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Die rote Schlange

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VII

Um nichts in der Welt wollte die fromme Herzogstochter die kaiserlichen Gärten wieder betreten, ehe die rote Schlange gefunden und getötet war. So wurde denn jeder Stein umgekehrt, jeder Busch durchwühlt, jeder Baum umgraben. Umsonst. Taucher erforschten den Meeresstrand. Umsonst. Tag für Tag erhöhte der Kaiser den Finderlohn. Umsonst. Zuletzt ließ man einen berühmten indischen Schlangenbändiger kommen, dessen Lockruf alle Schlangen willenlos folgen mußten. Er wurde in die kaiserlichen Gärten geführt, begann auf seiner Pfeife zu spielen. Hunderte von Schlangen krochen um ihn her; aus allen Enden des Reiches schienen sie gekommen: graue, braune, grünschillernde, mit seltsamen Streifen, Zeichen, Flecken auf der feuchtglänzenden Haut. Sogar der weiße Schlangenkönig kam dahergeglitten, dessen Blick den Bändiger tötet. Die Leiche des Schlangenbeschwörers lag auf dem weichen Sand der Gärten; – die rote Schlange blieb verschwunden —

Die fromme Herzogstochter verbrachte indes ihre Tage in der Kirche, dankte ihrer Schutzpatronin für des Kaisers Befreiung von bösem Zauber, betete für sein Seelenheil. Auf ihren Wunsch ließ er seine Gärten durch Priester ausräuchern und mit Weihwasser besprengen. Ihr zu Liebe ließ er schließlich die gutgemeinte Lüge verbreiten, daß die rote Schlange doch endlich gefangen, verbrannt und die Asche in alle Winde gestreut worden sei. Nun erst glaubte das fromme Mädchen jeden Höllenspuk gebannt. In kindlicher Freude durcheilte sie an des Kaisers Seite die neugeweihten Gärten. Ehe noch das Jahr zu Ende ging, fand die Hochzeit statt. Das ganze Land feierte Feste. Der Himmel that Wunder vor Freude über des erlauchten Sohnes Vermählung. Der Blumenstrauß, den die Herzogstochter in die Andreaskirche getragen hatte, blühte noch immer, obschon er seit Monaten das Jesuskind schmückte. In der Sophienkirche waren in der Nacht, die der Hochzeit voranging, zwei Engel niedergestiegen, um die Brautkerzen zu entzünden. So erzählten die Priester, welche diese Mirakel mit eigenen Augen angesehen. Der Kaiser war sehr glücklich. Als er am Hochzeitsmorgen mit der keusch bebenden Braut die Sophienkirche betrat, war er so überwältigt von Erinnerung und Gefühlen, daß er die reichgeschmückte Jungfrau in seinen Armen emporhob. Zu Füßen des Christus trug er sie hin, wie ein Weihgeschenk – —

Der sterbende Gott neigte das Haupt und lächelte milde. So erzählten am nächsten Tage die Priester; der ganze Hof erzählte es ihnen nach Nur der Kaiser hatte von diesem letzten und höchsten Wunder nichts bemerkt. Christus hatte eben gerade in dem Augenblick gelächelt, da Cäsar mit tiefgesenkter Stirne um Vergebung gefleht für die schwerste seiner Sünden. —

VIII

Die Jahre kamen und gingen. Mit ihnen wandelte sich des Kaisers schwankender Sinn. Bald schien ihm die Kaiserin wieder hager und unanmutig, wie damals, als er zuerst ihr Bild gesehen. Schwerer, als er sich’s gedacht, war es, ihr Kuß und Hexameter beizubringen Sie küßte und skandierte nur vorschriftsmäßig, – das richtige Verständnis fehlte. In Liebe und Latein blieb sie eine Stümperin. Ihre Frömmigkeit dagegen wuchs von Jahr zu Jahr. Ihr eifrigstes Bestreben war, auch den Kaiser allmählich zu einer Kirchenzierde heranzuziehen. —

Manch liebes Mal saß er wieder wie einst am Meerstrande, fand keinen Namen, den er in den Sand hätte graben können. Sein Sinn schweifte wieder ins Weite, seine Seele war traurig. Er stand noch in heißen Jahren, und sein Herz schrie nach einem Herzen – —

Wie einst zog das leeräugige Mittagsgespenst an ihm vorüber, mit seinem lustigen Troß von Nymphen und Faunen. Vorüber zog es, körperloser Spuk. Ließ nicht, wie einst, dem Kaiser ein schönes, lebenswarmes Weib in den Armen zurück. Oft mußte der Cäsar an Arsinoe denken. Er begriff nicht mehr, warum er sie einst von sich gestoßen. Um sein Seelenheil war er nicht gar so ängstlich mehr besorgt. Mit der Zärtlichkeit für seine Frau verminderten sich auch seine Kirchgänge. Die fromme Kaiserin betete ja überdies für Zweie . . .

Sehnsucht war aufs Neue seine Gefährtin. Nicht mehr die Rebellensehnsucht des Apostaten, sondern die Mannessehnsucht nach einem heißen Weib, nach heißer Lebensfreude. Öfter und öfter kam ihm Arsinoe in den Sinn. Wachenden Auges träumte er von ihr. Träumte von ihren Locken, von ihrem weißen Mantel, von ihren Sperlingen und Tauben. Träumte sogar von der korallenroten Schlange. Daß sie eines Tages unvermutet, geheimnisvoll sich von der blühenden Magnolie zu ihm herringeln würde, ihm den Rückweg zeigen zu den Wundern, die er verloren – — Nichts dergleichen geschah. Die Gärten waren ja ausgeweiht, jeder Höllenspuk vertrieben. Unangefochten saß Cäsar unter dem Magnolienbaum. Wenn er in den Palast zurückkehrte sprach die Kaiserin immer gerade das Tischgebet. —

Und doch! eines Tages, – im Hippodrom – da erbebte sein Herz vor Schrecken und Freude zugleich. Eine der Tänzerinnen war’s, die in lustigen Kleidern, bunte Bänder werfend, den Reigen schlangen . . . Er sprang ungestüm auf, ließ seinen Oberhofmeister in die Loge rufen.

»Großmächtigster Cäsar, Du befiehlst?«

»Siehst Du die Tänzerin da in der vorletzten Reihe?«

»Die schöne Blondine, erlauchtester Cäsar —?«

Er stampfte ungeduldig mit dem Fuß.

»Narr! Wer spricht von einer Blondine —«

»Verzeih, edelster Cäsar, mein schwaches Auge hat sich getäuscht —«

»Die kleine Braunhaarige mein’ ich! (Er stockte ein wenig.) Die mit der korallenroten Schlange in den Locken . . .«

»Schlange?!« Der Oberhofmeister traute seinen Ohren nicht »Schlange, göttlicher Cäsar?! Deine erhabenen Augen geruhen ein rotes Seidenband mit einem Reptil zu verwechseln!«

»Eure Schlange ist’s, sag’ ich Dir! Eine rote Schlange. Sieh nur, wie sie sich in den braunen Locken windet und ringelt . . .«

Der Oberhofmeister glaubte, daß der Kaiser verrückt geworden sei. Er entgegnete daher:

»Weisester Cäsar! Vergieb, daß mein armer Geist Deinem hohen Fluge nicht zu folgen vermochte! Selbstverständlich trägt das Mädchen eine Schlange im Haar.««

»Wie heißt dieses Mädchen?«

»Madischa. Sie gilt als eine der besten Tänzerinnen.« Daß sie auch als eines der liederlichsten Weiber von Konstantinopel galt, verschwieg er kläglich.

»Madischa!« wiederholte der Kaiser langsam. Er wandte sich zu seinem Oberhofmeister. Sah ihn an.

Jener verstand den Blick ohne weitere Worte. Er verneigte sich bis zur Erde. Dachte still:

»Alle Tage wird er affektierter! Faselt von einer Schlange, wenn er ein Frauenzimmer haben will!«

Sprach laut:

»Liebenswürdigster Cäsar! Ich eile, Madischa von ihrem unaussprechlichen Glück in Kenntnis zu setzen.«

Er verließ rasch die kaiserliche Loge.

Des Kaisers Blicke hafteten unverwandt an der Tänzerin. Er sah jetzt, daß er sich getäuscht, daß die Locken wirklich nur ein rotes Seidenband trugen, das, mit Flittern benäht und geschickt gewunden, wohl augenblicklich den Eindruck einer Schlange hervorrufen konnte. Unverwandt hafteten seine Blicke an der Tänzerin. In ihrem Gesicht, in ihren Bewegungen lag ein Reiz, der ihn mächtig fesselte. Er konnte es kaum erwarten, bis er allein mit ihr war – —

Als er sie dann zuerst in der Nähe erblickte, war er enttäuscht. Ihr kleines Gesicht, das ihm im Cirkus kindlich erschienen war, sah jetzt verblüht aus. Ein großer Mund mit sehr weißen, aber unregelmäßigen Zähnen; brennende Lippen, die schon viel geküßt haben mochten, dunkle Augen, deren bläuliche Umrandung von durchliebten Nächten erzählte . . . Die Gestalt zu schlank, um schön zu sein; kaum merklich nur rundeten sich Brüste und Hüften.

Deutlich malte sich des Kaisers Enttäuschung in seinen Augen. Madischa ward davon nicht befangen.

Sie lächelte Ein kleines, überlegenes Lächeln, in dem stand:

»Du wirst bald anderen Sinnes sein« – —

Als der Kaiser Madischa am Morgen verließ, war sie für ihn das schönste Weib, das er je im Arm gehalten. Aus allen Poren ihrer braunen Haut war wilde Lebensgier über den Verlangenden hingeströmt, der die pflichtgemäßen Zärtlichkeiten seiner Frau noch im Gedächtnis trug. Sein Leib war zerschlagen von den Liebkosungen der Tänzerin, aber sein Sinn war wunscheskräftig, und sein einziger Wunsch hieß fortan Madischa. An Arsinoe dacht’ er nicht mehr. Dachte nicht mehr an Kaiserin und Reich. Nie in seinem Leben hatte ihn Liebesraserei mit solcher Wucht ergriffen. Halbe Tage lang saß er am Meeresstrand, sann über die Küsse, die er gestern geküßt, die er morgen küssen wollte. Er begriff nicht mehr, wie er eine Nacht ohne dies Weib hatte sein können – — Wie ihr Zauberwort hieß? Er wußt’ es selbst nicht. Er hatte doch schon glänzendere, vornehmere, liebenswürdigere Frauen umarmt. Frauen, deren Temperament den Mann, deren Schönheit den Ästheten, deren Geist den Phantasten zu befriedigen gewußt. Mit ihnen konnte sich Madischa nicht messen; – von den Gedanken, den Empfindungen des Kaisers verstand sie nichts, wollte nichts davon verstehen. Mit der scharfen Witterung einer Barbarennatur hatte sie beim Kaiser schnell jenen Instinkt ausgespäht, den er stets bekämpft und bis zu einem gewissen Grad gebändigt hatte. Was Arsinoe einst zu schöner Kraft veredelt, das trieb Madischa wieder der Urbestie zu. Was äußeres und inneres Gesetz Jahrzehnte lang niedergehalten, das setzte sie jetzt zum Herrn über ihn. Nichts blieb übrig von seiner Kaiserwürde, seiner griechischen Philosophie, seiner christlichen Kultur . . . Madischa lockte das Tier aus dem Kaiser heraus, pries es . . . Das war der Zauber, mit dem sie den Vierzigjährigen band. —

Ein zügelloses Geschöpf war sie, das sich jedem hingab, der ihr gefiel. Für sie war der Kaiser nicht Kaiser, sondern nur ein freigebiger Liebhaber, der ihrer Habsucht fröhnte. Denn habsüchtig war sie über alle Maßen. Stundenlang konnte sie vor den Kostbarkeiten sitzen, mit denen er sie überschüttete, und im Stillen berechnen, wieviel sie wohl wert sein mochten. Der grelle Freudenschrei, mit dem sie zu Anfang seine Geschenke begrüßte, entzückte ihn. Den kostbarsten Diamant seiner Krone hätt’ er willig eingetauscht für dieses Jauchzen. Bald aber hatte sie sich an seinen Reichtum, an seine offene Hand gewöhnt. Seine ewig fordernde Liebe fing an, ihr lästig zu werden. Sie schrie nicht mehr auf, wenn er kostbare Geschenke brachte. Sie wurde launisch, mürrisch, stieß ihn oft zurück, wenn er sich ihr nahen wollte. – Solcher Widerstand stachelte des Kaisers Wunsch nur noch mehr auf. Die ganze Welt war ihm nichts gegen die halbverblühte Tänzerin die seine Liebe lästig und langweilig fand. —

 

Wie einst, sprach bald der ganze Hof von des Kaisers Leidenschaft. Die Kaiserin kränkte sich über ihren Mann, als brave, christliche Ehefrau. Jeden Tag that sie ein neues Gelübde, damit die Himmlischen ihn aus jenen unwürdigen Banden befreien sollten. Pfaffen, Feldherrn und Höflinge dachten anders. Madischa war keine Arsinoe. Sie machte aus dem Kaiser keinen Menschen, sondern einen Narren. Darum haßten sie sie nicht, bewunderten vielmehr ihre Klugheit. Ihm, ihm zürnten sie nicht. Sie lachten ihn einfach aus. Mühelos konnte ja Jeder von ihm erlangen, was er nur wollte: Geld, Würden, Macht. Wenn man ihn nur in Ruhe bei seiner Liebsten ließ . . .

Des Reiches Wohl geriet ins Schwanken. Alle Augenblicke wurden Abgaben und Zölle erhöht, weil der Kaiser Geld brauchte für seine Liebste. Die feindlichen Bulgaren pochten an des Landes Pforten. Der Kaiser übergab das Heer seinen Feldherren, – er selbst blieb in Konstantinopel, zu den Füßen Madischas. Spottlieder gingen in der Stadt um. Spottlieder auf ihn, den Kaiser, der ein Weib mit jedem strammen Reitknecht teilte. Er ließ die Verfasser der Spottlieder foltern, hinrichten – — Zählte die Minuten, bis er wieder in Madischas Arme fliegen konnte. —

Zu Anfang hatte er in zärtlicher Eifersucht versucht, sie in jenen Kiosk einzuschließen, den einst Arsinoe bewohnt. – Verlorene Mühe! Sie fand Helfer und Helfershelfer, welche ihr den Weg bahnten zu heimlicher Freiheit, zu heimlicher Wollust! Eines Tages lief sie einfach davon, nach dem elenden Vorstadthaus, in dem sie gewohnt, ehe des Kaisers Auge auf sie gefallen. Vergeblich versuchte der Kaiser sie zur Rückkehr nach dem Kiosk zu bewegen.

»Nein, ich mag nicht! Deine Sklavinnen magst Du einsperren! Ich bleibe hier! Ich bin nicht Deine Sklavin!«

Ein wehes Lächeln:

»Nein, das bist Du nicht« Wenn einer von uns Sklavenketten trägt, so bin ich’s!«

Sie lachte. Sah ihn dumm – roh an.

»Warum thust Du’s? Niemand befiehlt es Dir.«

»Du, Du befiehlst es mit!«

»Fällt mir nicht ein! Ich kann keine Sklaven leiden. Ein Mann muß furchtbar sein. Brutal. O, das ist schön!«

Mit funkelnden Augen begann sie von einem Tierbändiger zu erzählen, mit dem sie einmal zusammen gelebt. Wie er sie bei Tag geschimpft, blutig geschlagen und sie dann nachts zur Liebe gezwungen – —

»Das war schön, sag’ ich Dir! Ich hab’ ihn gehaßt, gehaßt! Bis er mich bei den Armen packte und an sich riß. Und dann hab’ ich ihn geliebt, geliebt!«

Gesenkten Hauptes hörte er zu. Aus seinen Augen fielen große Tropfen. Sie war erstaunt.

»Du weinst?«

Er brach in Schluchzen aus. Weinte über sie. – Weinte mehr noch über sich selbst. – —

»Sie verstand nicht, was in ihm vorging. Eine Weile sah sie ihm zu. Zuckte die Achseln und verließ das Zimmer. —

Solche Auftritte gab es häufig. Es machte ihr augenscheinlich ein ungeheueres Vergnügen, ihm Blatt für Blatt ihr Leben zu zeigen. Ein Leben, das zwischen Prügeln und Liebesnächten dahingegangen war. Ihm bereiteten solche Gespräche einen tiefen, beinahe körperlichen Schmerz, einen namenlosen Ekel.

Er rannte fort von ihr. Warf sich vor den Altären in den Staub und betete um Kraft. Betrat reuevoll das Gemach der Kaiserin. Der Mann schwor sich zu, die Verworfene nie wieder zu sehen. Das Tier hetzte ihn immer wieder zu ihr zurück. —

Es konnte nicht fehlen, daß Madischa allmählich als Zauberin angesehen wurde, gerade so wie früher Arsinoe. Es gab sogar Leute, welche behaupteten, Arsinoe und Madischa wären ein und dieselbe Person. Solche Behauptungen ließen sich natürlich durch nichts stützen: Arsinoe und Madischa glichen einander in keinem Zuge. Die wenigen wahren Freunde des Kaisers versuchten auf alle mögliche Weise, die Tänzerin zu entfernen. Alles mißlang. Sie schickten ihr vergiftete Früchte ins Haus. Madischa warf sie den Schweinen vor, denn sie hatte keine feine Zunge. Am liebsten aß sie eine scharfe Lauchsuppe, welche ihre alte Magd zubereiten mußte. Sie dangen Mörder für sie. Den ersten schlug einer ihrer Liebhaber nieder. Der zweite verbrachte selber den Rest der Nacht in ihrem Gemach. Zwei-, dreimal schon hatten sie sie überfallen und heimlich aus Konstantinopel wegführen lassen. Sie war ohne Widerstand gefolgt. Sie wußte zu gut, daß der Kaiser sie zurückholen, ihre Entführer grausam bestrafen würde. Unbesiegbar war sie, wie das Laster selbst.