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Reise durch den Stillen Ozean

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Hier beobachtete ich zum ersten mal und zu meiner grossen Freude die eigenthümliche Begrüssung mittelst der Nasen, für welche ich bereits zu spät gekommen zu sein befürchtet hatte, und für welche man die ganz unpassende Bezeichnung »Nasenreiben« erfunden hat. Es werden hiebei die befreundeten Nasen aneinandergedrückt und verharren in dieser intimen Berührung regungslos etliche Augenblicke.

Ein junges hübsches Weib mit einem Kinde auf dem Rücken und einer Thonpfeife im Mund sass umgeben von einem Dutzend Genossinnen am Strande. Auch diese hatten Thonpfeifen im Mund und klatschten und lachten, riefen den vorübergehenden Männern zu, wickelten sich bald so bald anders in die bunten Tücher, liessen sie fortwährend herabrutschen, um sie dann mit einer groben ungraziösen Bewegung wieder hinaufzuziehen, hockten entweder aufrecht mit untergeschlagenen Beinen oder stemmten halb liegend den Kopf auf den Ellbogen. Das hübsche Weib schien die Vornehmste unter ihnen zu sein. Da näherte sich ihr ein alter Mann, nacktbeinig und mit ganz blau tätowirtem Gesicht, entblösste ehrerbietig sein Haupt, bot ihr die Hand, beugte sich zu ihr nieder und drückte seine ziselirte Nase an die ihrige glatte, indem er ein sehr andächtiges Gesicht dazu machte. Wenn man nicht genau zusah, konnte man glauben, dass er sie küsse. Allerdings dauerte es viel länger, als bei uns für eine blosse Begrüssung erlaubt wäre.

Kaum war ich zum ersten mal Zeuge dieses seltsamen Aktes gewesen, als Andere hinzutraten, dasselbe zu thun, und das Nasendrücken auf allen Seiten losging. Das Merkwürdigste war mir die ernsthafte, traurige Miene, die sie allgemein dabei machten, statt dem Vergnügen des Wiedersehens Ausdruck zu verleihen. Sie schienen weinen zu wollen, und ein paar alte Weiber sah ich wirklich Thränen vergiessen. Diese unterschieden sich auch dadurch, dass sie ihre Nasen nicht ruhig aneinander hielten, sondern einigemal zusammenstiessen. War die Zeremonie, wobei man sich umarmte oder doch wenigstens die Hand gab, vorüber, so verschwand sofort die Traurigkeit, und das Lachen und Schwatzen begann.

Die Sitte des Nasendrückens wird heutzutage fast nur mehr von alten Männern und Weibern geübt. Die jüngere Generation hat sich das europäische Küssen angewöhnt, moderne Männer schütteln sich einfach die Hände nach englischem Vorbild. Wie aus dem Wort »Hongi«, welches sowohl »Riechen« als auch das Nasendrücken, als auch das von den Weissen importirte Küssen bedeutet, hervorgehen möchte, lag der Sinn des Nasendrückens darin, dass man den Geruch des geliebten Wesens einathmen wollte.

Ganz Tauranga schien heute blos von Maoris bewohnt zu sein, und auch im Hotel beherrschten sie heute den grossen Barroom, obwohl für sie eine eigene ziemlich unreinliche Stube reservirt und mit der Aufschrift »He Ruma mo nga Maori« (wörtlich »ein Zimmer für Maoris« – Ruma das englische Room maorisirt und nga der Plural des unbestimmten Artikels, der in den arischen Sprachen fehlt) versehen war. Es wurde viel Schnaps konsumirt, und am Nachmittag taumelten genug Betrunkene herum. Sie hatten aber alle gemüthliche Räusche und thaten niemand etwas zu Leid, ganz im Gegensatz zu den tobsuchtartigen Ausbrüchen englischer Säufer.

Von der in Neuseeland herrschenden geschäftlichen Bummelei und Gemüthlichkeit hatte ich schon manches gehört und in Foxton auf der Eisenbahn eine kleine Probe erlebt. Ich sollte nun abermals um eine Erfahrung hierüber bereichert werden.

Meinen ursprünglichen Plan, über Land nach Grahamstown zu gehen, musste ich wegen der winterlichen Witterungsverhältnisse aufgeben. Der Weg von Katikati am Nordende des Taurangahafens nach Ohinemuri an der Themse, die sich in den Haurakigolf ergiesst, war durch Ueberschwemmungen unpassirbar geworden und durch mehrere angeschwollene Bäche ohne Brücken unterbrochen, wie die »Bay of Plenty Times« berichtete. Ich verlor dadurch die Möglichkeit eines Besuches der dortigen Kauriwälder und der südlichsten Mangrovesümpfe der Erde, die sowohl in der Themse wie in der Lagune von Katikati als äusserste Vorboten der Tropen auftreten sollen. So sehr mir die Unannehmlichkeiten einer längeren Dampferfahrt widerstrebten, blieb mir nichts anderes übrig als auf der Rowena nach Auckland zu reisen.

Am 14. Juni Mittags um zwölf sollte sie abgehen. Aber der Manager hatte eine Jagdpartie unternommen, kein Mensch wusste, wann er zurückkehren würde, und ohne ihn konnte der Kapitän nicht die Anker lichten. Etwa zwölf Passagiere fanden sich zur festgesetzten Stunde an Bord ein. Wir warteten den ganzen Nachmittag auf den Manager. Der Manager kam nicht. Wir gingen wieder an Land, ermahnt vom Kapitän in der Nähe zu bleiben, wir gingen wieder an Bord, wir fluchten und drohten. Es half nichts, ohne den Manager konnte die Rowena nicht in See stechen.

Die Nacht brach an, und in unserem unerquicklichen Zustand des Wartens auf unbestimmte Zeit änderte sich nichts zum Besseren. Im Gegentheil. Zwei der Schicksalsgefährten suchten Trost im Brandy, und der eine wurde darüber vorzeitig so seekrank, dass er an die Luft gesetzt werden musste, nachdem er die enge dumpfige Kajüte zu einem noch unerträglicheren Aufenthalt gemacht hatte. Der andere schnarchte, dass die Gläser in den Hängesimsen erzitterten, und ober uns auf Deck grunzte eine für den Markt zu Auckland bestimmte Kompagnie Schweine. Wenn auch die meisten Passagiere mit Kennermiene und Wohlgefallen höchlich den tiefen Bass ihrer Stimmen rühmten und aus ihm allein ein ansehnliches Gewicht zu berechnen verstanden, so konnte mich dieses noch lange nicht mit der Situation versöhnen.

Die beiden Stewards vertrieben sich die Zeit mit Boxübungen. Sie boxten sich nach allen Richtungen durch den Salon so dass man seines Lebens nicht sicher war, und als der Kapitän, ein alter verrunzelter und schäbig aussehender Kerl, herunterkam, suchten sie auch diesen armen Greis mit in ihr Vergnügen zu ziehen. Die Herren Stewards schienen hier überhaupt die erste Rolle zu spielen. Ich verlangte nach einer Kabine, aber man sagte mir, dass keine mehr vorhanden, und dass die Herren auf den Sophas und auf den Tischen zu übernachten pflegten, wo es viel kühler und komfortabler sei. »In Nummer eins und zwei schlafen wir beide, in Nummer drei schläft der Kapitän, Nummer vier ist für Ladies reservirt, fünf und sechs, sieben und acht sind bereits seit heute Morgen mit Beschlag belegt« lautete der Bescheid, als ich genauer inquirirte.

Ich schlief auf einem Sopha ein, und als ich erwachte, rattelte unter mir die Schraube. Die Balken stöhnten, und die Rowena stampfte und rollte auf die unverschämteste Weise. Ich kletterte auf Deck und fand schlechtes Wetter, Kälte und Regen und Gegenwind, ringsum die schwärzeste Nacht, dass man die Hand vor den Augen nicht sehen konnte.

Der Morgen kam. Wir steuerten den grotesken Felsenkuppen des Landes zu, die uns alsbald umringten, und ankerten in Merkury Bay. Unter einem brausenden Wasserfall lag eine Sägemühle in einer Schlucht, deren röthliche Wände zwischen dunklem Grün an Rotomahana erinnerten. Riesige Kauristämme schwammen davor im Wasser, die ersten und letzten die mir aufstiessen.

Wir hatten hier einen Passagier und dessen Gepäck zu landen, womit wir nicht weniger als eine Stunde verloren. Der Kapitän war zu faul selbst ein Boot flott zu machen, und vom Lande aus schien man seine Dampfpfeife nicht hören zu wollen. Endlich zeigten sich zwei Männer mit Riemen vor der Mühle, die sich dem Ufer näherten, machten sich erst daran ein altes leckes Fahrzeug auszuschöpfen und liessen sich dann langsam von der Strömung herabtreiben, ohne eine Hand zu rühren. Mit Stolz antwortete mir mein Nachbar bei Tisch, dem ich mein Staunen über diese Zeitverbummelung mittheilte, ich müsse bedenken, dass ich nicht in Amerika sei.

Wieder rattelten wir weiter. Die Rowena machte kaum sieben Meilen in der Stunde, aber sie wurde von ihrer Maschine ärger gestossen als der schnellste transatlantische Postdampfer. Das elende Fahrzeug erreichte erst in der Nacht den Eingang zu Auckland.

Es war stockfinster und nichts von all den schönen Inselvulkanen zu sehen, die den berühmten Hafen zieren, nicht einmal die Konturen. Nur Lichter, grössere von Leuchtthürmen und kleinere von Wohnstätten, blitzten allerwärts an unsichtbaren Ufern, und wir drehten uns zwischen ihnen durch.

Das Lichtergewimmel vor uns, welches die Stadt Auckland vorstellte, wurde etwas konzentrirter und rückte näher. Die Maschine stoppt, geht wieder an, stoppt nochmals, arbeitet rückwärts, stoppt und geht wieder vorwärts. Die Seeleute werden nervös, schreien und toben, rennen die auf Deck stehenden Passagiere um. Ein Licht rutscht ganz nahe aussenbords vorüber, wir sind am Pier. Noch ein bischen seemännisches Schreien und Toben, und der Dampfer ist mit Tauen festgemacht, ein Brett nach dem Bollwerk hinübergelegt, wir können aussteigen.

Auckland und die Schiffe des Hafens lagen bereits im tiefsten Schlummer, als ich durch den Schmutz des unangenehm langen Piers im Regen dahinpatschte nach dem nächsten Hotel, das mir aufstossen würde. Ein verdriesslicher Policeman, über dessen Gummirock das Wasser herabtriefte, stand im trüben Schein einer Gaslaterne und belehrte mich, dass das »Waitemata Hotel« gleich am Ende des Piers und an der ersten Strassenecke vor mir sei.

Ein braungelber Kerl von unbestimmbarer Rasse, in dessen Stammbaum die verschiedensten Völker des australasiatischen Völkerlabyrinthes zusammengewirkt haben mochten, öffnete mir auf mein lautes Klopfen, schimpfte ein wenig, worauf auch ich ein wenig schimpfte, um gleich danach in einem gemüthlichen Zimmer und in einem vortrefflichen Bett mich glücklich zu fühlen. Ich befand mich zum ersten mal wieder seit längerer Zeit in einem Haus mit steinernen Mauern. Die hohen kahlen Wände, die hohen Fenster mit den chinesischen Rouleaux aus Schilfgeflecht imponirten mir durch ihre Dimensionen. Mir war zu Muthe als ob ich in Europa, etwa in Italien wäre, und die Illusion zu vermehren schlug eine nahe Thurmuhr die zwölfte Stunde in einem Ton, den ich sonst nur im Lande der Zitronen gehört zu haben glaubte.

 

X
AUCKLAND UND THAMES GOLDFIELDS

Sehenswürdigkeiten. Das Northshore. Die Regenzeit hält ihren Einzug. Fahrt nach den Thames Goldfields. Goldgewinnungsprozess. Die Minen und der Schacht der United Pumping Association. Stürmische Rückkehr. Zwei vornehme Maoridamen vom Lande. Auf den Mount Eden. Die King Country und die Abolitionists. Reiseprojekte.

Auckland machte mir auch beim Tageslicht einen sehr günstigen Eindruck und erschien mir fast grossstädtisch, obwohl es nur 21 000 Einwohner hat, welche Zahl allerdings noch von keiner anderen neuseeländischen Stadt erreicht ist.

Hier gab es nun wieder eine Strasse, Queenstreet, in der es sich lohnte Abends zu flaniren lediglich des Beguckens der Auslagen und der vielen Menschen halber. Queenstreet sieht halb amerikanisch halb englisch aus und ist zuweilen sehr belebt. Die Nebenstrassen sind dafür um so ruhiger. Was mir an Auckland namentlich imponirte lag wohl in der Steinkonstruktion der Häuser, deren ich entwöhnt war. Das Vorherrschen der dunklen Lava als Baustein giebt der gleich wie Rom über sieben Hügel sich breitenden Stadt einen ernsten, stellenweise düsteren Charakter.

Auf einem der Hügel, dessen nach Osten gerichteter Abhang mit dem Sammetteppich altenglischen Grases geschmückt ist und an seinem ebenen Fusse der Jugend von Auckland als Cricketgrund dient, steht das palastähnliche Hospital der Provinz, und hinter diesem erhebt sich, bedeckt mit einem prächtigen Park, ein anderer Hügel, dessen Spitze den botanischen und zoologischen Garten sowie den Garten der New Zealand Acclimatisation Society trägt.

Europäische Staare, Finken und Spatzen, Rehe, Fasanen und Rebhühner werden dort nach überstandener Seereise eine Zeit lang gepflegt und dann schubweise in Freiheit versetzt, auf dass sie sich selbständig vermehren und das ursprünglich thierarme Land mit ihrer Nachkommenschaft bevölkern mögen. Die Fasanen gedeihen im Norden Neuseelands bereits so gut, dass man in den Hotels täglich und bis zum Ueberdruss damit gefüttert wird.

Die Spatzen in ihren grossen Flugkäfigen waren eben eifrig beschäftigt, Material zum Nestbauen zusammenzutragen, wobei sie dieselbe wichtigkluge Miene machten, wie bei uns zu Hause. Sie hatten offenbar keine Ahnung, dass sie sich auf der südlichen Hemisphäre befanden, und dass jetzt im Juni der Winter begann. Die Thierchen müssen hier ganz aus ihrer Zeitrechnung kommen. In einem kleinen Gehölz von hohen Manukabäumen, einer Pflanze, die ich bisher nur in Strauchform gesehen hatte, zirpten und jauchzten Staare ihre Frühlingsgefühle in den lauwarmen Sonnenschein hinaus.

Die New Zealand Acclimatisation Society leistet alles Mögliche in der Einfuhr nützlicher Thiere. Die Bienenzucht soll an vielen Orten in bester Blüthe stehen. Sogar Hummeln werden von England aus zu Tausenden importirt, da der Klee zur Uebertragung des befruchtenden Pollen dieser Insekten bedarf. In vielen Flüssen tummeln sich bereits junge Lachse, welche aus Kalifornien stammen, von wo sie als Eier bezogen worden sind und noch immer bezogen werden. In den Verhandlungen dieser verdienstvollen Gesellschaft las ich einst eine sonderbare Debatte, bei welcher von einem Mitglied die Einfuhr schottischer statt kalifornischer Salmonen befürwortet wurde trotz der beträchtlicheren Kosten, »weil diese lebhafter seien und beim Angeln mehr Sport gewährten als jene«.

Natürlich fehlt es auch Auckland nicht an einem eleganten englischen Klub und an einem Athenäum oder Mechanics Institute. Eines Museums war die Stadt erst vor Kurzem theilhaftig geworden, und vor wenigen Tagen hatte die feierliche Eröffnung desselben stattgefunden. Die ganze Bevölkerung strömte hinein es zu besichtigen. Die ausgestellten Sammlungen waren eben so universeller Natur wie die des Wellingtoner Museums und grossentheils geschmackvoll arrangirt. Nur auf dem Gebiete der Kunst war das denkbar Schrecklichste geleistet worden. Ich habe nirgends, selbst in Amerika nicht, empörendere Versündigungen an der heiligen Antike und Klassizität gesehen, als dort in jener Ausstellung. Möchten doch die jungen Damen, die da die Sixtinische Madonna und die Venus von Milo gezeichnet hatten, niemals wieder einen Stift in die Hand nehmen.

Die Maoribevölkerung der Stadt Auckland ist vielleicht etwas stärker als jene von Wellington. Die Maoris unterscheiden sich hier von ihren südlichen Stammesgenossen nur dadurch, dass sie nicht so allgemein Hosen anhaben, sondern es vorziehen, die oberen Theile ihrer nackten Beine mit dem beliebten Schal zu umgürten, was der milderen Temperatur zuzuschreiben sein dürfte.

Auf der anderen Seite des Hafens, dem Waitemata Hotel gegenüber, zieht sich das »Northshore« entlang, eine Art Vorstadt, grösstentheils aus anmuthigen Villen bestehend. Dorthin fuhr ich in Gesellschaft zweier junger Franzosen, die ich bei Tisch kennen gelernt hatte. Der eine von ihnen war in Sedan Artillerieoffizier und Gefangener, und somit schon einmal mir ziemlich nahe gewesen. Jetzt führte uns der Zufall im Lande der Antipoden noch enger zusammen. Der Zweck des Ausfluges nach dem Northshore war hauptsächlich, frische Austern direkt vom Felsen weg zu speisen. Jeder bewaffnet mit einem tüchtigen Messer, einer Zitrone und einer Flasche kalifornischen Weines, richteten wir eine wahre Verheerung unter den schlüpfrigen Thieren an. Nur die zarteste Kindheit wurde geschont. Die Mahlzeit hätte komfortabler, gewiss aber nicht heiterer sein können. Ehe wir nach Hause zurückkehrten, bestiegen wir noch einen der vielen kleinen Vulkane, an denen hier nirgends Mangel ist, genossen die Aussicht und konstatirten, dass oben zwei alte Schiffskanonen lagen, der Verrottung preisgegeben.

Dieser Tag war der letzte mit schöner Witterung. Gleich am nächsten Morgen fing es wieder an zu regnen, und regnete fort, so lange ich noch in Neuseeland blieb. Es war die Regenzeit, der Winter von Auckland, die ihren Einzug gehalten hatte. Auckland hat in Bezug auf Temperatur ungefähr dasselbe Klima wie Sizilien oder Griechenland, ist aber viel reicher an Regen. In Invercargill, der südlichsten Stadt Neuseelands, soll man zuweilen Schlittschuhlaufen können.

So blieb mir denn nichts übrig als meine Ausflüge auf die nächste Umgebung und auf den unerlässlichen Besuch der Goldminen an der Themse einzuschränken. Die Themse fliesst von Südost her in die südöstliche sackartige Ausbuchtung des Hauraki-Golfs. An ihrer Mündung liegen rechts die beiden Goldstädtchen Grahamstown und Shortland mit zusammen 8000 Einwohnern.

Am 20. Juni reiste ich auf dem kleinen Dampfer »Durham« dorthin ab, durch die Güte unseres Konsuls mit Empfehlungsbriefen ausgestattet. Kalte strömende Regengüsse wurden nur selten von kurzen launischen Sonnenblicken unterbrochen. Die Fahrt, welche sechs lange Stunden dauerte, bot unter solchen Verhältnissen wenig Interessantes und noch weniger Genuss. Alles aussenbords war grau, als der Waitemata-Hafen hinter uns lag, an dessen Eingang mitten im Wasser auf hohem Balkengerüst ein rundes Haus steht mit einer Veranda ringsherum und einem Leuchtthurm über dem Dache, den Wächter mit seiner Familie beherbergend. Gewiss eine so gut ventilirte Wohnstätte, wie man sie nicht besser wünschen kann, und zugleich eine meer- und sturmumbrauste Idylle fern vom Gewühle des Landes. Kinder spielten auf der Veranda, ein Hund bellte unseren vorüberfahrenden Dampfer an, und die Gattin des Wächters klopfte Kleider aus. Unten am Gerüst hingen ein Boot und ein kürzlich erst gefangener Haifisch.

Die meisten Passagiere waren der Seekrankheit zum Opfer gefallen, als wir endlich Grahamstown, unser Ziel, in Sicht bekamen, und zugleich der Regen aufhörte und die Sonne durchbrach.

Am Fusse hoher Berge und dann auch weiter oben begannen einzelne Häuser aufzutreten und umzäunte Gärten, so steil ansteigend, dass ihre Begrenzungen wie die Vierecke eines an der Wand hängenden Planes erschienen. Fabrikartige schwarze Gebäude und hohe Schornsteine mischten sich unten am Ufer dazwischen. Immer kahler wurden die Bergwände hinter ihnen, zerkratzt und zerwühlt von gieriger Menschenhand und mit zahlreichen Löchern von unten bis oben, die ins dunkle Innere führen – die »Thames Goldfields« lagen vor mir, und der Dampfer stiess an die Landungsbrücke.

Von der in Goldplätzen herrschenden Verwilderung und Lasterhaftigkeit haben unsere Romanschreiber so haarsträubende Bilder entworfen, dass man sich gefasst machen möchte, in ihnen nur schrecklich verthierte Mördergestalten, die beständig nach Blut und nach Gold lechzen, durch düstere Gassen von Lasterhöhlen schleichen zu sehen. So schlimm sah es nun in Grahamstown nicht aus. Die Strassen machten ganz denselben soliden Eindruck wie die der anderen Städte Neuseelands, die ich passirt hatte, und trugen ein viel älteres und fertigeres Gepräge als der kurzen Zeit ihrer Existenz entsprach. Wenn man bedenkt, dass im Jahre 1867 als hier zuerst Gold entdeckt wurde, die See noch an jungfräuliche schroffe Felsenufer schlug oder unwegsame Sümpfe überfluthete, wo jetzt eine ganz ansehnliche Niederlassung mit ausgedehnten Maschinerien steht, muss man alle Achtung vor der schöpferischen Kraft des Goldes bekommen.

Es war gerade eine Periode der äussersten Geschäftsstockung. Die Minen gaben seit längerer Zeit kaum mehr Gold genug um ihre Bearbeitung zu lohnen, und die vielen müssigen Bummler vom Typus des pfiffigen Börsenjuden bis zu jenem des borstigen und struppigen Hinterwäldlers, welche gruppenweise an den Ecken der sonst öden und menschenleeren Strassen herumlungerten, aus kurzen Pfeifen rauchten, häufig spuckten und die Hände in den Hosentaschen verbargen, waren wahrscheinlich vazirende Goldspekulanten und Digger.

Ich logirte mich in demjenigen von den vielen Hotels ein, welches dem Pier zunächst lag. Dann ging ich aus, meine Empfehlungen an die Managers verschiedener Minengesellschaften abzugeben. Aber nur zwei konnte ich anbringen, die an die Caledonia- und die an die Kuranui-Mine. Die anderen hatten wegen Mangel an Geld ihre Buden zugeschlossen und die Arbeit für einige Zeit eingestellt.

Der Name »Thames Goldfields« ist geeignet ganz falsche Vorstellungen hervorzurufen. Es handelt sich durchaus nicht um eine in der Fläche ausgebreitete Oertlichkeit. Die »Thames Goldfields« sind sehr steile, durch schmale Querschluchten abgetheilte Bergmassen, in deren Inneres von allen Seiten und von unten bis oben Löcher getrieben sind, welche im Verein mit dem zerkratzten und zerwühlten Zustand der Bergwände, mit den vielen sich kreuzenden hochbeinigen Holzbrücken und mit den vielen Fabrikschornsteinen der ganzen Gegend einen sehr unruhigen Charakter geben.

Das Gold ist hier in dünnen Quarzadern enthalten, welche die aus einem weichen Mergelsandstein bestehenden Berge kreuz und quer durchziehen. Hat man eine derartige goldführende Quarzader gefunden, so verfolgt man sie bis sie aufhört. Als ich zum ersten mal das Material sah, welches aus den Bergen zu Tage gefördert und in grossen Haufen aufgeschüttet wird um in die Stampfwerke zu wandern, war ich sehr überrascht über seine Beschaffenheit. Die Quarzadern sind so dünn, dass sie als lauter kleine Bröckel in die anklebende schmierige Masse des Muttergesteins gebettet und von dieser eingehüllt, zu einem dicken thonartigen Brei zusammengebacken erscheinen. Die fachmännische Bezeichnung »Dirt« entspricht seinem Aussehen vollkommen.

Dieser Dirt wird nun durch eigene Oeffnungen in das Innere der Batterien geschaufelt und in die Stampftröge vertheilt, wo er unter beständigem Zufluss von Wasser so lange zerstossen wird, bis er als feiner Schlamm durch die nadelstichgrossen Löcher des Siebes, welches die eine Seite der Tröge bildet, entweichen kann. Dann fliesst er in kleinen schmutzigen Bächen über geneigte mit wollenen Decken bekleidete Ebenen von 15 bis 20 Schritt Länge in ein System geräumiger Bottiche. Schmale mit Quecksilber gefüllte Rinnen unterbrechen quer diese Ebenen, denn alles Gold wird in der Form von Amalgam gewonnen. Die schwereren Goldtheilchen sinken in die Rinnen und werden vom Quecksilber chemisch gefesselt, während die Quarztheilchen abfliessen. Sollte es einem Goldtheilchen gelingen sich durch die Rinnen zu schmuggeln, so ist es noch lange nicht vor der Affinität des Quecksilbers gerettet. Es verfällt nur etwas später den Umarmungen dieses nach der Paarung mit ihm lüsternen Elementes. Der ganze Schlamm wird nochmal und zwar viel gewaltsamer mit dem Quecksilber zusammengebracht. Man lässt ihn zuerst in den grossen Bottichen sich absetzen, in welche von Zeit zu Zeit auch die Wollendecken der geneigten Ebenen ausgewaschen werden. Das geklärte Wasser fliesst oben über, unten sammeln sich alle die suspendirten Stoffe, um schliesslich in die nach ihrem Erfinder so genannten Berdans gebracht zu werden. Unter diesen versteht man riesige eiserne Reibschalen, die mit Wasser gefüllt sind und auf deren Grunde abermals Quecksilber lauert. Drei grosse und schwere Kanonenkugeln werden darin herumgerührt und pressen auf diese Weise jegliches Theilchen in intimen Kontakt mit dem Quecksilber.

 

Fängt nun das Quecksilber, sowohl der Querrinnen oben als der Berdans, an krümelig zu werden, so ist dies ein Zeichen, dass es grösstentheils zu Amalgam geworden und nahezu mit Gold gesättigt ist. Das Quecksilber hat seine Pflicht gethan und kann gehen, oder vielmehr es wird schnöde zum Gehen gezwungen, indem man das Amalgam in eisernen Retorten erhitzt, bis das Quecksilber als Dampf in die untergestellten Wassergefässe entweicht und wieder in seinen alten goldlosen Zustand zurückkehrt, um von Neuem dem Gold nachzustellen und in die Dienste des Menschen zu pressen.

Das in der Retorte zurückbleibende rohe Gold kommt dann auf die Bank um durch einen feineren chemischen Prozess geläutert und von dem Silber, das sich fast stets in seiner Begleitung findet, geschieden zu werden.

Ich kletterte, von einem Bediensteten der Caledonia-Gesellschaft, der gerade die Runde zu machen hatte, geführt, einen halben Tag lang in den Stollen und Schächten der Minen herum, jeder eine Stearinkerze in der Hand. Diese sind nämlich hier das allgemein übliche, sonst nicht für bergmännisch geltende Beleuchtungsmittel. Jeder Arbeiter, den wir auf unseren dunklen Wanderungen einsam oder in kleinen Gesellschaften trafen, hatte eine Stearinkerze mittels eines Lehmknollens neben sich an den Felsen geklebt. Man pflegt hier zwei Stearinkerzen lang, das heisst sechs Stunden täglich zu arbeiten. Die Arbeiter wurden entweder im Taglohn mit 6 Shilling bezahlt oder hatten eine Ader gepachtet und arbeiteten auf eigenes Risiko. Es wurde gerade sehr wenig Gold gefunden, nur eben so viel als sich verlohnte überhaupt zu graben. Deshalb waren die Stollen auch alle offen, und die schweren Thüren mit grossen Schlössern an den Eingängen erinnerten nur mehr an die vergangene Blüthezeit der Goldgräberei, in welcher eine strenge Kontrole nöthig und nützlich war.

Aufwärts und abwärts, horizontal und in allen Graden der Neigung sind Schächte und Stollen durcheinander gewühlt. Nur an den allergefährlichsten Punkten sind Stützen angebracht, von all den Vorsichtsmassregeln unserer europäischen Bergwerke keine Rede. Beinahe wäre ich in einen Verbindungsschacht gefallen, der plötzlich mitten im Wege ohne Bedeckung sich aufthat. Mein Führer schien mir Respekt vor seinem Geschäft beibringen zu wollen und hetzte mich durch alle möglichen Schwierigkeiten – endlose morsche Leitern hinab, auf denen oft meterlang die Sprossen fehlten, und der Fuss vergeblich nach einer Stütze im ungewissen Abgrund unten herumtastete, während oben die zerbröckelnde Erde nachstürzte, durch enge Löcher, durch die man nur auf dem Bauche rutschend sich durchzwängen konnte, auf Schienenwegen entlang, auf denen jeden Augenblick schwerbeladene Wagen aus dem schwarzen Inneren allein und ohne Aufsicht gepoltert kamen und den Leib aufzuschlitzen drohten, falls man sich nicht platt genug an die Wand drückte.

Fast alles Holzwerk in den Gängen war halbverfault. Wasser triefte von der Decke herab, und ungemein zarte flockige Schimmelbildungen, zarter als die zarteste Baumwolle, schmückten die Ecken. An einigen Stellen überraschte mich ein anmuthiges Phänomen zoologischer Natur. Die Decke erschien übersät mit Hunderten kleiner grünlich phosphoreszirender Sterne – Glühwürmchen, die auf der Rückenseite der drei vorletzten Ringe einen verhältnissmässig grossen länglichen Leuchtapparat trugen. Sie sassen in kleinen schlauchförmigen Gespinnsten etwa viermal so lang wie sie selbst, welche horizontal an den Rauhigkeiten des Gesteins befestigt waren, und von welchen feine Fäden, mit zierlichen Thauperlen besetzt, herabhingen. Näherte man ihnen das Licht, so fingen sie in ihren Schläuchen zu marschiren an und retirirten nach geschützteren Winkeln. Hie und da fand ich in alten Gespinnsten kleine todte Käfer hängen, vielleicht die Imago jener Würmchen.

Den anderen Tag besuchte ich den 200 Meter tiefen Schacht der »United Pumping Association« – für den richtigen deutschen Studenten gewiss ein Name von ausgezeichnetem Wohlklang. Das grossartige Werk dient dazu, die im Umkreis liegenden Minen zu drainiren. Im Grunde des Schachtes als dem tiefsten Punkt sammelt sich das Wasser des Bodens und wird durch Pumpwerke zu Tage gefördert.

Vergebens suchten mich die Beamten von meinem Vorhaben abzubringen, indem sie mir die schlechte Qualität der Luft, die Hitze und den Ueberfluss an Wasser dort unten in den lebhaftesten Farben schilderten. Ihre Vorstellungen waren auch, wie ich erfahren sollte, nicht übertrieben.

Ich steckte mich in die von Lehm starrenden Kleider eines Arbeiters, betrat in Gesellschaft eines Aufsehers den Fahrkorb und liess mich in den dunklen Schlund hinabsenken. Wir fuhren so rasch, dass man das unangenehme Gefühl des Fallens empfand. Immer kleiner wurde das viereckige Licht über uns, immer wärmer die Luft und immer stärker der dichte und gewaltsame Regen, welcher von den mit Kalkinkrustationen überzogenen Wänden herabstürzte. Neben uns liefen die Röhren und die aus halbmeterdicken Kauribalken zusammengesetzten Pumpenstangen, und das Brausen von Wasserfällen ertönte, so oft wir eines der vielen Reservoirs passirten, durch welche das Wasser von einem zum anderen gegeben wird. Mein Führer zog mehrmals an der Leine und stoppte die Fahrt, um mir das Werk zu erklären. Noch ehe wir unten ankamen, waren wir innen und aussen in Schweiss und Regen gebadet. Die drückend schwüle Luft war mit Feuchtigkeit vollständig gesättigt, das Athmen wurde beschwerlich.

Wir hielten an unserem Ziele, der Schwebekorb stiess auf den Grund des Schachtes. Wir stiegen aus in den schmutzigen Sumpf, welcher knietief den Boden bedeckte. Die Beamten hatten Recht gehabt, hier unten war es fürchterlich. Ich hatte das Gefühl zu ersticken in der unerträglichen Hitze, nur die halbe Atmosphäre war Luft, die andere Hälfte Wasser, welches widerlich lauwarm von allen Seiten herabschoss.

Und hier unten in diesem qualvollen Aufenthalt mühten sich sechs Menschen um ihr tägliches Brot. Der Raum, den sie erweitern sollten, war so eng, dass wir beide kaum mehr Platz hatten. Bis zu den Knieen im Schlamme stehend und strömend von Wasser, heftig athmend und mit dunkelgerötheten Gesichtern verrichteten sie schweigend ihre Arbeit. Ein aus Holz gezimmerter Kanal führte kühlere Luft von den Ventilationsvorrichtungen herbei. Dort das Antlitz hineinzuhalten und einige Züge zu schöpfen war ihre einzige Erholung.

Die Ventilation wurde mittels eines Sturzbaches, der durch einen eigenen etwa 100 Meter tiefen Schacht zerstiebend herabfiel, bewerkstelligt. Die in einzelne Tropfen aufgelöste Wassermasse riss Lufttheilchen mit sich, welche als ein frischer Wind in die horizontal verzweigten Kanäle hineingestossen wurden.

Mit Freude begrüsste ich wieder das himmlische Licht, als wir dem finsteren Schachte entstiegen, nass vom Scheitel zur Zehe. Der Kuranui Manager hatte noch die Freundlichkeit, mir einige Goldspecimens und statistische Notizen von seiner Mine zu schenken. Dann kehrte ich befriedigt ins Hotel zurück.