Eine Spur von Hoffnung

Tekst
Z serii: Keri Locke Mystery #5
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Dem Beamten im Häuschen stand der Horror ins Gesicht geschrieben, als er zwischen dem vornüber gebeugten Mann, der in seine Richtung wankte, und dem reifenquietschenden Wagen, der auf ihn zuraste, hin und her blickte. Fast hatte sie ein schlechtes Gewissen, was sie aber nicht davon abhielt, durch den Ausgang zu brettern, durch die hölzerne Schranke, deren Splitter in hohem Bogen durch die Nacht flogen.

*

Sie verbrachte die Nacht bei Ray. Zum einen erschien es ihr nicht sicher, zu sich nach Hause zu gehen. Sie konnte nicht wissen, wer sie verfolgte. Wenn sie soweit gingen, dass sie sie in einem durch Kameras überwachten Parkhaus gegenüber des Gefängnisses angriffen, schien ihr ihr Apartment kein sicherer Ort zu sein. Außerdem, so wie sie sich fühlte, war sie heute Abend nicht in der Lage, noch weitere Angreifer abzuwehren.

Ray hatte ihr ein Bad eingelassen. Sie hatte ihn auf dem Weg angerufen und somit war er informiert über die grundlegende Situation, und Gott sei Dank bombardierte er sie nicht mit Fragen, während sie versuchte, sich zu sammeln.

Als sie im Wasser lag und die Wärme in ihre Knochen zog, saß er in einem Stuhl neben der Wanne und versuchte immer mal wieder, sie dazu zu bewegen, einige Löffel Suppe zu essen.

Schließlich, als sie sich abgetrocknet hatte und in einen seiner Pyjamas geschlüpft war, fühlte sie sich gut genug, um eine Nachuntersuchung vorzunehmen. Sie saßen auf dem Sofa im Wohnzimmer, beleuchtet nur von einem halben Duzend Kerzen. Keiner kommentierte die Tatsache, dass ihrer beider Waffen auf dem Couchtisch vor ihnen lagen.

„Es ist einfach eine so dreiste Aktion“, sagte Ray, bezugnehmend auf den Angriff im Parkhaus, „und irgendwie eine verzweifelte.“

„Da stimme ich dir zu“, sagte Keri. „Davon ausgehend, dass das Caves Leute waren, denke ich, dass er sich wirklich Sorgen gemacht hat, dass Anderson in dem Vernehmungsraum ausgepackt hat. Was ich allerdings nicht verstehe, ist, wenn er bereit war, so weit zu gehen, warum hat er nicht angeordnet, dass mir diese Typen in den Rücken schießen und das war’s dann. Was hatte es auf sich mit dem Taser und dem Knüppel?“

„Vielleicht wollte er herausfinden, was du weißt und sehen, wer noch Bescheid weiß, bevor er dich loswird. Oder es ging gar nicht von Cave aus. Du sagtest, Anderson habe von einem Maulwurf in der Abteilung gesprochen, richtig? Vielleicht gibt es noch jemanden, der nicht wollte, dass Informationen nach außen dringen.“

„Das ist möglich, nehme ich an“, gab Keri zu, „obwohl er so leise sprach, als er diesen Teil erzählte, dass ich ihn kaum verstanden habe. Schwer vorstellbar, dass selbst in einem verwanzten Raum jemand etwas aufschnappen konnte. Um ehrlich zu sein habe ich noch Schwierigkeiten, diese Info zu verarbeiten.“

„Ja, ich auch“, stimmte Ray zu. „Also, wie geht es jetzt weiter, Keri? Ich war noch weitere zwei Stunden mit Mags in dem Konferenzraum, aber wir haben nichts wirklich Neues gefunden. Ich bin nicht sicher, wie wir als nächstes vorgehen sollen.“

„Ich glaube, ich werde Andersons Ratschlag befolgen“, antwortete sie.

„Was, du meinst, Cave aufzusuchen?“, fragte er ungläubig. „Morgen ist Samstag. Willst Du einfach bei ihm zu Hause auftauchen?“

„Ich wüsste nicht, dass ich eine andere Wahl hätte.“

„Wie kommst du darauf, dass das etwas bringt?“, fragte er.

„Vielleicht bringt es nichts. Aber Anderson hat recht. Wenn sich nicht bald etwas tut, habe ich keine Optionen mehr, Ray. Evie wird in fünfundzwanzig Stunden per Liveschaltung ermordet! Wenn mit Cave zu sprechen – ihn um das Leben meiner Tochter anzuflehen – auch nur die geringste Chance hat zu funktionieren, dann werde ich es versuchen.“

Ray nickte, nahm ihre Hand in seine und schlang seinen riesigen Arm um ihre Schultern. Er war sanft, aber trotzdem zuckte sie vor Schmerz zusammen.

„Tut mir leid“, sagte er leise. „Natürlich – wir tun alles nur Menschenmögliche. Aber ich komme mit dir mit.“

„Ray, ich habe nicht viel Hoffnung, dass es funktionieren wird. Aber er wird definitiv nichts sagen, wenn du neben mir stehst. Ich muss das alleine machen.“

„Aber vielleicht hat er heute Abend versucht, dich umbringen zu lassen.“

„Wahrscheinlich nur verstümmeln“, sagte sie mit schwachem Lächeln, um die Gemüter abzukühlen. „Außerdem wird er das nicht tun, wenn ich vor seinem Haus auftauche. Er wird nicht mit mir rechnen. Und es wäre zu riskant. Was für ein Alibi hätte er, wenn mir etwas bei ihm zuhause passieren würde? Er mag Wahnvorstellungen haben, aber dumm ist er nicht.“

„In Ordnung“, gab Ray nach. „Ich komme nicht mit zu seinem Haus. Aber du kannst darauf wetten, dass ich dicht bei dir bleibe.“

„Du bist so ein toller Freund“, sagte Keri und kuschelte sich eng an ihn, trotz der Schmerzen, die dies verursachte. „Ich wette, du hast einen Streifenwagen, der die Nachbarschaft kontrolliert, damit deine kleine Süße heute Nacht sicher schläft.“

„Wie wäre es mit zweien?“, sagte er. „Ich lasse nicht zu, dass dir etwas passiert.“

„Mein Ritter in schimmernder Rüstung“, sagte Keri und konnte ein Gähnen nicht unterdrücken. „Ich erinnere mich noch an die Zeit, als ich Professorin für Kriminologie an der LMU war und du kamst, um mit meinen Studenten zu sprechen.“

„Das waren leichtere Zeiten“, sagte Ray verhalten.

„Und ich erinnere mich auch an die dunklen Tage, als Evie entführt wurde, als ich Scotch statt Wasser getrunken habe, als Stephen sich von mir hat scheiden lassen, weil ich mit allem im Bett war, was sich bewegte, und die Uni mich rausgeschmissen hat, weil ich was mit einem meiner Studenten hatte.“

„Wir müssen uns nicht jede Erinnerung antun, Keri.“

„Was ich meine, ist, wer hat mich aus dem Loch des Selbsthasses heraus geholt, hat mich abgestaubt und mich dazu bewogen, mich an der Polizeiakademie zu bewerben?“

„Das war ich“, flüsterte er sanft.

„Richtig“, stimmte Keri murmelnd zu. „Siehst du? Mein Ritter in schimmernder Rüstung.“

Sie lehnte ihren Kopf gegen seine Brust und entspannte sich, fiel in den Rhythmus seines Atems ein, als er langsam ein- und ausatmete. Als ihr die Augenlider schwer wurden und sie langsam in den Schlaf abdriftete, zog ein letzter greifbarer Gedanken durch ihren Kopf: Ray hatte nicht zwei Streifenwagen zur Kontrolle der Nachbarschaft angefordert. Sie hatte aus dem Fenster geblickt und mindestens vier Einheiten gezählt. Und das waren nur die, die sie sehen konnte.

Sie hoffte, dass es genügend waren.

KAPITEL NEUN

Fest umklammerte Keri das Steuer und versuchte, sich nicht von den scharfen Kurven der Gebirgsstraße noch nervöser machen zu lassen, als sie sowieso schon war. Es war 7:45 Uhr, noch knapp sechszehn Stunden, bis ihre Tochter vor den Augen Duzender wohlhabender Pädophiler rituell geopfert werden sollte.

An einem kalten, aber klaren und sonnigen Samstag im Januar fuhr sie durch die sich windenden Hügel von Malibu zum Haus von Jackson Cave. Sie hoffte, ihn überreden zu können, ihr ihre Tochter heil wiederzugeben. Wenn dies nicht klappte, wäre heute der letzte Tag in Evie Lockes Leben.

Keri und Ray waren früh erwacht, kurz nach sechs Uhr morgens. Sie war nicht sehr hungrig gewesen, aber Ray hatte darauf bestanden, dass sie zu ihren zwei Tassen Kaffee auch etwas Rührei und Toast aß.. Um sieben hatten sie das Apartment schon verlassen.

Kurz sprach Ray draußen mit einem der Beamten im Streifenwagen, der angab, dass keine der Einheiten während der Nacht verdächtige Aktivitäten bemerkt hatte. Er dankte ihnen und schickte sie weg. Dann stiegen er und Keri in ihre Wagen und fuhren getrennt nach Malibu.

Um diese Zeit an einem Samstag morgen waren die sonst so verstopften Straßen von Los Angeles richtiggehend leer. Nach knapp dreißig Kilometern waren sie auf dem Pacific Coast Highway und bekamen den letzten Rest des Sonnenaufgangs über den Santa Monica Mountains mit.

Bis Keri mit weißen Knöcheln die Tuna Canyon Road in die Malibu Hills erklommen hatte, war die Pracht des Morgens der grimmigen Realität dessen gewichen, was sie zu tun hatte. Ihr GPS zeigte an, dass sie sich in der Nähe von Caves Haus befand und sie hielt am Straßenrand an. Ray, der direkt hinter ihr war, hielt neben ihr.

„Ich glaube, dort hinter der nächsten Kurve ist es“, sagte sie durch die unter gelassene Scheibe. „Warum fährst du nicht vor und positionierst dich schon einmal etwas weiter die Straße hinunter. Es würde zu ihm passen, dass er überall Überwachungskameras hat, deshalb sollten wir nicht gemeinsam dort hinauf fahren.“

„Okay“, stimmte Ray zu. „Der Mobilfunkempfang lässt hier oben zu wünschen übrig, deshalb werde ich dir einfach den Hügel hinunter folgen, sobald du dort fertig bist, und wir können eine Nachbesprechung in dem Diner abhalten, an dem wir bei der Ausfahrt vom Pacific Coast Highway vorbei gekommen sind. Wie wär’s?“

„Hört sich gut an. Wünsch mir Glück, Partner.“

„Viel Glück, Keri“, sagte er ernst. „Ich hoffe wirklich, dass es klappt.“

Da ihr keine geistreiche Antwort einfiel, nickte sie nur. Ray schenkte ihr ein kleines Lächeln und fuhr weiter. Keri wartete noch eine Minute, trat dann sachte aufs Gaspedal und fuhr in die letzte Kurve, die noch vor Caves Haus lag.

 

Als sie das Haus erblickte, war sie überrascht, wie bescheiden es im Vergleich mit den anderen Häusern in der Gegend aussah, zumindest von der Straße aus. Das Haus sah aus wie ein Bungalow, fast wie eine ausschweifendere Version dessen, was man in Südsee-Resorts vorzufinden vermochte.

Allerdings wusste sie, dass dies nicht Caves Hauptwohnsitz in Los Angeles war. Er hatte eine Villa in den Hollywood Hills, die viel günstiger in Reichweite zu seinen Geschäftsräumen in einem Hochhaus in der City lag. Aber es war allgemein bekannt, dass er seine Wochenenden gern an seinem „Rückzugsort“ in Malibu verbrachte, und sie hatte überprüft, dass er heute Morgen hier war.

Sie fuhr einen kurzen Kiesweg entlang, der von der Straße abzweigte und sprang aus dem Wagen. Langsam näherte sie sich dem Sicherheitstor, wobei sie die beeindruckenden Sicherheitsmaßnahmen begutachtete, die Cave zur Wahrung seiner Privatsphäre ergriffen hatte.

Das Haus mochte nicht imposant sein, dafür aber seine Sicherheitsvorkehrungen. Das Tor selbst war gusseisern und locker fünf Meter hoch, mit runden Spitzen, die nach außen zur Straße hin zeigten.

Eine sechs Meter hohe, mit Efeu bewachsene Steinmauer umgab das Grundstück soweit das Auge reichte, getoppt von einem fast einen Meter hohen elektrischen Zaun. Sie zählte mindestens fünf Kameras, die an den Mauern und an hohen Ästen mehrerer Bäume, die direkt an der Grundstücksgrenze standen, angebracht waren.

Keri drückte auf den „Ruf“-Knopf an der Tastatur neben dem Tor, und wartete.

„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte eine weibliche Stimme mittleren Alters.

„Ja, hier ist Keri Locke, ich bin hier, um Jackson Cave zu sprechen.“

„Erwartet Mr. Cave Sie, Ms. Locke?“, fragte die Stimme.

„Das bezweifle ich“, sagte Keri. „Aber ich denke, dass er mich trotzdem empfangen wird.“

„Einen Moment bitte.“

Noch weitere dreißig Sekunden stand Keri am Tor, starrte auf den entfernten Ozean, hörte den Wind durch die Blätter rauschen. Sie hatte noch kein einziges Auto vorbeikommen sehen, seit sie dort war.

„Bitte treten Sie ein“, sagte die Stimme schließlich, als das schwere Tor sich langsam öffnete.

Keri parkte ihren Wagen direkt hinter dem Tor und schritt auf die Haustür des Bungalows zu. Als sie sich näherte, sah sie, dass ihr anfänglicher Eindruck falsch gewesen war.

Was wie ein unaufdringliches, einstöckiges Häuschen mit Ausblick über die Klippen gewirkt hatte, entpuppte sich als verzweigtes Haus, das in die Klippen hinein gebaut war. Von dort, wo sie stand, sah sie mindestens drei Etagen und einen Indoor-Outdoor-Pool, aber es war möglich, das dahinter noch mehr lag.

Die Haustür öffnete sich und Jackson Cave trat heraus, um sie zu begrüßen. Anscheinend beendete er gerade ein Telefonat und steckte sich das Handy wieder in seine Hosentasche. Es war noch nicht ganz acht Uhr morgens am Samstag und trotzdem sah er makellos aus. Sein dichtes, schwarzes Haar, auf dem lässig eine Sonnenbrille saß, war bereits glatt nach hinten gekämmt, als eifere es Gordon Gekko in Wall Street nach.

Er trug enge, blaue Jeans, einen schwarzen Pullover, dessen Ärmel bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt waren, und schwarze Schuhe ohne Schnürsenkel. Mit verstörend weißen Zähnen lächelte er sie an, was sein braungebranntes Gesicht noch unnatürlicher wirken ließ. Vielleicht hatte er für andere ein echteres Lächeln auf Lager. Jedoch bezweifelt sie das irgendwie.

„Detective Locke“, sagte er, seine Arme weit in einer Willkommensgeste ausgebreitet, „hätte ich gewusst, dass Sie vorbeischauen, hätte ich Frühstück vorbereitet.“

Wie üblich klang seine Stimme schleimig, aber sie machte etwas in seinen stechenden blauen Augen aus, das sie dort selten sah – Unsicherheit. Sie hatte ihn überrumpelt.

Sie war versucht, eine bissige Antwort zu geben. Das war ihre normale Reaktion. Sie war genauso gut darin, ihm unter die Haut zu gehen wie er es war, sie in Wut zu versetzen. Aber das war heute nicht das Ziel. Sie musste, wenn schon nicht an sein Mitleid, so doch wenigstens an sein Eigeninteresse appellieren.

Sie musste ihn davon überzeugen, dass sie ihn in Frieden lassen würde, wenn er ihr Evie zurückgab. Sie musste ihn davon überzeugen, dass sie nicht sein Feind war; dass sie nicht, wie Anderson sich ausgedrückt hatte, die ‚Böse‘ war.

„Danke, Mr. Cave“, sagte sie, wobei sie versuchte, nett, aber nicht zu glatt zu klingen. „Das ist sehr freundlich. Aber ich habe schon gegessen – und zwei Kaffee heruntergestürzt.“

„Ah, dann kommen Sie mal herein“, sagte er, sichtbar überrascht von ihrer unschuldigen Antwort. Ganz klar hatte er etwas Bissigeres erwartet. „Sie können mir erzählen, was Sie so früh am Wochenende so weit nach Westen verschlägt.“

Er hielt ihr die Tür auf und sie trat in ein Wohnzimmer, das so warm und einladend wirkte, wie er es selbst nicht war. Das Design in polynesischem Stil mit Bambusverkleidung war charmant, genau wie die Korbmöbel und der offene Kamin. Der ganze Raum war verglast und bot in alle Richtungen Ausblicke auf das Meer und die Berge.

„Dieses Haus ist toll“, konnte sie sich nicht zurückhalten zu murmeln.

„Danke. Ich habe es zusammen mit einem Kunden, einem Hotelmagnaten aus Fidschi, entworfen. Er baut dort Anlagen in diesem Stil. Für ihn ist dies eine Hütte.“

„Wenn ich Sie wäre, würde ich dauerhaft hier leben“, sagte Keri und meinte es auch so.

„Allerdings hätte ich dann ziemlich weit zu fahren“, sagte er und war nicht imstande, den Sarkasmus aus seiner Stimme zu halten.

Keri widerstand der Versuchung ihm vorzuschlagen, sich einfach einen Hubschrauberlandeplatz bauen zu lassen. Das wäre kontraproduktiv und es war möglich, dass er schon einen hatte. Stattdessen begutachtete sie die Teile des Hauses, die sie einsehen konnte. Die Küche war riesig, mit einer Insel in der Mitte, die größer war als die ganze Küche ihres Apartments. In der Ecke war ein Teil des Esszimmers sichtbar, mit einem Tisch, der aussah, als sei er aus Marmor.

Sie sah einen Flur, der in den Schlafzimmerflügel führen musste und meinte, Stimmen aus dieser Richtung zu vernehmen. Eine Frau lateinamerikanischer Herkunft in ihren Vierzigern, die Haare in einem Dutt zurückgebunden, öffnete eine Schiebetür und kam von einem kleinen Deck herein.

„Kann ich Ihnen etwas zu trinken bringen?“, fragte sie, und Keri erkannte ihre Stimme von der Gegensprechanlage am Tor.

„Nein danke. Ich möchte nichts.“

Sie lächelte und drehte sich dann zu Cave um.

„Mr. Cave, ich wollte zurückgehen um sicherzustellen, dass es Ihrem anderen Gast an nichts fehlt.“

„Machen Sie nur, Gracie“, sagte er, als sie den Flur hinunter schritt. Er drehte sich zu Keri um. „Bitte setzen Sie sich. Gestern Abend hatte ich einen Kunden zum Essen hier. Es ist spät geworden, deshalb habe ich ihm das Gästezimmer überlassen. Ich glaube, er wacht gerade auf.“

„Ah, ich meinte doch, dort hinten etwas gehört zu haben“, sagte sie, als sie sich in einen der Korbstühle niederließ.

„Vielleicht hat er im Schlaf geredet. Oder sein Magen hat geknurrt“.

Er lachte gackernd bei diesem letzten Kommentar. Keri konnte dem Humor nicht folgen. Er schien zu bemerken, dass er sich daneben benommen hatte und wurde gleich darauf wieder ganz er selbst.

„Also, Detective Locke“, sagte er reserviert, als er sich ihr gegenüber setzte. „Ich muss schon sagen, dies ist unsere am wenigsten kämpferische Unterhaltung der letzten Zeit. Wollen Sie der Spannung nicht ein Ende bereiten und mir sagen, warum wir beide umeinander herum tänzeln?“

Keri atmete tief ein.

Das ist es jetzt. Der Moment, in dem sich entscheidet, ob ich schwimme oder untergehe. Sieh zu, dass es hinhaut, Keri.

„Okay, Mr. Cave. Ich werde Ihnen sagen, warum ich hier bin. Aber wenn ich das tue, möchte ich Sie bitten, offen zu bleiben und die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass ich die Wahrheit sage, dass meine Absichten ehrlich sind und dass ich nichts im Schilde führe.“

„Wollen Sie damit andeuten, Detective Locke, dass Sie nicht immer ehrlich gewesen sind, wenn wir miteinander zu tun hatten?“ fragte er fast kokett und beugte sich dabei vor. Offensichtlich nahm er ihr nicht ab, dass sie mit ehrlichen Absichten kam.

„Genau das meine ich damit. Ich sage Ihnen, dass ich nicht immer ehrlich zu Ihnen war, genauso wie Sie nicht immer ehrlich zu mir waren. Wir spielen dieses Spiel nun schon eine ganze Zeitlang, Jackson. Aber es ist ein wirklich gefährliches Spiel. Und ich habe die Nase voll vom Spielen. Ich will einfach nach Hause gehen. Die Sache ist die: Ich will mein kleines Mädchen mit nach Hause nehmen.“

Bei den Worten ‚kleines Mädchen‘ zuckte Cave zusammen, und das spielerische Lächeln verschwand von seinen Lippen.

„Ich habe keine Ahnung, wovon Sie spr…“, fing er an, aber Keri erhob ihre Hand.

„Es ist in Ordnung“, sagte sie und achtete darauf, ihre Stimme ruhig und ohne Schuldzuweisung zu halten. „Ich beschuldige Sie nicht. Damals haben wir uns auf dem falschen Fuß erwischt. Sie haben Alan Pachanga vertreten, einen Kindesentführer, der ein vermisstes Kind gekidnappt hatte, nach dem ich auf der Suche war. Wie Sie wissen, wurde meine Tochter Evie auch entführt.“

Er zuckte zusammen, sagte aber nichts. Keri nahm dies als gutes Zeichen und fuhr fort, bevor er seine Meinung änderte.

„Ich glaube, ich habe Sie mit all meiner Giftigkeit, sie verloren zu haben, überschüttet, weil Sie einen Mann verteidigten, der Kinder entführte, und meine Tochter war gekidnappt worden. Das war Ihnen gegenüber nicht fair. Sie haben schließlich nur Ihren Job gemacht. Ich war zeitweise auf Sie fixiert, darauf, dass Sie Teil meines Problems sind; ich habe Ihnen die Schuld gegeben an allem, was in meinem Leben schief lief, wobei Sie gar keine Schuld trifft. Wissen Sie, Sie waren einfach jemand, auf den ich meine eigenen Ängste und meinen Frust projiziert habe.“

Cave lehnte sich in seinem Stuhl zurück und ließ ihre Worte auf sich wirken. Das Knarzen des Korbstuhls war fast beruhigend, da es die ansonsten komplette Stille brach. Mit zusammengekniffenen Augen musterte er sie, fast so, als blendete sie ihn. Keri war unsicher, was sie davon halten sollte. Schließlich sprach er.

„Ich muss schon sagen, Detective, das alles kommt sehr überraschend“, sagte er mit einer Mischung aus Misstrauen und Verwirrung. „Und Sie müssen meine Skepsis entschuldigen. Schließlich haben Sie mich seit dem letzten Jahr verfolgt, sind meinem Business in die Quere gekommen, haben meinen Charakter in Frage gestellt. Ich habe Grund zu der Annahme, dass Sie sich strafbar gemacht haben, indem Sie in meine Geschäftsräume eingebrochen sind und vertrauliche Unterlagen gestohlen haben. Und nun wollen Sie mir erzählen, dass Sie diese Erleuchtung hatten und nun sehen, dass ich gar nicht so übel bin und dass Sie mich falsch eingeschätzt haben?“

„Nein, soweit würde ich nicht gehen“, gab Keri zu. „Wir legen hier gerade unsere Karten auf den Tisch, richtig, Jackson? Ich glaube nicht, dass ich Sie falsch eingeschätzt habe. Ich kenne die Art von Leuten, für die Sie arbeiten, und ich bin kein Fan von ihnen. Ich kenne Ihr Business. Was das betrifft, können wir wenigstens ehrlich sein. Was ich meine ist, dass die Tatsache, dass Sie Leute verteidigen, die ich für verabscheuungswürdig halte, nicht bedeutet, dass Sie verantwortlich sind für die Entführung meiner Tochter oder dafür, was ihr seitdem wiederfahren ist. Dies können verschiedene Dinge sein. Ich möchte, dass Sie wissen, dass ich dies eine Zeitlang aus den Augen verloren habe. Aber jetzt sehe ich es klar.“

„Und was haben Sie dieser plötzlichen Offenbarung zu verdanken?“, fragte er mit ätzender Stimme und merkte dabei nicht, dass allein diese Frage schon seine Verletzlichkeit offenbarte.

Keri nahm noch einen tiefen Atemzug. Dies war die letzte Karte, die sie noch auszuspielen hatte. Wenn das hier nicht funktionierte, wenn er nicht nachgab, dann war sie am Ende.

„Coy Trembley“, sagte sie leise.

„Wer?“, fragte er, obwohl seine Augen groß wurden durch das Erkennen des Namens.

 

„Ihr Halbbruder, Coy Trembley.“

„Woher wissen Sie von ihm?“, wollte er wissen und sah sich dabei in seinem abgelegenen Rückzugsort um, als könnte jemand lauschen.

„Ich habe über Sie recherchiert und bin über den Fall gestolpert. Ich habe herausbekommen, was passiert ist, Jackson. Als ich den Fall einmal verstanden hatte, die Beschuldigungen, denen Coy ausgesetzt war, was ihm ultimativ passiert ist, habe ich verstanden, warum Sie tun, was Sie tun.“

„Sie wollen mich nur einwickeln“, sagte er nicht sehr überzeugend.

„Nein, Jackson. Ich verstehe es. Dass Sie miterlebt haben, wie Ihr Bruder eines furchtbaren Verbrechens falsch beschuldigt wurde, und Sie sich entschlossen, dafür zu sorgen, dass dies nicht auch anderen passiert. Als Mutter eines entführten Mädchens hoffe ich, dass Sie einsehen, dass nicht alle, die beschuldigt werden, unschuldig sind. Aber ich muss akzeptieren, dass Sie dies tun, weil es unter den Beschuldigten sowohl Schuldige als auch Unschuldige gibt. Und es gibt nicht viele, die willens sind, etwas zu riskieren, um sie zu verteidigen. Sie sind einer dieser Leute, Jackson. Und obwohl es schwierig ist, respektiere ich das. Manchmal ist es besonders schwierig, vor allem, wenn die Schuldigen davonkommen. Sie sehen, warum es schwer für mich ist, oder?“

„Ich weiß, es kann all die Jahre nicht leicht für Sie gewesen sein“, räumte er ein.

„Danke“, sagte sie. „Ich glaube, das ist der erste Schritt – dass wir aufhören, uns gegenseitig als den Feind zu betrachten. Ich meine, klar, beruflich stehen wir auf entgegengesetzten Seiten. Aber ich musste aufhören, in Ihnen – dem Menschen Jackson Cave – den Bösen zu sehen, und stattdessen anfangen, Sie als einen Mann zu sehen, der nach bestem Wissen und Gewissen seinen Job macht.“

„Ich versuche, meinen Job zu machen“, sagte er.

„Das weiß ich. Ich hatte es nur eine Zeitlang aus den Augen verloren. Und ich hoffe, dass Sie aufhören können, mich als die Böse zu sehen. Ich bin nicht Ihr Feind. Ich will Sie nicht zu Fall bringen. Ich akzeptiere, dass ich einige Fälle gewinne und einige verliere, und dass Sie und Ihre Anwaltskanzlei davon unabhängig existieren. Mein Fokus wird nicht länger auf Ihnen ruhen. Himmel, ich bin nicht einmal sicher, dass ich noch länger bei der Polizei bleibe.“

„Was meinen Sie damit?“, fragte er.

„Die Wahrheit ist, dass ich so etwas wie einen Burnout habe, Jackson. Klar, ich habe all das getan, um Leuten zu helfen. Aber es war auch ein Weg, um meine Tochter zu finden. Wenn ich das bewerkstellige, würde der Rest einfach verblassen, wissen Sie. Denn ich weiß, sie ist noch irgendwo da draußen und ich will nichts weiter, als wieder bei ihr zu sein. Ein Teil von mir möchte einfach wieder eine Mom sein, die Mittagessen zubereitet und freiwillig im Kunstunterricht hilft. Wenn ich das hätte, wäre es nicht mehr wichtig, Polizistin zu sein.“

Cave sah sie genau an. Er schien sie zu beobachteten. Ansonsten konnte sie seinen Ausdruck nicht deuten. Sie konnte nicht sagen, ob er ihr glaubte oder nicht, oder ob es ihm sogar gleichgültig war.

„Um was genau bitten Sie mich also, Detective Locke?“, sagte er.

„Ich bitte Sie, diese Info unter die Leute zu bringen. Ich weiß, Sie haben viele Klienten, die ihrerseits viele Leute kennen. Ich hoffe, dass einer von ihnen weiß, wo sich Evie befindet und gewillt ist, dies weiterzugeben an denjenigen, der sie festhält, und Evie einfach bei der nächsten Polizeistation oder Bushaltestelle absetzt. Ich will nur meine Tochter zurück. Ich werde nicht nachforschen, wer sie festgehalten hat. Ich werde keinen Fall daraus machen. Himmel, ich werde sogar meine Polizeimarke abgeben, wenn das einen Unterschied macht. Ich bitte Sie, die Leute hiervon in Kenntnis zu setzen. Sagen es Sie allen, die vielleicht jemanden kennen, die wiederum vielleicht jemanden kennen, der wissen könnte, wo sie ist. Wäre es nicht schön, wenn wir einmal auf derselben Seite stehen, Jackson?“

Sie hörten Getöse auf dem Flur. Gracie half einem fettleibigen Mann in den Sechzigern, der einen viel zu kleinen Morgenmantel trug, ins Wohnzimmer. Seine violetten Unterhosen guckten unter seinem Gürtel hervor, und ein Nest aus grau gesprenkeltem Brusthaar war darüber auszumachen. Er sah halbwach aus und schien einen Kater zu haben. Jetzt verstand Keri wenigstens Caves Witz über den knurrenden Magen.

Auf seinem Kopf standen die restlichen, noch verbliebenen Haare ab wie Mini-Irokesen. Sein Gesicht war aschfahl und er hatte tiefe Furchen, und darunter hatte er mehr als nur ein Kinn. Seine Augen waren winzige, schwarze Punkte. Er kam ihr leicht bekannt vor. Als er Keri erblickte, weiteten sich seine Augen und er versuchte unbeholfen, sich zu bedecken.

„Detective Locke“, sagte Cave, wobei er den Tonfall des Gastgebers einer Dinner Party aufsetzte, „dies ist Herbert Wasson, der Vorsitzende der Wasson Media Group. Herb, dies ist Detective Keri Locke von der LAPD.“

„Nett, Sie kennenzulernen“, murmelte Wasson. „Ich hatte mit niemand anderem gerechnet.“

„Das ist okay“, sagte Keri. „Ich wollte sowieso gerade gehen.“

„Ich begleite Sie hinaus“, sagte Cave und beiden erhoben sich.

„Freut mich auch, Sie kennenzulernen“, sagte Keri zu Wasson und ging zur Tür.

„Ja“, antwortete der Mann. Er schien noch etwas sagen zu wollen, aber scheinbar fiel ihm nichts Passendes ein, daher ließ er sich mit ausgestreckten Beinen in einen Sessel plumpsen.

„Danke, dass Sie vorbeigeschaut haben, Detective“, sagte Cave in seiner gewohnt kontrollierten Art.

„Danke, dass Sie mich angehört haben, Jackson“, sagte sie, in dem Bestreben, die persönliche Verbindung aufrecht zu erhalten. „Und lassen Sie uns doch versuchen, uns nicht als Feinde zu betrachten, sondern als zwei Menschen, die versuchen, klarzukommen. Ich glaube, das würde unserer beider Blutdruck senken, meinen Sie nicht?“

„Sie wären überrascht, was eine regelmäßige Langstreckenlaufroutine für Ihren Blutdruck tun kann, Detective. Ich schwöre darauf.“

„Ich werde es mir merken“, sagte Keri so warm sie konnte. „Danke, Jackson. Und bitte vergessen Sie nicht, was ich gesagt habe hinsichtlich der Leute, die Sie kennen. Ich weiß das wirklich zu schätzen. Ich möchte einen neuen Anfang machen, wissen Sie?“

„Ich weiß, dass Sie das wollen“, sagte er, die Stimme ruhig, die Augen kalt. „Nochmal danke, dass sie vorbeigeschaut haben, Detective.“

„Nennen Sie mich bitte Keri.“

„Also gut. Passen Sie auf, wenn Sie den Berg wieder herunterfahren. Einige dieser Kurven sind sehr eng, Detective.“

Bevor sie etwas erwidern konnte, hatte er die Tür geschlossen. Als sie zu ihrem Wagen zurück ging, war ihr eines klar. Er hatte es ihr nicht abgekauft. Und ihre Tochter sollte noch immer dafür bezahlen.

To koniec darmowego fragmentu. Czy chcesz czytać dalej?