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Reise durch den Stillen Ozean

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Täglich um 10 Uhr war Proviantausgabe. Die Passagiere waren in Tischgesellschaften von ungefähr je einem Dutzend Köpfen eingetheilt, jede solche Tischgesellschaft, »Back« genannt, hatte ihre Nummer, und der Proviantmeister wog vor Aller Augen die Rationen ab. Das konservirte Fleisch wurde in den Büchsen von bestimmtem Gehalt verabreicht, die Salzfleischportionen wurden mit Blechnummern versehen und über Nacht in einen grossen Bottich zum Auswässern gelegt.

Dieser Bottich machte uns viel Kummer. Bald fanden sich regelmässig Diebe ein und bestahlen seinen Inhalt. Ich entwarf nun eine Wachliste und stellte Posten davor hin. Aber die Posten schliefen ein, und am Morgen fehlten wieder etliche Fleischstücke, wie zuvor. Ich liess nun ein entbehrliches Schloss von einer Thür wegnehmen und an den Bottich befestigen. Nach zwei Tagen hatte der Proviantmeister den Schlüssel verloren, und als ein anderes Schloss angebracht war, wurde der Deckel aufgebrochen.

Diebstähle jeglicher Art gehörten überhaupt zur Tagesordnung. Es war, als ob bei der Beschäftigungslosigkeit unseres Gesindels das Bedürfniss nach Thätigkeit und Unterhaltung sich nur in dieser einen Richtung geltend machen wollte. Sie stahlen aus reinem Sport.

Trotz all dieser fast unaufhörlichen Widerwärtigkeiten meines Amtes boten mir die ersten zwei Monate der Reise doch viel Genuss, und ich habe mich während dieser Zeit nicht ein einziges mal gelangweilt. Eine der Hauptabsichten, die ich ins Auge gefasst, war, die Thiere des Meeres zu studiren, insbesondere jene Unzahl kleinerer Lebensformen, an denen die Salzfluth so reich ist, die zwar dem oberflächlichen Beobachter, weil unscheinbar, meistens entgehen, die aber gerade deshalb nur um so interessanter sind. Auf Dampfern, die rasch hindurch fahren, lernt man die See und ihren Reichthum nicht kennen. Nur auf Segelschiffen bietet sich hiezu Gelegenheit. Hauptsächlich aus diesem Grunde war ich auf die Euphrosyne gegangen.

Schon bei Biscaya hatte ich meine Schleppnetze ausgepackt. Aber lange wollte kein passendes Wetter zum Fischen kommen. Ich verlor die Geduld, und als wir eines Tages kaum eine Meile per Stunde machten, während die See noch ziemlich hoch ging, wagte ich den ersten Versuch.

Nach fünf Minuten war mein Netz abgerissen und verloren. Ich hatte den Fehler begangen, dem fachmännischen Urtheil des Kapitäns mehr zu glauben als es verdiente. Der Kapitän, gerade in guter Laune und beseelt von dem Wunsch, mit mir in gutem Einvernehmen zu leben, unterstützte mich in meinen zoologischen Bemühungen, so sehr sie ihm innerlich auch zuwider sein mussten. Ich legte ihm mein Netz, einen einfachen Sack aus sehr starkem Strammin an einem verzinkten eisernen Ring von ein halb Meter Durchmesser, und die Leine, welche den Ring an drei Strippen hielt, zur Prüfung vor und frug ihn, ob diese wohl den herrschenden Seegang aushalten würde. Er lachte über meine Besorgniss, und ich warf das Netz über Bord. Wie sehr staunte ich, als ich den gewaltigen Zug fühlte, den dieser kleine Körper dem Wasser entgegensetzte. Das Schiffshintertheil stampfte in Schwingungen von etwa drei Meter Bogenlänge auf und nieder, und jedesmal wenn es sich erhob, spannte sich die Leine bis zum Platzen, so dass ich sie kaum mehr halten konnte und ein gutes Stück auslassen und festschlingen musste, um rasch wieder einzuziehen sowie wir wieder hinabtauchten. Ein Dutzend mal hatte ich dieses beschwerliche und ermüdende Manöver vollzogen, da kam eine etwas gröbere Aufwärtsbewegung, ein leichter Knall, und ich hatte die leere Leine in der Hand, das Netz, noch etliche Sekunden hell durch das Dunkelblau der hinten hinwegrollenden Wogen schimmernd, verschwand in die Tiefe.

Von nun an war ich vorsichtiger, folgte mehr meinem eigenen Urtheil, nahm eine stärkere, gut fingerdicke Leine, und versuchte nur bei ganz ruhiger See zu fischen, wenn wir keine schnellere Fahrt als höchstens vier Knoten machten. Schon bei drei Knoten war Ein Mann allein kaum im Stande, das Netz wieder einzuziehen, und man musste immer dabei bleiben und loslassen wenn ein stärkerer Windstoss kam. Es musste dann überhaupt ziemlich viel Leine ausgesteckt werden, sonst fing das Netz, wenn es zu kurz gehalten war, an, über die Oberfläche des Wassers hinwegzutanzen, ohne etwas zu fangen. Ein grosser Missstand war, dass die Baumwollefäden des Strammins aufquollen, wodurch die Maschen verengt wurden und zu viel Widerstand boten. Ich würde deshalb in künftigen Fällen ein Geflecht aus anderem Material vorziehen.

Eines der ersten Thiere, welches mir aufstiess und mich im höchsten Grad überraschte, war ein Insekt, Halobates, ein Wassertreter, ganz ähnlich dem sehr gemeinen Hydrometra, der in unseren Teichen und Sümpfen mit gespreizten Beinen ruckweise auf dem Wasser spazieren geht. Ein Wassertreter, ein so kleines und zartes Wesen, mitten auf dem Ozean über die Wellen schreitend! Von den Kapverden bis einige Grade südlich vom Aequator an der brasilianischen Küste fand ich allenthalben dieses interessante, muthige Thierchen, und es fehlte fast nie im Netz. Noch weiter südlich wurde das Wetter auf lange Zeit zu unruhig, um das Fischen zu gestatten, und im Indischen Ozean erschien es nicht wieder.

Ich hatte sogar das Glück, Halobateseier in jedem Stadium, die ganze Entwickelungsgeschichte des Thierchens, zu erwischen. Im Netz fing sich häufig aller mögliche Unrath vom Schiffe mit, und einmal fand ich auch eine Vogelfeder darin, die sehr gebraucht aussah, so dass ich im Anfang dachte, einer unserer Passagiere habe damit seine Pfeife gereinigt und sie dann über Bord geworfen. Bei näherer Betrachtung aber entdeckte ich, dass sie mit einem hellen Schleim überzogen war, in dem röthliche bis schwärzliche Körperchen steckten. Ich legte einen Theil davon unter das Mikroskop, und siehe da, die Körperchen waren fötale Halobatesindividuen, vom nahezu unentwickelten Ei bis zum vollständig ausgebildeten, sich bereits lebhaft bewegenden Thier von Stecknadelkopfgrösse, das ebenso wie sein Süsswasserbruder bei uns keine Metamorphose durchmacht. Leider ist mir gerade jenes Spiritusglas, in welchem ich die kostbare Feder verwahrte, später in Neuseeland, während ich einige Wochen abwesend war, zerbrochen worden. Ich habe sie zwar abermals in Spiritus gesetzt und nach Hause gebracht, aber als einmal vertrocknet wird das Präparat kaum mehr zu brauchen sein.

Nicht minder merkwürdig, wenn auch minder überraschend, da sie nicht unerwartet kamen, waren mir die Pteropoden, jene eigenthümlich gestalteten Schnecken, welche in den frühen Morgenstunden schaarenweise an die Meeresoberfläche emporzusteigen pflegen, um mit dem Erscheinen des Tages wieder in die Tiefe zu tauchen. Doch fing ich deren auch an trüben Nachmittagen und nie mehr als ein Dutzend auf einmal.

Man darf sich unter diesen »Flügelfüssern« keine Schnecken im gewöhnlichen Sinn des Wortes vorstellen. Ihre Gehäuse, sofern sie überhaupt eines besitzen und nicht ganz nackt sind, haben die verschiedensten Formen, nur keine Schneckenform, sie sind bald glashelle, bald wie Emaille glänzende, braun bis bläulich gefärbte Düten, einfach oder mit 3 bis 4 Stacheln besetzt, glattgewölbt oder kantig, drehrund oder plattgedrückt, mit einer freien oder lippenartig zusammengepressten Oeffnung, aus welcher die Thiere blos ihren zu förmlichen Flügeln oder Flossen umgebildeten Fuss strecken, um damit im Wasser herumzuflattern ähnlich eben flügge gewordenen Vögeln. Wenn ich sie aus dem Netz in einen Glastopf oder in meine weisse Waschschüssel setzte, lagen sie erst wie betäubt einige Minuten regungslos auf dem Grunde. Viele wurden, wahrscheinlich durch die im Netz erlittene Quetschung getödtet, nicht wieder lebendig, andere aber fingen bald an, langsam und allmälig aus dem Gehäuse ihre Flügel herauszustrecken und leise sie auf und nieder zu heben. Bei den meisten blieb es bei diesen schwachen Versuchen, in die Höhe zu fliegen. Einige jedoch, weniger bedeutend verletzt, bewegten sich immer rascher, stiessen sich ab vom Boden, stiegen, emsig flatternd, ruckweise immer höher, bis sie zuletzt an der Oberfläche des Gefässes herumhüpften, nach einigen Sekunden, wie um auszuruhen, wieder hinabsinkend und dann das Aufwärtsstreben von Neuem beginnend.

Es gewährte mir ein unschätzbares Vergnügen, diese kleinen kaum zentimeterlangen Geschöpfe zu beobachten, und ganze Nächte fischte ich oft, durchsuchte mit der Blendlaterne mühselig das Netz und besah meine Beute drunten auf dem Tisch der Kajüte beim Lampenlicht. Wie paradox klingt es, von Schnecken zu hören, die im Wasser herumflattern gleich jungen Vögeln, die ihre ersten Fliegversuche machen. Später auf der Viti-Insel Kandavu sollte ich noch eine Muschel von 3 Zentimeter Länge kennen lernen, die ebenfalls im Glase stossweise herumfuhr, so dass ich sie anfänglich für einen zweischaligen Krebs hielt. Es war eine Lima.

Auch Janthinen fing ich zuweilen, aber immer nur junge, nicht ausgewachsene Individuen. Es sind dies jene bekannten pelagischen Schnecken mit zartem blauem Gehäuse, welche sich aus Luftblasen, die sie durch eine schleimartige Absonderung zusammenkleben, einen Schwimmapparat bereiten. Dieser Schwimmapparat, der auf den ersten Blick aussieht, wie ein Häufchen Schaum und an der stets nach oben gerichteten Bauchseite des Thieres sitzt, ist merkwürdig widerstandsunfähig. Geht er verloren, so sinkt die Schnecke unter und kann die Meeresoberfläche nicht wieder erreichen. Bei allen Janthinen, die ich fing, war derselbe durch den Zug des Netzes mehr oder minder verletzt. Einige fielen in der Schüssel zu Boden und lagen regungslos und in die Schale zurückgezogen unten, ohne einen Versuch zu machen, in die Höhe zu kommen. Andere aber, deren Schwimmapparat sie noch trug, gingen sogleich daran, ihn auszubessern. Mit dem vorderen lappenartig verlängerten Theil ihres Bauchfusses griffen sie aus dem Wasser heraus in die Luft, umfassten wie mit einem Schöpflöffel einen Lufttropfen und drückten ihn an den noch vorhandenen Schaum. Zogen sie den Fuss dann wieder zurück, um dieselbe Bewegung zu wiederholen, so war eine neue Blase angefügt. So schöpften sie Blase um Blase aus der Luft, alle 5 oder 10 Sekunden eine.

 

Ich würde bedenklich scheitern, wollte ich alle die Lebensformen zu beschreiben versuchen, die oft ein einziger Zug des Netzes mir vor Augen brachte. Wie wimmelte es oft in der Waschschüssel oder im Glastopf von Krustern, Salpen und Quallen, kein Thier länger als höchstens drei Zentimeter. Namentlich erstere lieferten die grösste Anzahl an Individuen und manchmal auch an Arten. Blaue Zyklops- und Gammarusartige Krebse schossen kreuz und quer stürmisch herum, kleine röthliche Garneelen mit grünlich leuchtenden Augen zogen, an einander geklammert, rastlos ihre Kreise, winzige Krabben von Erbsengrösse mit komisch glotzenden unverhältnissmässigen Augen krabbelten bedächtig am Boden, und vollkommen durchsichtig und glashell, nur durch den leichten Schatten, den sie warfen, erkennbar, schlichen gespensterhaft groteske Phyllosomen, die Jugend des Palinurus, oder die seltenere Kaprella durch das Gesindel der gemeinen Verwandten. Man musste rasch nach dem Werthvolleren sich umsehen und es retten. Denn die Garneelen und Zyklopoiden verschonten nichts, und kaum lag ein Fischchen oder eine Salpe todt auf dem Grunde, so hingen sie auch schon dutzendweise daran und frassen. Und hat so ein nichtsnutziger kleiner Krebs einmal etwas erfasst, so lässt er nicht mehr los, und alles Herumstossen und Zerren ist vergeblich.

Fast alle diese Thierchen leuchteten. Schon im Netz, oben auf Deck in der Dunkelheit, verriethen sie sich durch geheimnissvoll phosphoreszirende grünliche Punkte. Es leuchteten die Augen der kleinen Garneelen, die Salpen und Quallen, besonders aber die sehr häufigen formlosen Schleimklümpchen, welche vielleicht Noktiluken waren. Selbst unten in der Kajüte beim Lampenlicht verloren sie ihre Phosphoreszenz nicht vollständig, sondern leuchteten etwas schwächer fort.

Sehr unangenehm war die Gegenwart von Physalien. Wir waren zuweilen Tage lang umgeben von Tausenden junger, kaum wallnussgrosser Individuen dieser nesselnden Quallen, und auch sie wurden dann regelmässig als unwillkommene Beigabe gefangen. Das kleinste abgerissene Partikelchen ihrer blauen Anhängsel, das man kaum sah, genügte, die Hand empfindlich zu stechen, wenn ich die Falten des Netzes durchsuchte. Unter den Seeleuten plaudert einer dem anderen nach, dass solche Berührungen äusserst gefährlich, zuweilen sogar tödtlich seien. Wenn dies auch nicht der Fall ist, so hinterliessen sie doch auf einige Stunden ein höchst lästiges intensives Jucken nebst Röthung und quaddelförmiger Schwellung der Haut.

Nur im Anfang fischte ich häufiger während des Tages, später fast nur mehr bei Nacht. Ich fand bald, dass während des Tages, wenn die Sonne glühend herabbrannte, ausser Wassertretern und Janthinen, kleinen Fischchen und Salpen nicht viel zu erwischen war. Bei Tage wurde auch immer zu viel über Bord geworfen, und Proben von den Abfällen des Schiffes geriethen ins Netz, wenn man nicht fortwährend Acht gab.

Allerdings waren die Schwierigkeiten bei Nacht um so grösser. Es war zuweilen nicht leicht, auf dem fast stets langweilig hin und her schwankenden Achterdeck das Netz zu durchsuchen, in der einen Hand eine schlechtbrennende Diebslaterne, die man nicht hinstellen durfte, weil sie sonst umfiel, mit der anderen Hand zugleich den nicht minder gefährlichen Glastopf beschirmend, in kauernder Stellung und in beständigem Kampf mit dem Rollen unserer Euphrosyne, welches auch bei der ruhigsten See niemals ganz aufhörte.

Erst wenn es dunkel und kühl wurde, kamen mehr Thiere an die Oberfläche, und besonders in der allerersten Frühe vor Sonnenaufgang erhielt ich die reichste Beute. Gar oft sah mich der roth hinter den Wolkenbänken des Horizonts heraufdämmernde Morgen noch bei der Arbeit.

In der Stimmung solcher Stunden lag so viel Erfrischendes und Poesievolles. Träge wälzte die See ihre bleigrauen Wogen und schaukelte leise das Schiff, über dem noch tiefe Ruhe lag. Allmälig regte sichs in den unteren Räumen. Der Zimmermann fing an zu arbeiten und feilte an seiner Säge, und das schrille Geräusch rief Erinnerungen an so manche Ferientage, die ich zu Hause auf dem Lande verlebt, in mir wach. Die Sonne blitzte über das Meer. Ich zog meine Netze ein und ging zu Bett.

Die Seeleute hatten von ihrem Standpunkt ganz recht, wenn sie mich auslachten. Fing ich ja nie etwas was man essen konnte. Gleichwohl wunderten sie sich, dass es im Meere, auf dem sie schon zwanzig Jahre herumfuhren, so viel »Ungeziefer« gebe. Thiere, die kleiner sind als einen Fuss, existiren dem durchschnittlichen Jan Maat, dem schlechtesten Beobachter in naturhistorischen Dingen, den ich kenne, nicht. Als ich auf einer meiner ersten Seereisen einmal zwei ganz gewöhnliche Quallen, von denen im Sommer jeder Hafen wimmelt, in ein Glas geschöpft hatte, fragte mich mein alter Kapitän, was denn das für komische Dinger wären, die er niemals gesehen.

Viel weniger glücklich als mit dem Netz war ich mit der Angel. Ich hatte mich mit Angelhaken jeder Sorte ausgerüstet, und meine ganze Kammer hing voll von Angelzeug verschiedener Grössen. Aber bis auf drei Haie und später im Indischen Ozean zwei Dutzend Albatrosse habe ich nie etwas damit gefangen. Auch hierbei lernte ich den negativen Werth der Rathschläge unserer Seeleute schätzen. Jeder von ihnen wollte bereits unzählige Makrelen, Bonitos und Delphine geangelt haben, jeder wollte mir zeigen, wie man es mache, jeder auf eine andere Methode, und nur der Proviantmeister schien den richtigen Bescheid zu wissen, indem er schwor, alle Fische, die ich erwischte, lebendig mit Haut und Haaren zu fressen.

Einmal als wir ganz ruhig lagen, kam ein Rudel fliegender Fische so nahe ans Schiffshintertheil geschwommen, dass ich sie deutlich von oben beobachten konnte. Das Meer war spiegelglatt, die Sonne glitzerte blendend darauf, kein Laut als das Klappern der Segel regte sich weit und breit. Die Passagiere lagen herum und träumten.

Etwa zehn oder zwölf fliegende Fische schwänzelten zierlich neben dem Steuer unten heran, dicht neben einander sich haltend, hie und da einer die langen Flossen spreizend wie ein Kanarienvogel, der im Käfig den Flügel dehnt, um sich daran zu kratzen. Plötzlich schwirrt der vorderste in die Luft, und die anderen folgen ihm. Ich höre deutlich das Plätschern des abtropfenden Wassers und das Geräusch ihres Fluges, welches an fliegende Heuschrecken erinnert. Nach einiger Zeit kamen sie zurück. Ich warf ihnen kleine Stückchen Speck zu, die sie, sich zankend und beissend, verschlangen, endlich versuchte ich es auch mit einer feinen Angel. Der Köder war ihnen entschieden verführerisch. Wiederholt schnupperten sie an ihm herum, wandten sich ab, schnupperten wieder, spreizten gereizt die langen Flossen und streckten sich lüstern vor. Ich befestigte glitzernde Stanniolblättchen über dem Speck, ich nahm Fleisch, ich nahm Käse – alles umsonst. Sie schnupperten vorsichtig und lange daran herum, aber keiner biss. Ich holte nun meine Pilke, einen schweren Nagel an einer Leine, um den rings Angelhaken gebunden sind, jenes Instrument, mit welchen die Kabeljaufischer auf den Neufundlandbänken durch Anreissen einzelne Kabeljaus aus den Schwärmen herauszuhaken pflegen. Kaum liess ich vorsichtig die Pilke hinab, als die ganze Gesellschaft aus dem Wasser raschelt und hinwegschwirrt wie ein Heuschreckenschwarm. Fort waren sie und kamen nicht wieder.

Oft sollen fliegende Fische auf das Deck oder in die Rüsten von Schiffen fliegen. Unsere Euphrosyne war aber hierzu, weil leicht geladen, zu hoch, und nie gerieth ein fliegender Fisch auf diese Weise an Bord.

Ebenso vergeblich wie das Angelzeug hatte ich eine Harpune mitgenommen. Es glückte mir nie, einen Tümmler damit zu erbeuten. Die Euphrosyne ragte auch hierzu zu weit aus dem Wasser. Selbst einer unserer Matrosen, der im Harpuniren ziemlich erfahren und geschickt zu sein schien, hatte nicht mehr Erfolg.

Das Harpuniren dürfte überhaupt zu den schwierigeren Arten des Sports gehören. Man stellt oder setzt sich auf die beiden untersten Ketten, welche vorne vom Stampfstock unter dem Bugspriet nach den Krahnbalken auseinanderlaufen, mit der Brust an den Stampfstock gelehnt, in der Linken einige schwerwiegende Buchten Tau, in der Rechten den nicht minder gewichtigen drei Meter langen Schaft der Harpune. Will man nicht riskiren, ins Wasser zu fallen, so bindet man sich noch eine Tauschlinge um den Leib, büsst aber dafür diese relative Sicherheit mit einer sehr fühlbaren Erschwerung der ohnehin schon ziemlich unbequemen und belasteten Situation. Oben auf Deck stehen einige Mann bereit, das Tau der Harpune einzuziehen, sobald man geworfen hat. Gewöhnlich erscheinen Tümmler nur bei unruhiger See. Das Schiff stampft auf und nieder, der Schaum, den der in rascher Fahrt durchschneidende Kiel aufwühlt, spritzt hoch empor, man balanzirt mühselig mit seiner Last hin und her.

Nun kommen die Fische. Schon von Weitem haben wir eine lange Schaar von Hunderten auf uns zusteuern sehen, in mehreren Reihen einer hinter dem anderen lustig sich über die Wellen vorwärtswälzend. Kaum dass wir unter das Bugspriet geklettert und mit Harpune und Tau klar zum Gefecht sind, spielen sie auch schon zu unseren Füssen vor dem Kiel herum. Links und rechts eilen sie voran, springen im Bogen empor, schiessen deutlich sichtbar im Wasser fort, kehren zurück, tauchen unter dem Schiff von einer Seite zur anderen und kreuzen sich vor dessen Steven, nach allen Richtungen aufschnellend, übereinander purzelnd und plumpsend gerade senkrecht unter dem Stampfstock, auf dessen Kette ich stehe.

So oft ich auch warf, ich habe nie einen Tümmler getroffen. Meine Harpune fiel langsamer hinab, als sie vorüber schossen, und jeder vergebliche Wurf schien ihre Fröhlichkeit zu vermehren. Zu zweit und zu dritt springen sie manchmal nahe zu mir herauf, dass ich sie fast in der Luft hätte spiessen können, und deutlich hörte ich oft das tönende Geräusch, mit dem sie die feuchte Athemluft aus den Nasenlöchern schnaubten. Es klang mir wie ein höhnisches Johlen.

Bei den Kapverden fing ich meinen ersten Haifisch. Der Mann am Steuer war instruirt, mir zu melden, sobald sich ein solcher zeigen würde. Die Haifischangel, ein fusslanger und schwerer Haken von zehn Zentimeter Bogendurchmesser, mit Kette und einem Wirbel am Ende derselben, an dem sie sich frei drehen konnte, war bereits seit mehreren Tagen mit einem kindskopfgrossen festgebundenen Stück Speck versehen und hing fertig hinten am Bollwerk.

Wir sassen gerade bei unserem kärglichen Mittagsmahl, als der Ruf »Hai achterut« ertönte. Das langweilige Salzfleisch konnte jetzt warten, ich eilte hinaus. »Der Hai ist nach vorne gegangen«, sagte der Mann am Steuer, »er wird aber jedenfalls zurückkommen.« Ich nehme das nächste Tau, das zu Buchten gerollt in der Nähe liegt, stecke es durch die Oese des Wirbels der Angelkette, schlinge einen kunstgerechten Knoten, und die Angel fliegt plumpsend ins Wasser.

Dieser lauten Einladung konnte unser Hai nicht widerstehen. Wir warten keine Minute und er erscheint. Da rechts taucht seine lange spitze Rückenflosse aus der blauen Fläche. Er kommt langsam näher. Jetzt ist auch sein Körper zu erkennen, es ist ein Prachtexemplar, wohl drei Meter lang. Gemessen und würdevoll, als ob ihn der Köder eigentlich gar nicht recht interessire, schwimmt er heran, majestätisch sich wendend, kaum merkbar die gewaltigen Brustflossen bewegend. Er taucht tiefer hinab und je tiefer er geht, desto herrlicher braun färbt ihn der grünliche Glanz des Wassers. Er taucht wieder in die Höhe, und siehe, dicht vor seiner spitzen Schnautze, dicht vor dem unersättlichen Rachen schwimmen geschäftig und zierlich schwänzelnd vier kleine quergeringelte Lootsenmännchen, je nachdem der Hai sich wendet, bald ober ihm, bald vor ihm.

Der Köder scheint übrigens doch nicht so ganz verächtlich zu sein. Der Hai fasst den Speck ins Auge, beschnuppert ihn und wendet sich ab. Er kehrt in einem langsamen Bogen, ohne seiner Würde durch Eile etwas zu vergeben, zurück und beschnuppert wieder den Köder, diesmal aufmerksamer. Ich halte oben das Tau, dessen Ende festgemacht ist, und mir pocht das Herz vor Freude. Welch aufregendes Vergnügen, ein so riesiges Thier an der Angel zu fühlen.

Hinter mir stehen ein halb Dutzend Matrosen, um das Tau einzuholen, sobald der Hai angebissen hat. Plötzlich dreht das Ungeheuer sich auf den Rücken, die helle Bauchseite zeigend, ein mächtiger Ruck, und mit einem wilden Halloh ziehen wir ihn in die Höhe, er zappelt an der Angel. Aber gemach! Leicht kann er abreissen. Nur mit dem Kopf aus dem Wasser gezogen, krümmt er sich wüthend und schlägt und stampft, und schäumender Gischt, wie von den Schlägen einer Dampferschraube, wühlt empor. Ein zweites Tau, in einer Schlinge um das erste gelegt, wird hinabgelassen, stülpt sich ihm um den Kopf, wir hissen ihn ein wenig höher und suchen die Schlinge über die gewaltigen Brustflossen hinabzubringen. Sie gleitet drüber weg und bis zum Schwanze hinab, sie wird angezogen. Jetzt haben wir ihn doppelt gefasst, er kann uns nicht mehr entgehen, so sehr er sich auch krümmt und zappelt und sich bäumend um seine Axe dreht. Wir wollen ihn nicht auf das enge Achterdeck bringen, sondern längsseits schleppen und auf das Hauptdeck niedersetzen.

 

Im ganzen Schiff hat sich bereits die Kunde des Ereignisses verbreitet, und das ganze Zwischendecksgesindel, barfüssige Kinder, säugende Weiber, pfeifenrauchende Männer, läuft aufgeregt und stürmisch sich vordrängend durcheinander oder klettert in die Wanten und auf die Deckhäuschen. Noch ist der grosse Fisch nicht über dem Horizont des Bollwerks erschienen, und alle strecken erwartungsvoll die Hälse und recken sich auf den Zehen.

Ein paar Offiziere brüllen, Platz zu machen, die Matrosen ziehen heulend an den Tauen, der grosse Fisch kommt herauf und in Sicht, hoch in der Luft noch immer sich krümmend und um sich schlagend. Ein allgemeines Ah des Erstaunens, die Vordersten drängen furchtsam zurück, die Hintersten neugierig vorwärts. Ein paar halberdrückte Weiber fangen an zu schreien, und ein paar Männer zu schimpfen. Die Offiziere hören nicht auf zu brüllen, und das Getümmel vermehrt sich. Nur der Haifisch ist im Stande Platz zu schaffen. Er wird niedergelassen, und man weicht entsetzt vor seinen Schlägen zurück.

Der Matrose ist bekanntlich ein erbitterter Feind des Haies. Die Behandlung, die sich unser Opfer nun gefallen lassen musste, war dementsprechend grausam genug. Es galt zunächst den gefährlichen Schwanz abzuhacken. Man schiebt ein Brett unter, um nicht mit dem Beil das Deck zu verletzen, aber immer wieder schnellt sich das Ungethüm hinweg, sowie der Bootsmann zum wuchtigen Hieb ausholt. Mit einem Pfahl machte man ihn endlich gefügig. Er wurde ihm in den gähnenden Rachen gestossen und mit vereinten Kräften der Länge nach durch den Leib getrieben, um ihn so an dieser festen Axe zu bändigen. Der Schwanz fällt, lange noch auf eigene Faust zuckend und hüpfend, und das Volk der Matrosen wirft sich blutgierig mit Messern über den Wehrlosen, ihn förmlich zu zerfleischen. So scheint es die richtige Seemannsart vorzuschreiben, und auch unsere Jungen beeilten sich, ihre messerbewaffneten Hände zum ersten mal in das Blut des Erbfeindes zu tauchen.

Etwa fünfzig lebende Junge mit frei endigenden Nabelschnüren kamen ans Tageslicht. Der Magen, den ich mir zur Untersuchung ausbat, enthielt nichts als mehr oder weniger verdaute Reste von Sepien und deren papageischnabelartige Gebisse. Der Hai war also durchaus nicht üppig genährt, wie ich aus seinem Vornehmthun dem Speck gegenüber erwartet hatte. Ein paar Schmarotzerkrebse, die ich ihm aus der Haut schnitt, waren die einzige aufhebenswerthe Beute, die er gewährte. Ich versuchte zwar sein Gebiss zu präpariren, gab es aber auf, nachdem ich zwei Messer daran verdorben, meine Hände vielfach an den halbversteckten Zähnen verletzt und mit dem spezifischen widerlichen Geruch des Haifischfleisches verunreinigt hatte.

Die vier Lootsenmännchen blieben noch den ganzen Tag beim Schiff. Sie schienen ihren Hai lebhaft zu vermissen und schwammen ängstlich und aufgeregt um uns herum, eine nach ihnen strebende feine Angel gänzlich ignorirend. Den nächsten Morgen waren sie verschwunden. Welch bizarres Räthsel der Natur, diese Anhänglichkeit und Freundschaft zwischen zwei so verschiedenartigen Wesen.

Der erste Hai von drei Meter Länge war auch der letzte grösseren Kalibers auf der ganzen Reise, den wir an Bord bekamen. Er hatte die schwere, eiserne Angel gerade gebogen, es gelang mir nicht, die richtige Krümmung wieder herzustellen, und der nächste Hai, der bald darauf anbiss, machte sich los ehe wir ihm eine Schlinge um den Schwanz legen konnten.

Später fing ich noch ein sehr jugendliches Individuum mit einer gewöhnlichen Lachsangel. An diesem sass ein ebenfalls sehr jugendlicher Saugefisch. Merkwürdiger Weise kamen uns überhaupt auf der ganzen langen Reise mit ihren vielen windstillen und heissen Tagen nur etwa sechsmal Haie in Sicht.

Wir waren in jenen Tagen der Windstille fast immer in Gesellschaft einiger anderer Segelschiffe, die theils nur eben über dem Horizont sichtbar wurden, theils aber auch zuweilen so nahe kamen, dass wir mit ihnen Flaggensignale wechseln konnten. Wir hissten zum Zeichen, dass wir sprechen wollten, unsere deutsche Flagge, drüben stieg dann die englische, französische, spanische oder portugiesische Flagge in die Höhe. Hierauf tauschten wir die Schiffsnamen, Heimathshäfen, Bestimmungsorte aus und die Länge und Breite, die jeder berechnet hatte. Alles durch die 24 Buchstaben des internationalen Signalkonversationsbuches.

Wir fuhren auf einer Strasse, die sich in allen möglichen Richtungen spaltete, und auf der alle möglichen Schiffe passirten. Sie kamen sämmtlich von Europa oder Nordamerika. Der Rückweg dorthin lag weiter östlich. Da waren Schiffe von London nach Kapstadt, Kalkutta und Melbourne, von Lissabon nach Rio-de-Janeiro, von New-York nach Bahia, nach Montevideo und San Franzisko.

Zum Schluss solcher Unterredungen wünschten wir glückliche Fahrt und dippten höflich dreimal die Trikolore zum Grusse. Manchmal liessen wir uns auch auf längere Gespräche ein. Wir suchten alle möglichen Fragen aus dem Signalbuch zusammen, die für die Gelegenheit passten, so zum Beispiel des Morgens, wenn wir uns noch immer neben einander sahen, »Haben Sie gut geschlafen?« »Wie geht es Ihnen?« oder »Haben Sie Kranke an Bord?« »Ist Ihr Proviant von guter Beschaffenheit?« und ähnliche Dinge, die zwar an sich nicht besonders interessant, uns doch die angenehme Unterhaltung gewährten, uns im Signalisiren zu üben und ihre Antworten oder Gegenfragen im Buch nachzuschlagen und zu erwidern. Einige hatten nicht immer die Geduld, uns Rede zu stehen. Andere aber waren sehr artig und gaben uns schmeichelhafte Aeusserungen zurück. So namentlich eine französische Bark aus Bordeaux, die nach Mauritius wollte. Zwei oder drei Tage lagen wir mit ihr zusammen und trieben. Da kam am Abend etwas Wind, und am Morgen darauf war sie verschwunden. Aber den nächsten Tag hatten wir wieder Stille und ganz nahe lag wieder eine Bark, ganz ähnlich unserm Franzosen. Wir zweifelten keinen Augenblick, dass er es sei und begrüssten ihn sofort mit unserer Flagge. Auch er hisste die seine. Wir konnten sie zwar nicht deutlich erkennen, weil sie bei der regungslosen Luft nicht auswehte und auch das Konversiren wollte heute nicht recht gehen, da die Signale schlaff herabhingen.

Ich bat den Kapitän um ein Boot und vier Mann, um hinüberzufahren und einen Besuch zu machen. Die Jolle wurde hinabgelassen, der Sitz am Steuer hinten zierlich mit buntem Flaggentuch belegt. Vier Matrosen zogen frischgewaschene Hemden an, ich selbst schmückte mich wieder zum erstenmal nach längerer Zeit mit einem gesteiften Hemdkragen, um repräsentabel zu erscheinen, und wir stiessen ab.

Der Franzose lag etwa drei Seemeilen von der Euphrosyne entfernt. Die vier Burschen hatten fast eine Stunde zu rudern, die Sonne stach grell herab, und der Schweiss rieselte ihnen von der Stirne. Das blaue Wasser war spiegelglatt, und fast trübe von Millionen kleiner Thiere, Krebse, Salpen, Quallen und Schleimklümpchen. Eine sanfte lange Dünung hob und senkte das Boot, und unsere Euphrosyne lag, nur leise den Klüverbaum auf und nieder bewegend, so seltsam starr wie ein Kastell und so einsam und verlassen aus der Fläche emporragend auf dem Meere, die Zinnen des Bollwerks und die Wanten gedrängt voll von den neugierigen Köpfen der Passagiere, die uns mit Taschentüchern nachwinkten. Kleine Sturmvögel flogen lautlos hin und her, und eine zauberhafte Ruhe schwebte über dem glitzernden Spiegel.