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Reise durch den Stillen Ozean

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Wie viel wäre hier noch zu retten, nicht blos auf dem Lande, sondern auch auf dem Grunde des seichten Sees. Wie gerne würde ich hier einen ganzen Wagen voll mitgenommen haben, wenn ich die Mittel dazu gehabt hätte. Aber es fehlte mir an Geld, und dann wäre auch die Auffindung und Feststellung der betreffenden Eigenthümer und ihre Befriedigung allzu zeitraubend und mühevoll gewesen.

Zwei Ausflüge sind in den Neuseeländischen Reisehandbüchern von Ohinemutu aus vorgeschrieben, nach Rotomahana (32 Kilometer) und nach Wakarewarewa (5 Kilometer). Ich besuchte letzteres zuerst und traf dadurch die richtige Reihenfolge aufsteigender Ordnung in den vier Hauptpunkten Tapuaeharuru, Ohinemutu, Wakarewarewa, Rotomahana.

Man sieht die Dampfsäulen der Wakarewarewa-Geyser weithin in der ganzen Niederung von Ohinemutu, was mich verleitete, meinen Weg ohne Führer anzutreten und jenen Pfad einzuschlagen, der in der entsprechenden Richtung lief. Ich sollte dafür durch einen grossen Umweg und noch grössere Verlegenheiten bestraft werden. Ich wusste damals noch nicht wie trügerisch es in diesem Lande ist, aus der Richtung eines Pfades schliessen zu wollen, wohin er gehe, und zu glauben, dass ein Pfad überhaupt irgendwohin führen müsse.

Nichts störte in der ersten halben Stunde meine Zuversicht. Das nie endende Geschrei der badenden Jungen und das Hundegebell von Ohinemutu verstummte hinter mir, und die Oede und Stille der Farn- und Manukalandschaft wurde nur hie und da unterbrochen durch das zimperliche »Tiriririti – Türürürütü« eines einsamen neuseeländischen Ammers. Ein Falke sass stumm und regungslos auf einem Strunk und flog stumm und ohne Geräusch hinweg als ich näher kam.

Enger wurde der Weg, sumpfige Stellen hemmten die Schritte, links und rechts drängte sich das Gestrüpp immer dichter zusammen und riss immer unverschämter an den Kleidern. Auf einmal war es kein Weg mehr, was ich vor mir hatte, sondern eine fast undurchdringliche Farnwildniss, in der ich bis zum Kinn stak und nun nichts mehr von den leitenden Dampfsäulen sah.

Ich ging zurück zu einem Punkt, von dem aus ich wieder die Umgebung überblicken konnte, und entdeckte zu meiner angenehmen Ueberraschung nur vielleicht 300 Schritt jenseits einer Mulde einen Fahrweg, auf den ich sofort zuschritt. Aber die Mulde war tiefer als sie schien. Das Farngestrüpp hörte auf, und vereinzelte dürre Grasbüschel traten an seine Stelle, feine Dampfwölkchen entstiegen plötzlich der Böschung unmittelbar unter mir, und ein kleiner heisser Schlammsee mit eifrig spuckenden Schlammvulkanen bildete den Grund. Ich befand mich unerwartet auf gefährlichem Boden, der wieder eben so geröstet und unheimlich brüchig wurde wie bei den heissen Quellen von Tapuaeharuru. Da ich häufig von einem Grasbüschel zum anderen gesprungen war, hatten meine Schritte keine Fährte hinterlassen, und ich wusste nicht mehr, woher ich gekommen. Es galt also vorsichtig und mühsam aufs Gerathewohl sich weiterzuarbeiten.

Manukagebüsch, geröstete Erde und dampfende Löcher ohne Wasser wechselten mehrmals mit Farngestrüpp, so üppig und dicht, dass ich es erst mit Armen und Beinen niederpressen musste, ehe ich den Fuss vorwärtssetzen durfte, und zu hundert Schritten eine halbe Stunde brauchte. Dann ging es durch Gräben ab und auf, warme Bächlein waren zu überschreiten, wozu ich mir erst Faschinen schneiden musste, da ich sonst wahrscheinlich versunken wäre, dann kam auf einmal wieder eine kochende Schmutzpfütze mit höchst verdächtigen weichen Uferrändern, und schliesslich waren Schmutzpfützen und Schmutzseen rings um mich her und wurden so unübersehbar komplizirt, dass ich alle Orientirung verlor und fast verzweifelte jemals aus diesem brodelnden Labyrinth herauszufinden. Aber Alles ging gut, und ich erreichte dennoch mein vorläufiges Ziel, den Fahrweg und hatte nun ein interessantes Gebiet durchstreift, welches ich nicht oder gewiss nicht so genau kennen gelernt hätte, wenn ich auf dem gewöhnlichen Weg gegangen wäre.

Diese kochenden Schlammseen sind höchst eigenthümliche Phänomene. Die grössten von dem Durchmesser eines guten Steinwurfes, die kleinsten so breit, dass man zur Noth das Hinüberspringen wagen könnte, etwa drei Meter tief in die Farnebene hineingebettet, rundlich gebuchtet und theilweise mit einander zusammenhängend, bestehen sie grösstentheils aus einem weisslichen Brei ähnlich dem Chausseekoth kalkiger Gegenden. In jedem See und in jeder Pfütze wallt in der Mitte oder gleichzeitig an mehreren Punkten diese dicke Masse rastlos kochend und spuckend empor und pflanzt die dadurch erzeugte Bewegung in genau konzentrischen trägen und dicken Wellen um sich fort. Einige wenige solcher Tümpel fand ich gerade unthätig, und in ihnen hatte der Brei sich in die festeren auf dem Grunde abgesetzten Theile und in klares, warmes, dampfendes Wasser darüber gesondert, welches entweder im weichen Ufer voll dampfender Löcher versickerte oder in tiefer gelegene Tümpel abfloss. Alle Blätter und Aestchen, die am Ufer lagen, waren mit Inkrustationen überzogen.

Ich war nun wenigstens wieder auf sicherem Boden. Aber der Fahrweg führte weder nach der einen noch nach der anderen Seite dahin wohin ich wollte und schien sich um Wakarewarewa überhaupt gar nicht zu kümmern. Abermals irrte ich umher, bis ich einen Maoritrack fand, der die gewünschte Richtung hatte und mich nicht betrog. Nur der reissende und gleichfalls warme Wakarewarewafluss setzte ein Hinderniss weniger beunruhigender Art, welches ich überwand, indem ich die untere Hälfte meiner Bekleidung ablegte und ohne Unfall trocken hinüberbrachte, trotzdem die rasche Strömung sich alle Mühe gab, meine Beine von den schlüpfrigen Steinen wegzuziehen.

Es war nicht ganz leicht, auf der anderen Seite emporzuklettern. Ich warf mein Gepäck hinauf ins Gebüsch, und als ich selbst oben war, dankte ich inbrünstig meinem gnädigen Geschick. Denn beinahe hätte ich Hose, Regenschirm und Stiefel in einen tiefen kochenden Kessel geschleudert, der unmittelbar hinter dem hohen Ufer verborgen war und heimtückisch brodelte.

Endlich stand ich vor den Geysern und wurde für alle Mühe reichlich belohnt. Meine Erwartungen waren in Folge der Lektüre eines überschwenglichen Guidebooks sehr niedrig gespannt, aber die Grossartigkeit dessen was ich nun sah, hätte auch viel höhere übertroffen und kam beinahe den Schilderungen des Guidebooks gleich.

Mitten aus dunkelrothem zerrissenem Gestein und dunkelgrünem von den Dämpfen kochender Quellen bethautem Gebüsch erheben sich etwa 10 Meter hoch strahlend zwei weisse Kegel aus Kieselsinter, an der Basis mit dem zarten Gelb von blumigen Schwefelkrystallen geschmückt – ein herrliches Bild voll Farbenpracht und malerischer Wirkung. Man konnte sich für dieses glänzende feenhafte Gebilde keinen besseren Hintergrund denken als jene düsteren rothen und grünen Töne.

Niedrige Stufen, aus Kieselkrystallen5 gewebt und mit einer dünnen spiegelnden Schicht abfliessenden Wassers bedeckt, führen nach oben zur Mündung der Geyser. Diese sind nicht immer thätig und kündigen eine bevorstehende Explosion vorher durch stärkeres Wallen und Donnern an, so dass man ohne Gefahr ganz nahe an ihren Rand vortreten kann. Der grössere hat einen unregelmässig geformten Schlund von 2 bis 6 Meter in den verschiedenen Durchmessern und das Niveau seines unergründlich dunkelblauen Wassers ist etwa ein Meter unter der Oberfläche.

Als ich zum ersten mal hier hinabsah, war gerade vollständige Ruhe eingetreten. Nach wenigen Sekunden begann es unten leise zu wogen, grosse Luftblasen gurgelten aus der Tiefe herauf und platzten, die ganze blaue Flüssigkeit kam in Wallung und stieg immer höher, der Boden zitterte und donnerte dumpf unter meinen Füssen. Ich trat zurück.

Vielleicht eine Minute mochte dieses unterirdische Rumoren dauern, einzelne Tropfen spritzten zuweilen über den Rand, und plötzlich hob sich eine donnernde und brausende Wassersäule 5 Meter hoch in die Luft, und mehrere dampfende Bäche plätscherten über den Kegel hinab. Dann wurde es ruhiger, es gurgelte schwächer und schwächer in dem Geyserschlund, und die Explosion war vorüber.

In dem zweiten Geyser schien gar keine Bewegung zu sein. Während ich so herumwanderte, kamen drei Weisse aus dem Gebüsch herbei und knüpften ein Gespräch mit mir an. Sie waren Badegäste und von Melbourne, die aus Sparsamkeitsrücksichten nicht in Ohinemutu, sondern in einem einsamen Maorigehöft hinter dem nächsten Hügel Logis genommen hatten. Sie schienen die Gewohnheiten der beiden Geyser eingehend studirt zu haben und sagten mir, dass der kleine zuweilen noch spiele, aber nur dann, wenn er von niemand beobachtet sei, wesshalb er den Namen »der schüchterne Geyser« (the bashful Geyser) erhalten. Der andere grössere würde heute, so hofften sie aus dem Wetter schliessen zu dürfen, mindestens noch 50 Fuss hoch springen. Ich war jedoch skeptisch genug, ihren Prophezeiungen nicht viel zu trauen, und machte mich auf den Heimweg statt mit ihnen hinzusitzen und auf die verheissenen 50 Fuss zu warten.

Eines Abends machte ich im Bade die Bekanntschaft dreier Photographen aus Auckland, welche die berühmten Sinterterrassen von Rotomahana aufzunehmen beabsichtigten. Da ich ebenfalls die Absicht hatte, nächstens dorthin zu fahren, schloss ich mich an sie an.

Am Tage vor unserer Abreise wurde uns durch Vermittlung mehrerer ansässiger Weissen vorgeschlagen, die gesammte tanzfähige Einwohnerschaft von Ohinemutu wolle uns zum Abschied einen »Haka« vortanzen, wenn wir jeder ein Pfund Sterling bezahlten, und wir gingen darauf ein. Im Versammlungsgebäude der Gemeinde sollte die Produktion vor sich gehen.

 

Es war eben dunkel geworden, als man uns einlud zu kommen. Einige Petroleumlampen erleuchteten spärlich den schwärzlichen Raum, welcher sehr düster aussah. Wir nahmen auf Bänken Platz. Hinter uns drängte sich ein zahlreiches Maoripublikum hin und her.

Das Balletkorps harrte bereits in Schlachtordnung aufgestellt unseres Erscheinens. Es bestand aus etwa 60 Mädchen, 20 Männern und 2 kleinen Jungen von 5 bis 6 Jahren. Die Männer nahmen den rechten, die Weiber den linken Flügel ein, ein alter Häuptling mit einem ganz blau tätowirten Gesicht, der schon manchen Akt des Kannibalismus auf dem Gewissen haben mochte, kommandirte. Er war derselbe, an dem ich jüngst beim Baden Gelegenheit gehabt hatte zu konstatiren, dass auch seine Basis mit einem stylvollen Maorischmuck versehen war. Zwei grosse blaue ammonitenartige Spiralen zierten ihm die Hinterbacken. Heute trug er ausser dem um die Lenden mit einem Ledergurt befestigten Schal am Oberkörper nichts als eine alte zerrissene europäische Weste. Vom Schlitz des Ohrläppchens hing eine Pfauenfeder herab. Die Tänzerinnen trugen Hühnerfedern in den struppigen Haaren, je zwei auf beiden Schläfen wie Fühlhörner emporgerichtet.

Bei allen Polynesiern, ja so ziemlich bei allen Naturvölkern wird beim Tanz auch gesungen, und die Namen für Tanz werden deshalb auch meist im Sinn von Gesang gebraucht. So war es auch mit diesem Haka. Eine Reihe von Strophen oder Figuren folgte einander. In den Pausen kauerte die in drei Gliedern aufgestellte Gesellschaft nieder, um auf Kommando zum Wiederbeginn einer Strophe mit einem gellenden ohrenzerreissenden Schrei aufzuspringen. Sie veränderten beim Tanzen kaum ihre Plätze, traten höchstens einen Schritt vor und zurück, machten einmal rechtsum, dann linksum und trippelten nun im Profil vorwärts und rückwärts. Taktmässiges und gleichzeitiges Hin- und Herwerfen der Arme, Händeklatschen und Hüftenschlagen wechselten erstaunlich präzis und exakt, und was das Hervorstechendste war – die Weiber, namentlich die älteren, bewegten ihre Bäuche im Takt auf und nieder mit einer Biegsamkeit, als ob sie hiefür ein eigenes Gelenk besässen. Wahrscheinlich geschah diese Bewegung in den besonders elastischen Kreuzwirbelbändern, sonst konnte ich sie mir anatomisch nicht erklären. Um ihre Virtuosität recht deutlich zu zeigen, trugen sie die Bäuche über den Röcken oben und unten durch farbige Bänder abgeschnürt, so dass sie wie runde Kugeln sich hervorwölbten.

Jedenfalls hatte ursprünglich auch der Haka wie alle polynesischen Tänze einen geschlechtlich lasziven Sinn. Bei dieser durch halb europäische Kleider modifizirten Darstellung war nichts derartiges mit jener vollen widerlichen Klarheit wahrzunehmen, welche ich später auf Hawaii beim Hulahula beobachten sollte.

Während der ganzen Zeit wurden die Augen in einer wahrhaft fürchterlichen Weise gerollt. Der Gesang liess keine Melodie in unserem Sinn erkennen und bestand nur aus zwei oder drei Noten, er verstieg sich zuweilen in heulende und bellende Töne und endete gewöhnlich in einem gellenden kurz und scharf ausgestossenen Ton, so dass man die plötzliche Stille danach eigenthümlich befremdend empfand. Bei einer Strophe kam eine Blechbüchse als Trommel in Anwendung.

Am besten waren die beiden kleinen Jungen. Sie waren mit einem Lendentuch bekleidet und ihre Köpfe mit einem rothen Stirnband, in welchem Federn staken, geschmückt. Mit gespreizten Beinen und gespreizten Armen, die Finger in krallenförmiger Haltung, gaukelten sie, die unmöglichsten Grimassen schneidend, die Zungen herausschlagend und die Augen verdrehend, so dass man nur mehr das Weisse sah, vor der Front nach links und nach rechts hin und her, geberdeten sich sehr gelungen wie kleine Teufel und erinnerten lebhaft an den so charakteristischen Typus jener Fratzengesichter, welche ein Hauptornament der Maoriskulptur bilden.

Im Anfang gingen die Tanzfiguren ziemlich gut von Statten. Der alte Häuptling hatte sichtlich seine Freude daran und jauchzte vor Vergnügen. Er mochte sich seiner schönen kannibalischen Jugend erinnern. Bald jedoch schien sich Ermüdung und Langweile in dem Balletkorps einzustellen und die Taktmässigkeit der Evolutionen erlahmte. Die Einen machten linksum wenn rechtsum kommandirt war, es gab dann Verwirrung, die Tanzenden fingen an, sich zu schimpfen. Auch der alte Häuptling gerieth ins Schimpfen, die Verwirrung stieg. Er schimpfte immer ärger, er riss seine Weste ab und raste nun nackt hin und her. Aber es half alles nichts mehr. Wüthend legte er das Kommando nieder und mischte sich unter die Zuschauer, um die Tänzer mit höhnischen Zurufen zu schmähen, als sie ohne ihn weiter zu arbeiten versuchten, und ein jüngerer Mann kommandirte. Sowie der alte Häuptling nicht mehr mitspielte, war es um die Vorstellung geschehen. Nichts gelang mehr, und der Tanz löste sich in einen allgemeinen Streit auf.

Der alte Geist des Haka war eben unter dem jüngeren Volk nicht mehr vorhanden, und wenn er jetzt noch hie und da produzirt wird, so geschieht es blos des Geldes wegen und vor Touristen, die nichts davon verstehen.

Nur bei den grossen Staatsversammlungen der Maoris oder auf den jährlichen Rundreisen des Ministers für Maoriangelegenheiten bei den verschiedenen Stämmen, wenn viele Männer vom alten Schlag zusammenkommen, mögen die alten Maoritänze noch ziemlich echt aufgeführt werden, und dann soll es auch nicht an den dazugehörigen Bestialitäten fehlen. Man hat mir hierüber die haarsträubendsten Dinge erzählt. Es wird aber so viel gelogen, dass ich nicht weiss, was ich für wahr halten darf. Positiv ist nur, dass in den Zeitungen damals viel Entrüstung über einige vornehme Damen zu lesen war, die bei einer derartigen Gelegenheit sich vorgedrängt hatten und sich schliesslich gezwungen sahen, in Ohnmacht zu fallen.

Die jüngere Generation von Ohinemutu zieht es vor, Walzer und andere europäische Tänze zu tanzen. Fast alle Abende fanden entweder in einer alten leerstehenden Hütte oder im Freien sehr lustige Bälle statt. Auch jetzt nach dem missglückten Haka wurde ein solches zeitgemässeres Vergnügen arrangirt, und zwar, da wir gerade den schönsten Mondschein hatten, gleich vor dem Versammlungsgebäude. Die Mädchen tanzten ausgezeichnet. Allerdings wirkten die Furcht, ihnen auf die blossen Füsse zu treten, und die Unebenheiten des Bodens etwas störend. Ein Soldat der Konstabulary Force machte mit einer Ziehharmonika die Musik dazu.

Als der Musikant müde war und den Ball durch Aufhören seines Spiels beendete, bat mich eine unserer Tänzerinnen, mit in ihre Hütte zu kommen. Sie hatte gehört, dass ich ein Arzt sei, und bewarb sich eifrig um meine Gunst, damit ich ihr einen bösen Husten, an dem sie litt, wegzaubern möchte.

Sie wohnte mit zwei Freundinnen zusammen in einer Weise, die allen Rücksichten der Hygiene spottete und wieder ein glänzendes Zeugniss ablegte von der bekannten eisernen Gesundheit der Prostituirten überhaupt und dieser braunen insbesondere. An eine bestimmte Essens- und Schlafzeit schien sich das interessante liederliche Kleeblatt nicht zu binden. Eine Stearinkerze, die in einer schmierigen Flasche steckte, wurde angezündet. Der Fussboden war die nackte feuchte Erde. Im Hintergrund der Hütte bildete eine Schicht Farnkraut mit einigen groben wollenen Decken und weiss überzogenen Kopfkissen das gemeinschaflliche Bett für die drei, auf welches wir uns niedersetzten da sonst kein Sitzplatz vorhanden war.

Meine Patientin holte aus einem Winkel etliche kalte gesottene Kartoffeln hervor und schälte mir eine davon. Kartoffeln sind fast die ausschliessliche Speise der Maoris. Aber diese niederträchtige Nahrung hat es noch nicht vermocht, die Schönheit der Rasse merklich zu schädigen. Die eine der Freundinnen ging wieder fort und sagte, sie wolle heute wo anders schlafen, die andere packte ein Stück leichten Stoffes aus einem grossen Papier und fing an, bei dem spärlichen Licht der Kerze zu nähen. Es war ungemüthlich kühl und feucht, man sah den Hauch vor dem Munde. Dabei hatten die Mädchen weiter nichts als ein Hemd und einen möglichst grell und bunt gefärbten Schal auf dem Leibe.

Mehr als diese zwei Kleidungsartikel trägt für gewöhnlich kein Maorifrauenzimmer in Ohinemutu. Bei besonders festlichen Gelegenheiten werden die Füsse vielleicht in ein Paar Stiefeletten und der Oberkörper in ein Mieder gezwängt. Stiefeletten und Mieder sind aber Luxusgegenstände, welche nicht jede besitzt. So frieren sie sich durch den Winter durch, bis der warme Sommer kommt. Wird ihnen die Kälte zu stark, so gehen sie hinaus und legen sich auf ein paar Stunden ins warme Wasser, was wir gemeinschaftlich thaten, nachdem meine Konsultation zu Ende war. Von einer ernsthaften Behandlung des ohnehin geringfügigen Uebels konnte hier natürlich keine Rede sein. Die Patientin erhielt mein letztes Wellingtoner Morphiumpulver.

Ich glaubte unter den Mädchen und Weibern von Ohinemutu zwei Typen unterscheiden zu können, einen mit ernsten ruhigen Zügen von zuweilen sehr edler Bildung, und einen mit unregelmässigen niggerhaften Gesichtern, denen nur eine gewisse hetärenhafte Heiterkeit einen Reiz untergeordneter Art verleihen konnte. Bei den Männern fand ich diese Unterschiede weniger ausgesprochen.

Obgleich auch bei den Maoris der so ziemlich allen Naturvölkern eigene Grundsatz gilt, dass die unverheiratheten Frauenzimmer bis zur Ehe berechtigt sind, frei über sich zu verfügen, ohne deshalb in Schande zu verfallen, eine Freiheit, aus der sich in Berührung mit dem Europäerthum gewöhnlich eine intensive Prostitution zum Zweck des Gelderwerbes gebildet hat, so fehlte es in Ohinemutu doch nicht an einer Art Sittenpolizei, welche die Häupter der Gemeinde ausübten, und mehr als einmal sah ich herumstreunende Mädchen ergriffen und nach Hause geschleppt werden.

Am nächsten Vormittag fuhr ich verabredeter Massen mit den drei Photographen nach Rotomahana, dem Gipfelpunkt der Sehenswürdigkeiten des Lake-Distriktes ab. Es ist herkömmlich, diese Partie über Wairoa, einem Dorf am Tarawerasee, zu machen, bis dorthin auf einer nicht aussergewöhnlich schlechten Strasse zu Wagen und dann über den See in einem Maorikanuu zu fahren.

Hätte ich vorher geahnt, welche Unannehmlichkeiten ich mittels meiner zehn Shillinge für einen Sitz auf dem Fuhrwerk nach Wairoa erkaufte, ich wäre ohne Zweifel zu Fuss gegangen, was mir höchstens eine halbe Stunde mehr gekostet, aber gewiss auch mehr Vergnügen und weniger Qual bereitet hätte. Meine Begleiter schleppten so viel Gepäck mit sich, dass wir in den unnatürlichsten Stellungen auf dem alten Karren, der fusshoch über Steine und Löcher hopste, herumbalanciren mussten, und die Pferde waren so jämmerlich schlecht und altersschwach, dass man es nicht ungerührt mit ansehen konnte, wie schwer ihnen eine raschere Gangart fiel, trotzdem der Kutscher alles Mögliche that, sie aufzumuntern, und schliesslich zu diesem Zweck sogar einen jungen Baum aus der Erde riss. Eine alte graue Stute lief einzeln in der Gabel, vor welche zwei andere Mähren gespannt waren. Diese zeigten noch etwas Empfindung und machten jedesmal drei oder vier Gallopsprünge, so oft das keulenförmige Wurzelende des jungen Baumes durch die Luft brauste. Die alte Stute in der Gabel aber blieb resignirt unter der Wucht der Keulenschläge, veränderte nicht eine Sekunde den sanften Rhythmus ihres unverwüstlichen Zotteltrabs und wischte höchstens einmal gleichgültig mit dem dünnen Schwänzchen über die Lenden, wenn gerade einer besonders heftig auf sie niedergerasselt war.

Das Wetter war kalt und fröstelnd, es begann zu regnen. Wir brauchten beide Hände um uns festzuhalten und konnten nicht daran denken, die Reisedecken um uns zu wickeln, sondern mussten das Unangenehme geduldig ertragen.

Zum Glück nimmt Alles ein Ende, also auch eine Reise nach Wairoa, welches wir freudig begrüssten, nachdem wir zuerst die Niederung von Ohinemutu, dann einige langweilige Farnhügel, dann einen prachtvollen Busch mit riesigen Totaras voller Schmarotzergewächse und eleganten Farnpalmen passirt hatten und zuletzt an zwei kleinen Seen entlang gefahren waren, von denen der erste Tikitapu heisst und 20 Meter höher als der zweite Namens Rotokakahi liegt. Der Spiegel des einen soll bei gutem Wetter herrlich blau sein, ich sah jedoch damals nur Grau.

Einige Partien wandernder Maoris, Männer, Weiber und Kinder zu Pferd und zu Fuss, begegneten uns und grüssten freundlich »Tenakoe« (da bist du). Ein junges Pärchen Hand in Hand eilte laufend vorbei, er einen Stock über der Schulter und sie ein farbiges Bündel herumschlenkernd. Nicht einen Augenblick unterbrachen sie ihr Rennen über den lehmigen Boden, durch Behendigkeit und Mangel an Grazie sehr an das Affenartige streifend, so lange man sie auf der schnurgerade durch den Busch geschnittenen Strasse verfolgen konnte.

 

Als wir in Wairoa ankamen und in unserem schmälichen Fuhrwerk am Hotel vorfuhren, gab es natürlich wieder den üblichen Zusammenlauf. Die Eingeborenen haben ausser der Bearbeitung einiger Kartoffelfelder nichts zu thun und leben hauptsächlich von den Fremden, welche die nahe Sehenswürdigkeit fast das ganze Jahr hindurch herbeizieht. Dieser Artikel mochte in der letzten Zeit wegen des schlechten Wetters etwas spärlich gewesen sein, wie aus der Aufregung, mit der man wetteiferte, uns Dienste zu offeriren, hervorzugehen schien.

Von verschiedenen Seiten kamen aus den zerstreuten Schilfhütten Männer mit kurzen Pageien auf den Schultern herbei. Ein Rudel Weiber und Kinder pflanzte sich dem Hotel gegenüber längs der Strasse auf, um dem Schauspiel unserer Verhandlungen mit den Kanuubesitzern als passive Theilnehmer beizuwohnen, und den Genuss zu erhöhen, kauerten einige nieder, zündeten ihre Stummel an und schickten kleine Jungen an uns ab, Pakehatabak zu erbetteln.

Die Hotelwirthschaft, drei bejahrte Frauenzimmer und ein stupid aussehender Kerl irischer Nation, welch letzterem übrigens nur selten zu sprechen erlaubt wurde, beschwor uns, doch heute nicht mehr in so vorgerückter Stunde und bei dem heftigen Winde die Fahrt über den Tarawera zu wagen, und ein Mann mit einem blauen Schäfermantel, einer Schirmmütze auf dem Haupt und dicken Holzsandalen an den Füssen eilte schleunigen Schrittes herbei, um sich als anerkannten Guide der Gegend und als Monsieur Procope vorzustellen, dem die Holzhütte gehörte, an welcher uns bereits beim Hereinfahren die Aufschrift »Maison de Paris« aufgefallen war. Kaum hatte er gehört, um was es sich handelte, als er auch gleich, in der Hoffnung engagirt zu werden, den Anschauungen der irischen Partei Opposition machte und, sehr erfreut, statt in dem ihm feindlichen Englisch in seiner Muttersprache konversiren zu können, uns wiederholt versicherte »Elles sont des Anes«. Seine Bemühungen trugen ihm nur etliche Zigarren ein, und wir fuhren ohne ihn nach Rotomahana.

Für die Wasserpartie Wairoa-Rotomahana ist ein Tarif in Geltung, nach welchem jeder Fahrgast zwei Kanuuleute für je fünf Shilling pro Tag zu nehmen verpflichtet ist. Wir hatten bald unsere acht Burschen beisammen und waren mit ihnen bezüglich unserer Personen handelseinig. Da jedoch die Photographen aussergewöhnlich viel Gepäck mitschleppten, weshalb noch eigens Bezahlung verlangt wurde, so führte dieser Punkt zu einer längeren unerquicklichen Zänkerei. Die Maoris versuchten Englisch und die Photographen Maori zu radebrechen, was zur Folge hatte, dass beide sich nicht verstanden. Auch der Franzose krähte zuweilen dazwischen, und die Irländerinnen schimpften dann kreischend auf den Franzosen, so dass die ganze Szene einschliesslich des neugierigen braunen Publikums amüsant sein konnte, hätte nicht die Kälte das Hinstehen und Zeitverlieren zu unangenehm gemacht.

Von Wairoa aus kann man den Tarawerasee noch nicht sehen. Er liegt etwa 30 Meter tiefer, und erst mehrere hundert Schritt weiter gegen Nord fällt das Land plötzlich zu ihm hinab. Bis dorthin folgte uns die ganze Bevölkerung nach sowie auch der Wagen mit dem Gepäck, um dann, voll von schreienden Kindern, zurückzukehren.

In einem Rinnsal kletterten wir den steilen Absturz hinunter. Dann gings durch ein sumpfiges Schilfdickicht und über einen Creek, auf dem zwei kleine Kanuus schwammen und die sehr unsichere schwankende Brücke zusammensetzten.

Diesen Creek werde ich niemals vergessen. Mit meinem Bündel in der einen Hand, dem Höllensteinkasten der Photographen in der anderen, zwischen den Zähnen meinen Regenschirm, betrat ich das diesseitige Kanuu, balancirte glücklich hindurch und war eben im Begriff in das jenseitige zu steigen, als hinter mir ein voreiliger Maori das labile Gleichgewicht störte, und ich lag sammt meiner Ladung rücklings auf dem kalten Grunde des Bächleins, und nur die Beine guckten noch aus dem Wasser, wie man mir später erzählte. Ich war nun vollständig durchnässt und sollte auf der ganzen Partie nicht mehr trocken werden.

Wir machten vergeblich ein Feuer an, um uns zu wärmen, bis die langweiligen Maoris ihre Zurüstungen beendet hatten. Ein hübsches braunes Mädchen, welches um Tabak bettelte und Mitleid mit meinem verunglückten Zustand zu haben schien, war mein einziger Trost.

Endlich, endlich stiessen wir ab, nachdem die Photographen sich noch eine Weile wegen ihres Gepäckes herumgezankt. Etliche schmale und lange, aus Baumstämmen gehöhlte Kanuus lagen im Sumpf des Ufers, und in das längste derselben packten wir uns und unsere Sachen. Es ist unbegreiflich, wie auf einem von englischen Touristen so stark befahrenen Gewässer noch solche schlechte und primitive Fahrzeuge benutzt werden dürfen.

Obgleich unsere Maoris bereits eine halbe Stunde lang ausgeschöpft hatten, war der Grund des Kanuus noch immer voll Wasser, als sie uns einzusteigen nöthigten. Wir setzten uns einer hinter den anderen, mit gespreizten Beinen in einander gefügt wie zu einer Bergwerksfahrt, auf den engen Boden, dessen Härte eine Streu Farnkraut mildern sollte, und dessen Wasserstand sehr fühlbar unsere Basis umspülte. Um mich, auch oberhalb dieses gemeinschaftlichen Pegels Feuchten, zu wärmen, bat ich mir einige Gepäckstücke zur Verschanzung aus. Einen Kartoffelsack auf dem Bauch, den Höllensteinkasten als Brustschild, die Camera obscura und das Dunkelzelt gegen den Rücken gestaut, so verwandelte ich langsam durch thierische Wärme die Nässe der Kleidung in einen verhältnissmässig behaglichen Dunst, resignirt und mir wohlbewusst unfehlbar zu ertrinken, falls das schwanke Kanuu umkippen sollte, wozu es einigemal Miene machte.

Je vier Maoris sassen vor und hinter uns und tauchten nach dem raschen Takte eines melodiösen Gesanges die kurzen Pageien ins Wasser. Ganz hinten ruderte der Kapitän und kommandirte mit heftigen und erregten Worten.

Wir schossen aus der Bucht in den See hinaus, die schön bewaldeten felsigen Ufer flogen zurück, ein scharfer Wind wehte uns entgegen, und höhere Wellen leckten links und rechts ins Kanuu. Die Gefährten übernahmen abwechselnd die Arbeit, mit einer alten Konservenbüchse auszuschöpfen. Ich selber, der ich am tiefsten sass, peilte mit meiner Haut den Stand der Flüssigkeit. Sobald sie die Schenkelbeuge zu überfluthen begann, befahl ich zwei Mann an das Pumpwerk.

Unsere Maoris benahmen sich keineswegs vertrauenerweckend. Bei jedem schärferen Windstoss, bei jedem höheren Wellengang fingen sie laut zu schreien an, debattirten unter einander und hörten nicht mehr auf den Kapitän. Dann schien es ihnen auf einmal zu gefährlich, durch die Mitte des Sees zu steuern, sie bogen gegen Land zu und setzten dadurch die ganze Breitseite den Wellen aus, welche auch nicht versäumten, sofort hereinzuschlagen und sie zur Beibehaltung des alten Kurses zu nöthigen. An einer vorspringenden Felsenzunge kamen wir dem Gestein so nahe, dass wir beinahe scheiterten. Kurz eine Gefahr nach der anderen drohte aus der Unentschlossenheit und Aufgeregtheit des braunen Piratengesindels, dem wir in die Hände gefallen waren. Ihre ganzen Navigationskünste, von denen die Neuseeländischen Reisehandbücher viel Rühmliches zu berichten wissen, äusserten sich mehr in einem ewigen wüsten Geschrei, einem ewigen rathlosen Hin- und Herfackeln, als in einer zweckmässigen ernsten Thätigkeit. Und zu alle dem waren die Kerls noch schmälich faul, ruhten gemächlich aus oder frugen uns durch Geberden, ob wir nicht auch einmal rudern wollten.

Die Landschaft ringsum war trotz des ungünstigen Wetters äusserst malerisch, und das dunkle Grün des Wassers wetteiferte mit dem noch dunkleren Grün des über Felsen hereinhängenden üppigen Busches an Kraft und Tiefe. Hie und da erhob sich ein einsamer scheuer Kormoran aus dem Wasser.

5Mineralogisch betrachtet ist der Kieselsinter nicht krystallinisch, sondern amorph; dem oberflächlichen Beschauer aber macht dieser in den Formen von Eisblumen und Reifbäumchen erstarrte Stoff den Eindruck von Krystallen.