Za darmo

Robert Blum

Tekst
Autor:
0
Recenzje
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

6. Die ersten Jahre in Leipzig. (1832–1836)

Leipzig war, als Robert Blum hierher übersiedelte, eine Stadt von wenig über vierzigtausend Einwohnern, die sich hauptsächlich in der inneren Stadt zusammendrängten[10]. Große Privatgärten bedeckten noch dicht vor den Thoren der inneren Stadt weite Flächen Landes. Heute ziehen dort zahlreiche Straßenzeilen nach allen Richtungen hin. Zu Vorstädten waren damals überall erst Ansätze vorhanden. Pünktlich um zehn Uhr Nachts wurden alle Thore geschlossen, an denen strumpfstrickende Stadtsoldaten für die Ruhe der Bürger gewacht hatten, bis die glorreiche Errungenschaft der Communalgarde diese Sorge übernahm. In der städtischen Verwaltung herrschte noch unleidlicher Zopf; erst allmählich lernte die Bürgerschaft die Freiheiten üben, welche die neue Städteordnung vom 2. Februar 1832 gewährleistete. Eng war im Allgemeinen der Horizont des Eingeborenen. Von einem Feuer, das in der Stadt ausbrach, konnte man sich eine Woche lang ausschließlich unterhalten. Das Leibblatt des Leipzigers, das „Tageblatt“, hatte damals ein Format von 22:29 Centimeter und bot höchstens – aber sehr selten – zwei Druckseiten eigene Artikel, einschließlich der amtlichen Bekanntmachungen; die übrigen zwei Druckseiten wurden von der berühmten „Eselswiese“ und Anzeigen ausgefüllt. Die große Leipziger Revolution vom 2. September 1830 war in der Hauptsache das Werk von Handwerkern und Studiosen und hatte die Kraft ihrer Sturmeswogen an einigen Fenstern und Mobilien offenbart. Selbst die Kaufmannschaft, das hervorragendste Element der Bürgerschaft, widerstrebte unklar und pessimistisch der wirthschaftlichen Hauptaufgabe der Zeit: dem Anschluß Sachsens an den Zollverein. Von ihr ging der Angstruf aus, der sich zum Glaubenssatze des Leipzigers jener Tage ausgebildet hatte: daß Leipzigs Blüthe dahin sei, und mit dem Anschluß an den Zollverein der ganze Leipziger Handel einpacken müsse! Die neue Verfassung des Landes war noch kein Jahr alt. Als die Weissagung einer neuen besseren Zeit war sie auch in Leipzig begrüßt worden.

Die Feier des Verfassungsfestes (4. Sept.) bietet von 1832 an den fortschreitenden Elementen der Bürgerschaft den legitimen Anlaß, sich feierlich zu versammeln und in Trinksprüchen und Reden Umschau zu halten über die öffentlichen Zustände, die noch unerfüllten Wünsche des Landes. Mit großer allgemeiner Illumination wurde 1832 das Verfassungsfest gefeiert. Der reiche geadelte Wollhändler und Schafzüchter Speck von Sternburg ließ an seinem Hause in der Reichsstraße ein Transparent erscheinen, das die Worte trug:

 
O möchte doch in unserm schönen Sachsen
Electoral veredelt wachsen.
 

Den nächsten Abend erschien gegenüber ein Transparent, das diese beiden Verse wiederholte und hinzufügte:

 
Damit der Speck auf dieser Erde,
Noch immer fetter, fetter werde.
 

Ueberhaupt liebte es der gesunde Bürgersinn des Leipzigers, an Denjenigen seinen Witz zu üben, die nach Standeserhöhung trachteten. Als ungefähr um dieselbe Zeit ein Mitinhaber der alten Firma Limburger und Frosch geadelt wurde, war am Tage nach der Bekanntmachung des Ereignisses an dem Geschäftslokal der Firma folgende Schrift zu lesen:

 
Ici demeure le chevalier sans peur et sans reproche,
Autrefois Limburger et Frosch.
 

Wie eigenartig, vielseitig und vielversprechend für die Zukunft pulsirte überhaupt das geistige Leben in dieser deutschen Mittelstadt! Wohl kaum ein Schriftsteller der damaligen Zeit hatte nicht Verlagsbeziehungen zu Leipzig; fast Jeder von ihnen ist irgend einmal vorübergehend oder für längere Zeit nach Leipzig geführt worden. Nicht die unbedeutendsten hatten in Leipzig dauernd ihre Heimath gewählt. Sie alle lernte Blum allmählich kennen. Weithin glänzte schon damals der klare Stern der Leipziger Hochschule. Mit dem Verfassungsbruche in Hannover (12. Nov. 1837) ward auch der bedeutende Germanist Albrecht der Universität dauernd gewonnen. In der Musik braucht man nur an Namen wie Mendelssohn, Robert Schumann, Rietz, zu erinnern[11]. Das Theater, von jeher ein Liebling des Leipziger Publicums in Freud und Leid, in Fried und Streit, war von 1817 bis 1828 unter Küstner’s Leitung gestanden, 1829 sollte es unter königlicher Aegide neu organisirt werden. Unter Ringelhardt (1832) und noch mehr unter Schmidt (1844 flg.) wurde es zu einer Pflanzstätte der reinsten künstlerischen Bestrebungen und Darstellungskunst. Kaum ein berühmter Schauspieler, der hier nicht längere Zeit wirkte! Rasch und freudig hat endlich die rege, gesunde Stadt von den Freiheiten, welche Verfassung, Städteordnung, Zollverein boten, kräftig Besitz ergriffen. Am Ausgange der dreißiger Jahre schon regt sich Handel und Industrie der Stadt nicht minder hoffnungsvoll wie politischer und communaler Freisinn. Die stillen Freundschaftsgemeinden, die hier zahlreicher und intensiver wirken, als anderswo, thaten das Beste zu dieser Wandlung.

Von selbst bot das Theater und Robert Blum’s Stellung als Secretair an demselben, mit einem so großen Wirkungs- und Pflichtenkreis wie die contractliche Vereinbarung mit Ringelhardt ihn Blum auferlegte, zahlreiche Gelegenheiten zur Anknüpfung interessanter Bekanntschaften. Das Theater führte ihn mit allen Kreisen der Gesellschaft in Berührung, zumeist mit Schriftstellern, Musikern, Künstlern, aber auch mit dem Rathe, Redacteuren, Buchhändlern, Gelehrten. – Mit Herloßsohn, Marggraff, Gustav Kühne, Julius Mosen, Burkhardt, Dr. Apel, Sporschil, Georg Günther, Carl Cramer, Lortzing, Hofrath Winkler (Th. Hell), sehen wir ihn bald in eifrigem, persönlichem oder schriftlichem Verkehre. Mit dem Geographen Dr. Carl Andree wurde er auf eigenthümliche Weise bekannt. Blum pflegte, um das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden, am frühen Morgen mit irgend einem Buche im Rosenthal sich zu ergehen. Hier fand ihn Dr. Andree, wie er im Grase lag und sein Buch studirte. Andree redete ihn an. Die Männer wurden bald innig befreundet.

Selbstverständlich hielt sich der junge Theatersecretair in den ersten Jahren seines Leipziger Aufenthaltes fern von politischer Parteinahme und fern von dem regen Parteitreiben Leipzigs in communalen Angelegenheiten. Unklar und formlos sprudelte ein grenzenloser Freiheitsdrang in den Köpfen der „Literaten“, die Robert Blum’s hauptsächlichen Umgang ausmachten. Einer dieser trutzigen Denker, die Oesterreich ausgespieen hatte und die nun an der Pleiße ihre tiefen Offenbarungen der Welt kundthaten, schrieb in jenen Tagen die denkwürdigen Verse:

 
„Deutschland braucht noch viele Seife,
Daß es sei gewaschen reiner,
Und es braucht zu seiner Reise
Noch viel Kerls wie Unsereiner“.
 

Unendlich roh und materiell führten Manche dieser Schriftsteller ihr Leben. Einer der fruchtbarsten unter ihnen, Sporschil, arbeitete wochenlang unablässig und trank dann zur Abwechslung tagelang unablässig. Er verbarg sich dann auf irgend einem Bierdorfe bei Leipzig, bestellte hier 24 oder 36 Glas Bier auf einmal und rastete nicht, bis sie vertilgt waren.

Einer der begabtesten und maßvollsten dieses Kreises, Dr. Georg Günther, später Blum’s Schwager, reckte sich bei einer Kegelei, zu der befreundete Meßfremde der Provinz eingeladen waren, plötzlich in die Höhe und verkündete mit heiliger Begeisterung die harte Nothwendigkeit, „daß alle deutschen Fürsten sofort zum Teufel gejagt werden müßten“. Blum wandte sich mit würdevoller Ruhe, als ob er die blutige Rede Günthers durchaus ernst nehme, an einen der entsetzten Provinzler mit der Frage: was er dazu meine? Und als der Biedermann schaudernd versicherte, daß sich bei ihm zu Hause nicht fünf Leute zu einem so ungeheuren Frevel finden würden, klopfte ihm Blum lachend auf die Schulter und sagte: „Brav so. – Siehst Du, Günther, das habe ich Dir immer gesagt.“ Vielleicht hat Robert Blum gerade durch den Umgang mit so excentrischen, unklaren Menschen den Werth der maßvollen Ruhe und der realistischen Betrachtung der Dinge, zu welcher seine Natur hinneigte, um so besser erkannt.

Bald versuchte er das Leipziger Leben, wie es ihm sich darstellte, zu schildern. Der erste Versuch dieser Art ist eine Satire, betitelt „Die Poetenfacultät der Universität Leipzig und Kronos“, gedruckt im „Verkündiger am Rhein“, Köln 4. Aug. 1833. Der breite und wenig witzige Artikel gipfelt in der Versicherung des Kronos, daß er „drei Sächsische Dinge wahrhaft unsterblich machen wolle: einen Leipziger Doctorhut, eine Inauguraldissertation und ein Titelblatt vom Brockhausischen Lexicon.“ Sehr viel interessanter und werthvoller ist eine Abhandlung Blum’s über die Leipziger Messen, welche im „Kölner Correspondenten und Staatsboten“ Nr. 147–155 im Jahre 1834 erschien. In diesem Essay wird zunächst sehr hübsch der segensreiche Einfluß des Zollvereins auf den Leipziger Meßverkehr dargelegt, dann eine in der Hauptsache noch heute richtige Aufzählung der Waarengattungen geboten, welche hauptsächlich auf der Leipziger Messe gehandelt werden und Ziffern für ihren Umsatz gegeben. Besonders lebendig und interessant aber sind die Schilderungen des Leipziger Meßlebens. Trefflich ist das Hasten der Meßvermiether, die Verscheuchung der Studenten durch die Meßfremden, das Gewühl unter den Buden mit seinem gräulichen Chaos von Tönen, Gestalten und Genußanerbietungen aller Art, die Eigenthümlichkeit der Budenstädte auf den Hauptplätzen der Stadt und endlich das charakteristische Gepräge jeder einzelnen Meßwoche, beschrieben. „Das Tageblatt selbst, diese literarische Fundgrube, die schwerlich in Deutschland ihres Gleichen finden möchte[12], wird täglich voluminöser. Ganze Schaaren langbärtiger Israeliten mischen sich in frohem Zuge, als ob es zum gelobten Lande ginge, in das bunte Gewühl. Männer aller Länder und aller Meinungen leben in der ungetrübtesten Eintracht nebeneinander. Die leider nur zu sehr Mode gewordene politische Kannegießerei ist verschwunden; Alles spricht, denkt und empfindet nur den Handel und entwirft Speculationen und Hoffnungen für die beginnende Messe.“ Auch längst verschwundene Eigenthümlichkeiten der Leipziger Messe, der Pferdemarkt und der Judenmarkt, sind hier geschildert. Ueber letzteren heißt es: „Vor dem Hallischen Thore, an einer Stelle, wo die sich rings um die Stadt ziehende Promenade am breitesten ist, wird den Söhnen Isaaks und Jakobs ein Breter-Eldorado aufgeschlagen, in welchem sie vierzehn Tage ihr Wesen treiben. Achtzig bis hundert eng zusammengedrängte kleine Buden vereinigen hier die bärtigen und unbärtigen Hebräer aller Zonen zu einer dichtgeschlossenen Handelskolonie; und in ewig entzweiter Einigkeit – da einer dem andern beständig den Käufer abzulocken sucht – feiern sie im Kleinen das Fest der Wiedererhebung ihrer großen Nation. Band aller Art, englische und deutsche Manufacturwaaren und Bijouterien sind ihre vorzüglichsten und fast einzigen Handelsartikel und es ist interessant zu beobachten, welche unzähligen kleinen Künste in Bewegung gesetzt werden, um die Waare anzupreisen und den Durchwanderer zum Kaufe zu veranlassen. Findet auch der Unkundige den beim Einkaufe gemachten Profit, bei Lichte besehen, zuweilen weit unter Erwartung, so steht der Judenmarkt doch im Allgemeinen im Rufe der möglichsten Billigkeit und wird sehr zahlreich, selbst von den höheren Ständen besucht.“ Dann heißt es weiter: „Auch die deutschen Buchhändler tragen wesentlich zur Belebung dieser Woche bei; denn schaarenweise kommen sie im Anfange derselben aus allen deutschen Gauen hierher und beginnen gegen Mittwoch oder Donnerstag, nach Durchsicht der ihnen vorangegangenen Krebse, ihre sonderbare Berechnung, bei der gewöhnlich große Summen, aber wenig Baarschaft zum Vorschein kommen!“

 

So irrig Blum hier über das Abrechnungssystem des deutschen Buchhandels urtheilt, so falsch urtheilt er wenige Zeilen nachher über die „in der letzten Zeit stattgefundene Anregung einer Eisenbahn nach Dresden.“ Er sagt, „man habe mit Recht gegen dieses Project eingeworfen, daß man eine Bahn in der Richtung anlegen müsse, wo sie Handelsvortheile gewährt, nicht aber in einer Richtung, wo sie, wie nach Dresden, als eine bloße Promenadenbahn zu betrachten sei, die nach klaren (?) Berechnungen nicht einmal das Anlagekapital decken, viel weniger einen soliden Gewinn geben könne[13]. Die Urheber des Planes scheinen jedoch darauf beharren zu wollen und streben durch einen unrichtigen Patriotismus ihre Landsleute zur Theilnahme zu bewegen, welche Mühe jedoch bis jetzt fruchtlos blieb, da noch kein Groschen zum Anlagekapital unterzeichnet ist. Ueberhaupt dürfte, wenn man auf dem bisher verfolgten Wege beharrt, die Bahn in den nächsten 25 Jahren nicht zu Stande kommen.“ Die Bahn wurde bekanntlich wenige Jahre später eröffnet, und erfreute sich unter dem wackeren Gustav Harkort, dem jüngst in Leipzig ein Denkmal gesetzt wurde, Jahrzehnte lang einer trefflichen Leitung. Seltsamerweise finden wir Robert Blum, der in dem obigen Urtheil die allgemeine öffentliche Meinung jener Tage sowohl, als die Ansicht kluger Volkswirthe aussprach, fast auf allen Generalversammlungen der Actionäre der Leipzig-Dresdner Bahn als Oppositionsredner gegen die Verwaltung[14].

Endlich enthält dieser Essay Blum’s über die Leipziger Messe am Schlusse noch folgendes bemerkenswerthe Urtheil über den Buchhändler-Meßkatalog von 1834: „er ist sehr arm, so voluminös er sein mag, und fast keine einzige ausgezeichnete literarische Erscheinung ist darin zu bemerken. Die Pfennig-Gelehrsamkeit scheint sich immer mehr auszudehnen, und das Pfennig-Magazin von Bossenge père, die erste Erscheinung in diesem Genre, welches jetzt 50,000 Abonnenten zählt, hat nach Ablauf seines ersten Jahrganges ein neues Reizmittel für die Leser erfunden, indem es ein historisches „Gratis-Magazin“ als Zugabe giebt, die jedoch auch allein für den Preis von 12 Gr. jährlich zu haben ist. Im Gebiete der Musik hat sich ebenfalls die Pfennigmanie – über die die Aerzte so wenig wie über die Cholera einig sind, ob sie contagiös oder epidemisch ist – verbreitet und wir zählen jetzt bereits drei musikalische Pfennig-Magazine, die manches Gute, aber auch manches höchst Mittelmäßige bringen, was nicht einmal einen Pfennig werth ist.“

Eifrige Selbstfortbildung, namentlich in Geschichte und Staatswissenschaften, und ebenso eifrige schriftstellerische und poetische Production füllen in diesen ersten Jahren seines Leipziger Aufenthaltes Robert Blum’s Mußestunden. An der Hochschule hörte er bei Drobisch Logik, bei dem Privatdocenten Dr. Burkhardt, seinem intimen Freunde, Geschichte der neuesten Zeit. Fast sämmtliche belletristische Zeitschriften jener Tage bringen lyrische Gedichte, Recensionen, auch größere Essays über literarische Tageserscheinungen von Robert Blum. Die Honorareinnahmen, die er von der „Aurora“, der „Abendzeitung“, den „Rheinblüthen“, „Unser Planet“, der „Zeitung für die elegante Welt“ u. s. w. von 1832 bis 1837 bucht, sind theilweise bedeutend, namentlich für damalige Honorarverhältnisse und den damaligen Geldwerth. Vortrefflich versteht er in diesen Artikeln seine politischen Ansichten und Tendenzen vorzutragen unter der Maske wissenschaftlicher oder harmlos plaudernder Recensionen epochemachender geschichtlicher und socialer Werke der Zeit, namentlich der Revolutionsgeschichte von Mignet und Adolf Thiers und der interessanten Schrift Bulwer’s „über Frankreich in socialer literarischer und politischer Beziehung“, so daß der Censor ihm nichts anhaben kann. Für seine Arbeit über die Geschichte der französischen Revolution allein erhielt er (1837) zehn Friedrichsd’ors bezahlt. Auch ist er einer der gesuchtesten Prologdichter der Zeit. „Vom Prinzen-Mitregent[15] 10 Thaler,“ bucht er am 31. Mai 1833. Aehnliche Honorare trugen ihm die wiederholten Prologe zum Sächsischen Constitutionsfest (1834, 35 u. s. w.), ein Festspiel für Meiningen und ein Prolog bei der Wiedereröffnung der Magdeburger Bühne (1834) ein. Seine finanziellen Verhältnisse waren sehr befriedigend geworden. Die Seinen daheim erhielten reichliche Unterstützungen und Geschenke von ihm.

Die ersten Ferientage in seiner anstrengenden Arbeit, die erste Erholungsreise auf eigene Kosten gönnte er sich am 21. Juni 1835. Er reiste in die Sächsische Schweiz. Er hat die Erlebnisse niedergeschrieben und veröffentlicht. Das volle Gefühl glücklicher Freiheit, das ihm hier zu Theil ward, faßt er gleich zu Anfang seiner Reiseerinnerungen in die Worte: „Um nicht gar zu früh nach Pillnitz zu gelangen, nahm ich in Dresden einen Einspänner, der mich nach der Pillnitzer Fähre brachte. O, wie mir wohl war auf diesem knarrenden, stoßenden Throne, den ich mir für das Opfer von 20 Gr. errungen hatte, und wo mich, statt des Weihrauchs, die gleich angenehmen Wolken von dem Kneller meines redlichen Schwagers[17] und dem in dichten Massen aufwehenden Staube umwallten. Es muß doch etwas Herrliches sein um die Erhabenheit, um die Herrschaft. Ich fühlte mich so groß auf meinem erhabenen Droschkensitze, so reich und so glücklich! Hinter mir lag ein anstrengendes, mich stets belastendes Geschäftsleben, das drei Jahre wie ein ehernes Joch auf meinen Schultern geruht hatte, ohne mir nur einen einzigen Tag der Erholung zu gönnen; in mir wallte das selige Bewußtsein, daß ich diesem Joche auf volle acht Tage entronnen sei und mich frei ergehen könne in der freien Natur; vor mir der Kreis der ersehnten Berge, eingehüllt in einen grauen Schlafrock und den Dampf ihrer riesigen Morgenpfeife in dichten Nebelwolken gegen Himmel sendend, über mir der halb heitre, halb bewölkte Himmel“ u. s. w. „So kam ich nach der Fähre, im Fluge tanzte der leichte Kahn über den gekräuselten Spiegel des lachenden Stromes und den Wanderstab in der Hand, die grüne Reisetasche wie ein Botaniker umhängend, stand ich bald am jenseitigen Ufer. Aber es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei.“

Das ist der Grundgedanke, der ihn inmitten der höchsten Reize der Natur erfaßt, welche diese Wanderung verschwenderisch vor ihm ausbreitet. Zum vollsten Genusse der frohen Tage fehlte ihm die Gegenwart des Mädchens, bei dem sein Herz weilte auch inmitten der reinen Freuden, welche die Natur ihm bot. Er konnte sich nicht versagen, diese Stimmung in seinen Reiseerinnerungen wiederholt anklingen zu lassen. Denn er las diese Erinnerungen, wie Alles, was er dichtete und schaffte, daheim der Auserwählten seines Herzens vor. Die junge Dame hieß Auguste Forster und muß mit dem Theater in irgend einer Verbindung gestanden haben. Bald war Robert Blum so glücklich, Gegenliebe zu finden. Sein ernster Sinn war nur darauf gerichtet, das geliebte Weib zur Genossin des bescheidenen Glückes zu machen, das er nach langem harten Ringen um eine gesicherte Existenz nun sein nannte. Doch sollte ihm der Schmerz nicht erspart bleiben, in seiner ersten Liebe getäuscht zu werden. Den Seinen in Köln wurde die Braut, wie die Briefe der Schwester Blum’s aus den Jahren 1835 und 1836 ergeben, schon 1835 als „theure Freundin“, dann immer deutlicher als künftige Lebensgenossin bezeichnet. Im Juli oder August 1836 muß er den Seinen den Besuch Augustens in Köln bestimmt angezeigt und beabsichtigt haben, dorthin zu folgen, um das Jawort der Eltern zu seiner Verbindung mit ihr zu erbitten. Schwester Gretchen berichtet ihm am 28. August 1836 ausführlich, wie freundlich sie Alles hergerichtet hatten, um die Braut des Haussohnes zu empfangen. Aber Auguste ist nie nach Köln gekommen. Ein reizender Mädchenkopf (Aquarelle) in Etui unter convexer Glasdecke, eine bräunliche Locke, die das Oval des Bildes umschließt, einige leidenschaftliche unglückliche Gedichte an Auguste sind die einzigen Erinnerungen, die Robert Blum an seine erste tiefe Herzensliebe bewahrt hat. Im August 1836 ist dieser Traum dahingegangen zwischen dem Morgenroth zweier Tage. Der Inhalt seiner Gedichte und der Briefe seiner Schwester läßt keinen Zweifel darüber zu, daß das schwere Wort „Untreue der Geliebten“ den Hoffnungen seines Herzens ein Ziel setzte.

 

Der Stimmung seines Herzens in jenen Tagen gibt am besten Ausdruck das Gedicht, das er „Abschied“ überschrieben.

 
„Ein Schifflein schwebt auf dem empörten Meere
Und ringt verzweifelnd mit des Sturmes Noth,
Verloren ist ihm Richtung, Ziel und Fähre,
Der Mast zerschellt, der seinem Lauf gebot.
Und durch die düstre ungeheure Leere,
Die wild erbrausend rings Verderben droht,
Starrt hin der Schiffer in des Ostens Ferne,
Als sucht’ er dort nach einem Rettungssterne.
Du kennst das Meer, das wilde, sturmempörte,
Das Leben ist’s, an Schmerz und Freuden reich;
Du kennst das Schifflein, das der Sturm verstörte:
Ein Menschenglück ist’s, ach! so hoffnungsreich;
Du kennst den Schiffer, dem es angehörte,
Ein treues Herz ist’s, liebevoll und weich;
Du kennst den Hafen, den er heiß ersehnte
Und selig schon erreicht zu haben wähnte.
 
 
Erglänzt ihm einst das Licht mit seinem Segen,
Es findet einen morschen, müden Mann;
Und mag der Hafen in der Ferne winken,
Er wird ihn sehen, aber untersinken.“
 

Freunde, die Seinigen in Köln, Arbeit in Menge, erfüllten ihn bald mit tröstlicherer Stimmung und brachten ihm das schwere Leiden des Herzens in Vergessenheit. Den wesentlichsten Antheil aber an seiner Aufrichtung und Tröstung hatte die Loge. Ihr war er seit Anfang des Jahres 1836 beigetreten. Schon früher (S. 33) ist eine Stelle aus der interessanten „biographischen Skizze“ mitgetheilt worden, die er den Ordnungen des Bundes gemäß vor seiner Aufnahme in denselben einreichen mußte. Es heißt hier u. A.: „Mein Bildungsgang ist der eines Menschen, den ein widriges Schicksal in seiner Entwicklung hemmt und zurückstößt. Der Durst nach Wissen, vom zwölften bis achtzehnten Jahre unterdrückt durch Mühen und Arbeit, erwachte erst dann wieder, als es zu spät war, die mangelnden Grundelemente in die Seele zu legen und nur mit großer Mühe und anhaltendem Fleiße ist es mir gelungen, das Versäumte einigermaßen nachzuholen. Noch jetzt füllen Studien alle meine Mußestunden aus und meine größte Freude besteht darin, meine geringen Kenntnisse allmählich zu erweitern, und wenn mir das Glück zu Theil wird, als Mitglied eines Bundes aufgenommen zu werden, der die schönsten geistigen Kräfte in sich vereint, so hoffe ich davon vertrauensvoll einen wesentlichen Einfluß auf meine geistige und sittliche Vervollkommnung, nach der ich stets aus allen Kräften ringen werde. Heil dem Bunde“, heißt es später höchst charakteristisch, „wenn die nothwendige, aber dem Herzen drückende Sonderung der Stände im conventionellen Leben jenseits seines Kreises liegt, wenn der Mensch im Menschen nur den Bruder sieht und sich nur freiwillig neigt vor der höheren Tugend desselben. Lieblich vereinen sich dann die Wohlthaten und Vorzüge unserer gesteigerten Bildung und Intelligenz mit den süßen kindlich-reinen Freuden der patriarchalisch-brüderlichen Vereinigung, die nur in der Kindheit der Gesellschaft dem Menschengeschlecht gelächelt haben. Es wohnt dann im Bunde die wahre reine Freiheit und Gleichheit, an welcher der Lichtblick des Denkers hängt, als an dem Ideale menschlicher Glückseligkeit; nicht jene Freiheit, die auf den Trümmern der vernichteten socialen Zustände ein blutiges Banner schwingt und der unglücklichen Menschheit Gleichheit gibt, indem sie Allen gleiches Elend bereitet; sondern jene Freiheit, die ein Kind ist des Lichtes und des Rechts, der Ruhe und des Friedens, und die nur dann allen Menschen gleiche Glückseligkeit geben kann und wird, wenn Alle aus allen Kräften an ihrer sittlichen Vervollkommnung arbeiten und festhalten an der Tugend, ohne welche keine Freiheit möglich ist.“ Am Schlusse heißt es: „Mit frohem Herzen darf ich mir sagen, daß ich bis jetzt keinem Menschen Veranlassung gegeben habe, mich zu hassen und kann die Versicherung hinzufügen, daß ich frei von jedem Hasse bin. Religion und Moral machen uns die Duldung zur Pflicht und das Leben – besonders in der jetzigen vielbewegten Zeit – macht sie zur unbedingten Nothwendigkeit eines friedlichen Daseins. Ich habe nach Kräften gestrebt mir diese Tugend, wenn ich sie so nennen darf, anzueignen, und traue mir den Muth zu, sie in allen Verhältnissen auszuüben… So fest ich überzeugt bin, daß die Religion – im weiteren Sinne – das höchste Gut des edlen Menschen ist, so klar liegt es vor mir, daß dieselbe rein und vollkommen gefunden werden muß in einem Bunde, der die Tugend als Cultus übt und nur für die höheren Interessen des menschlichen Daseins wirksam ist.“

So hoch Robert Blum die Erwartungen spannte, welche die Aufnahme in den Freimaurerbund ihm befriedigen sollten und so sehr ihn in den ersten Jahren der geheimnißvolle Kreis der Brüder anzog, so gering hat er später über den Orden geurtheilt. Der überaus harte Artikel „Freimaurer“ in seinem „Volksthümlichen Handbuch der Staatswissenschaften und Politik“[18] ist aus seiner Feder, wenn auch dabei aus naheliegenden Gründen sein Signum fehlt.

Wenn am Schlusse dieses Artikels gesagt ist: „die Freimaurervereine sind jetzt nichts weiter als Wohlthätigkeitsanstalten“ und dann weiter „die Formen, Gebräuche und Symbole des Ordens eines denkenden Menschen geradezu für unwürdig“ erklärt werden, so liegt das Ungerechte des Urtheils auf der Hand. Aber deutlich und treffend ist in dem Artikel ausgesprochen, was Blum allmählich den Bund entfremdete: „Die Aufhebung jedes Unterschiedes in den Logen ist nicht wahr. Man nennt sich zwar Bruder, aber Stand, Rang und Geld haben in den Logen dieselbe Bedeutung wie außerhalb derselben. Auch die Bekenntnißverschiedenheit macht sich in den Logen geltend und steigt bei vielen bis zur völligen Unduldsamkeit; so sind z. B. in vielen Logen die Juden ausgeschlossen.“ Der eigentliche Grund aber, der Blum mehr und mehr die Loge gleichgültig, ja widerwärtig machen mußte, ist in diesem Artikel nicht ausgesprochen: je mehr die politische Agitation in den Vordergrund seiner Strebungen trat, um so ferner rückte ihm der Wirkungskreis der Loge, in der jede politische Discussion grundsätzlich verpönt ist.

Fussnote_10_10Große, Gesch. Leipzigs, 2. Band S. 704, berechnet 32 Einwohner auf ein Haus (1840).
Fussnote_11_11Auch R. Wagner lebte bis 1824 hier.
Fussnote_12_12Heutzutage freilich ist in diesem Blatte von einer literarischen Fundgrube nichts mehr zu entdecken.
Fussnote_13_13Bekanntlich hat die Sächsische Regierung vor zwei Jahren die trefflich rentirende Bahn angekauft und dabei jede Actie von hundert Thaler Nominalwerth mit eintausend Mark 3%iger Sächsischer Rente entschädigt.
Fussnote_14_14Z. vergl. die gedruckten Protocolle dieser Generalversammlungen 1842 bis 1846.
Fussnote_15_15Dem späteren König Friedrich August von Sachsen.
Fussnote_17_17Er selbst rauchte damals Zigarren zu 40 Pfennigen 25 Stück.
Fussnote_18_18Leipzig, Verlag von Robert Blum & Comp. 1848. I. Band. S. 369, 370.