Gejagt

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Gejagt
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Czyta Katja Kessler
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Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Bevor Riley etwas erwidern konnte, sagte Jilly, "Dein Freund will mit dir reden."

Riley hörte wieder Garrett Holbrooks Stimme.

"Sie sagt immer wieder, dass sie nicht zurückgeht. Aber ich habe eine Idee. Eine meiner Schwestern, Bonnie, denkt darüber nach zu adoptieren. Ich bin sicher, dass sie und ihr Mann Jilly liebend gerne bei sich haben würden. Das heißt, falls Jilly–"

Er wurde von Freudenjauchzern unterbrochen, als Jilly immer wieder "Ja, ja, ja!" rief.

Riley lächelte. Das war genau das, was sie gerade brauchte.

"Das klingt nach einem guten Plan, Garrett", sagte sie. "Lass mich wissen, wie es läuft. Vielen Dank für Ihre Hilfe."

"Jederzeit", erwiderte Garrett.

Sie beendeten den Anruf. Riley ging zurück ins Zimmer und sah, dass Ryan und April in eine scheinbar ungezwungene Unterhaltung vertieft waren. Die Dinge schienen plötzlich so viel besser zu sein. Trotz all ihrer Fehler, und denen von Ryan, hatte sie April ein besseres Leben geboten, als es viele andere Kinder hatten.

Da fühlte sie eine Hand auf ihrer Schulter und hörte eine vertraute Stimme.

"Riley."

Sie drehte sich um und sah in Bills freundliches Gesicht. Als sie zurück in den Flur trat, konnte sie nicht verhindern, dass ihr Blick zwischen ihrem Exmann und ihrem langjährigen Partner hin und her wanderte. Selbst in seiner Sorge sah Ryan wie der erfolgreiche Anwalt aus, der er war. Sein blondgelocktes gutes Aussehen und sein poliertes Auftreten öffneten ihm alle Türe. Bill, wie ihr wieder einmal auffiel, sah eher aus, wie sie selbst. Sein dunkles Haar zeigte graue Strähnen und er war massiver und deutlich zerknitterter als Ryan. Aber Bill war kompetent in seinem Fachgebiet und er war in ihrem Leben sehr viel verlässlicher gewesen.

"Wir geht es ihr?" fragte Bill.

"Besser. Was ist mit Joel Lambert?"

Bill schüttelte den Kopf.

"Der kleine Verbrecher ist eine Nummer für sich", sagte er. "Er redet aber. Er sagt, er kennt einige Kerle, die viel Geld mit jungen Mädchen gemacht haben und er dachte, er versucht es selber mal. Kein Anzeichen von Reue, ein Soziopath bis auf die Knochen. Wie auch immer, er wird zweifellos verurteilt und bekommt ein paar Jahre im Gefängnis. Auch wenn er vermutlich einen Deal mit der Staatsanwaltschaft macht."

Riley runzelte die Stirn. Sie hasste diese Deals. Und dieser war besonders verstörend.

"Ich weiß, wie du darüber denkst", sagte Bill. "Aber ich nehme an, dass er uns alles sagen wird, was er weiß und wir werden eine Menge Bastarde ausschalten können. Das ist eine gute Sache."

Riley nickte. Es half zu wissen, dass diese schreckliche Situation auch etwas Gutes haben würde. Aber es gab noch etwas, über das sie mit Bill reden musste. Auch wenn sie sich nicht sicher war, wie sie es sagen sollte.

"Bill, wegen meiner Rückkehr zur Arbeit …"

Bill klopfte ihr auf die Schulter.

"Du musst mir nichts sagen", winkte er ab. "Du kannst eine Weile keine Fälle übernehmen. Du brauchst Zeit. Keine Sorge, das verstehe ich. Und das wird auch jeder in Quantico. Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst."

Er sah auf seine Uhr.

"Es tut mir leid so schnell wieder zu gehen, aber–"

"Geh", sagte Riley. "Und danke für alles."

Sie umarmte Bill und er ging. Riley stand im Flur und dachte über die Zukunft nach.

"Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst", hatte Bill gesagt.

Das könnte nicht so einfach sein. Was April zugestoßen war, diente als eindringliche Erinnerung daran, wie viel Übel in der Welt war. Es war ihre Aufgabe so viel davon zu stoppen, wie sie konnte. Und wenn sie eines gelernt hatte, dann, dass das Böse niemals ausruhte.

KAPITEL ZWEI

Sieben Wochen später.

Als Riley das Büro der Therapeutin erreichte, fand sie Ryan alleine im Warteraum sitzen.

"Wo ist April?" fragte sie.

Ryan nickte zur geschlossenen Tür.

"Sie ist bei Dr. Sloat", sagte er und klang unsicher. "Sie hatten etwas, über das sie alleine reden müssen. Danach sollen wir dazukommen."

Riley seufzte und setzte sich in einen der Stühle. Sie, Ryan und April hatten in den letzten Wochen viele emotional ermüdende Stunden hier verbracht. Das würde ihre letzte Sitzung mit der Therapeutin sein, bevor sie alle eine Pause für die Weihnachtsferien machten.

Dr. Sloat hatte darauf bestanden, dass die ganze Familie sich an Aprils Genesung beteiligte. Es war für alle harte Arbeit gewesen. Aber zu Rileys Erleichterung hatte sich Ryan ohne Vorbehalte in den Prozess eingebracht. Er war zu allen Sitzungen gekommen, die er mit seinem Kalender vereinbaren konnte und er hatte sogar seine Arbeit zurückgestellt, um mehr Zeit zu haben. Heute hatte er April von der Schule aus hergebracht.

Riley betrachtete nachdenklich das Gesicht ihres Exmannes, der auf die Tür starrte. In vielerlei Hinsicht schien er ein veränderter Mann zu sein. Vor gar nicht allzu langer Zeit, war er in seiner Rolle als Vater so nachlässig gewesen, dass es an Pflichtvergessenheit grenzte. Er hatte immer darauf bestanden, dass Aprils Probleme Rileys Schuld waren.

Aber Aprils Drogenmissbrauch und ihre um Haaresbreite vereitelte Erfahrung der Zwangsprostitution, hatten etwas in Ryan verändert. Nach ihrem Aufenthalt in der Entziehungsklinik, war April nun schon seit sechs Wochen mit Riley zu Hause. Ryan war oft zu Besuch gewesen und hatte sogar mit ihnen Thanksgiving gefeiert. Manchmal wirkte es fast so, als wären sie eine normale Familie.

Aber Riley erinnerte sich immer wieder selbst daran, dass sie noch nie eine normale Familie gewesen waren.

Kann sich das jetzt ändern? fragte sie sich. Will ich, dass sich das ändert?

Riley war zwiegespalten und fühlte sich ein wenig schuldig. Sie hatte seit Langem versucht zu akzeptieren, dass Ryan kein Teil ihrer Zukunft sein würde. Vielleicht würde es sogar einen anderen Mann in ihrem Leben geben.

Zwischen ihr und Bill hatte es immer eine Anziehungskraft gegeben. Aber sie hatten auch gestritten und waren unterschiedlicher Meinung gewesen. Außerdem war ihre professionelle Beziehung anstrengend genug, ohne noch weitere Komplikationen in den Mix zu werfen.

Ihr freundlicher und attraktiver Nachbar Blaine schien eine weitaus bessere Wahl zu sein, vor allem da seine Tochter, Crystal, Aprils beste Freundin war.

Und dennoch, bei Gelegenheiten wie dieser, schien Ryan wieder der Mann zu sein, in den sie sich vor all den Jahren verliebt hatte. Wie würden die Dinge weitergehen? Sie wusste es nicht.

Die Tür öffnete sich und Dr. Lesley Sloat trat heraus.

"Sie können jetzt hereinkommen", sagte sie mit einem Lächeln.

Riley war die kleine, stämmige, fröhliche Therapeutin von Anfang an sympathisch gewesen und April mochte sie ebenfalls.

Riley und Ryan gingen in das Büro und setzten sich auf ein paar bequeme Polstersessel. Sie saßen April gegenüber, die mit Dr. Sloat auf einer Couch saß. April lächelte schwach. Dr. Sloat nickte ihr aufmunternd zu.

"Diese Woche ist etwas passiert", sagte April. "Es ist etwas, das ich gehört habe …"

Riley fiel es schwer zu atmen und ihr Herz schlug schneller.

"Es hat mit Gabriela zu tun", sagte April. "Vielleicht sollte sie auch heute hier sein, um darüber zu reden, aber das ist sie nicht, also …"

April brach ab.

Riley sah sie überrascht an. Gabriela war seit Jahren ihre Haushälterin und hatte einen beruhigenden Einfluss auf ihre Familie. Sie war bei Riley und April eingezogen und war eher eine Art Familienmitglied.

April holte tief Luft und sprach weiter, "Vor ein paar Tagen hat sie mir etwas gesagt, dass ich euch nicht erzählen soll. Aber ich denke, dass ihr es wissen solltet. Gabriela hat gesagt, dass sie gehen muss."

"Warum?" keuchte Riley erschrocken.

Ryan sah ebenfalls verwirrt aus. "Bezahlst du ihr nicht genug?" fragte er an Riley gewandt.

"Es ist meinetwegen", sagte April. "Sie hat gesagt, sie kann nicht so weitermachen. Sie hat gesagt, dass es eine zu große Verantwortung ist, mich davon abzuhalten mich zu verletzen oder getötet zu werden."

April hielt inne. Tränen sammelten sich in ihren Augen.

"Sie hat gesagt, dass es zu einfach für mich ist wegzulaufen, ohne dass sie es merkt. Sie kann nachts nicht schlafen und fragt sich, ob ich mich gerade selber in Gefahr bringe. Sie hat gesagt, dass sie jetzt, wo ich wieder gesund bin, sofort ausziehen wird."

Riley konnte nicht fassen, was sie da hörte. Sie hatte nicht die leiseste Ahnung gehabt, dass Gabriela so dachte.

"Ich habe sie angebettelt, nicht zu gehen", sagte April. "Ich habe geweint und sie auch. Aber ich konnte ihre Meinung nicht ändern und es hat mir solche Angst gemacht."

April versuchte ihre Schluchzer zu unterdrücken und wischte sich die Augen mit einem Taschentuch.

"Mom", sagte April, "Ich bin sogar auf die Knie gegangen. Ich habe versprochen ihr niemals wieder so ein Gefühl zu geben. Dann … dann hat sie mich endlich umarmt und gesagt, dass sie nicht geht, solange ich mein Versprechen halte. Und das werde ich. Das werde ich wirklich. Mom, Dad, ich werde dafür sorgen, dass Gabriela oder irgendjemandem sonst sich nie wieder Sorgen um mich machen muss."

Dr. Sloat tätschelte Aprils Hand und lächelte Riley und Ryan zu.

Sie sagte, "Was April sagen will ist, dass sie über den Berg ist."

Riley sah, wie Ryan ein Taschentuch nahm und sich die Augen tupfte. Sie hatte ihn selten weinen sehen. Aber sie verstand, wie er sich fühlte. Sie selbst hatte einen dicken Kloß im Hals. Es war Gabriela – nicht Riley oder Ryan – die April geholfen hatte, das Licht am Ende des Tunnels zu sehen.

 

Trotzdem war Riley unsagbar dankbar, dass ihre Familie gemeinsam Weihnachten verbringen würde. Sie ignorierte das schreckliche Gefühl tief in sich, dass ihr sagte, dass die Monster in ihrem Leben ihr die Feiertage nehmen würden.

KAPITEL DREI

Als Shane Hatcher am Weihnachtmorgen in die Gefängnisbücherei kam, zeigte die Uhr, dass es zwei Minuten vor der vollen Stunde war.

Perfektes Timing, dachte er.

In wenigen Minuten würde er ausbrechen.

Es amüsierte ihn, dass überall Weihnachtsdekorationen angebracht waren – alle aus Styropor natürlich, nichts Hartes, keine Ecken, nichts, was man als Seil verwenden könnte. Hatcher hatte viele Weihachten in Sing Sing verbracht und der Versuch hier ein Gefühl von Weihnachtsfeierlichkeit zu vermitteln, erschien ihm absurd. Er musste fast laut lachen, als er Freddy sah, den wortkargen Bibliothekar, der eine rote Nikolausmütze trug.

An seinem Schreibtisch sitzend drehte Freddy sich zu ihm und warf ihm ein verzerrtes Grinsen zu. Das Grinsen verriet Hatcher, dass alles nach Plan verlief. Hatcher nickte stumm und erwiderte das Lächeln. Dann ging Hatcher zwischen zwei Regale und wartete.

Als die Uhr die volle Stunde anzeigte, hörte Hatcher, wie sich die Ladetür am anderen Ende der Bücherei öffnete. Kurz darauf schob der Fahrer eine große Plastikwanne auf Rädern in den Raum. Die Tür schloss sich lautstark hinter ihm.

"Was hast du heute für mich, Bader?" fragte Freddy.

"Was denkst du, was ich habe?" erwiderte der Fahrer. "Bücher, Bücher, Bücher."

Der Fahrer warf Hatcher einen schnellen Blick zu und drehte sich dann weg. Der Fahrer war natürlich eingeweiht. Ab diesem Moment taten Freddy und der Fahrer so, als wäre er nicht da.

Ausgezeichnet, dachte Hatcher.

Zusammen entluden Freddy und Bader die Bücher auf einen Metalltisch.

"Wie wäre es mit einer Tasse Kaffee drüben in der Kantine?" sagte Freddy den Fahrer. "Oder vielleicht sogar einen heißen Eierpunsch? Den haben sie gerade für die Feiertage."

"Klingt gut."

Die beiden Männer unterhielten sich während sie durch die beiden Schwingtüren der Bücherei verschwanden.

Hatcher stand unbeweglich zwischen den Regalen und kontrollierte die Position der Plastikwanne. Er hatte einen Wärter bestochen, um die Überwachungskamera über die letzten Tage Stück für Stück zu bewegen, bis ein toter Winkel in der Bücherei entstand – einer, der dem Wärter, der die Monitore überwachte, bisher nicht aufgefallen war. Es sah so aus, als hätte der Fahrer die exakte Position gefunden.

Hatcher trat zwischen den Regalen hervor und stieg in die Plastikwanne. Der Fahrer hatte eine grobe Wolldecke auf den Boden der Wanne gelegt. Hatcher zog sie über sich.

Jetzt kam es zu der einzigen Phase in Hatchers Plan, in der möglicherweise etwas schief gehen könnte. Aber selbst wenn jemand in die Bücherei kam, bezweifelte er, dass dieser jemand in die Plastikwanne gucken würde. Andere, die normalerweise den Bücherwagen genau untersuchen würden, wenn er das Gelände verließ, waren ebenfalls bestochen worden.

Nicht, dass er sich Sorgen machte oder nervös war. Solche Emotionen fühlte er schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Ein Mann, der nichts zu verlieren hatte, konnte mit solchen Emotionen nichts anfangen. Das Einzige, was sein Interesse wecken konnte, war das Ungewisse.

Er lag unter der Decke und lauschte aufmerksam. Er hörte, wie die Minuten langsam dahin tickten.

Noch fünf Minuten, dachte er.

Das war der Plan. Diese fünf Minuten würden es Freddy ermöglichen, Wissen über den Plan abzustreiten. Er konnte wahrheitsgetreu sagen, dass er nicht gesehen hatte, wie Hatcher in die Wanne stieg. Er konnte sagen, dass er geglaubt habe, Hatcher hätte die Bücherei bereits davor verlassen. Nach den fünf Minuten würden Freddy und der Fahrer zurückkommen und Hatcher würde aus der Bücherei gerollt und aus dem Gefängnis gefahren werden.

Hatcher erlaubte seinen Gedanken auf Wanderschaft zu gehen. Er fragte sich, was er mit seiner Freiheit anfangen würde. Er hatte kürzlich Informationen erhalten, die das Risiko lohnenswert, sogar interessant machten.

Hatcher lächelte, als er an eine andere Person dachte, die zweifellos Interesse an seinem Ausbruch haben würde. Er wünschte, er könnte das Gesicht von Riley Paige sehen, wenn sie herausfand, dass er ausgebrochen war.

Er lachte leise.

Es würde interessant sein, sie wiederzusehen.

KAPITEL VIER

Riley sah zu, wie April das Weihnachtsgeschenk auspackte, das Ryan für sie gekauft hatte. Sie fragte sich, wie gut Ryan den Geschmack seiner Tochter kannte.

April lächelte, als sie ein Armband herausnahm.

"Es ist wunderschön!" sagte sie und gab ihm einen Kuss auf die Wange.

"Ich habe gehört, dass die gerade recht beliebt sind", sagte Ryan lächelnd.

"Das sind sie!" erwiderte April. "Danke!"

Dann zwinkerte sie Riley kaum merkbar zu. Riley musste ein Lachen unterdrücken. Erst vor ein paar Tagen hatte April Riley erzählt, wie sehr sie diese albernen Armbändchen verabscheute, die jetzt alle Mädchen trugen. Trotzdem hatte April es geschafft, überzeugend enthusiastisch zu klingen.

Natürlich war es nicht vollkommen geheuchelt. Sie konnte sehen, dass April sich über die Mühe freute, die ihr Vater sich gegeben hatte, um ihr ein Weihnachtsgeschenk zu kaufen.

Riley hatte bei dem Anblick der teuren Handtasche, die Ryan ihr geschenkt hatte, das gleiche gefühlt. Es war nicht ihr Stil und vermutlich würde sie sie nicht nutzen – es sei denn, sie wusste, dass Ryan kommt. Und soweit sie wusste, fühlte Ryan ähnlich über das Portemonnaie, das Riley und April ihm ausgesucht hatten.

Wir versuchen wieder eine Familie zu sein, dachte Riley.

Und für den Moment, schienen sie erfolgreich zu sein.

Es war der Weihnachtmorgen und Ryan war gerade zu Besuch gekommen, um Zeit mit ihnen zu verbringen. Riley, April, Ryan, und Gabriela saßen neben dem knisternden Kamin und tranken heiße Schokolade. Der köstliche Geruch von Gabrielas Weihnachtsessen lag in der Luft.

Riley, April, und Ryan trugen die Schals, die Gabriela für sie gestrickt hatte und Gabrielas Füße steckten in den kuscheligen Hausschuhen, die April und Riley für sie gekauft hatten.

Es klingelte an der Tür und Riley ging, um sie aufzumachen. Ihr Nachbar, Blaine, und seine Tochter, Crystal, standen davor.

Riley war gleichzeitig erfreut und beunruhigt. In der Vergangenheit hatte Ryan eifersüchtig auf Blaine reagiert – und nicht ohne Grund, wie Riley zugeben musste. Wenn sie ehrlich war, dann fand sie ihn äußerst attraktiv.

Riley verglich ihn in Gedanken mit Bill und Ryan. Blaine war einige Jahre jünger als sie, schlank und fit, und sie mochte es, dass er nicht eitel genug war, um seine Geheimratsecken zu verstecken.

"Kommt rein!" sagte Riley.

"Tut mir leid, ich kann nicht", erwiderte Blaine. "Ich muss zum Restaurant. Aber ich habe Crystal vorbeigebracht."

Blaine gehörte ein beliebtes Restaurant in der Altstadt. Riley hätte es nicht wundern sollen, dass es auch an Weihnachten geöffnet war. Das heutige Weihnachtsessen bei Blaine's Grill war vermutlich köstlich.

Crystal eilte ins Wohnzimmer und gesellte sich zu der Gruppe am Kamin. Kichernd rissen sie und April gleich das Papier von den Geschenken, die sie sich gegenseitig überreicht hatten.

Riley und Blaine tauschten ebenfalls diskret Weihnachtskarten aus, bevor Blaine sich auf den Weg machte. Als Riley sich wieder vor dem Kamin einfand, sah Ryan leicht angesäuert aus. Riley steckte die Karte weg, ohne sie zu lesen. Sie würde warten, bis Ryan wieder nach Hause fuhr.

Mein Leben ist wahrlich kompliziert, dachte sie. Aber es fing an, sich wie ein beinahe normales Leben anzufühlen; eine Version ihres Lebens, die sie genießen konnte.

*

Rileys Schritte hallten durch den großen dunklen Raum. Plötzlich hörte sie das Knacken des Lichtschalters. Das Licht ging an und blendete sie für einen Augenblick.

Riley fand sich in einem Korridor wieder, der zu einem Wachsmuseum zu gehören schien, das nur grausige Ausstellungsstücke zeigte. Zu ihrer Rechten war die nackte Leiche einer Frau wie eine Puppe vor einen Baum drapiert. Zu ihrer Linken hing eine tote Frau, in Ketten gewickelt, von einem Laternenpfahl. Das nächste Ausstellungsstück zeigte mehrere Frauenleichen mit ihren Armen hinter den Rücken gebunden. Dahinter waren ausgehungerte Körper, deren Arme auf groteske Weise abstanden.

Riley erkannte jede Szene wieder. Es waren alles Fälle, die sie in der Vergangenheit bearbeitet hatte. Sie stand in ihrer ganz persönlichen Kammer des Schreckens.

Aber was tat sie hier?

Plötzlich hörte sie eine junge Stimme voller Angst nach ihr rufen.

"Riley, hilf mir!"

Sie sah zu dem Ursprung der Stimme, der Silhouette eines jungen Mädchens, das die Arme verzweifelt nach ihr ausstreckte.

Es sah aus wie Jilly. Sie war wieder in Schwierigkeiten.

Riley lief ihr entgegen. Aber dann ging ein weiteres Licht an und zeigte ihr, dass die Silhouette nicht Jilly war.

Es war ein kauziger alter Mann, der die volle Uniform eines Marine Obersts trug.

Es war Rileys Vater. Und er lachte über Rileys Fehler.

"Du hast doch nicht erwartet, hier jemanden noch lebend zu finden, oder?" sagte er. "Du nutzt keinem was, es sei denn, sie sind tot. Wie oft muss ich dir das noch sagen?"

Riley war verwirrt. Ihr Vater war vor Monaten gestorben. Sie hatte ihn nicht vermisst. Sie hatte sich eher die größte Mühe gegeben, nicht an ihn zu denken. Er war immer ein harter Mann gewesen und hatte ihr nichts als Schmerz bereitet.

"Was machst du hier?" fragte Riley.

"Nur auf der Durchreise." kicherte er. "Wollte nur sehen, wie du jetzt wieder dein Leben versaust. Alles wie immer, wie ich sehe."

Riley wollte sich auf ihn stürzen. Sie wollte ihn so hart schlagen, wie sie nur konnte. Aber sie konnte sich nicht von der Stelle bewegen.

Dann hörte sie ein lautes Summen.

"Wünschte wir könnten uns unterhalten", sagte er. "Aber du hast was anderes zu tun."

Das Summen wurde lauter und lauter. Ihr Vater drehte sich um und ging davon.

"Du warst nie für irgendjemanden gut", sagte er. "Nicht einmal für dich selbst."

Riley riss die Augen auf. Ihr wurde klar, dass das Summen ihr Telefon war. Die Uhr zeigte sechs Uhr morgens.

Der Anruf kam von Quantico. Um diese Zeit konnte das nichts Gutes bedeuten.

Sie nahm ab und hörte die ernste Stimme ihres Teamchefs, Spezialagent Brent Meredith.

"Agentin Paige, ich brauche Sie sofort in meinem Büro", sagte er. "Das ist ein Befehl."

Riley rieb sich die Augen.

"Worum geht es?" fragte sie.

Am anderen Ende entstand eine kurze Pause.

"Das müssen wir persönlich besprechen", sagte er.

Dann legte er auf. Für einen Moment fragte Riley sich, ob sie für ihr Verhalten abgemahnt werden würde. Aber nein, sie war seit Monaten beurlaubt. Ein Anruf von Meredith konnte nur eines bedeuten.

Ein neuer Fall, dachte Riley.

Er würde sie während der Feiertage aus keinem anderen Grund anrufen.

Und dem Ton in Merediths Stimme nach zu urteilen, war es etwas Großes – möglicherweise Lebensveränderndes.