Za darmo

Die rote Schlange

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Sie kniff die Augen ein wenig ein: lächelte.

»Das weißt Du?!«

»Natürlich. Schon als ich ein ganz kleiner Knirps war, hat mir mein Großvater oft von all den Götzen erzählt. Das heißt, Götzen nannte er sie nicht, obgleich er ein sehr frommer Mann war, so fromm, daß an seinem Sarge Wunder geschahen. Aber er hatte eine Vorliebe für das, was er »das klassische Altertum« nannte.«

»Dein Großvater war ein weiser Mann. Und ein sehr schöner Mann. Ich hab’ ihn gut gekannt«

Er starrte sie mit weitoffenen Augen an.

»Das ist nicht möglich! Mein Großvater ist seit zwanzig Jahren tot. Du bist noch so jung! Du kannst ihn nicht gekannt, kaum einmal gesehen haben!«

Sie ließ die Enden ihres Gürtelbandes spielend durch die Finger gleiten.

»Ach so! Ja, Du hast Recht; ich kann ihn nicht gekannt haben. Ich meinte es auch nicht so wörtlich. Ich kenne ihn vom Hörensagen.«

Wieder überschlich den Kaiser ein bängliches Gefühl. Alles an dieser Frau war befremdend, geheimnisvoll. Wie er sie jetzt von der Seite her ansah, fiel ihm eine Ähnlichkeit auf. Eine Ähnlichkeit die ihn erschreckte und entzückte zugleich. »Denk’ Dir, Arsinoe, im Palast steht, in einem verborgenen Gemach, eine Statue der Aphrodite, die mein Großvater von einer Reise mitgebracht hat. Die sieht Dir ähnlich!«

»Was Du sagst?!«

Spott und Rührung zugleich lagen in ihrem Ton. Eine Röte huschte über ihr Gesicht, – wie Abglanz einer Erinnerung. Dann wieder, als erzähle sie die natürlichste Sache von der Welt:

»Ich habe sie ihm geschenkt, als er auf Cythere war.«

Der Kaiser horchte auf. Zwang sich zum Scherze.

»Du bist ein Schelm, Arsinoe! Willst Du mir nicht etwa weiß machen, daß Du schon mit Adam im Paradies kokettiert hättest?! Möchtest wohl als ein Spuk gelten? Wart’, ich banne Dich —«

Ehe sie sich’s versah, hatte er das Kreuz über sie geschlagen. Mit angstvoller Neugier starrte er sie an. War sie ein Höllenspuk, so mußte sie vor diesem Zeichen verblassen, vergehen – —

Eine, zwei Sekunden der Erwartung. Sie verblaßte nicht, zerrann nicht. Lächelnd hatte sie den Kaiser gewähren lassen; lächelnd, als wundere sie sein kindisches Thun.

Des Kaisers Brust hob sich in einem befreiten Atemzug. Noch schwebte seine Hand erhoben, die das Kreuz geschlagen.

Arsinoe haschte lächelnd nach dieser Hand, zog sie herab, drückte ihre Lippen auf seine überschlanken Fingerspitzen.

Das Blut schoß ihm ins Gesicht. Sein Herz hämmerte zum Zerspringen. Ringsum schwüles Schweigen – als ob das Mittagsgespenst wieder nahte . . .

Des Kaisers Lippen bebten, seine Augen blickten Liebesflammen

»Küsse mich, Arsinoe!«

Er umschlang sie mit feuriger Zärtlichkeit.

»Zürne mir nicht, Du Wunderbare! Seit ich neben Dir bin, kenne ich mich selbst nicht mehr. Ich weiß nichts mehr von mir, als daß ich Dein bin. Dein, mit jeder Fiber, mit jedem Blutstropfen. Küsse mich, Arsinoe, küsse mich – küsse mich! Wenn Du Dich müde geküßt, dann erst schilt mich alle stürmisch!«

»Allzu stürmisch?!« sprach sie mit reizendem Spott. »Das wollt’ ich gar nicht sagen! Allzu bedächtig schienst Du mir!«

Er riß sie in seine Arme. Sie küßte ihn da, wo sein Herz wie rasend unter dem grünseidenen Gewande schlug – —

Auf leisen Sohlen, mit geschlossenen Augen, schlich das Mittagsgespenst in weitem Bogen um sie herum. In weißen Armen lag der Kaiser, wie hingemäht vom Liebessturme. Wieder und immer wieder suchte sein Mund die Lippen der Schönen von Cythere – — —

III

Nun stand des Kaisers Herze nicht mehr leer. Arsinoe hatte davon Besitz ergriffen. Mit ihr war ein neues Leben für den Kaiser gekommen. All seine Gedanken umkreisten nur sie, immer und immer nur sie. In seinen stillverschwiegenen Gärten hatte er ihr einen üppigen Kiosk bauen lassen; da schaltete sie mit Dienerinnen und Sklaven. Die Kaiserin-Mutter sah es mit kummervollem Herzen. Schon war das Brautschiff unterwegs, welches das schwäbische Fürstenkind nach Konstantinopel tragen sollte. Der Kaiser lag fest verstrickt in den duftenden Goldlocken seiner Geliebten. —

»Was machst Du aus mir, Arsinoe?!« fragte er oft strahlenden Auges, wenn sie zusammen unter der Magnolie saßen und dem wehmütigen Schlag der Wellen lauschten.

»Was ich aus Dir mache? Einen glücklichen Menschen. Oder bist Du’s etwa nicht?!«

Statt aller Antwort riß er sie an sich, küßte sie, bis ihm der Atem verging.

»Arsinoe, Du bist eine Zauberin!«

»Bin ich’s?! Und warum?«

»Kein Weib kann so küssen, wie Du —«

Mit einer kleinen hochmütigen Bewegung warf sie den Kopf in den Nacken.

»Was wißt Ihr von Frauen?! Hier, – in Konstantinopel! In meiner Heimat, ja, da ist’s anders —«

Er umschlang sie mit beiden Armen.

»Arsinoe, Du Rätselvolle, weißt Du, was ich immer fürchte? Daß Du nicht hier bleiben magst. Daß Du mir eines Tages davon läufst, nach Deiner Heimat.«

Sie lächelte.

»Nein. Ich bleibe bei Dir.«

»Immer und ewig?«

»Immer und ewig!«

»Liebst Du mich so sehr?« rief er entzückt.

»Ich liebe Dich. Aber das allein ist’s nicht —«

Ihr Auge wurde träumerisch, ihre Stimme bekam einen geheimnisvollen Klang.

»Was ist’s denn noch, außer der Liebe?«

»Es ist ein Sieg, daß ich hier bin, daß Du, der Kaiser von Byzanz, nicht von mir lassen kannst.«

»Ein Sieg?« wiederholte er sehr erstaunt.

Sie, schnell, als reue sie, was sie sich hatte entschlüpfen lassen:

»Laß das! Das sind Dinge, die Du nicht begreifen kannst, noch nicht . . . Vielleicht daß Du sie später verstehst! . . . Komm’, küsse mich und hänge meinen Worten nicht nach!« —

Er hing ihnen nicht nach. Seit Arsinoe gekommen, grübelte, träumte er nicht mehr gar so viel. Er lachte öfter und heller als früher, sein Gang war voll jugendlicher Lebendigkeit.

»Du hast einen ganz anderen Menschen aus mir gemacht!« beteuerte er ihr wohl zärtlich. »Mir ist es, als wär’ ich jünger geworden, fröhlichen kräftiger! Und meine Sehnsucht hab’ ich ganz verloren!«

»Wonach sehntest Du Dich denn?«

»Das läßt sich nicht in Worten sagen. Ich sehnte mich nach etwas Unfaßbarem, das keinen Namen trägt. Das Herz that mir oft buchstäblich wehe vor Sehnsucht —«

»Nach mir!« sagte Arsinoe lächelnd. Der Ton ihrer Stimme klang sehr bestimmt.

Der Kaiser lachte.

»Nach Dir?! Wie hätt ich mich nach Dir sehnen können?! Du Süße, ich wußte ja nichts von Dir —«

»Du hast mich geahnt! Weshalb, glaubst Du denn, daß ich gekommen sei? Deine Sehnsucht allein hat mich hergezogen!«

Er streichelte ihre Haare.

»Glaubst Du an so etwas, Arsinoe?«

»An was?« —

»Daß ein Mensch sich einen anderen so lebhaft ersehnen kann, bis der andere endlich in Fleisch und Blut vor ihm steht?«

»Das glaube ich. Ich habe solche Menschen gekannt, deren Wunsch stärker war als der stärkste Wille.«

Er dachte ein wenig nach, sagte dann sehr ernsthaft:

»Das ist Aberglaube, Arsinoe; unsere heilige Kirche verbietet, unsere Schwäche solchermaßen zu überschätzen.«

Sie zuckte die Achseln, sah schweigend hinaus aufs Meer. Nach einer Weile, mit unverhohlener Geringschätzung im Ton:

»Verändert hätt’ ich Dich?! Ich glaub es nicht. Du kannst früher auch nicht anders gewesen sein!« —

Ein andermal, wenige Wochen nach solchem Gespräch, kam er im Prunkgewande aus dem Cirkus zu der Geliebten heim. Seine Wangen waren gerötet, seine Augen blitzten, seine Stimme zitterte vor Freude und Erregung, als er Arsinoe die Kampfspiele des Hippodroms zu schildern begann. Die Begeisterung drang ihm aus allen Poren. Arsinoe hörte aufmerksam zu, sah lächelnd in sein heißes, erregtes Gesicht.

»Du schwärmst ja, als seiest Du zum ersten Mal im Hippodrom gewesen!«

»Das bin ich auch!« rief er übermütig »So wie heute hab ich’s noch nie gesehen! Denk Dir, Arsinoe ich habe ja das Hippodrom stets verabscheut; diese endlosen Streitereien zwischen den Blauen und Gelben kamen mir barbarisch vor, – wie die Freude an diesen Kampfspielen überhaupt. Ich habe mir immer eingeredet solche Belustigungen seien eines gebildeten Christen unwürdig.«

»Warum gingst Du dann doch in Deine Loge?«

»Das Volk verlangt es. Es würde böses Bluts machen, wenn der Kaiser im Hippodrom fehlte!«

Sie zuckte wieder die Achseln.

»Das Volk?! Bist Du nicht sein Kaiser? Darf es Dir vorschreiben, woran Du Freude haben mußt?!«

»Kind, Du weißt nicht, wie das alles ist. Nicht davon wollen wir sprechen. Ich wollte Dir erzählen, wie sehr mich heute das Hippodrom entzückt hat! Ach, Arsinoe, welche Schönheit liegt in der Kraftentfaltung, im Ringkampf . . . Welcher Zauber im Tanz, im geschickten Spiel mit goldnen Kugeln und bunten Bändern – — Unbegreiflich, daß ich es so nicht früher sah!«

Er rückte sich den goldnen Reif zurecht, der ihm im Eifer des Gesprächs, weit aus der Stirne geglitten war.

Arsinoe sah ihn an.

»Cäsar, mir scheint, daß Du neulich doch recht hattest! Du beginnst in der That ein anderer zu werden.«

»Ein ganz anderer!«« rief er übermütig und zog sie neben sich auf gehäufte, buntschillernde Seidenkissen. »Ein so anderer, daß ich mitunter Angst vor mir selbst bekomme.«

»Weshalb Angst?«

Er spielte mit ihren schlanken Fingern.

»Weil – weil – weil meine geheimsten Gedanken immer stärker werden, immer herrischer . . . Immer unchristlicher,« setzte er nach kurzem Stocken hinzu.

»Cäsar!«

Es klang wie ein Jubelruf. Mit einer frohlockenden Leidenschaftlichkeit, die er nie zuvor an ihr gekannt, warf sie sich in seine Arme.

»Was denkst Du Unchristliches?«

Er geriet in leichte Verlegenheit.

»Nun, siehst Du, früher hab’ ich den Krieg verabscheut, – ich träumte davon, meinen Völkern ein Friedensfürst zu sein! Jetzt —«

»Jetzt —?«

»Jetzt träum’ ich davon, ein Eroberer zu sein!« sagte er. Seine Augen blitzten.

 

»Das soll unchristlich sein?!« wieder klang leise Geringschätzung aus ihren Worten.

»Es ist unchristlich! Unnützes Blutvergießen ist unsrer Kirche ein Greuel. Das stolze allmächtige Siegergefühl, von dem ich träume, ist sündhafter Hochmut. Der Heiland selbst war demütig, und unser Platz ist zu seinen Füßen.«

Arsinoe wurde ernst.

»Du bist nur ein Träumer – kein Woller!«

Erstaunt sah er sie an. In knappen Worten hatte sie ausgesprochen, was er bisher nur unklar empfunden. Er gab ihr nicht Recht, weil sie Recht hatte. Er verließ sie an diesem Tage sogar mit dem Gefühl einer leichten Verstimmung. Ihre Worte gingen ihm nach. Das war ja der starke Zauber dieser Frau: sie fesselte den Kaiser nicht nur durch ihre Gegenwart, sie zwang seine Gedanken zu sich her, auch wenn er von ihr getrennt war. Das hatte keine von all den Frauen vermocht, denen er früher begegnet war. Mit der Liebesnacht war auch deren Macht zu Ende gewesen. Mit Ekel hatte er beim Frühgrauen gesehen, was ihn beim Schein der Nachtlampe entzückt hatte. Nie war ihm der Begriff »Erbsünde« deutlicher gewesen, als an den Morgen, die solchen Nächten folgten. Meist war er dann in die Kirche geeilt, sich im Gebet von der Sünde seines schwachen Fleisches zu reinigen. Arsinoe hatte in sein Leben etwas Fremdes, Göttliches hineingetragen. Mit süßem Schauder fühlte er, daß er ihr verfallen war mit Leib und Seele. Manch Rätselvolles in ihrem Wesen machte sie ihm doppelt lieb, denn des Grübelns und Nachdenkens konnt’ er nicht völlig entraten. Wie sie damals so plötzlich im Park erschienen war, – woher sie kam, – wie sie bis zu dem Augenblicke gelebt hatte, da er sie gesehen – Manch geheimnisvoller Ausspruch, den sie that, wie damals, als sie von einem Sieg gesprochen, den seine Liebe bedeute, – das alles regte seine Einbildungskraft mächtig an. Sie mußte ein reiches Leben hinter sich haben, oft staunte er über die Fülle ihrer Kenntnisse, ihrer Erlebnisse. Stundenlang konnte er liegen, den Kopf in ihrem Schoß, und sich erzählen lassen: von fernen Ländern, die er nur dem Namen nach kannte, von gewaltigen Ereignissen, über die sonst nur die Gelehrten von Byzanz genau Bescheid wußten, alte Sagen, von denen ihm nur spärliche Kunde gekommen war. Es war eine Lust ihr zuzuhören, sie sprach so lebendig, so farbenreich, als hätte sie alles selbst miterlebt. Sehr betroffen war er, als das Gespräch einmal zufällig auf Vergil kam, und er, um auch seinerseits einen Beweis von Gelehrsamkeit zu geben, lange Stellen aus der Äneis lateinisch citirte.

Sie saß ganz still da. Ihr Auge leuchtete, ihre Lippe bebte. Wie Eine, der man von versunkenen, seligen Zeiten redet – —

Der Kaiser war sehr stolz auf diesen tiefen Eindruck, den er seiner Recitation zuschrieb.

Leise zog er Arsinoe an sich.

»Nicht wahr, das ist ein Dichter!! Er berauscht, selbst wenn man seine Sprache nicht kennt.«

Sie sah ihn mit einem spöttischen Blick an.

»Kaiser, Latein kann ich wohl besser als Du.

Und was er erzählt und gedichtet hat, davon weiß ich mehr, als ganz Byzanz zusammen.«

Er lächelte überlegen.

»Ich wollte Dich nicht kränken, Arsinoe! Weiß ich doch, wie klug und gelehrt Du bist! Kennst Du denn auch das süße Lied Catulls:

»Tausend Küsse will ich Dir geben, Lesbia!«

Ihre Augen leuchteten. Mit ihm zusammen sprach sie die erste Strophe; dann allein weiter. Sie konnte fast den ganzen Catull auswendig. Sie verstand des Kaisers erstaunten Blick.

»Was willst Du?« sagte sie leichthin. »All seine Lieder hat er doch nur für mich gedichtet.«

Diese naive Anmaßung die er schon öfters an ihr bemerkt hatte, amüsierte ihn höchlich. Ihm gefiel der Gedanke, der dieser Anmaßung zu Grunde lag: Daß alles, auch das Erhabene der Welt, nur um einer schönen Frau willen geschehe. Auch ihre abenteuerliche Einbildungskraft gefiel ihm. Die anderen Frauen, die er gekannt, hatten gelogen, von Huldigungen, von Versuchungen gelogen, um sich dem Cäsar möglichst kostbar zu machen. Arsinoe log nicht – sie fabelte. Sie war im stande, die Bewegung nachzuahmen, mit der Anchises gestorben, sie zeigte, wie Kassandra die Füße gesetzt, sie beschrieb haarklein das Diadem, das Dido getragen, als Äneas sie zum ersten Male erblickt – —

Diese Art, ihre Erzählungen willkürlich auszuschmücken, gefiel dem Kaiser sehr. Eins jedoch berührte ihn zuweilen peinlich: mit ihrem Christenglauben schien es nicht weit her zu sein. Ihr Gemach zeigte kein Kruzifix, kein wunderthätig Bild. Niemals sah er sie still beten oder zur Kirche gehen.

»Bist Du eine Heidin, Arsinoe?« fragte er einmal ernst. »Du darfst mir’s ruhig sagen, ich werde Dich darum nicht schelten.«

Sie lachte über seinen lehrhaften Ton, schäkerte mit zwei weißen Tauben, die in einem Goldkäfig am Fenster ihres Zimmers hingen.