Es war einmal ein kleines Mädchen ...

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So sah unsere Routine aus und wir liebten es. Bei Mom hatte ich nie eine Nanny und nur selten einmal einen Babysitter. Mom und ich gingen gemeinsam ins Kino und zu Vorstellungen abseits des Broadways. Wir blieben lange wach und mitunter wachte ich nicht rechtzeitig auf, um pünktlich in der Schule zu sein.

Aber wenn wieder ein Besuch bei meinem Dad auf dem Programm stand, freute ich mich über die Abwechslung, denn ich liebte es, Zugang zu unterschiedlichen Lebensstilen zu haben. Die Struktur, die die Welt meines Dads mir bot, war eine unglaubliche Entlastung angesichts der abenteuerlichen und bohemehaften Lebensweise, der ich mit meiner Mutter folgte. Gleichermaßen waren der Mangel an Routine und die Spontanität, welche das Leben mit meiner Mom charakterisierten, eine willkommene Atempause vom Alltag unter dem Dach meiner Stiefmutter.

Diese Dualität sollte später jedoch für Komplikationen sorgen. Wo gehörte ich hin? Es war so, als würde ich zwei verschiedene Leben führen. Das Umfeld, das mein Vater bereitstellte, war die Antithese zu jenem, in dem ich mit meiner alleinstehenden Mutter lebte.

Obwohl ich mich stets auf das geordnete Leben, das ich im Hause meines Vater erfuhr, freute und außerdem wusste, wie sehr ich als Familienmitglied akzeptiert war, fühlte ich mich meiner eigenen Mutter jedoch so eng verbunden, dass meine Stiefmutter für mich nie irgendeine Art von Mütterlichkeit symbolisierte. Ich warf einmal Eis in das Hemd unserer englischen Nanny, flüchtete dann und fiel hin, wobei ich mir mein Knie aufschnitt. Ich wurde ins Krankenhaus gebracht und musste definitiv genäht werden. Didi begleitete mich, als ich auf ein Bett gelegt wurde, um diese Prozedur zum ersten Mal in meinem Leben über mich ergehen zu lassen. Sie versuchte mir warmherzig die Hand zu halten, während mich der Arzt zusammenflickte, aber ich wehrte sie ab. Ich hielt mich mit einer Hand an der Seite des Bettes und mit der anderen an einem Büschel Haare auf meinem Hinterkopf fest und sagte trotzig: „Nein, danke. Du bist nicht meine Mutter.“

Ich hatte nichts gegen meine Stiefmutter – nicht im Geringsten – oder dagegen, dass mein Dad wieder geheiratet hatte. Jedoch fühlte ich mich ihr einfach nicht nahe. Ich stellte klar, dass niemand im Universum meine Mutter ersetzen könnte. Und mit allem gebührenden Respekt muss ich sagen, dass Didi das auch nie versuchte. Meine Stiefmutter war komplett das Gegenteil zu meiner Mom. Sie war winzig, systematisch und hatte auch nie einen Hang zum Drama. Sie glaubte an Protokolle und Listen. Sie war sehr penibel und ordnete sogar ihre Gewürze nach dem Alphabet. Ich versuchte alles, um sie aus dem Konzept zu bringen. Es war das Größte für mich herumzuschreien, bis sie in die Küche gerannt kam, in Sorge, ob ich mir wieder wehgetan hätte, nur um sie dann danach zu fragen, ob der Cayenne-Pfeffer nun unter „C“ oder „P“ einzuordnen wäre.

Sie roch immer gut und kümmerte sich selbst um ihre Nägel. Ich konnte oft den Nagellack vom anderen Ende des Flurs riechen und wusste stets, dass sie sich für einen subtilen Farbton entscheiden würde. Ich hingegen achtete darauf, dass meine Nägel schwarz lackiert waren, wenn ich zu Besuch kam. Didi trug immer zahlreiche Armreifen und Halsketten. Bis heute denke ich an Didi, wenn ich das Geklimper von Halsketten höre.

Im Gegensatz dazu war meine Mutter extravagant, unorganisiert und verursachte oft Chaos. Sie war regelmäßig ungestüm, trank und fluchte wie ein Bauarbeiter, sie trug feuerroten Lippenstift und Nagellack. Mom war gepflegt, aber unordentlich. Moms Vorstellung von Ordnung war es, sich wichtige Telefonnummern auf winzige Papierschnipsel zu notieren, die sie dann verlor, oder Kreditkarten mit einem der Tausenden Gummibänder, die die Tageszeitungen, die uns geliefert wurden, zusammenhielten, aneinander zu binden.

Meine Mutter gab sich nach außen hin nie ablehnend gegenüber dem anderen Leben, das ich bei meinem Vater führte, aber es gab Anzeichen, dass sie nicht alles, was es repräsentierte, gänzlich akzeptierte. Sie versuchte, es unter Kontrolle zu behalten. Zum Beispiel nahm mich Dad jeden Sommer mit, um ein Paar Slipper sowie einige kurzärmelige Lacoste-Shirts für mich zu besorgen. Ich liebte diese Ausflüge und konnte es kaum erwarten, das zu tragen, was auch die anderen Kinder trugen. Mom shoppte für mich nur in Second-Hand-Läden ein und kaufte mir nie Markenklamotten. Tatsächlich entfernte sie jedes Mal in mühsamer Kleinarbeit das kleine Krokodil, wenn ich mit einem Lacoste-Shirt nachhause kam. Das war keine einfache Aufgabe, da es mit einem widerstandsfähigen Plastikfaden befestigt war. Außerdem war es unvermeidbar, dass ein Loch zurückblieb. Mom vernähte es daraufhin mit einem Faden, der dieselbe Farbe wie das Shirt hatte – und auch wenn es brandneu war, sah es dann wie ein Second-Hand-Shirt aus. Erst dann durfte ich das – mittlerweile No-Name – Shirt anziehen. Es erstaunt mich, wie sehr sie das privilegierte Leben begehrte, aber gleichzeitig dessen Symbole verabscheute. Es war eine verwirrende Zeit für mich, aber ich wusste, dass ich da wie dort geliebt wurde. Beide Seiten behüteten und sorgten für mich auf ihre jeweils individuelle Art und Weise und von ihrer einzigartigen Perspektive aus.

Alles in allem hatten meine beiden Familien ein gutes Verhältnis zueinander. Ich war immer angenehm überrascht und aufrichtig erleichtert, dass weder meine Mutter noch mein Vater oder meine Stiefmutter jemals schlecht übereinander sprachen. Auch versuchten sie nie, mich gegen die jeweils andere Familie aufzuwiegeln oder ihre Überlegenheit zu beweisen. Ich wechselte regelmäßig hin und her und musste mich nie wie eine Verräterin fühlen. Etwas, das immer gleich blieb, war meine Zuneigung zu meiner Mutter sowie das Gefühl, dass unsere Leben für immer miteinander verbunden wären.

Einmal versagten die Bremsen unseres neuen schwarzen Jeeps, als wir in Richtung New Jersey über die George Washington Bridge fuhren. Mom wies mich schreiend an, auf den Rücksitz zu klettern und mich festzuschnallen, weil wir nicht anhalten konnten. Ich weiß noch, dass ich seltsamerweise stolz war, meinen Blick geradeaus nach vorne richtete und sagte: „Nein! Wenn du stirbst, sterbe auch ich.“ Ich war fest entschlossen. Wir fuhren von der Brücke auf den Palisades Parkway und dann eine Anhöhe hinauf, wodurch wir schließlich langsamer wurden. Wir stellten den Motor ab und waren so weit in Ordnung, aber dieses Jeep-Modell aus diesem Jahr wurde schon bald zurückgerufen. Ich bin mir sicher, dass ich mich so lebhaft an dieses Vorkommnis erinnere, weil Mom diese Anekdote selbst so gerne zum Besten gab und erzählte, dass ihre Tochter lieber sterben würde, als ohne sie zu sein. Sie durfte mitanhören, wie ich im Angesicht des Todes meine Liebe für sie verkündete. Was mehr hätte sie sich jemals wünschen können?

Ich modelte weiterhin, meine ganze Kindheit hindurch. So erhielt ich nun mehr Aufträge für Fernsehwerbungen, etwa für Tuesday Taylor, eine Puppe in der Art von Barbie, deren Haare wuchsen, wenn man auf einen Knopf drückte. Dieser Job gefiel mir, weil ich eine der Puppen behalten durfte und das andere Mädchen, mit dem ich den Clip drehte, Tuesdays Schwester Piper mit nachhause nehmen durfte. Außerdem drehte ich auch einen Werbespot für Suzy Q, was nicht annähernd so lustig war, da ich dafür die ganze Zeit diese Küchlein essen musste und mir sehr übel davon wurde. In diesem Spot spielte auch Mason Reese mit und ich weiß noch, dass ich mir dachte, seine Mom wäre eine echte Type.

Als ich neun Jahre alt war, hatte ich meine erste Filmrolle in Communion – Messe des Grauens. In dieser Horrorgeschichte wurde meine Figur von ihrer Schwester gefoltert und schließlich ermordet. Der Film spielte über weite Strecken in einer Kirche und während der Erstkommunionsfeier der jüngeren Schwester. Das Casting für die Rolle verlief eigenartig und die Geschichte davon wurde zu einer Lieblingsanekdote, die meine Mom jedem erzählte, der sie hören wollte. Wie üblich ging ich alleine ins Vorsprechzimmer, während meine Mom vor der Tür wartete. Ich wurde dann gefragt, wie ich es darstellen würde, erdrosselt zu werden. Lustigerweise war ich gerade in dem Alter, in dem meine Freunde und ich diese verrückte Sache mit unserer Atmung machten, die mich immer zum Lachen brachte. Wir pusteten die ganze Luft aus unseren Lungen und lachten dann dieses tiefe, kehlige Maschinengewehrlachen, bis wir ganz rot und verquollen waren. Wir fanden das zum Totlachen. Da unsere Gesichter so rot wurden und sich unsere Augen mit Tränen füllten, sah es ziemlich eklig und beängstigend aus. Also war ich absolut darauf vorbereitet, so zu tun, als ob ich erwürgt würde.

Mir wurde mitgeteilt, dass in der entscheidenden Todesszene meine Figur mithilfe einer Kerze erwürgt, in den Innenraum einer Diakonsbank gestopft und verbrannt würde. Auf einer solchen Bank, die man üblicherweise in Kirchen und Kapellen findet, sitzt in der Regel der Diakon oder Priester während der Messe. Zumeist ist sie aus Holz und Rückenlehne und Armstützen sind geschwungen. Während dem Vorsprechen, in einem Raum voller Menschen, fuhr ich daraufhin fort, mein erstickendes, rotes Gesicht vorzuführen. Ich hielt meinen Atem an – und ließ dann einen gewaltigen Furz. Das war mir unglaublich peinlich und ich sagte, dass ich das während der echten Dreharbeiten nicht tun würde.

Später am selben Tag, nachdem ich die Rolle bekommen hatte, erschien ich bei den Proben. Eine Gruppe von Schauspielern unterhielt sich über Sternzeichen und erkundigte sich danach, wann ich geboren wäre. Ich sagte, dass ich Zwilling sei. Eine Dame meinte: „Oh, das ist ein Luftzeichen.“

„Das wissen wir schon!“, fügte daraufhin der Regisseur mit einem Lachen hinzu. Ich lief knallrot an – und dieses Mal nicht mit Absicht. Mom fand das unerhört komisch und sollte noch für Jahre darüber lachen. Sie sagte, dass ich bei Castings vielleicht öfter mal einen an die Luft setzen sollte – damit ich mehr Rollen bekäme. Der Film erwies sich letztlich nicht als großer Erfolg an den Kinokassen, aber erlangte später den Status eines obskuren Kultklassikers.

 

Bald nach Communion – Messe des Grauens wurde ich von Woody Allen zu einem Vorsprechen eingeladen und prompt in seinem nächsten Film mit dem Titel Der Stadtneurotiker besetzt. Darin spielte ich das Objekt der Begierde des jungen Alvy Singers. In einer Flashback-Szene spielte ich in einer Schulaufführung zu Thanksgiving eine sexy Pilgerin. Ich stand nur zwei Tage vor der Kamera und obwohl ich kurz im Mittelpunkt stand, war ich nur eines von vielen Kindern in dieser Szene. Ich stach allerdings heraus, weil ich ganz in Weiß gekleidet war, mit wehenden Haaren, und alle anderen Kinder sich in ihren nicht zusammenpassenden Klamotten unwohl zu fühlen schienen. Woody hatte es geschafft, jedes etwas seltsam aussehende Kind in ganz New York City ausfindig zu machen. Die Szene wurde in einer Turnhalle gedreht und wir bekamen alle ein Mittagessen aus Proviantbüchsen. Zu jener Zeit hatten meine Mutter und ich einen Husky-Welpen adoptiert, den Mom mit auf das Filmset nahm, um mich zum Mittagessen zu besuchen. Ich wollte meinen Lunch nicht fertig essen und fragte Mom, wohin ich den Rest geben sollte. Sie sagte: „Gib es doch der witzigen Schnauze.“

Ich ging rüber zu einem Jungen, der sehr klein war für sein Alter sowie schwarze, ölige Haare hatte und eine Brille mit fetten Gläsern trug, um ihm mein Mittagessen abzutreten. „Ich meinte doch den Hund!“, platzte es aus Mom heraus.

Ich fühlte mich schlecht, weil ich gedacht hatte, dass der Junge die „witzige Schnauze“ wäre, und hoffte inständig, dass seine Mutter nichts von der Unterhaltung mitbekommen hatte. Zum Glück hatten weder der Junge noch seine Mutter etwas gehört. Allerdings muss ich gestehen, dass Mom und ich später am selben Tag ziemlich heftig darüber lachen mussten.

Das merkwürdigste Detail an den Dreharbeiten zu Der Stadtneurotiker war, dass Woody Allen meine Mom auf ein Date einlud und sie zusagte. Ich denke, dass es nur dieses eine Mal war und sie nur gemeinsam zu Abend aßen. Mom verließ das Apartment und unsere gute Freundin Alice, die auf der anderen Straßenseite wohnte, kam vorbei, um auf mich aufzupassen. Alice war eine junge Blondine und für mich wie eine große Schwester. Während Mom fort war, bastelten Alice und ich diese verrückten witzigen Schilder, auf denen Sachen standen wie „Ooooooh, wie war dein Date?“ oder „Hat Woody Bussi-Bussi bekommen?“ und „Hoffe, du hattest Spaß, Mom“.

Wir klebten sie quer über den ganzen Flur im sechsten Stock. Als sie dann aus dem Aufzug stieg, warteten bereits all diese lustigen Schilder auf sie und geleiteten sie auf ihrem Weg zu unserem Apartment am Ende des Flurs. Es stellte sich heraus, dass das Date unspektakulär verlaufen war. Mom erklärte, dass Woody ihr zu neurotisch sei und eine Therapie nötig hätte – und zwar zu dringend für ihren Geschmack. Es war durchaus passend, dass sie die Situation so einschätzte: Sie war eine Frau, die nie wirklich in der Lage war, sich ehrlich zu beurteilen, und einen Mann kritisierte, der ganz erpicht darauf war, seine Neurosen unter die Lupe zu nehmen. Ich verstehe ja, dass der Teil mit den Phobien bei jeder Person unattraktiv wirkt, aber Selbstreflexion ist in meinen Augen nie eine schlechte Sache.

In der fertigen Version des Films war die Flashback-Szene von der Schulaufführung nicht mehr enthalten. Meine Darstellung einer sexy Pilgerin landete somit auf dem Fußboden des Schneideraums. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das nichts mit dem Date zu tun hatte, aber es machte Spaß, Mom deswegen auf den Arm zu nehmen und ihr zu unterstellen, dass sie etwas getan hätte, was Woody zu diesem Schritt bewogen hätte.

Mom und ich waren uns am nächsten, wenn wir miteinander lachten. Unser Humor und unser Gespür für Timing trugen zum engen Bund zwischen uns bei. Wir fanden beide dieselben Dinge lustig und das sollte uns über so manche Krise hinweghelfen. Mom verlor praktisch bis ganz zum Schluss nie ihren Witz.

Auch wenn es mit Woody nicht geklappt hatte, hatte Mom doch zwei andere erwähnenswerte Beziehungen zu dieser Zeit. Der erste Mann hieß Bob und sie fing an, sich immer wieder mal mit ihm zu treffen, als ich drei war. Ich glaube nicht, dass Mom sich jemals wirklich zu ihm hingezogen fühlte oder in ihn verliebt war, aber er war ein sehr großzügiger Mann, der uns sehr lieb hatte und vollauf akzeptierte. Er arbeitete auf Ölbohrinseln und unterstützte uns auch finanziell. Ich denke, dass Mom in ihm einen vorübergehenden Versorger sah. Allerdings wollte sie nicht noch einmal heiraten. Er war während ein paar der turbulenteren Jahre da, als Moms Trinkerei eskalierte, und gab mir dabei Halt.

Mom lernte außerdem eines Sommers im Urlaub in Brasilien einen Mann namens Antonio Rius kennen. Wir reisten zum ersten Mal nach Rio, als ich zwei Jahre alt war, sollten jedoch während meiner Kindheit immer wieder dorthin zurückkehren. Ihre Beziehung war sehr intensiv. Nie war sie schöner oder glücklicher, als wenn sie zusammen waren. Doch lebte er getrennt von seiner Frau – sie waren nicht geschieden – und seine Ehefrau drohte ihm, dass er seine Kinder nie wieder sehen würde, wenn er es wagte, eine Amerikanerin zu ehelichen. Mom war am Boden zerstört, sagte aber auch, dass er nicht der Mann wäre, in den sie verliebt sein sollte, wenn er sich tatsächlich gegen seine Kinder entschieden hätte. Sie sagte, dass sie auf ihn warten würde … was sie schließlich tatsächlich irgendwie tat.

Während dieser Jahre reagierten meine Eltern jeweils sehr unterschiedlich auf meine heranreifende Karriere. Mein Vater tat sich schwer mit meiner Berühmtheit und achtete darauf, dass sie keine Rolle in unserer Beziehung zueinander spielte. Ich weiß, dass ihm meine Tätigkeiten als Model und Schauspielerin ein Dorn im Auge waren. Er sah sich auch nie einen meiner Filme an. Eher behagten ihm noch meine Arbeiten fürs Fernsehen und in späteren Jahren schaute er sich gerne meine Auftritte in Bob-Hope-Fernsehspecials beziehungsweise meine TV-Serie Susan an. Aber damals

hatte er echt ein Problem mit meinem Leben als Model und Schauspielerin. Ich weiß noch, wie wir einmal das jährliche Familienfoto schießen wollten. Dad trat vor und sah mich an. Dann sagte er: „Jetzt posiere mal nicht, Brookie!“

Ich genierte mich und war gekränkt, verstand aber später sein inniges Bedürfnis danach, dass ich „normal“ bliebe.


Meine Mutter glaubte zwar immer an mich und ermutigte mich dazu, Risiken einzugehen und niemals aufzugeben, doch ihr selbst waren auch Zurückweisung und Verlassenwerden nicht fremd. Sie machte sich deshalb Sorgen darum, wie ich damit umgehen würde. Es war nicht so, als ob sie sich mit mir auf einer emotionalen Ebene darüber ausgetauscht hätte. Sie versuchte mich nur vor Schmerz und der Zurückweisung durch andere zu bewahren. Ironischerweise sollte es aber im Verlauf der Jahre sie selbst sein, die mich durch ihre Trinkerei am meisten im Stich ließ und mir den größten emotionalen Schmerz zufügte.

Sie konnte aber auch wunderbar sein. Ungefähr zu jener Zeit, als ich anfing, Filme zu drehen, nahm mich meine Mutter mit ins Musical Grease. In den Hauptrollen waren Adrienne Barbeau und Jeff Conaway zu sehen. Wir saßen unweit der Bühne. Das waren die Sitze, die wir uns leisten konnten – und damals erzählte mir Mom: je näher zur Bühne, desto besser. Später erfuhr ich natürlich, dass das eigentlich nicht stimmte. Wir hatten das zwar so nicht geplant, aber es war die hundertste Vorstellung der originalen Broadway-Produktion. Die Vorab-Show bestand üblicherweise aus etwas Fifties-Sound. Der DJ heizte dem Publikum ein wenig ein und brachte es dazu, zu klatschen und auf den Plätzen zu tanzen. Um diese besondere Aufführung allerdings gebührend zu feiern, hatten die Produzenten entschieden, einen Hula-Hoop-Wettbewerb auszutragen. Jeder Zuschauer durfte dabei mitmachen. Hauptsächlich Leute aus der Ära, in der Grease spielte, also den Fünfziger- und Sechzigerjahren, fühlten sich angesprochen. Der Preis für den ersten Platz war eine signierte Schallplatte, ein Foto mit den Schauspielern und eine Einladung zu ihrer Party anlässlich der hundertsten Vorstellung. Ich hatte zuvor noch nie einen Hula-Hoop-Reifen kreisen lassen, wollte aber unbedingt das Ensemble kennenlernen. Ich sprang auf und hob die Hand. Mom lächelte und erinnerte mich mit halb geschlossenem Mund daran, dass ich das zuvor noch nie gemacht hätte. Mir war das egal. Mom unterstützte mich bei allem, was ich versuchen wollte, doch dies war das erste Mal, dass ich mich für irgendetwas meldete, von dem ich überhaupt keine Ahnung hatte – und dann auch noch vor einem zahlreich erschienenen, aufgekratzten Theaterpublikum. Das hier war nicht unbedingt das Kellergewölbe einer Kirche. Sie war zwar nervös, ermutigte mich aber doch, es zu versuchen.

„Ich gehe da rauf.“

„Okay, dann hau sie aus den Schuhen.“

Nun, ich kletterte auf die Bühne, bekam einen Hula-Hoop-Reifen überreicht und begann das Ding kreisen zu lassen, als ob mein Leben davon abhinge. Da waren außer mir noch neun Erwachsene, die in den Fünfzigerjahren Teenager gewesen waren und wussten, was sie da taten. Ich war jedoch wild entschlossen. Ich sah niemanden an und bekam gar nicht mit, wenn der Reifen einer meiner Gegner zu Boden fiel und er oder sie somit ausschied. Es dauerte gar nicht lange, da waren nur mehr ein älterer Mann und ich übrig. Ich gab einfach nicht auf. Mein Reifen berührte schon fast den Boden und kam dann plötzlich wieder herauf, wobei jeder Richtungswechsel das Publikum dazu brachte, in jeweils unterschiedlichen Tonlagen zu brüllen: „Wuuuhuuuuh!“

Meine Mom konnte ihren Augen kaum trauen. Dann, in einem fabelhaften Augenblick, den ich so gar nicht wahrnahm, glitt der Reifen des Mannes zu Boden. Ich machte noch weiter, bis mich der DJ schließlich stoppte und sagte: „Nun, kleine Lady, wir sollten dich vielleicht in unser Ensemble aufnehmen! Gratulation, ich treffe dich später auf der Party!“

Ich konnte nicht einmal den donnernden Applaus hören. Als ich zurück auf meinem Sitzplatz angelangt war, begann die Show. Von der Ouvertüre bis zum großen Finale verfolgte ich die Aufführung ganz gebannt. Nach der Show traf ich die Schauspieler, ließ sie auf meiner Schallplatte zum Stück unterschreiben und nahm an ihrer Feier teil. Sie überreichten mir außerdem eine kleine Trophäe, auf der „Hula-Hoop-Sieger 1976“ stand. Von diesem Tag an, wann auch immer ich Angst vorm Versagen hatte, sagte Mom stets: „Erinnere dich an den Hula-Hoop-Wettbewerb!“