Klausurenkurs im Bürgerlichen Recht II

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5. Anspruch auf Schadensersatz aus § 831 BGB

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Dieser Anspruch setzt voraus, dass K Verrichtungsgehilfe des B gewesen ist. Verrichtungsgehilfe ist, wem von einem anderen, in dessen Einflussbereich er allgemein oder im konkreten Fall und zu dem er in einer gewissen Abhängigkeit steht, eine Tätigkeit übertragen worden ist.[22] Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich des bei B als Hilfskraft beschäftigten K erfüllt.

K müsste in Ausführung der Verrichtung der G widerrechtlich einen Schaden zugefügt haben. Er müsste somit zunächst den objektiven Tatbestand einer unerlaubten Handlung erfüllt haben. Es kommen zwei Anknüpfungspunkte in Betracht: Zum einen der Fehler, der K bei der Betreuung des Mandats der G unterlief, zum anderen das vorherige Auftreten des K zur Beschaffung des Mandats.

Der von K begangene Fehler bei der Betreuung der Rechtsangelegenheit der G begründet keinen Vorwurf einer unerlaubten Handlung. § 823 I BGB ist wegen des Fehlens einer Rechtsgutsverletzung nicht einschlägig. § 826 BGB kommt schon mangels Vorsatzes nicht in Betracht. Die Verletzung eines Schutzgesetzes kann insofern ebenso wenig festgestellt werden. Die Übernahme des Mandats unter Vorspiegelung der Anwaltszulassung erfüllt dagegen den Tatbestand des § 823 II BGB i. V. m. § 132a I Nr. 2 StGB.

Fraglich ist jedoch, ob K dabei in Ausführung der Verrichtung gehandelt hat. Dazu müsste ein unmittelbarer innerer Zusammenhang zwischen der dem Gehilfen aufgetragenen Verrichtung nach ihrer Art und ihrem Zweck und der schädigenden Handlung bestehen. Das Verhalten des Gehilfen darf nicht aus dem Kreis oder allgemeinen Rahmen der ihm anvertrauten Aufgaben herausfallen.[23] Nach diesen Grundsätzen liegt die Verneinung einer Handlung in Ausführung der Verrichtung nahe. Die Gewinnung neuer Mandanten gehörte nicht einmal ansatzweise zu dem dem K in der Kanzlei übertragenen Aufgabenkreis. Sie geschah zudem außerhalb der Kanzleiräumlichkeiten bei einem privaten Treffen. Ein Anspruch aus § 831 BGB ist deshalb zu verneinen.

II. Ansprüche der G gegen K auf Schadensersatz
1. Vertraglicher Anspruch

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Eine vertragliche Beziehung zwischen G und K bestand nicht. K trat als Vertreter auf und wollte sich erkennbar nicht selbst rechtsgeschäftlich binden.

2. Anspruch auf Schadensersatz aus § 179 I BGB

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Wird entgegen der hier vorgeschlagenen Lösung der Abschluss eines Vertrags zwischen B und G verneint, haftet K gemäß § 179 I BGB auf Schadensersatz, wenn B den Vertrag nicht genehmigt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn man davon ausgeht, dass G den Mangel der Vertretungsmacht kennen musste (§ 179 III BGB).

Wird dagegen das Vorliegen eines Vertrags zwischen B und G kraft Rechtsscheinvollmacht bejaht, scheidet eine Haftung des K aus § 179 I BGB nach herrschender Meinung aus.[24] Wenn die Anscheinsvollmacht in den Rechtsfolgen einer rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht gleichsteht, handelt der Vertreter eben nicht ohne Vertretungsmacht.[25]

Teilweise wird allerdings vertreten, der Geschäftspartner könne statt des Vertretenen nach seiner Wahl auch den Vertreter in Anspruch nehmen. Dafür spreche, dass die Frage nach dem Vorliegen einer Anscheinsvollmacht nicht immer leicht zu entscheiden sei und der Geschäftspartner Gefahr laufe, den Falschen zu verklagen.[26] Im vorliegenden Fall spielt die Frage insofern eine geringe Rolle, als B aller Wahrscheinlichkeit nach sowieso der solventere Schuldner ist. Gegen die genannte Mindermeinung spricht aber, dass der Vertretene grundsätzlich durch die Erklärung des Vertreters gebunden ist. Die Anscheinsvollmacht steht der rechtsgeschäftlichen Vollmacht gleich. Für ein Wahlrecht des Geschäftspartners, das ihm einen weiteren Schuldner verschafft, besteht kein Bedarf. Das erwähnte Prozessrisiko lässt sich durch prozessuale Strategien wie z. B. die Streitverkündung soweit minimieren, dass es als Argument für ein Wahlrecht nicht herhalten kann.[27]

3. Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 I, 311 III, 241 II BGB

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Sofern Studierende einen Anspruch gegen K aus § 179 BGB bejahen, stellt sich die Frage, ob daneben eine Haftung des Vertreters aus culpa in contrahendo überhaupt in Betracht kommt. Der Umfang des Anwendungsbereichs der cic neben § 179 BGB ist umstritten.[28] Nicht selten wird die cic grundsätzlich für anwendbar gehalten.[29]

Ein Schuldverhältnis kann ausnahmsweise auch zu einer Person bestehen, die – wie hier K – nicht selbst Partei des angebahnten Vertrags werden sollte (§ 311 III BGB). Maßgeblich sind die von der Rechtsprechung schon vor der im Rahmen der Schuldrechtsreform erfolgten Einführung der Norm entwickelten Fallgruppen. Erforderlich ist deshalb ein unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse oder die Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens.[30]

Vorliegend kommt allenfalls die Fallgruppe der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens in Betracht. Die Rechtsprechung stellt insofern strenge Anforderungen. Voraussetzung ist, dass der Vertreter eine über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgehende persönliche Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Vertrags übernommen hat. Der Hinweis auf besondere eigene Sachkunde reicht dagegen in der Regel nicht aus, ebenso wenig private Kontakte.[31] Die bloße Tatsache, dass G vom Auftreten des K beeindruckt ist, führt deshalb nicht zu einer Haftung aus cic.

4. Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 I BGB

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Mangels Rechtsgutsverletzung scheidet ein solcher Anspruch aus. K schädigt das Vermögen der G.

5. Anspruch auf Schadensersatz aus § 826 BGB

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Für einen solchen Anspruch fehlt es jedenfalls am Schädigungsvorsatz des K.

6. Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 II BGB i. V. m. § 132a I Nr. 2 StGB

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Wenn man den Schutzgesetzcharakter dieses Straftatbestands bejaht (dazu oben), besteht ein Schadensersatzanspruch.

Teil 2: Schaumparty
I. Anspruch der D gegen C auf Erfüllung des Vertrags

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Hinweis zur Fallbearbeitung:

Die Aufgabenstellung ist mit der Frage nach der Rechtslage sehr offen gehalten und kann Studierenden deshalb nicht unerhebliche Schwierigkeiten bereiten. Grundsätzlich sollten unter dieser Fragestellung alle nicht völlig fernliegenden Ansprüche geprüft werden. Hierzu muss man sich zunächst über das Begehren der D Gedanken machen. Diese könnte Interesse an der Zahlung des Eintrittsgelds haben, noch viel mehr vielleicht aber daran, dass C sich wieder auszieht und zumindest einen Teil des Abends im Bikini in der Diskothek verbringt. Nachfolgend wird deshalb zunächst ein Erfüllungsanspruch der D geprüft und im Anschluss werden Sekundäransprüche angesprochen. Die Lösungsskizze beschränkt sich darauf, die verschiedenen Möglichkeiten darzustellen, ohne sich für die eine oder andere gut vertretbare Lösung zu entscheiden.

Aus einem mit D geschlossenen Vertrag könnte sich die Verpflichtung der C ergeben, sich auszuziehen.

1. Vertragsschluss

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Probleme beim Vertragsschluss an der Kasse der Diskothek ergeben sich im vorliegenden Fall nicht. Die Werbung der D-GmbH ist als bloße invitatio ad offerendum auszulegen (§ 133, 157 BGB). Das Angebot zum Abschluss eines Vertrags macht C an der Kasse. Dabei ist ihr Verhalten so zu verstehen, dass sie sich auf die Werbung bezieht und wegen des Bikinitragens keinen Eintrittspreis entrichten möchte. Dieses Angebot wird von D angenommen. Die Kassiererin tritt entweder als Stellvertreterin auf oder fungiert nur als Botin des vertretungsberechtigten Geschäftsführers (§ 35 I GmbHG). Die hierfür nötige Abgrenzung ist kompliziert,[32] für den vorliegenden Fall aber ohne Bedeutung. Entscheidend ist nur, dass die Kassiererin nicht selbst als Vertragspartnerin anzusehen ist.

 

2. Rechtsnatur und Inhalt des Vertrags

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Die Rechtsnatur des Vertrags über den Diskothekenbesuch ist schwierig zu beurteilen. Von den gesetzlich typisierten Verträgen dürfte am ehesten ein Werkvertrag (§ 631 BGB) in Betracht kommen. Als solcher wird etwa der Besuch einer Theateraufführung qualifiziert.[33] Die Art der Vergütung richtet sich genauso wie deren Höhe grundsätzlich nach der freien Vereinbarung der Parteien.[34] Dass die Gegenleistung der C möglicherweise nicht in Geld besteht, hindert also die Annahme eines Werkvertrags nicht.[35] Genauso gut kann man einen atypischen Vertrag (vgl. § 311 I BGB) annehmen. Sofern – wie hier – nur Erfüllungsansprüche in Rede stehen, kommt es auf die nähere Einordnung des Vertragstyps nicht an, weshalb die Entscheidung offen bleiben kann.

Von entscheidender Bedeutung ist dagegen die Ermittlung des Inhalts der vertraglichen Verpflichtung der C. Konnte C schon durch das Passieren der Kasse im Bikini ihre vertragliche Verpflichtung erfüllen (§ 362 I BGB), ist der Anspruch auf Ablegen der Kleidung erloschen. Der Vertragsinhalt ist durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu bestimmen. Ausschlaggebend ist, wie die wechselseitigen Erklärungen für ihre jeweiligen Empfänger nach Treu und Glauben unter Rücksicht auf die Verkehrssitte zu verstehen waren.

Vgl. zur Auslegung auch Fall 2 „Oldtimer“, Fall 5 „Speisekarte“, Fall 6 „Erkerzimmer“ und Fall 15 „Jungunternehmer“/Teil 1.

a) Argumente für die Auffassung des K

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Trotz des in § 133 BGB enthaltenen Verbots der Buchstabeninterpretation hat die Auslegung vom Wortlaut der Erklärung auszugehen. Das gilt auch dann, wenn die Werbung stillschweigend in die Erklärung einbezogen wird. „Eintritt für Ladies in Bikinis“ könnte man bei unbefangener Betrachtung verstehen als „Betreten der Diskothek nur mit einem Bikini bekleidet“. Grundsätzlich gilt, dass wer den Vertragstext formuliert, das Risiko trägt, wenn er sich ungenau ausdrückt (vgl. § 305c BGB für den Sonderfall Allgemeiner Geschäftsbedingungen).

Diese Ansicht würde auch die Interessen des Diskothekenbetreibers nicht über Gebühr beeinträchtigen. Seine Werbung zielt darauf ab, durch Teilnehmerinnen im Bikini die Attraktivität seiner Veranstaltung zu erhöhen und eine größere Zahl von Personen zum Kauf einer Eintrittskarte zu animieren. Dieses Ziel ist bereits erreichbar, wenn Damen nur die Kasse im Bikini passieren.

Der Verkehrssitte nach ist ein Verbringen jedenfalls des ganzen Abends im Bikini auch bei einer Schaumparty nicht unbedingt üblich. Selbst in geschlossenen Räumen wäre das Tragen eines (nach dem Kontakt mit Schaum nassen) Bikinis über mehrere Stunden unzumutbar. Wo die zeitliche Grenze für das Tragen des Bikinis gezogen werden sollte, ist nicht ersichtlich. Der Inhalt der Vertragspflichten der „Bikini-Ladies“ wäre zu unklar.

Bei der Auslegung nach Treu und Glauben ist das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Damen zu berücksichtigen. Das zivilrechtliche Allgemeine Persönlichkeitsrecht wird aus Art. 1, 2 GG abgeleitet. Geschützt ist das Recht des einzelnen auf Achtung seiner individuellen Persönlichkeit auch im privaten Rechtsverkehr.[36] Der Diskothekenbesuch im Bikini dürfte der Individualsphäre zuzuordnen sein, welche die personale Eigenart des Menschen in seinen Beziehungen zur Umwelt und seinem öffentlichen Wirken schützt. Eine Bikinitragepflicht könnte das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigen. Der Schutz der Individualsphäre reicht allerdings deutlich weniger weit als hinsichtlich der Privat- oder gar der Intimsphäre.

b) Argumente für die Auffassung des M

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Die Verwendung der Formulierung „freier Eintritt für Ladies in Bikinis“ ist keinesfalls eindeutig. Es könnte nicht nur anstelle von „Betreten im Bikini“ verwendet worden sein, sondern auch anstelle von „Aufenthalt in besagter Bekleidung“.

Nach dem für alle Adressaten erkennbaren Willen des Diskothekenbetreibers wollte dieser durch sein Angebot die Attraktivität der Veranstaltung steigern. Das gelingt erheblich besser, wenn sich auch während der Schaumparty genügend freizügig bekleidete Damen in der Diskothek aufhalten. Würden allzu viele Männer in der entsprechenden Hoffnung enttäuscht, schlüge sich das unter Umständen auf die Länge ihres Aufenthalts – und damit den Getränkeumsatz – nieder.

Das von „Ladies in Bikinis“ ersparte Eintrittsgeld ist relativ hoch (€ 15). Daher ist auch eine erhebliche Gegenleistung geschuldet, die sich nicht im bloßen Passieren der Kasse erschöpfen dürfte.

Keine Frau wird gezwungen, statt des Eintrittsgelds die „Bikini-Variante“ zu wählen. Die Möglichkeit einer Wahl entspricht gerade ihrer Privatautonomie. Diese beinhaltet nämlich die Freiheit, die Lebensverhältnisse im Rahmen der Rechtsordnung durch Rechtsgeschäft eigenverantwortlich zu gestalten. Sie ist Teil des allgemeinen Prinzips der Selbstbestimmung des Menschen.[37] Jeder darf daher bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit, für die hier wenig spricht, beliebige Verpflichtungen eingehen.

c) Ersetzungsbefugnis

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Beide Ansichten sind mit entsprechender Begründung gut vertretbar. Sofern davon ausgegangen wird, das Passieren der Kasse im Bikini reiche als Leistung der C aus (Auffassung des K), ist der Anspruch der D auf Erfüllung erloschen.

Verneint man dies, ist die Frage zu klären, ob ein Anspruch der D gegen C auf Ablegen der Kleidung besteht oder C lediglich eine Ersetzungsbefugnis hatte. Im Fall der Ersetzungsbefugnis hätte C nur das Recht, sich wieder auszuziehen statt Eintrittsgeld zu entrichten. Macht sie von diesem Recht keinen Gebrauch, besteht der Erfüllungsanspruch der D fort. Diese kann dann Zahlung von € 15 Eintrittsgeld verlangen.

Die Voraussetzungen einer Ersetzungsbefugnis sind im BGB nicht geregelt. Die Ersetzungsbefugnis kann auf Gesetz (z. B. in § 244 I BGB oder § 251 II BGB) oder Vertrag beruhen und gibt – sofern sie dem Schuldner eingeräumt ist – diesem das Recht, durch eine andere als die geschuldete Leistung die Erfüllung herbeizuführen.[38]

Beide Parteien haben erkennbar ihren Erklärungen den Inhalt der Werbung zugrunde gelegt. Für das Vorliegen einer Bikinitragepflicht spricht, dass C bereits vor der Kasse zu erkennen gab, sich für die „Bikini-Variante“ zu entscheiden. Es liegt nahe, dass sie nur diese Gegenleistung für den Diskothekenbesuch vereinbaren, nicht aber eine grundsätzliche Pflicht zur Zahlung des hohen Eintrittsgelds begründen wollte. Schon das spricht gegen eine Ersetzungsbefugnis. Diese bedeutet nämlich dogmatisch das Recht, ein bestimmtes Schuldverhältnis nachträglich inhaltlich zu ändern.[39] Gleichwohl lässt sich auch begründen, dass C lediglich das Recht eingeräumt werden sollte, ihre Pflicht zur Zahlung des Eintrittsgeldes durch das Tragen eines Bikinis zu ersetzen.

II. Anspruch der D gegen C auf Schadensersatz aus §§ 280 I, III, 281 BGB
1. Pflichtverletzung

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Verneint man eine Erfüllung durch C, rücken Sekundäransprüche in den Vordergrund. Ob eine Pflichtverletzung der C i. S. v. § 280 I BGB angenommen werden kann, hängt maßgeblich von der Entscheidung ab, ob man eine Pflicht zum Ausziehen und einen entsprechenden Anspruch der D bejaht. In diesem Fall stellt die Weigerung unproblematisch eine Pflichtverletzung dar. Wer den Lösungsweg über die Ersetzungsbefugnis wählt, kann eine Pflichtverletzung nur damit begründen, dass C – obwohl sie von ihrer Ersetzungsbefugnis keinen wirksamen Gebrauch gemacht hat – das Eintrittsgeld nicht zahlt. Das liegt nach dem Sachverhalt nicht fern. Immerhin stellen sich C und K auf den Standpunkt, dass C die Bedingungen für einen freien Eintritt erfüllt habe.

2. Fristsetzung

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Wegen der Nichterfüllung der C geht es um einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung. Grundsätzlich setzt dieser den erfolglosen Ablauf einer vom Gläubiger gesetzten angemessen langen Frist voraus, §§ 280 III, 281 I BGB. Setzt der Gläubiger eine zu kurze Frist, wird die objektiv angemessene Frist in Lauf gesetzt.[40] Insofern könnte man diskutieren, ob M der C eine (angemessene) Frist gesetzt hat, als er sie aufforderte, sich auszuziehen. Das ist schwierig zu beurteilen. Vor allem aber geht aus dem Sachverhalt nicht hervor, wie sich C im Fortgang verhält, ob die Frist tatsächlich erfolglos abläuft. Hinsichtlich einer eventuellen Zahlung von € 15 wurde sicherlich keine Frist gesetzt.

Diese Fragen können jedoch dahinstehen, wenn eine Fristsetzung gem. § 281 II BGB wegen ernsthafter und endgültiger Erfüllungsverweigerung entbehrlich war. Das könnte C hinsichtlich des Ausziehens getan haben. Allerdings ist zu beachten, dass stets K gesprochen hat. Wäre dessen Verhalten als endgültige Leistungsverweigerung zu verstehen, könnte dies der C zuzurechnen sein.

Schon bei der Auslegung des Verhaltens des K stellen sich Probleme. Zu diskutieren ist, ob in seiner Aussage „keinesfalls“ eine ernsthafte und endgültige Weigerung liegt, die vertraglich geschuldete Leistung (Ausziehen) zu erbringen. Die Weigerung des Schuldners muss als das letzte Wort zu verstehen sein.[41] Daran bestünden Zweifel, wenn K einfach nur rechtsirrig eine Verpflichtung der C in Abrede stellen würde. Dann würde es sich unter Umständen um eine bloße Meinungsäußerung im Rahmen einer Diskussion handeln.

Gegen dieses Verständnis spricht im vorliegenden Fall allerdings einiges. Zum einen liegt in dem Anziehen direkt hinter der Kasse eine gewisse Dreistigkeit der C. Zum anderen wird die Kassiererin ignoriert. Das Rufen des Geschäftsführers signalisiert den Ernst der Lage. Schließlich antwortet K auf dessen Vorhalt, so gehe das aber wirklich nicht, ausdrücklich, dass C alle Bedingungen für den freien Eintritt erfüllt habe. Damit wird hinreichend deutlich, dass K nicht mehr bereit ist, von seiner Position abzurücken. C wird sich nicht ausziehen. Das Bejahen einer endgültigen Leistungsverweigerung durch K liegt nahe.

Nur schwer begründbar ist dagegen das Vorliegen einer endgültigen Leistungsverweigerung hinsichtlich der Zahlung von € 15. Dies wird relevant, wenn der Lösungsweg über die Ersetzungsbefugnis beschritten wird. Zwar ist erkennbar, dass K davon ausgeht, C müsse das Eintrittsgeld nicht entrichten. Jedoch wurde über eine Zahlung bislang noch gar nicht gesprochen. Es kann daher schwerlich davon ausgegangen werden, dass auch insofern eine endgültige Verweigerung der Leistung vorliegt.

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Bejaht man das Vorliegen einer Leistungsverweigerung, stellt sich die Frage, ob das entsprechende Verhalten des K der C zugerechnet werden kann. K ist nicht Bote, denn C gibt keine eigenen Erklärungen ab, die K weitergeben könnte. Vielmehr trifft K eigene Entscheidungen. Damit seine Erklärungen der C zugerechnet werden könnten, müssten die Grundsätze der Stellvertretung anwendbar sein (§ 164 BGB). Bei der Leistungsverweigerung handelt es sich zwar nicht um ein Rechtsgeschäft, aber um eine geschäftsähnliche Handlung. Als solche werden Erklärungen angesehen, die auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtet sind und deren Rechtsfolgen kraft Gesetzes eintreten, z. B. Aufforderungen, Androhungen und Weigerungen. Auf diese sind die Vorschriften über Rechtsgeschäfte weitgehend entsprechend anzuwenden.[42] Zu prüfen sind somit die Voraussetzungen der Stellvertretung. Einzig problematischer Punkt ist das Tatbestandsmerkmal der Vertretungsmacht. Insofern kann eine konkludent erteilte Vollmacht angenommen werden. Jedenfalls aber liegt im fortgesetzten Schweigen der anwesenden C eine Duldung des Verhaltens des K. C muss sich die Aussagen des K deshalb nach § 164 BGB zurechnen lassen.