Gefangen

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Schließlich erinnerte sich Riley auch daran, was mit Andrew Farrells vorherigen Ehefrau geschehen war.

Sie hatte Selbstmord begangen.

Als Riley Morgan ihre FBI Visitenkarte gegeben hatte, hatte sie sich Sorgen gemacht, dass die Frau ein ähnliches Schicksal erleiden könne – oder dass sie unter mysteriösen Umständen umkommen würde. Das letzte, was sie sich vorstellen konnte war, dass Morgan ihren Ehemann ermorden würde – oder auch sonst irgendjemanden.

Riley begann ein ihr gut bekanntes Kribbeln zu verspüren – die Art des Kribbelns, das sie immer hatte, wenn ihre Instinkte ihr sagten, dass alles nicht so war, wie es schien.

Normalerweise war dieses Kribbeln ein Signal für sie, dass sie die Sache gründlicher untersuchen sollte.

Nun jedoch?

Nein, es geht mich wirklich nichts an, sagte sie sich.

Oder tat es das doch?

Während sie die Gedanken in ihrem Kopf umherdrehte, klingelte erneut ihr Handy. Diesmal sah sie, dass der Anruf von Bill war. Sie hatte ihm eher eine SMS geschickt, dass alles gut war und dass sie an diesem Abend bereits zuhause sein würde.

„Hi, Riley“, sagte er, als sie abnahm. „Ich wollte nur sehen, wie’s läuft. Ist also alles gut verlaufen in Phoenix?“

„Danke für den Anruf, Bill“, antwortete sie. „Ja, die Adoption ist nun endgültig abgeschlossen.“

„Ich hoffe, dass alles durchweg langweilig gewesen ist?“, fragte Bill nach.

Riley musste nur lachen.

„Nicht wirklich“, entgegnete sie. „Eigentlich, ganz und gar nicht. Es gab, ähm, Gewalttätigkeit. Und einen Hund.“

Sie hörte wie Bill ebenfalls ein bisschen lachte.

„Gewalttätigkeit und ein Hund? Ich bin gespannt! Erzähl!“

„Das mach ich, sobald wir uns sehen“, sagte Riley. “Es ist eine bessere Story, so von Angesicht zu Angesicht.“

„Ich freu‘ mich schon drauf. Ich nehme an, dass ich dich dann morgen in Quantico sehe.“

Riley schwieg einen Moment lang, da sie sich auf der Schwelle einer merkwürdigen Entscheidung verspürte.

Sie sagte zu Bill: „Ich glaube nicht. Ich denke, ich werde mir vielleicht ein paar Tage frei nehmen.“

„Tja, du hast es dir redlich verdient. Herzlichen Glückwunsch, noch einmal.“

Sie beendeten den Anruf und Riley ging hinauf in ihr Schlafzimmer. Sie schaltete ihren Laptop ein.

Dann buchte sie einen Flug nach Atlanta für den nächsten Morgen.

Kapitel acht

Am nächsten Vormittag saß Riley bereits im Büro des Atlanta Polizei Chiefs, Elmo Stiles. Der große, barsche Mann erschien nicht sonderlich erfreut über das, was Riley ihm erzählt hatte.

Schließlich grummelte er: „Lassen Sie mich ganz ehrlich mit Ihnen sein, Agentin Paige. Sie sind den ganzen Weg hierher aus Quantico gekommen, um privat mit Morgan Farrell zu sprechen, die in Haft wegen dem Mord an ihrem Ehemann ist. Wir haben aber nicht um die Hilfe des FBI gebeten. Der Fall ist nun so gut wie geschlossen. Wir haben ein Geständnis und so weiter. Morgan ist schuldig, und das ist alles. Was ist hier also ihr Anliegen?“

Riley versuchte selbstbewusst zu wirken.

„Ich habe Ihnen bereits erklärt“, führte sie aus, „ich muss über eine komplett andere Sache mit ihr sprechen – einen ganz anderen Fall.“

Stiles runzelte skeptisch die Stirn: „Einen ganz anderen Fall, zu dem Sie mir überhaupt nichts sagen können.“

„Genau“, erwiderte Riley.

Es war natürlich eine Lüge. Zum eintausendsten Mal, seit sie an diesem Morgen DC verlassen hatte, fragte sie sich, was zur Hölle sie hier eigentlich machte. Sie war es gewohnt die Interpretation der Regeln in ihrem eigenen Interesse auszuweiten, doch hier überschritt sie eindeutig die Grenze indem sie vorgab in offiziellem Auftrag des FBI zu kommen.

Wieso um alles in der Welt hatte sie jemals gedacht, dass das eine gute Idee sei?

„Was, wenn ich nein sage?“, fragte Stiles.

Riley wusste genau, dass das die Wahl des Chiefs war, und dass, sollte er sich tatsächlich weigern, sie das zu akzeptieren hatte. Doch das wollte sie nicht sagen. Sie musste sich ernsthaft darauf vorbereiten hier zu bluffen.

Sie sagte: „Chief Stiles, glauben Sie mir, ich wäre nicht hier, wenn es nicht überaus wichtig und dringend wäre. Ich bin einfach nicht befugt Ihnen zu erklären, um was es sich handelt.“

Chief Stiles trommelte einen Moment lang mit den Fingern auf dem Tisch.

Dann sagte er: „Ihr Ruf eilt Ihnen voraus, Agentin Paige.“

Riley zuckte innerlich zusammen.

Das könnte sowohl etwas Gutes wie auch etwas Schlechtes sein, dachte sie.

Sie war wohlbekannt und sehr respektiert in der Justizvollstreckung für ihre scharfen Instinkte, ihre Fähigkeit, die Gedenken eines Mörders zu lesen und ihr Geschick, scheinbar unlösbare Fälle zu lösen.

Sie war jedoch auch bekannt dafür manchmal eine Nervensäge zu sein und eigenwillig zu handeln, sodass die lokalen Behörden, die mit ihr zu tun haben mussten, oft keinen Gefallen an ihr fanden.

Sie wusste nicht, auf welche dieser zwei Charakteristiken Chief Stiles sich gerade berief.

Sie wünschte, dass sie seine Mimik besser deuten könnte, doch er hatte eins dieser Gesichter die wahrscheinlich nie besonders zufrieden aussahen, egal um was es sich handelte.

Was Riley in diesem Moment am meisten fürchtete war, dass Stiles das logischste Vorgehen wählte – den Hörer abnahm und in Quantico anrief, um sich ihre Worte, dass sie in offiziellem Auftrag des FBI hier war, bestätigen zu lassen. Sollte er das tun, so würde sie dort niemand decken. Tatsächlich würde sie dann eine ganze Menge Probleme haben.

Naja, es wäre nicht das erste Mal, dachte sie.

Endlich hörte Chief Stiles auf mit seinen Fingern auf den Tisch zu hämmern und erhob sich aus seinem Bürosessel.

Er grummelte: „Naja, ich will alles andere als dem FBI im Weg stehen. Kommen Sie, ich bringe Sie zu Morgan Farrells Zelle.“

Riley unterdrückte einen erleichterten Seufzer als sie sich erhob und Stiles aus seinem Büro folgte. Als er sie durch die geschäftige Polizeistation führte, fragte Riley sich, ob Jared Ruhl, der Polizist, der sie gestern angerufen hatte, einer der hier Anwesenden war. Aber könnte er wissen, wer sie war?

Riley hoffte, dass das nicht der Fall war, sowohl in seinem, als auch in Ihrem eigenen Interesse.

Sie erinnerte sich, wie sie ihm am Telefon zum Fall von Morgan Farrell gesagt hatte…

„Ehrlichgesagt, es ist nicht meine Sache.“

Das war genau die richtige Antwort ihrerseits gewesen und es war besser für Ruhl, wenn er im Glauben blieb, dass Riley sich an ihre eigene Begründung gehalten hatte. Es würde große Probleme für ihn bedeuten, wenn Chief Stiles herausfinden würde, dass er Anfragen außerhalb seines eigenen Polizeireviers gestellt hatte.

Als Stiels sie in den Frauenteil des Gefängnisses führte wurde Riley fast betäubt von dem Lärm, der dort herrschte. Gefangene rüttelten an den Stangen und stritten sich lauthals untereinander. Nun begannen sie Riley anzubrüllen, als sie an ihren Zellen vorbeilief.

Endlich kamen sie an der Zelle, in die Morgan Farrell platziert wurde an und Stiles befahl einem Aufseher, diese aufzuschließen, sodass Riley zu ihr hineinkonnte. Die Frau saß auf dem Bett und starrte auf den Boden. Sie schien gar nicht bemerkt zu haben, dass jemand hereingekommen war.

Riley war geschockt darüber, wie sie die Frau vorfand. Sie konnte sich erinnern, dass Morgan bei ihrer letzten Begegnung extrem dünn und zerbrechlich gewirkt hatte. Nun wirkte sie noch ausgemergelter in ihrer orangenen Gefängnisuniform, die viel zu groß für sie ausfiel.

Sie wirkte auch zutiefst erschöpft. Das letzte Mal, das Riley sie gesehen hatte, war sie in vollem Makeup gewesen und angezogen, wie das Modell, dass sie einst gewesen war, bevor sie Andrew Farrell geheiratet hatte. Ohne Makeup sah sie überraschend heimatlos und verloren aus. Riley dachte sich, dass jemand, der sie nicht kannte, sie leicht für eine Obdachlose hätte halten können.

In einem sehr höflichen Ton sagte Chief Stiles zu Morgan: „Ma’am, sie haben Besuch. Es ist Spezialagentin Riley Paige vom FBI.“

Morgan schaute zu Riley auf und starrte sie an, so als wäre sie sich nicht sicher, ob sie nicht träumte. Chief Stiles wandte sich dann zu Riley und sagte: „Kommen Sie nochmal vorbei, wenn Sie hier fertig sind.“

Stiles verließ die Zelle und wies den Aufseher an, die Tür hinter sich zu schließen. Riley schaute sich um, um zu sehen, welche Art von Überwachung die Zelle hatte. Sie war nicht überrascht, eine Kamera zu entdecken. Sie hoffte, dass es nicht außerdem noch Audioaufnahmegeräte gab. Das letzte was sie jetzt wollte war für Stiles oder sonst jemanden ihr Gespräch mit Morgan Farrell mit anhören zu können. Doch nun, wo sie schon hier war, musste sie das Risiko eingehen.

Als Rileys sich neben sie auf das Bett niederließ, schaute sie Morgan weiterhin nahezu ungläubig an.

Mit einer müden Stimme sagte sie: „Agentin Paige. Ich hatte Sie nicht erwartet. Es ist sehr freundlich von Ihnen mich hier zu besuchen, aber es wäre wirklich nicht nötig gewesen.“

Riley sagte: „Ich wollte nur…“

Ihre Stimme verstummte, als sie sich selbst fragen musste…

Was will ich denn genau?

Hatte sie wirklich eine klare Vorstellung von dem, was sie hier eigentlich vorhatte?

Endlich sagte Riley: „Könnten Sie mir erzählen, was geschehen ist?“

Morgan seufzte tief.

„Es gibt nicht viel zu erzählen, oder? Ich habe meinen Ehemann ermordet. Es tut mir leid, dass ich das getan habe, glauben Sie mir. Aber nun, wo es vollbracht ist…naja, ich würde jetzt wirklich gerne nach Hause gehen.“

Riley war geschockt von ihren Worten. Begriff die Frau nicht, in was für einer schrecklichen Situation sie sich befand?

Wusste sie nicht, dass Georgia ein Staat mit Todesstrafe war?

Morgan schien Probleme damit zu haben, ihren Kopf hochzuhalten. Sie zuckte zusammen, als eine Frau in einer der Nachbarzellen schrill aufschrie.

 

Sie sagte: „Ich dachte, dass ich ein wenig Schlaf hier im Gefängnis bekommen würde. Aber hören Sie sich diesen Lärm an! Es geht immer weiter so, vierundzwanzig Stunden am Tag.“

Riley schaute in das erschöpfte Gesicht der Frau.

Sie fragte: „Sie haben nicht viel Schlaf bekommen, oder? Vielleicht schon seit langer Zeit?“

Morgan schüttelte den Kopf.

„Schon seit zwei oder drei Wochen – sogar bevor ich hierherkam. Andrew ist in eine seiner sadistischen Launen geraten und beschloss, mich nicht in Ruhe zu lassen oder mich schlafen zu lassen, Tag und Nacht. Es ist einfach für ihn…“

Sie hielt inne, offensichtlich hatte sie ihren Fehler bemerkt, und sagte dann: „Es war einfach für ihn. Er hatte einen komischen Stoffwechsel, so einen den einige leistungsstarke Männer haben. Er konnte mit bloß drei oder vier Stunden Schlaf am Tag auskommen. Und in letzter Zeit war ich viel zuhause. Also stellte er mir überall im Haus nach, ließ mir keine Privatsphäre, kam zu jeder Stunde in mein Schlafzimmer und zwang mich…zu allen möglichen Sachen…“

Riley überkam eine leichte Übelkeit bei dem Gedanken daran, was diese ungesagten „Sachen“ sein konnten. Sie war sich sicher, dass Andrew Morgan sexuell gepeinigt hatte.

Morgan zuckte mit den Schultern.

„Ich nehme an, dass mir endlich der Kragen geplatzt ist“, sagte sie. „Und ich habe ihn umgebracht. Von dem, was man mir erzählt hat, habe ich gute zwölf oder dreizehn Mal auf ihn eingestochen.“

„Von dem, was man Ihnen erzählt hat?“, fragte Riley nach. „Können Sie sich nicht daran erinnern?“

Morgan stöhnte leise und verzweifelt.

„Müssen wir vertiefen, an was ich mich erinnern kann und an was nicht? Ich habe getrunken und Pillen genommen bevor es passierte und es ist alles wie in einem Nebel. Die Polizei hat mich verhört bis ich nicht mehr wusste, wo oben und wo unten ist, und wie mir geschah. Wenn Sie sich für die Einzelheiten interessieren, ich bin mir sicher, dass sie Sie mein Geständnis lesen lassen.“

Riley fühlte ein komisches Kribbeln bei diesen Worten. Sie war sich noch nicht sicher, wieso.

„Ich wünschte wirklich sehr, dass Sie es mir erzählen könnten“, sagte Riley.

Morgan runzelte die Stirn und dachte einen Moment lang nach.

Dann sagte sie: „Ich glaube, dass ich beschlossen hatte… dass ich etwas tun musste. Ich hatte gewartet, bis er in dieser Nacht auf sein Zimmer geht. Selbst dann war ich nicht sicher gewesen, dass er bereits schlief. Ich klopfte leicht an seiner Tür und er antwortete nicht. Ich öffnete die Tür und schaute hinein, und dort war er, tief schlafend.“

Sie schien nun angestrengter zu überlegen.

„Ich nehme an, dass ich mich umgesehen hatte nach etwas, womit ich es hätte tun können – ihn umbringen, meine ich. Ich nehme an, dass ich nichts Passendes vorfand. Also, nehme ich an, bin ich hinunter in die Küche und habe ein Messer genommen. Dann bin ich wieder hinaufgestiegen und – naja, ich nehme an, dass ich es mit dem Stechen ein bisschen übertrieben habe, denn ich hatte danach überall Blut hingemacht und auch mich selbst befleckt.“

Riley bemerkte, wie oft sie diese Worte wiederholte…

„Ich nehme an.“

Dann ließ Morgan einen genervten Seufzer aus.

„Was für eine Schweinerei das war! Ich hoffe sehr, dass die Bediensteten es mittlerweile wieder alles aufgeräumt haben. Ich habe es selbst versucht, aber natürlich bin ich in solchen Sachen selbst unter den besten Umständen absolut unfähig.“

Dann holte Morgan langsam und tief Luft.

„Und dann habe ich Sie angerufen. Und Sie haben sie Polizei gerufen. Danke, dass Sie das alles für mich veranlasst haben.“

Dann lächelte sie Riley merkwürdig an und fügte hinzu: „Und vielen Dank noch einmal, dass Sie mich besuchen. Es ist wirklich sehr lieb von Ihnen. Ich verstehe jedoch immer noch nicht, worum es sich handelt.“

Riley war zunehmend besorgt über Morgans Beschreibung ihrer eigenen Handlungen.

Irgendwas stimmt hier nicht, dachte sie.

Riley hielt einen Moment lang inne und überlegte, dann fragte sie…

„Morgan, was für ein Messer haben sie verwendet?“

Morgan runzelte ihre Stirn.

„Irgendein Messer, nehme ich an“, sagte sie. “Ich weiß nicht besonders viel über Küchenutensilien. Ich glaube, dass die Polizei gesagt hatte, dass es ein Tranchiermesser war. Es war lang und scharf.“

Riley war immer verunsicherter dadurch, wie viele Dinge Morgan nicht wusste oder unsicher war.

Was Riley selbst anging, so kochte sie mittlerweile nicht mehr sehr oft für ihre Familie, dennoch wusste sie genau, was sich in ihrer Küche befand, und wo es aufzufinden war. Alles war an seinem genauen Platz, besonders seit Gabriela die Leitung der Küche übernommen hatte. Ihr eigenes Tranchiermesser wurde zusammen mit anderen scharfen Messern in einem hölzernen Messerblock aufbewahrt.

Riley fragte: „Wo genau haben Sie das Messer hergenommen?“

Morgan lachte angespannt.

„Habe ich das nicht gerade gesagt? Aus der Küche.“

„Nein, ich meine, von welchem Ort in der Küche?“

Morgans Augen trübten sich.

„Wieso fragen Sie mich all das?“, sagte sie in einer leisen, flehenden Stimme.

„Können Sie es mir nicht sagen?“, hakte Riley mit sanftem Nachdruck nach.

Morgan sah nun zunehmend verstört aus.

„Wieso stellen Sie mir all diese Fragen? Wie ich Ihnen bereits sagte, es ist alles in meinem Geständnis. Sie können es sich durchlesen, wenn Sie es noch nicht getan haben. Wirklich, Agentin Paige, das ist nicht nett von Ihnen. Und ich würde gerne wissen, was Sie hier tun. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass es nicht bloße Freundlichkeit ist.“

Morgans Stimme bebte mit einer stillen Wut. „Ich musste bereits allerlei Fragen beantworten – mehr, als ich zählen kann. Ich verdiene nicht, noch mehr davon beantworten zu müssen, und ich kann nicht sagen, dass es mir gefallen hat.“

Sie erhob sich und sprach: „Ich habe getan, was getan werden musste. Mimi, seine Frau vor mir, sie hat Selbstmord begangen, wissen Sie? Es war überall in den Nachrichten. Und auch sein Sohn. All seine restlichen Frauen, ich weiß nicht einmal, wie viele es gewesen sind, haben einfach ausgeharrt und gelitten, bis sie ein paar Fältchen bekommen haben und er beschloss, dass sie nicht mehr gut genug waren um sie vorzeigen zu können. Also wurde er sie los. Welche Frau duldet sowas? Welche Frau denkt, dass sie das verdient?“

Dann fügte sie mit einem tiefen Knurren hinzu…

„Ich bin nicht so eine Frau. Und ich denke, dass Andrew das nun weiß.“

Dann wurde ihr Gesichtsausdruck wieder von Verwirrung getrübt.

„Das alles gefällt mir nicht“, flüsterte sie. „Ich denke, dass Sie jetzt besser gehen.“

„Morgan —“

„Ich sagte, dass ich möchte, dass Sie jetzt gehen.“

„Wer ist Ihr Anwalt? Hat Sie ein Psychiater begutachtet?“

Morgan schrie nun beinahe: “Ich meine es Ernst. Gehen Sie!“

Riley wünschte, dass sie noch viele weitere Fragen stellen könnte, aber sie sah, dass es keinen Sinn hatte. Sie rief nach einem Aufseher, der sie aus der Zelle ließ. Dann fand sie zurück zu Chief Stiles‘ Büro und schaute durch die offene Tür hinein.

Stiles schaute von seinem Schreibtisch mit einer verdächtigenden Miene auf.

„Haben Sie alles herausgefunden, was Sie wissen wollten?“, fragte er Riley.

Einen Moment lang wusste Riley nicht, was sie sagen sollte.

Sie war versucht zu antworten…

„Nein, und ich werde wiederkommen müssen um noch einmal mit ihr zu reden.“

Doch das könnte Stiles‘ Skeptizismus an den Rand treiben und er würde dann womöglich doch in Quantico anrufen.

Stattdessen antwortete sie…

„Danke für Ihre Mitarbeit, Sir. Ich werde selbst hinausfinden.“

Als sie sich den Weg aus der Polizeistation bahnte, dachte sie an die merkwürdige Unterhaltung, die sie eben mit Morgan über das Messer gehabt hatte und wie defensiv die Frau geworden war…

„Wieso stellen Sie mir all diese Fragen?“

Riley war sich in einem sicher. Morgan hatte nicht die geringste Ahnung, wo das Messer in der Küche aufbewahrt wurde. Und wenn sie danach hätte suchen müssen, dann hätte sie Riley genau sagen können, wo sie es gefunden hatte.

Sie erinnerte sich außerdem daran, was Morgan ihr damals am Telefon gesagt hatte…

„Das Messer ist gleich hier neben ihm.“

In dem Moment hatte Morgan sicherlich nicht gewusst, wo das Messer hergekommen war.

Sie ist unschuldig, begriff Riley, als sie in ihren Mietwagen stieg.

Ihr Bauchgefühl ließ keine Zweifel, auch wenn Morgan selbst es nicht glaubte.

Und niemand anders würde ihre Schuld anzweifeln. Sie waren alle froh, sich der Sache entledigt zu haben.

Es lag an Riley die Dinge gerade zu rücken.

Kapitel neun

Als sie einen Schluck Kaffee nahm, fragte Riley sich…

Was tue ich nun?

In ihrem Kopf drängten sich zu viele Fragen, und sie war in ein Fast Food Restaurant gefahren und hatte einen Burger und Kaffee bestellt. Sie hatte ein ruhiges Plätzchen, etwas entfernt von den anderen Kunden gefunden, um über ihre nächsten Schritte nachdenken zu können.

Riley war es gewohnt die Regeln zu brechen und unter komischen Umständen zu arbeiten. Aber diese Situation war selbst für sie neu. Das hier war Neuland.

Sie wünschte, dass sie Bill anrufen könnte, der seit vielen Jahren schon ihr Arbeitspartner war. Oder dass sie die Sache mit Jenn Roston besprechen könnte, der jungen Agentin, mit der sie an den letzten Fällen auch zusammengearbeitet hatte. Aber das würde bedeuten sie in eine Sache hineinzuziehen, an der selbst sie eigentlich nicht arbeiten durfte.

Konnte Sie hier vor Ort mit irgendjemandem sprechen?

Chief Stiles kann ich natürlich nichts fragen, dachte sich Riley.

Natürlich gab es einige andere Leute, an die sie sich in unkonventionellen Situationen ab und zu wandte. Einer war Mike Nevins, ein Gerichtspsychologe aus DC, der als unabhängiger Berater an einigen FBI Fällen mitarbeitete. Riley hatte Mike in vielen Fällen um Hilfe gebeten, inklusive einiger solcher, die sie nicht gerade streng nach Vorschrift geführt hatte. Er hatte ihr und auch Bill außerdem schon durch Episoden von posttraumatischer Belastungsstörung geholfen. Mike war immer diskret gewesen und er war ein guter Freund.

Sie öffnete ihren Laptop, steckte ihre Kopfhörer ins Ohr und öffnete das Videochat Programm, durch das sie Mikes Büro anrief. Dieser tauchte sofort auf ihrem Bildschirm auf – ein adretter, penibel-erscheinender Mann in teuren Hemd und Weste.

„Riley Paige!“, rief Mike in einem geschmeidigen und beruhigenden Bariton aus. „Wie schön dich zu sehen. Es ist schon eine Weile her. Wie kann ich dir behilflich sein?“

Riley freute sich, sein Gesicht zu sehen. Doch plötzlich fragte sie sich…

Wie kann er mir helfen?

Was sollte sie ihm erzählen?

„Mike, was kannst du mir über falsche Geständnisse erzählen?“, fragte sie.

Mike neigte neugierig den Kopf.

„Ähm – könntest du vielleicht ein bisschen genauer sein?“, fragte er.

„Ich meine nicht diejenigen, die nach einem Mord einfach aufkreuzen und die Tat gestehen, wegen der öffentlichen Anerkennung und so. Ich meine solche, die wirklich glauben, dass sie es getan haben.“

„Hast du einen spannenden neuen Fall?“

Riley hielt inne und Mike kicherte.

„Oh, weh“, sagte er. „Du machst wieder alles auf eigene Faust, nicht wahr?“

Riley lachte nervös.

„Ich fürchte schon, Mike“, erwiderte sie.

„Brichst du dieses Mal tatsächlich das Gesetz?“

Riley überlegte einen Moment lang. Sie war ein wenig überrascht, als sie feststellte, dass sie noch keine Gesetzte gebrochen hatte – bisher jedenfalls noch nicht.

Sie sagte: „Nein, nicht wirklich.“

Mike lächelte ein beruhigendes Lächeln.

„Na dann sehe ich keinen Grund, wieso du mir nicht alles genau erzählen solltest. Falls du erneut die Regeln des FBI biegst, naja, dass ist weder was Ganzes, noch was Halbes, soweit ich weiß. Ich bin nicht Dein Chef, wie du weißt. Ich kann dich nicht entlassen. Und ich habe keinen besonderen Wunsch dich zu verraten.“

Zutiefst erleichtert dies zu hören erzählte ihm Riley die ganze Geschichte, angefangen mit ihrer ersten Begegnung mit Morgan Farrell im vergangenen Februar. Sie erzählte, dass sie damals ein starkes Gefühl gehabt hatte, dass die Frau von ihrem Mann missbraucht wurde. Schließlich erzählte sie Mike von ihrer Reise nach Atlanta und von dem Gespräch, dass sie eben mit Morgan geführt hatte.

Nachdem er ihr aufmerksam zugehört hatte, fragte Mike: „Und du bist dir sicher, dass Morgan in Wirklichkeit unschuldig ist?“

 

„Ich habe ein sehr starkes Bauchgefühl“, antwortete Riley.

„Naja, du hast eines der verlässlichsten Bauchgefühlte in unseren Kreisen. Ich neige dazu dir zu vertrauen. Und doch… ich kann nicht sagen, dass ich jemals von genau so einer Situation gehört habe. Sie ist ziemlich untypisch. Ein falsches Geständnis kommt meistens anders zustande.“

„Wie?“, wollte Riley wissen.

Mike dachte einen Moment lang nach.

Dann sagte er: „Erstens, Morgan Farrell schien kaum erwarten zu können ihr Geständnis abzugeben, schon als sie dich anrief und bevor die Polizei überhaupt dort war. Verdächtige machen meistens falsche Geständnisse nachdem sie unter erheblichen Druck und Nötigung gestellt werden.“

Riley begriff, was Mike damit sagen wollte.

Morgan hatte von sich aus, ohne Druck und Nötigung ihr Geständnis abgegeben.

Mike fuhr fort: „Zum Beispiel, das durchschnittliche Polizeiverhör geht dreißig bis sechzig Minuten. Um ein falsches Geständnis zu provozieren müssen Cops meistens stundenlang auf einen Verdächtigen einwirken – manchmal bis zu vierzehn Stunden lang. Sie müssen den Willen des Verdächtigen brechen. Die Verdächtigen gestehen dann nur um es hinter sich zu bringen, im Glauben, dass sie es später revidieren können. Diese Umstände passen aber nicht wirklich zu Deinem Fall…jedoch…“

Mike hielt einen Augenblick inne und sagte dann: „Du hast erwähnt, dass Morgan sich beschwert hatte, dass sie nicht hatte schlafen dürfen.“

„Genau„, sagte Riley. „Ihr Ehemann hatte sie gequält, indem er sie wachhielt. Sie sagte, dass das zwei oder drei Wochen so ging.“

Mike kratzte das Kinn und sagte: „Du weißt wahrscheinlich bereits, dass Schlafentzug eine gebräuchliche Foltermethode ist – oder wie man heute so schön sagt ‚erweiterte Verhörmethode‘. Das kann zu schrecklicher Verwirrung, sogar zu Halluzinationen führen. Die Betroffenen wissen oft gar nicht mehr, was real und was eingebildet ist. Sie sagen was auch immer man von ihnen erwartet und glauben es am Ende auch noch selbst. Sie können manchmal sogar merkwürdige Wahnvorstellungen haben, dass sie freikommen, wenn sie nur endlich ein Geständnis machen.“

Riley dachte sofort an etwas, das Morgan vorhin gesagt hatte…

„Ich würde jetzt wirklich gerne nach Hause gehen.“

So komisch es ihr in dem Moment auch vorgekommen war, diese Bemerkung machte nun absolut Sinn.

Riley sagte: „Was du sagst ist, dass Morgan Praktiken ausgesetzt war, die oft dafür benutzt werden falsche Geständnisse zu erzwingen, obwohl das in ihrem Fall gar nicht intendiert gewesen war.“

Mike nickte und sagte: „Genau. Die Medikamente und der Alkohol, den sie konsumierte, haben sicherlich zu ihrer Verwirrung noch beigetragen. Du sagtest, sie hat dich aufgefordert ihr Geständnis zu lesen, wenn du wissen wolltest, was genau passiert war. Für dieses Geständnis hat sie wahrscheinlich viel Anleitung von den Cops bekommen, die selbst womöglich gar nicht wussten, was sie da taten. Sie hatten ihr einfach einen plausiblen Ablauf der Geschehnisse präsentiert. Zum Zeitpunkt, zu dem sie das Dokument unterschrieb glaubten alle, dass es die Wahrheit war, einschließlich sie selbst.“

Riley erinnerte sich, wie Morgan gesagt hatte…

„Die Polizei hat mich befragt, bis ich nicht mehr wusste wo unten und wo oben ist.“

In ihrem Kopf ratterte es.

„Mike, was soll ich nun damit machen?“, fragte sie. „Sogar Morgan glaubt, dass sie schuldig ist. Und alle anderen erst recht. Außerdem sollte ich gar nicht hier sein und mich in das alles einmischen.“

Mike zuckte mit den Schultern.

„Wenn ich du wäre, würde ich damit anfangen, dass ich mit ihrem Anwalt spreche. Wenn er gut ist, wird es ihm egal sein, dass du nicht gerade nach den Regeln spielst. Alles was ihm wichtig sein wird, ist das Beste für seine Klientin zu tun.“

Riley dankte Mike für seine Hilfe und beendete den Videoanruf.

Sie erinnerte sich, dass Morgan sich geweigert hatte zu sagen, wer ihr Anwalt war. Es würde jedoch sicherlich nicht schwer sein, das herauszufinden.

Sie ging online und schaute durch die Nachrichten zu Andrew Farrells Mord. Der Fall hatte eine vorhersehbare öffentliche Sensation ausgelöst und es gab einen Haufen Spekulationen dazu, wieso Morgan verrückt geworden war und ihren Ehemann umgebracht hatte. Bisher hatte Morgans Anwalt sich jedoch nicht irgendwie über seine Klientin vor der Presse geäußert.

Doch sein Name wurde auch mitberichtet: Chet Morris, ein Partner bei der Anwaltskanzlei Gurney, Dunn und Morris. Riley holte ihr Handy heraus und rief die Kanzlei an. Als eine Sekretärin antwortete, bat Riley darum, mit Chet Morris sprechen zu können.

„Darf ich fragen, worum es geht?“, fragte die Sekretärin.

Einen Augenblick lang war Riley unsicher, was sie sagen sollte. Schließlich war sie nicht im offiziellen Auftrag der FBI hier.

Doch dann erinnerte sie sich daran, was Mike über Morgans Anwalt gesagt hatte…

„Wenn er gut ist, wird es ihm egal sein, dass du nicht gerade nach den Regeln spielst.“

Sie sagte: „Ich bin Agentin Riley Paige vom FBI. Ich habe einige wichtige Informationen für ihn über seine Klientin, Morgan Farrell.“

Die Sekretärin bat Riley einen Moment zu warten. Schon einige Augenblicke später hörte sie eine Männerstimme.

„Hier ist Chet Morris. Wie kann ich Ihnen helfen?“

Riley stellte sich erneut vor.

Morris sagte trocken: „Oh ja. Der Name ist mit bekannt. Hatte meine Klientin Sie nicht direkt nach dem Begehen des Mordes an ihrem Ehemann angerufen? Ich glaube, Sie waren doch die Person die zuerst die Polizei benachrichtigt hatte.“

Riley sagte: „Ich habe sehr guten Grund anzunehmen, dass Ihre Klientin des Mordes nicht schuldig ist.“

Ein Schweigen fiel. Für einen Augenblick glaubte Riley, dass der Anruf unterbrochen worden war.

Endlich sagte Morris: „Ich verstehe wirklich nicht, was das alles soll, Agentin Paige. Ich bin mir sicher, dass Sie wissen, dass meine Klientin gestanden hat. Nur wegen ihrer Kooperation bei den Ermittlungen kann ich mir sicher sein, dass ich sie von der Todesstrafe bewahren kann.“

Riley war verwundert.

Versteht er nicht, was ich sage?

Sie beschloss direkter zu sein.

Sie sagte: „Ich habe Morgan im vergangenen Februar kennengelernt, bei den Farrells Zuhause, als ihr Ehemann noch am Leben war. Ich hatte damals den Verdacht, dass ihr Mann sie missbrauchte und hatte ihr deshalb meine Hilfe angeboten, falls sie diese haben wollte. Wie Sie wissen, rief sie mich direkt nach dem Tod ihres Mannes an. Dann habe ich letzte Nacht einen Anruf von einem Atlanta Cop bekommen. Ich würde nur ungern seinen Namen nennen, aber er war Teil des Teams, dass in dieser Nacht am Tatort im Einsatz war. Er sagte mir, dass er nicht glaubte, dass Morgan ihren Mann umgebracht hatte.“

„Und sie haben ihm geglaubt?“, fragte Morris.

„Ich wusste nicht, was ich glauben sollte. Ich bin nach Atlanta gekommen – ich bin jetzt hier. Ich habe soeben Morgan im Gefängnis besucht und mit ihr gesprochen.“

Morris grunzte bestürzt.

Er sagte: „Agentin Paige, mir wäre es lieber gewesen, Sie hätten das nicht getan, ohne es vorher mit mir abzusprechen. Um ehrlich zu sein, ich hätte es gar nicht erst erlaubt, wenn ich es gewusst hätte.“

Riley durchfuhr ein weiterer Impuls der Verwunderung.

Sie sagte: „Mr. Morris, ich bin mir nicht sicher, dass Sie verstehen, was ich sage. Ich bin mir nahezu sicher, dass sie unschuldig ist.“

„Hat sie Ihnen das gesagt?“, fragte Morris.

“Nein, aber —“

„Wiese glauben Sie das dann?“

Riley war nun wahrhaftig perplex. Dieser Anruf lief überhaupt nicht so, wie sie erwartet hatte.

Sie sagte: „Ich habe soeben mit einem bewanderten Gerichtspsychologen gesprochen. Er hat mir all die Gründe erklärt, aus denen sie ein falsches Geständnis hätte abgeben können. Hören Sie, wenn ich einfach nur bei Ihnen vorbeikommen könnte, dann könnten wir darüber sprechen, wie – “

Morris unterbrach sie: „Das glaube ich kaum, Agentin Paige. Und ich begrüße es wirklich nicht, dass sie meine Klientin belästigen und sie nur noch weiter verwirren. Sie ist bereits traumatisiert genug von dem, was sie getan hat. Ich würde Ihnen dankbar sein, wenn Sie sich in die Angelegenheit nicht weiter einmischen würden. Wenn Sie es dennoch tun, habe ich keine andere Wahl, als sie zu melden und womöglich sogar anzuzeigen.“

Bevor Riley ein weiteres Wort herausbringen konnte, hatte Morris aufgelegt.

Riley saß da und starrte entgeistert auf ihr Handy.

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