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Kapitel vier

Riley konnte nicht anders, als sich zu wundern…

Ist er vielleicht sauer auf mich?

Auf dem Weg von Quantico zum Regan Flughafen hatte Agent Crivaro kaum mit ihr gesprochen.

Aber weshalb…?

Sie wusste, dass er eine schroffe, ungeduldige, und bisweilen zornige Art haben konnte, immer wenn sie Fehler machte oder Befehle nicht befolgte – was bedauerlicherweise nicht allzu selten der Fall war. Aber was konnte sie in der kurzen Zeit, in der sie heute Morgen zusammen gewesen waren wohl falsch gemacht haben?

Er hatte sie nur aus dem Gebäude der Verhaltensanalyseeinheit gehetzt, ohne wirklich etwas zu erklären. Er gab ihr nicht einmal Zeit Halt zu machen, um ein Privatgespräch mit Ryan zu tätigen. Natürlich war jetzt Ryan sauer auf sie und sie war es sich auch bewusst, dass er einigen Grund dazu hatte verärgert zu sein.

Aber wo konnte das Problem bei Agent Crivaro liegen?

Vielleicht hat es nichts mit mir zu tun, hoffte sie im Stillen.

Vielleicht plagt ihn eine persönliche Angelegenheit.

Wie dem auch sei, es erschien Riley keine gute Idee zu sein, ihn danach zu fragen.

Sie blieb einfach still im Auto sitzen und versuchte sich auf die unglaublichen Geschehnisse des heutigen Tages zu konzentrieren – sie war eine Agentin des FBI, ihr wurde ein Fall zugeteilt und ihr Partner war einer der angesehensten Agenten der Verhaltensanalyseeinheit.

Crivaro hetzte sie durch die Abfertigung, als sie am Flughafen ankamen. Sie musste sich beeilen, um mit ihm Schritt zu halten, da er den ganzen Weg zum Flugsteig praktisch rannte.

Außer Atem vor der Raserei durch die Flughafenhalle kamen sie gerade rechtzeitig zum letzten Aufruf für die Passagiere ihres Fluges an. Riley fiel jetzt ein, wie Crivaro auf die Uhr schaute, als sie in seinem Büro angekommen war und meckerte…

»Wurde auch Zeit, dass du hier bist.«

Jetzt wurde es Riley klar, weshalb Crivaro so beunruhigt wegen der Zeit war.

Wären sie nur ein paar Minuten später am Flugsteig angekommen, sie hätten ihren Flug komplett verpasst. Sie wünschte, er hätte ihr die Sache erklärt, anstatt zu erwarten, dass sie ihm ohne Fragen zu stellen folgte.

Er hatte ihr schon früher mitgeteilt, dass er Schwierigkeit bei der Zusammenarbeit mit einem Partner hatte. Und jetzt, da sie sein Partner und nicht nur eine Auszubildende war, was würde dies für sie wohl bedeuten?

Es kam Riley in den Sinn, dass Crivaro diese Reise sehr wahrscheinlich in großer Eile geplant haben musste. Wahrscheinlich wusste er selber bis zum letzten Augenblick nichts davon.

Es muss sich um etwas sehr Dringendes handeln, dachte sie sich, während sie ein leichter Nervenkitzel überkam.

Nachdem sie das Flugzeug bestiegen hatten, setzte sich Crivaro an einen Fensterplatz und starrte nach draußen, während das Flugzeug abhob. Neben ihm sitzend wunderte sich Riley, was ihm wohl durch den Kopf ging und weshalb sie sich in einer solchen Eile befanden. Als das Flugzeug seine normale Flughöhe erreichte, neigte Crivaro seinen Sitz nach hinten und starrte weiterhin durch das Fenster. Das Licht fiel auf sein Gesicht und ließ die durch jahrelange Arbeit an schwierigen Fällen entstandenen Falten zum Vorschein kommen.

Riley war sich sicher, worum auch immer es dieses Mal ging, sie würde viel über die Verfolgung kriminellen Verhaltens lernen. Bereits während ihrer früheren Zusammenarbeit hatte sie sich daran gewöhnt, aus, woraus auch immer eine normale Routine zu bestehen pflegte, herausgezogen zu werden – Studium, Praktikum, Ausbildung an der Akademie. Jetzt, da sie dem Fall zugeordnet war, würde sie mehr Zeit dazu haben zu verstehen was sich abspielte.

Aber wann würde sie es herausfinden? Sicherlich hatte sie auch jetzt schon ein Anrecht darauf mehr zu erfahren.

Endlich fasste sie dem Mut zusammen, um ihn zu fragen…

»Also, hast du vor mir etwas über den Fall, an dem wir Arbeiten sollen, zu erzählen?«

Crivaros Lippen verzogen sich ein wenig. Es sah so aus, als wäre er sich nicht sicher wie er die Frage beantworten solle.

Dann sagte er: »Vielleicht – nur vielleicht – sind wir einem Serienmörder auf der Spur.«

Riley erschien es, als würde sie mehr als nur ein wenig Skepsis aus dem Ton seiner Stimme heraushören, als ob er nicht glauben würde, dass es dem so wäre.

Nach einer kurzen Pause fuhr Crivaro fort: »Ungefähr vor einem Jahr wurde die Leiche einer Frau an einem Wanderpfad im Dyson Park in Colorado entdeckt. Gestern tauchte eine weitere Leiche an einem weiteren Wanderpfad in Arizona auf. Sie kam unter ähnlichen… nun ja, Umständen ums Leben. Wir gehen nach Arizona, um nachzuprüfen, ob wirklich ein Zusammenhang zwischen den Fällen besteht.«

Crivaro schaute wieder zum Fenster hinaus, als ob es nichts mehr zu sagen gab.

»War das alles?«, fragte Riley.

»So ziemlich, ja«, antwortete Crivaro, immer noch zum Fenster blickend.

Riley war jetzt völlig verwirrt. Es mag zwar ihr erster Arbeitstag sein, aber sie war sich sicher, dass Crivaro mehr wissen musste, als er es ihr gerade mitgeteilt hatte. Tatsächlich sollte er eine Akte voller Dokumente vorbringen können, um sie auf den letzten Stand der Dinge zu bringen. Sie sollten in diesem Augenblick sich diese Sachen durchschauen.

Sie fragte: »Wie hießen die Opfer?«

Crivaro zuckte leicht die Schultern: »An den Namen des Opfers in Colorado erinnere ich mich nicht. Und den Namen des Opfers in Arizona hat mir noch niemand mitgeteilt.«

Riley konnte ihren Ohren nicht glauben.

Was meint er damit, niemand hätte es ihm mitgeteilt?

Was meint er damit, er erinnere sich nicht?

Verheimlichte er es ihr, oder…?

Ihre Augen weiteten sich, als ihr eine starke Vorahnung in den Sinn kam, womit sie es hier zu tun hatte.

Sie sagte zu Crivaro…

»Es handelt sich hierbei um keinen offiziellen Fall der Verhaltensanalyseeinheit, oder?«

Crivaro antwortete leicht knurrend: »Das spielt keine Rolle.«

Riley würde augenblicklich zornig.

Sie sagte: »Ich meine, es spielt doch eine Rolle, Agent Crivaro. Dies ist mein erster Tag als Agentin der Verhaltensanalyseeinheit. Was mache ich hier überhaupt? Ich denke, ich habe ein Anrecht darauf mehr zu erfahren, als es mir bisher mitgeteilt wurde.«

Crivaro nickte und rollte mit den Augen.

»Riley Sweeney, eines Tages werden dir deine Instinkte noch großen Ärger bereiten.«

Dan drehte er sich zu ihr. Mit leiser Stimme fing er an zu erklären.

»Schau, heute früh erhielt ich einen Anruf von einem alten Freund. Sein Name ist Harry Carnes. Er ist ein ehemaliger Polizist aus Los Angeles und wir arbeiteten dort an einem Fall zusammen. Er ist in den Ruhestand getreten und nach Colorado gezogen. Vor einem Jahr wurde eine Frau unweit seines Wohnorts ermordet – die erste von den bereits erwähnten zwei Frauen. Er versuchte der örtlichen Polizei bei der Aufklärung zu helfen, aber der Fall blieb ungelöst.«

»Und?«, fragte Riley.

»Und – Harry ist mit seiner Frau diesen Winter im Südwesten unterwegs. Nachricht zu einem neuen Mordfall ist ihm zu Ohren gekommen, bei dem er dachte, dass er vielleicht in Zusammenhang mit dem Fall in Colorado stünde. Also bat er mich hinzugehen und der Sache auf den Grund zu gehen.«

Riley wurde von Sekunde zu Sekunde ratloser.

»Identische Mordfälle«, sagte sie. »Und weshalb ist es kein Fall für das FBI?«

Crivaro schüttelte seinen Kopf und sagte: »Ich mied die offiziellen Kanäle. Es scheint mir nicht etwas zu sein, worin sich das FBI einmischen wollen würde. Ich weiß auch noch nicht wie sehr sich die Fälle ähneln. Auch sind einige der Details gar nichts Ungewöhnliches. Tatsächlich vermute ich, dass kein Zusammenhang zwischen den beiden Mordfällen besteht.«

Riley warf Crivaro einen strengen Blick zu und sagte…

»Also, was du mir damit sagen willst ist, dass du nach Arizona fliegst, um einem alten Freund damit einen Gefallen zu tun.«

»Du hast es erraten«, sagte er.

Riley fiel es schwer der ganzen Sache einen Sinn zu entnehmen.

Sie fragte: »Und warum zerrst du mich in die Sache mit hinein?«

»Du bist mein Partner«, antwortete Crivaro.

»Aber es handelt sich nicht einmal um einen richtigen Fall!«

Crivaro zuckte mit den Schultern: »Das wissen wir noch nicht. Vielleicht stellt es sich heraus, dass Harry recht hat. Vielleicht stehen die zwei Mordfälle wirklich in Zusammenhang und wir bekommen es mit der Jagd nach einem echten Serienmörder zu tun. Sollte dies der Fall sein, dann wird es ein Fall für die Verhaltensanalyseeinheit werden. Du würdest es dir doch nicht entgehen lassen wollen, oder nicht? Wie dem auch sei, Ich dachte… also, ich dachte mir, dass es sich hierbei um eine gute Gelegenheit handeln würde uns beide an die Zusammenarbeit miteinander zu gewöhnen.«

Riley rief beinahe laut aus…

Wir haben doch bereits an drei Mordfällen miteinander zusammengearbeitet!

Aber es fiel ihr ein, dass in diesen früheren Fällen sehr viel Spannungen zwischen ihnen herrschte. Und auch war sie damals keine Agentin.

Vielleicht hatte Agent Crivaro recht.

Vielleicht brauchten sie ein wenig Zeit sich an die Zusammenarbeit in ihren neuen Rollen zu gewöhnen. Aber war dieser inoffizielle und womöglich sogar nicht bestehende Fall wirklich der beste Zeitpunkt dazu?

Sie fragte: »Wer zahlt denn für diesen Einsatz eigentlich?«

»Ich zahle, in Ordnung?«, murrte Crivaro. »Natürlich werde ich die Kosten rückerstattet bekommen, sollte es sich als ein echter Fall herausstellen.«

Riley sagte: »Also, du teilst mir was mit? Dass wir uns auf einer Art Urlaub miteinander befinden?«

Crivaro schmunzelte unbeholfen: »Hey, das Wetter in Arizona ist zu dieser Jahreszeit sicherlich viel angenehmer als in Virginia. Du brauchst dich für den Ortswechsel bei mir nicht zu bedanken.«

 

»Ich finde es nicht lustig«, sagte Riley, während sie sich bemühte ihrer gefühlten Irritation keinen Ausdruck zu verleihen. »Du hättest mir zumindest von Anfang an sagen können worum es sich hier eigentlich handelt.«

Sich verteidigend, sagte Crivaro: »Also, offensichtlich war ich in Eile. Und auch würdest du sowieso keine Arbeit in Quantico während meiner Abwesenheit zu verrichten haben. Deshalb ist es besser, dass du mich begleitest und zumindest versuchst nützlich zu sein. Wir werden eine Untersuchung durchführen während wir dort sind. Es könnte sich auch als gute Lernerfahrung für dich herausstellen. Also worin besteht das Problem?«

»Ich sage dir, worin das Problem liegt«, antwortete Riley. »Ich habe einen Verlobten zu Hause der sauer auf mich ist, weil ich mich so plötzlich aus dem Staub gemacht habe. Glaubst du, er wird sich weniger ärgern, wenn er hört, dass ich nicht einmal an einem echten Fall arbeite?«

Crivaro seufzte schuldbewusst: »Und du wirst es im so mitteilen?«

Riley machte ein bestürztes Gesicht. Sie hatte es nicht einmal in Erwägung gezogen, Ryan etwas von ihren Tätigkeiten während sie weg war zu verschweigen.

»Natürlich!«, schimpfte sie.

»Dann tut es mir leid«, sagte Crivaro. »Ich vermute, du hast recht. Ich hätte dich zuerst fragen sollen.«

»Ja, das denke ich auch.«

Crivaro sah sie jetzt teilnahmsvoll an und sagte: »Schau, wenn du mit dieser Sache nichts zu tun haben möchtest, ich kann’s verstehen. Sobald wir in Phoenix gelandet sind, kannst du den ersten Flug zurück nehmen, wenn du möchtest. Ich zahle auch für das Ticket. Möchtest du das?«

Riley fühlte sich erneut überrascht über dieses Angebot und sie wusste nicht, wie sie antworten sollte.

Soll ich das Angebot annehmen? wunderte sie sich.

Einen Augenblick lang erschien die Antwort offensichtlich. Crivaro hatte kein Recht dazu sie quer durch die Vereinigten Staaten zu schleppen, um einen zwecklosen Auftrag zu erledigen. Und der unverzügliche Rückflug nach Hause wäre ein guter Weg das Verhältnis mit Ryan wieder auszubügeln – besonders, wenn es sich herausstellen sollte, dass sie noch einen oder zwei freie Tage bekommen würde, bevor sie wieder zur Arbeit in Quantico antreten müsste. Es könnte sich als genau das herausstellen, was ihre Beziehung brauchte.

Dann klang ihr aber plötzlich wieder seine verärgerte Stimme im Ohr, als er sie über das Handy fragte…

»Was ist mit meinem Auto? Wie lange werde ich ohne es auskommen müssen?«

Riley erstarrte vor Verärgerung.

Dieses blöde Auto, dachte sie.

Ohne das Auto auskommen zu müssen erschien Ryan schwieriger zu fallen, als ohne sie auskommen zu müssen.

Es machte sie wirklich stinksauer.

Auf einmal war sie nicht mehr in Stimmung dazu, die Sache mit Ryan wieder auszubügeln. Und soweit es um Crivaro ging…

Also, zumindest zeigt er Interesse an mir.

Zudem hatte Crivaro bei einer Sache recht. Sie würden sicherlich eine Untersuchung durchführen, selbst wenn es nur darum ginge herauszufinden, dass es nichts zu untersuchen gab. Es könnte sich dennoch als gute Erfahrung herausstellen. Vielleicht lernt sie dabei auch was.

Endlich sagte Riley: »Es geht Ordnung. Ich gehe mit dir mit.«

Crivaros Augen wurden hell.

»Bist du dir sicher?«, fragte er.

Riley schmunzelte ein wenig und antwortete: »Ich lass es dich wissen, sollte sich meine Meinung ändern.«

Crivaro grinste: »Also dann, das Angebot steht immer noch, solltest du dich aus dem Staub machen wollen. Zumindest, soweit es sich um diesen Ausflug handelt. Aber wenn wir dann anfangen an echten Fällen zu arbeiten, dann kommst du nicht mehr von mir davon.«

»Ich werde es im Hinterkopf behalten«, sagte sie.

Crivaro lehnte sich zurück in seinen Stuhl und schloss die Augen. Offensichtlich wollte er ein Nickerchen machen.

Riley nahm sich ein Magazin aus dem Sitzfach vor ihr und fing an es durchzublättern.

Sie war dabei sich zu überdenken, was gerade hier abgelaufen war.

Ich habe meine Arbeit über Ryan gestellt.

Und sie war überrascht festzustellen, dass sie kein schlechtes Gewissen dabei hatte.

Was sagt das über mich aus? wunderte sie sich. Und über unsere Zukunft?

Dann fingen ihre Gedanken an, sich um die Gegenwart zu drehen.

Arizona.

Sie wusste nicht wirklich viel über diesen Staat.

Sie hat den Großteil ihres Lebens in den grünen Hügellandschaften Virginias verbracht. Welche Überraschungen würde wohl ein solch andersartiger Staat für sie bereithalten?

Kapitel fünf

Als der Flieger in Phoenix landete, zogen Riley und Crivaro ihr Sachen aus den Gepäckfächern über ihren Köpfen und machten sich auf den Weg über die Landungsbrücke zum Flughafengebäude. Ungefähr zwanzig Leute warteten auf die Passagiere des Fluges, aber es bestand kein Zweifel daran, wer auf sie warten würde.

Ein herzlich dreinschauender Kerl mit rötlichem Gesichtsausdruck winkte Crivaro energisch zu. Riley wusste, dass es sich um Harry Carnes handeln müsse. Die gleichermaßen stämmige Frau, die mit verschränkten Armen und einem finster dreinblickendem Gesichtsausdruck neben ihm Stand, musste Harrys Ehefrau sein. Sie sah im Moment überhaupt nicht glücklich aus.

Der Mann begrüßte Crivaro mit einer festen Umarmung und Crivaro stellte Riley dem Paar vor. Der Name der Frau war Jillian. Riley schätzte, dass sie beide ungefähr in Crivaros Alter sein mussten, oder vielleicht auch ein wenig älter.

Einen Augenblick lang war sie erstaunt, dass beide in T-Shirt, kurzen Hosen und Sandalen gekleidet vor ihnen standen. Sie und Crivaro hatten immer noch ihre Jacken und für kälteres Wetter vorgesehene Sachen an.

»Gepäck?«, fragte Harry, während er ihre Outfits betrachtete.

»Nur das hier«, erwiderte Jake und hielt seinen Rucksack hoch.

Harry lachte und sagte: »Na dann, das werdet ihr schon noch früh genug regeln können.«

Ihr gingen Crivaros während des Flugs geäußerten Worte durch den Kopf.

»Das Wetter in Arizona ist zu dieser Jahreszeit sicherlich viel angenehmer als in Virginia.«

Sie war definitiv nicht auf das Wetter hier vorbereitet. Sie waren in solch großer Eile loszufahren, dass sie keine Zeit hatte daran zu denken andere Kleidung einzupacken. Sie wunderte sich, ob sie sich neue Sachen kaufen müsse. Ihr Finanzlage würde sicherlich keine großen Anschaffungen verkraften können.

Vielleicht wird es auch nicht notwendig sein, dachte sie. Wenn sie sich bald auf den Rückweg nach Quantico begeben würden, dann würde sie wahrscheinlich mit dem, was sie dabei hatte, auskommen können.

Harry ging voraus zur nächstgelegenen Imbissbude, wo sie sich an einen Tisch setzten und Sandwiches zum Mittagessen bestellten.

Crivaro sagte zu Harry: »Also, hier bin ich. Jetzt erzähl mir alles, was du weißt.«

Harry zuckte mit den Schultern: »Ich weiß nicht viel, außer was ich dir schon über das Telefon mitgeteilt habe. Die Leiche einer Frau wurde gestern an einem Wanderpfad in der Nähe von Tunsboro aufgefunden. Der Ort liegt nördlich von hier. Ihr Name war Brett Parma. Als ich über die Nachrichten davon erfuhr, wurde ich neugierig und ich rief den Polizeichef in Tunsboro an. Anfangs hatte ich Schwierigkeiten ihn zum Reden zu bringen, aber es gelang mir einige wenige Informationen aus ihm herauszulocken. Er erwähnte die Schnitte an den Armen der Frau – und auch, dass sie woanders zu Tode ausgeblutet war, bevor ihre Leiche am Pfad hinterlassen worden war. Dann forderte er mich im Grunde auf, mich aus seiner Untersuchung herauszuhalten.«

»Was wir auch tun wollten«, gab Jillian hinzu.

Harry lehnte sich über den Tisch zu Crivaro: »Jake, ich hatte ein seltsames Gefühl dabei. Es war alles genau wie beim Mordfall von Erin Gibney ein Jahr zuvor. Mir kamen die Rückblicke zu Situationen von damals, als ich versuchte den Polizisten in Gladwin beim Lösen des Falls zu helfen, aber dabei scheiterte.«

Harry murmelte mit gesenktem Blick: »Wir kamen damals nicht einmal annähernd an den Täter ran.«

Jillian seufzte unzufrieden und sagte zu Crivaro: »Harry plagen die Schuldgefühle zu dieser ganzen Sache. Er meint, hätte er den Fall damals in Colorado gelöst, dann wäre dieser neue Mord gar nicht erst passiert. Natürlich ist es Unfug. Jake, kannst du ihn zur Vernunft bringen? Sag ihm, dass er keinen Grund hat sich was vorzuwerfen.«

Crivaro starrte Harry teilnahmsvoll an.

Er sagte: »Jillian hat recht. Du darfst dich deswegen nicht fertig machen. Selbst wenn ein Zusammenhang zwischen den beiden Morden bestehen sollte–«

Harry unterbrach ihn: »Jake, es besteht ein Zusammenhang. Ich kann es in meinen Knochen spüren.«

Riley konnte große Skepsis in Crivaros Gesichtsausdruck erkennen.

»Harry, ich habe an viel mehr Mordfällen als du gearbeitet«, sagte Crivaro. »Ich weiß wie es sich anfühlt, sich verantwortlich für die Morde zu fühlen, weil man nicht in der Lage ist den Mörder zu fassen. Aber du darfst dich nicht von diesem Gefühl überwältigen lassen.«

Er streckte seine Hand aus und legte sie auf den Arm seines Freundes.

»Du hast niemanden ermordet, Harry. Du bist nicht dafür verantwortlich. Du trägst keine Schuld. Hörst du, was ich dir sage?«

Harry stoß einen langen, bitteren Seufzer aus. Dann sagte er zu Jake und Riley: »Nun ja, ich war lange genug Polizeibeamter, um dies zu wissen. Wir haben sie nie alle lösen können. Aber, ich war auch lange genug im Amt um zu erkennen, wann meine polizeilichen Instinkte mich wahrscheinlich auf die richtige Fährte führen würden. Dieser letzte Mordfall löste wirklich einen Alarm bei mir aus.«

Er legte sein zur Hälfte gegessenes Sandwich auf den Teller zurück und schob es von sich.

»Ich bin froh, dass ihr zwei kommen konntet, um die Sache zu überprüfen«, fuhr er fort. »Es lässt mich viel besser schlafen. Esst fertig und ich fahre euch nach Tunsboro.«

Jillian stieß ihn in den Arm und sagte fast flüsternd: »Warte einen Augenblick, Harry. Du fährst niemanden nirgends hin. Wir müssen erst zurück zum Campingplatz.«

Harry warf seiner Frau einen bittenden Blick zu.

»Ach, komm schon, Liebes«, flüsterte er ihr zu. »So sehr eilt es nicht. Und Tunsboro ist nur eine kurze Fahrt von hier entfernt.«

»Sie können auch einen Wagen mieten«, sagte Jillian. »Wir hatten eine Abmachung, erinnerst du dich.«

Harry schaute verlegen. Riley wunderte sich, was denn zwischen ihnen los war. Sie sah, dass sich Crivaro unsicher war, was er als Nächstes sagen sollte.

Endlich sah Jillian Jake mit ernsthaftem Blick an und sagte…

»Harry wird sich nicht in diese – diese – was auch immer es ist, einlassen. Er befindet sich im Ruhestand. Wir sind hier auf Urlaub. Ich will nicht, dass er sich wieder wegen diesem Erin Gibney Mordfall aufregt. Letztes Mal war er deswegen einen Monat lang ein unglückliches Wrack. Ich dachte, wir hatten die Sache endlich hinter uns gelassen.«

Harry nickte zögernd und sagte zu Riley und Crivaro leicht lächelnd: »Also, ihr habt gehört, was die Dame zu sagen hatte. Sie hält mich an einer straffen Leine. Ich wünschte, ich könnte mit euch mitkommen, aber so sieht es nun mal aus. Wir haben einen Reiseplan. Wir machen uns noch heute auf den Weg zum Coronado National Forest. Wir haben eine Reservierung beim Riggs Flat Campingplatz.«

»Und wir werden nicht absagen«, fügte Jillian scharfzüngig hinzu. »Komme, was da wolle.«

Harry drückte ihre Hand und sagte: »Natürlich nicht, Liebste. Aber wir haben genug Zeit dazu die beiden zur Polizeiwache in Tunsboro zu fahren. Dann können wir zurück zum Campingplatz fahren und uns dort abmelden. Dies ist das Mindeste, was wir für sie tun können, nachdem sie sich die Zeit genommen und die Mühe gemacht haben.«

Jillian starrte Harry streng an: »Gut – solange du mir versprechen kannst, dass du deine Meinung nicht unterwegs ändern wirst.«

Harry hob unbeholfen seine rechte Hand.

»Ich verspreche es«, sagte er und drückte ihr schnell einen Kuss an die Wange.

Jillian lächelte und machte einen beruhigten Eindruck. Sie drohte Crivaro mit dem Finger und sagte…

»Und wage es du ja nicht zu versuchen ihn umzustimmen!«

»Es fällt mir nicht ein«, sagte Crivaro kichernd.

Das Paar erschien jetzt viel entspannter. Harry griff sogar sein Sandwich wieder auf und unterhielt Riley und Crivaro durch leichtes Geplauder während sie weiter aßen. Hin und wieder gab Jillian ein paar Details hinzu oder korrigierte ihn.

Harry und Jillian waren vor kurzem zum ersten Mal Großeltern geworden und ihre jüngste Tochter hatte neulich ihre Hochzeit. Wie es für diese Jahreszeit üblich war, war das Wetter in Colorado zu kalt für ihren Geschmack. Und so machten sie sich, wie fast jeden Winter, mit ihrem Wohnmobil auf in den warmen Südwesten, wo sie von Campingplatz zu Campingplatz zogen.

 

Harry zeigte Riley und Crivaro stolz ein Bild ihrer Camping-Anlage – ein ziemlich großer Wohnwagen der von einem weißen Laster gezogen wurde. Harry nannte die Anlage »unser zweites Zuhause«.

Wie das Geplauder seinen Gang nahm, bemerkte Riley einen wehmütigen Ausdruck in Crivaros Gesicht.

Sie wunderte sich…

Beneidet sie Crivaro vielleicht?

Wieder fiel ihr auf, dass Crivaro und Harry ungefähr im selben Alter waren. Sie hatte sich keine Gedanken zu Crivaros Ruhestand gemacht. Ob er sich wohl darüber Gedanken machte?

Obwohl Riley vieles über ihren Mentor nicht wusste, war ihr dennoch bekannt, dass er geschieden war und einen entfremdeten Sohn hatte.

Crivaros Leben glich in Nichts dem Leben von Harry und Jillian, mit ihren engen Freunden und glücklicher Familie. Sollte er Enkel haben, würde er es zu Riley nie erwähnen. Er hatte ihr bereits gesagt, dass seine ehemalige Frau glücklich wiederverheiratet war, und das sein Sohn im Immobiliengewerbe tätig war und…

»Sie sind vollkommen normal, wie ganz gewöhnliche Leute.«

Mit einem selbstironischen Lachen fügte er hinzu…

»Vielleicht bin ich für normal einfach nicht geschaffen.«

Nicht zum ersten Mal fiel es Riley auf, dass Crivaro ein sehr einsamer Mensch sein musste.

Wenn sein Beruf das Einzige war, dass seinem Leben Sinn gab, wenn er das Gefühl hatte, dass ihm etwas im Leben entgangen sei, dann war es vollkommen normal, dass dieses glücklich verheiratete Paar melancholische Gefühle in ihm weckte.

War die Einsamkeit ein Grund dafür, dass er sie zu dieser Reise mitgebracht hatte?

Es gab Augenblick an denen Riley Crivaro mehr als ihren eigentlichen Vater empfand, als es der Fall mit dem verbitterten ehemaligen Marinesoldat, der alleine in den Bergen lebte, war. Zumindest lobte er sie manchmal für Dinge, die sie richtig machte, was mehr war, als ihr echter Vater je tat.

Sie wunderte sich…

Ob er mich wohl je als seine Tochter ansah?

Die Gruppe war fertig mit Essen und machte sich auf den Weg zum Parkplatz. Zu Rileys Erleichterung war das Wetter sehr angenehm. Warm, aber nicht zu warm oder zu feucht. Vielleicht würde die Kleidung, die sie mit hatte, doch ihren Zweck erfüllen können.

Sie hatte erwartet die komplette Camping-Anlage aus dem Foto anzutreffen, aber sie waren nur mit dem Laster unterwegs.

»Wo ist der Wohnanhänger?«, fragte Crivaro.

»Das ist ja gerade das Wunderbare an der Camping-Anlage«, erwiderte Jillian. »Wir können den Wohnanhänger einfach auf dem Campingplatz lassen während wir in unserem Laster umherfahren. Es mag zwar nicht allzu schick aussehen, aber praktisch ist es allemal.«

Crivaro und Harry kletterten in die Vordersitze und Riley und Jillian setzten sich auf den großen Rücksitz.

Als Harry den Flughafen verließ, fing er an sich wieder mit Crivaro zu unterhalten – welche Strecken sie fahren würden um in den Süden Colorados zu gelangen, wohin sie als Nächstes fahren wollten, welche Orte sie jeden Winter besuchten, sogar wo es gute Gaststätten entlang des Wegs zu finden gab. Riley erschien es, als stünde ihm ein unbegrenzter Vorrat an unbedeutenden Themen zum Plaudern zur Verfügung, aber Crivaro schien stillvergnügt zuzuhören, anscheinend überhaupt nicht gelangweilt.

Riley schaltete sich aus dem Gespräch aus. Sie war dankbar, dass Jillian, die neben ihr saß, keine Neigung dazu zeigte sich in ähnliches inhaltsloses Gerede zu vertiefen.

Aber dann wurde es Riley bewusst, dass sie zumindest etwas zu Jillian sagen sollte, wenn auch nur höflichkeitshalber.

Als Harry sich auf die Fernstraße begab und den Weg nach Norden einschlug, sagte Jillian: »Ich sehe, dass du verlobt bist.«

Riley überraschte diese Bemerkung, aber sie merkte schnell, dass Jillian auf ihren Verlobungsring schaute.

Sie lächelte und sagte: »Ja, das bin ich.«

Jillian fragte halb-lächelnd: »Habt ihr schon einen Hochzeitstermin festgelegt?«

Riley schluckte bei dieser Frage.

»Eigentlich, nein. Noch nicht«, antwortete sie.

In Wahrheit hatten sie und Ryan noch keine Idee, wann die Hochzeit stattfinden würde. Manchmal erschien es, als sei das Ganze wenig mehr als eine Fantasievorstellung.

»Also«, sagte Jillian: »Ich wünsche euch alles Glück dieser Welt.«

Jillian drehte dann ihren Kopf und schaute zum Fenster hinaus.

Riley erschienen diese Worte sehr bedeutsam.

»Ich wünsche euch alles Glück dieser Welt.«

Jillian und ihr Ehemann schienen ihr Glück gefunden zu haben. Aber Riley hatte das Gefühl als wäre ihr Glück hart errungen worden und auch, dass Harrys Arbeit als Polizeibeamter ihnen die Sache nicht leicht gemacht hatte.

Riley vertiefte sich in Überlegungen zu ihrer eigenen Zukunft.

Was wartet auf sie wohl alles noch?

Sie und Ryan funktionierten manchmal fabelhaft zusammen. Aber sie war besorgt darüber, dass auch für sie anhaltendes Glück vielleicht hart errungen werden musste.

Ob sie wohl einmal mit einer geliebten Person glücklich in den Ruhestand treten würde?

Oder würde sie alleine enden, so wie Agent Crivaro?

Riley blickte durch das Fenster auf ihrer Seite des Lasters. Eine ähnliche Landschaft wie die da draußen kannte sie bisher nur aus Bildern. Außer in den Gebieten wo Leute Gebäude errichtet hatten oder Pflanzen kultivierten, erschien ihr diese Landschaft völlig leblos.

Irgendwo, in einer ähnlichen Wüstenlandschaft, wurde eine junge Frau auf brutale Weise ihres Lebens beraubt. Ob dasselbe Monster schon früher gemordet hatte?

Wenn ja, dann würden Riley und Crivaro dem ein für alle Mal ein Ende setzen müssen.

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