause in seiner gemütlichen Zweizimmerwohnung. Ein wirklich beeindruckender Umstand. Und er wird nicht müde, seine Sicht zu all dem Vielen an seine Begleitung weiterzugeben. Ganz wichtig dabei ist, dieses Wissen mit vielen Auflagen, Warnhinweisen, Gos und No-Gos zu schmücken.

„Das ist eine Bullwhip. Tolles Gerät, habe ich zuhause. Muss man aber mit umgehen können. Das ist schon echt höheres Niveau. Die links taugt nichts, das sehe ich auf den ersten Blick. Die Flechtung ist ungleichmäßig, da kommt kein harmonischer Zug drauf. Mit der rechts kann man was anfangen, die liegt gut in der Hand. Also wenn du mal als ernstzunehmende Sub dort oben mitspielen möchtest, dann solltest du dich vor einer Bullwhip nicht drücken. Wenn jemand damit umgehen kann, dann ist das richtig, richtig gut. Da ist dann halt dein Vertrauen gefragt. Vertrauen ist sowieso alles. Da unterscheiden sich die Echten von den Möchtegern-Devoten. Habe ich dir ja schon mal gesagt, es gibt Regeln. Kopf gesenkt, immer leicht gespreizte Beine, kein Höschen. Das ist das Minimum, um einen echten Herrn zu überzeugen. Submission ist was, das hat man oder hat es nicht. Und wenn ich mir dich so anschaue, dann hast du durchaus Potential. Da drüben übrigens, im Medizinschrank, liegen die Spekulums. Auch was Schönes, das Cusco und das Pederson habe ich jeweils in der XL-Variante zuhause. Sonderausfertigung, bekommst du im normalen Handel gar nicht. Ach und ja, das Wartenbergrad solltest du dir unbedingt mitnehmen. Gibt es mit 1, 3 oder 5 Rädchen. Das Fünfer nur ganz vorsichtig einsetzen, das kann sehr gemein und echt verletzend sein …“

Ohne Punkt und Komma, der Erklärbär wird nicht müde. Dafür ertappen wir selbst die zu Beginn interessierteste Zuhörerin irgendwann beim unterdrückten Gähnen. Mal ganz ab davon, dass irgendwelche Old-School- und Verhaltensregeln gegenüber einer an BDSM interessierten Frau so was von überholt bis ungeheuerlich sind, der Plural eines Spekulums in ordentlichem Latein auf a endet, Cusco und Pederson unter medizinische Standardware fallen und es sich bei einem Wartenbergrad um ein banales Nervenrad für neurologische Untersuchungen handelt, mit dem man vielleicht einen Käfer filetieren, aber sicherlich keine Verletzungen verursachen kann. Auch ignoriert er, dass sich punktuelle Intensität mit Vergrößerung der Auflagefläche vermindert und nicht verstärkt und somit das olle Wartenberg in der 1er Variante spezifischere Reize auslöst als mit der 5er, auch wenn es in breiter Ausführung wie eine martialische Miniaturvariante eines Folterinstrumentes daherkommt.

Selbst wenn wir das alles für einen Moment vergessen wollen und einfach nur lauschen, was der Erklärbär an geballter Kompetenz zu bieten hat, schwankt dieses unfreiwillige Amüsement zwischen grotesk und Slapstick. Und dann kommt es durchaus mal vor, dass einer von uns Angestellten kopfschüttelnd auf dem Oberdeck verschwindet, um in herrlicher Stille eine Zigarette zu rauchen.

Wenn nicht – und das ist der Super-GAU – der Erklärbär beschließt, uns in ein Gespräch miteinzubeziehen. Auch das kommt vor. Weniger um sein Wissen bestärkt zu bekommen, als Lücken in unserem zu suchen. Absolut unvergesslich ist mir ein Kunde, der „endlich einmal einen professionellen Ansprechpartner zu Elektro-Stromgeräten“ suchte und keine Antwort gelten ließ, „da er diese unzureichenden Phrasen bereits auf allen internationalen Foren zum Thema erschöpfend gelesen hätte“. Es ginge ihm mehr um kompetenten Austausch unter Profis, bei dem die großartigen Möglichkeiten von Strom für Zwangsorgasmen bei der Frau in epischer Breite durchgegangen werden. Woraufhin selbst unser freundlicher Vorschlag, vielleicht direkt das Gespräch mit den Herstellern zu suchen, um seinen fundierten Background in die Produktentwicklung einzubringen, eher semi-positiv aufgenommen wurde. Die könnten alle nichts, das wäre alles Pillepalle, was dem Herrn Ingenieur endlich die Möglichkeit gab, raumfüllend über seine persönlichen intimen „Testreihen“ zu dozieren. Neben ihm eine weibliche Begleitung, der dieser Auftritt bereits mehr als peinlich war. Auch weil sie selbst darin vorkam, verständlicherweise aber wenig Interesse daran hatte, wie eine verkabelte Laborratte von Herman Monster vor uns bloßgestellt zu werden. Wie übrigens vor allen anderen Kunden auch, der Erklärbär liebt eben den ganz großen Auftritt.

 

Worauf wir übrigens nicht selten, von anderen unfreiwilligen Zaungästen auch angesprochen werden. Manchmal mit breiter Verwirrung im Gesicht, manchmal mit bemitleidendem Lächeln, hin und wieder mit Augenzwinkern und einem verschwörerischen, kleinen „Chapeau!“, wenn allzu offensichtlich war, dass sich da gerade jemand selbst ziemlich ins Aus geschossen hat. Wir Angestellten bleiben auf jeden Fall freundlich und entscheiden uns irgendwann für den Königsweg jeden garantierten Diskussionsendes: „Sie haben Recht, ich bedaure es sehr, aber weiter können wir Ihnen an dieser Stelle leider nicht helfen. Gerne ein anderes Mal wieder.“

Was liebe ich in diesen Situationen meinen Kollegen Ernie, der sich gerne erst einmal aus dem Gespräch entfernt, um es nicht unnötig mit zwei Personen zu befeuern. Und nach einiger Zeit zurückkommt, dem Erklärbär brüderlich eine Hand auf die Schulter legt und eines unserer kleinen Werbetütchen in die Hand drückt.

„Komm, min Jung! Manchmal ist es wie es ist und wir wissen auch nicht weiter. Aber ein paar Gummibärchen gehen immer!“

Einer unserer ganz großen, langjährigen Profis hier. Fachlich enorm gut, menschlich ein Ass. Er radebrecht einfach in fast allen Sprachen dieser Welt und bleibt gelassen wie ein Fels, obwohl er auch ganz anders könnte. Buddhistischen Gleichmut kann man hier eben ganz gut brauchen. Und ja: lernen auch.

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