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Die verkaufte Erinnerung

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Ich lachte laut auf. Die Fähigkeit des Erinnerns – was konnte mir daran liegen? Stets waren mir Erinnerungen überflüssig, vielleicht sogar lästig erschienen. Wenn ich meine Großmama oder die alte Frau von Hauteville in Jugenderinnerungen herumstöbern und schwärmen sah, langweilten mich die beiden Damen, oder ich fand sie lächerlich. Darum sagte ich heiteren Mundes:

»Oh, wenn Sie nichts weiter fordern, als diese Kleinigkeit . .«

»Nichts weiter. Aber bedenken Sie es wohl, Sie werden ohne Erinnerungen leben. Kein Eindruck, der weiter zurückliegt als eines Mondes Lauf, wird in Ihrem Gedächtnis haften. Unfruchtbar, ohne eine Spur des bunten Lebens, das darüber hingeschritten, wird es leer und grau sein, wie eine Sandwüste. Wollen Sie um diesen Preis unvergängliche Jugend eintauschen?«

»Ja, ja!«

Er sagte nichts mehr, nahm von einem der Gestelle eine kleine Räucherlampe, warf einige weiße Kügelchen hinein und entzündete sie, indem er unverständliche Worte dazu murmelte. Feiner, bläulicher Rauch stieg auf, erfüllte das Gemach mit sanftem Wohlgeruch und benebelte mir langsam die Sinne, bis ich das Bewußtsein verlor. Wie lange ich so blieb, weiß ich nicht genau. Als ich wieder zu mir kam, war mein Kopf völlig klar, und ein köstliches Wohlgefühl durchzog meinen ganzen Körper. Nur über das Hinterhaupt lief ein brennender Streif, als hätte mir einer mit glühendem Stahl eine Brandfurche gezogen. Da ich unwillkürlich nach der schmerzenden Stelle griff, sagte der Italiener:

»Es ist die ausgebrannte Erinnerung. Sie schmerzt jetzt noch ein wenig, aber das gibt sich mit der Zeit. So fein der Stift auch ist, mit dem ich sie ausglühe, ganz schmerzlos arbeitet er eben doch nicht. Aber die ewige Jugend ist wohl ein bißchen Schmerz wert?!«

»Tausend Schmerzen wäre sie wert!« rief ich und wirbelte im Zimmer umher wie ein kleines Mädchen. Ich war so trunken von dem köstlichen Wohlgefühl, das ich empfand, daß ich dem Italiener willig jeden, aber auch jeden Preis gezahlt hätte . . . .

Dann aber geschah etwas Seltsames. Als ich meine Sänfte wieder besteigen wollte, sah ich drei Männer in dunklen Mänteln, mit schwarz belarvten Gesichtern auf das Haus des Italieners zukommen. An den Degenspitzen, die unter den Brigantenmänteln vorlugten, erkannte ich Edelleute. Obwohl die Rue de Venise ein Schlupfwinkel für wüstes Gesindel ist, schritt der eine von ihnen, der in der Mitte ging, sorglos, als könne ihm nichts geschehen, während die beiden anderen sich beim leisesten Geräusch schützend vor ihn stellten und offenbar in großer Angst waren, daß ihm etwas widerfahren möchte. Als die Tür des geheimnisvollen Hauses sich auftat, traten die Zweie mit so tiefen und umständlichen Verbeugungen beiseite, daß mir sofort ein Argwohn aufstieg, und der Dritte halb lachend, halb ärgerlich rief:

»Aber, meine Herren, lassen Sie das doch, sonst werden wir am Ende noch erkannt. Hier ist doch kein »Oeil de boeuf.« Da wußte ich, daß dieser nächtige verlarvte Besuch nur Einer sein konnte —«

»Der König« echote der kleine Kreis in ehrfürchtigem Flüstern.

Frau von Hauteville nickte.

»Ja, der König! Wir wußten ja alle längst, daß ihm sein erhabener Urgroßvater, der Sonnenkönig, die tiefe Angst vor Alter und Tod vererbt hatte. Nun kam der König und handelte, wie ich, um den Preis seiner Erinnerung ewige Jugend ein.«

Frau von Hauteville schwieg einige Augenblicke und sah mit abwesendem Blick ein paar Glühwürmchen zu, die in einer Ligusterhecke ein verliebtes Sommerspiel spielten. Ihre Zuhörer waren froh, als sie wieder anhob:

»Eine Weile genoß ich nun meine neu-geschenkte Jugend, wie ein Verdurstender in rasenden Zügen Wasser trinkt. Alles ringsum schien in endlose Heiterkeit und Jugend getaucht, bis – ja, wie soll ich es euch erklären, meine Freunde? Es kam zuerst über mein Gemüt geschlichen, wie ganz feine, graue Wölkchen die Sonne überschleichen. Es war etwas da, was den schönen Glanz meiner neugewonnenen Jugend umnebelte, trübte und seine goldenen Strahlen brach, daß sie nur mehr matt glitzern konnten. Ich wußte selbst nicht mehr, was mich quälte, bis es mir eines Tages schreckhaft klar wurde.

Es war der 7. November, der Tag, an dem sich zum fünften Male der Tod meiner jungen Schwester Lucile jährte. Unsere arme Lucile hatte sehr tragisch geendet: ihr Ballkleid war einer Kerze zu nah gekommen und flammte lichterloh empor, daß meine Schwester einer lebenden Fackel glich und gleich einer Fackel verbrannte. Jedes Jahr am 7. November stiegen wir in unsere Familiengruft nieder und bekränzten ihren Sarg mit weißen Rosen, die sie sehr geliebt hatte, und weinten bitterlich. Doch an dem Tag, von dem ich spreche, blieb mein Auge trocken, denn vergebens zermarterte ich mein Hirn um eine einzige, kleine Erinnerung an die Tote . . .

Und nun begann ein Leben voll seltsamer und grausamer Qualen. Ich jagte verzweifelt hinter Erinnerungen her, die ich doch nimmer einfangen konnte. Eine Erinnerung, eine einzige, wirkliche Erinnerung – zehn Jahre meines Lebens hätte ich dafür gegeben. Doch der Italiener hatte recht gehabt: grau und unfruchtbar, wie eine Sandwüste war die Vergangenheit hinter mir. Nicht eine einzige Blume des Erinnerns blühte mir auf. Oder doch eine: die Szene in der Rue de Venise stand unauslöschlich in meinem Gedächtnis. Das Einzige und Letzte, was mir von meinem ganzen Leben geblieben, war der Augenblick, in dem ich die köstliche Spiegelung meines ganzen Lebens für das bißchen glatte Haut und ein paar blonde Haarsträhne verhandelte. Sonst nichts – gar nichts. Oft schienʼs mir, als liefe ich suchend durch lange Galerien, an deren Wänden früher die Bilder meiner Ahnen gehangen hatten. Nun waren nur noch leere Rahmen da, aus denen man die Bilder gerissen hatte; da und dort flatterte vielleicht noch ein Fetzchen bemalter Leinwand. Doch höhnisch, wie ein äffender Spuk, stieg bald in diesem, bald in jenem Rahmen das Bild des Mannes aus der Rue de Venise auf.