Klausurenkurs im Bürgerlichen Recht II

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2. Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 I BGB

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Zu Rechtsgutsverletzung und Schaden kann auf die Ausführungen oben verwiesen werden. Aus dem Betrieb einer Straßenbahn erwachsen spezifische Gefahren. Die S-AG ist als Betreiber dieses Verkehrs dafür verantwortlich, Vorkehrungen gegen vorhersehbare Gefahren zu treffen. Sofern man bei Prüfung des § 280 I BGB eine zu vertretende Pflichtverletzung angenommen hat, muss hier, um Selbstwidersprüche zu vermeiden, auch von der schuldhaften Verletzung einer Verkehrspflicht ausgegangen werden. Die Voraussetzungen entsprechen sich in diesem konkreten Fall (allerdings bedeutet keineswegs jede vertragliche Pflichtverletzung automatisch auch eine Verletzung einer deliktsrechtlichen Verkehrspflicht).

3. Anspruch auf Schadensersatz aus § 831 BGB

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A könnte gegen die S-AG ferner einen Schadensersatzanspruch aus § 831 BGB haben. Verrichtungsgehilfe ist derjenige, der mit Wissen und Wollen des Geschäftsherrn in dessen Interesse tätig wird und dabei von dessen Weisungen abhängig ist.[58] F ist als Fahrer bei S angestellt und muss die Dienstanweisungen befolgen. Er ist somit Verrichtungsgehilfe. Der Schaden entstand auch in Ausführung der übertragenen Verrichtungen, nicht nur bei deren Gelegenheit.

§ 831 BGB setzt eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige Handlung des Verrichtungsgehilfen voraus. Das ist dann, aber auch nur dann zu bejahen, wenn im ersten Teil der Arbeit ein objektiv pflichtwidriges Unterlassen des F i. S. v. § 823 I BGB bejaht wurde.

Nach § 831 BGB haftet der Geschäftsherr nicht für ein Verschulden des Gehilfen, wie es bei der Zurechnungsnorm des § 278 BGB der Fall ist, sondern für ein eigenes, vermutetes Verschulden. Der Verrichtungsgehilfe muss deshalb nur tatbestandsmäßig und rechtswidrig handeln, aber nicht schuldhaft i. S. v. § 276 I BGB. Trotzdem haftet der Geschäftsherr nach dem Schutzzweck der Norm nicht, wenn sich der Verrichtungsgehilfe objektiv fehlerfrei, also sachgerecht und vernünftig verhalten hat.[59] Dies hängt wiederum von der vorherigen Argumentation zum Anspruch gegen F aus § 823 I BGB ab.

Das Verschulden des Geschäftsherrn bei der Auswahl und Überwachung des Gehilfen wird vermutet. Außerdem wird vermutet, dass ein haftungsbegründender Kausalzusammenhang zwischen Verschulden des Geschäftsherrn und Schädigung durch den Gehilfen besteht. Diese Vermutungen muss der Geschäftsherr gegenbeweislich entkräften.[60]

Ob diese so genannte Exkulpation der S-AG gelingt, hängt erneut von früheren Weichenstellungen in der Falllösung ab. F wurde sorgfältig ausgewählt. Er arbeitet seit vielen Jahren bei S, ohne dass es Beanstandungen gab. Auch an regelmäßigen Kontrollen ließ es die Gesellschaft nicht fehlen. Wenn man jedoch zuvor ein Organisationsverschulden bei der Abfassung der Dienstanweisung bejaht, trifft die S-AG allemal ein Vorwurf im Bereich der Anleitung des Verrichtungsgehilfen.

Vgl. zu § 831 BGB auch Fall 11 „Altenteil“.

4. Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 1, 6 HaftPflG

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A könnte schließlich ein Anspruch nach dem Haftpflichtgesetz zustehen. Als Betreibergesellschaft haftet die S-AG für Schäden, die einem Fahrgast beim Betrieb der Bahn zustoßen, nach dem Recht der Gefährdungshaftung für Schienenfahrzeuge (§ 1 HaftPflG).

Die Verletzung muss beim Betrieb der Bahn eingetreten sein. In diesem Tatbestandsmerkmal kommt der allgemeine Rechtsgedanke zum Ausdruck, dass eine Gefährdungshaftung nur dann eingreifen soll, wenn sich gerade diejenige Gefahr verwirklicht hat, um derentwillen der Gesetzgeber die strenge Haftung angeordnet hat.[61] Damit ist nach dem Schutzzweck der haftungsbegründenden Norm bei der Gefährdungshaftung ebenso zu fragen, wie bei der Verschuldenshaftung. Es ist durchaus fraglich, ob die Gefahr von Verbrennungen, die sich der A aufgrund der Verkettung mehrerer Umstände zugezogen hat, noch zu den spezifischen Betriebsgefahren einer Straßenbahn gehört.

Zu beachten ist aber, dass zum Betrieb auch die Sicherheit der Anlage und die Betriebsorganisation, insb. die Auswahl, Anleitung und Überwachung des Personals gehört. Zudem genügt es, wenn ein unmittelbarer äußerer, also örtlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen einem Unfall und einer bestimmten Betriebseinrichtung der Bahn besteht.[62] Der Schutzzweck kann deshalb bejaht werden.

Eine Haftung ist gem. § 1 II HaftPflG ferner dann ausgeschlossen, wenn höhere Gewalt vorliegt. Dies ist ebenso auszulegen wie in § 7 II StVG. Höhere Gewalt („act of god“)[63] soll dann vorliegen, wenn ein schadenstiftendes Ereignis von außen kommend derart unvorhersehbar und auch bei Anwendung äußerster Sorgfalt ohne Gefährdung des Betriebs bzw. wirtschaftlichen Erfolgs nicht abzuwenden war und auch nicht wegen seiner Häufigkeit in Rechnung zu ziehen wäre.[64] Von höherer Gewalt in diesem Sinne kann hier keine Rede sein.

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Rechtspolitisch bedenklich könnte sein, dass vorliegend A, der sich selbst willentlich in einen hilflosen Zustand versetzt hat, indem er sich alkoholisierte, einen Schadensersatzanspruch zugesprochen erhält, obgleich die schädigenden Handlungen letztlich durch ihn selbst verübt wurden. Allein die Berücksichtigung des Mitverschuldens vermag womöglich nicht als Argument für eine Haftung ausreichen. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass – wie sich in den Regelungen des Haftpflichtgesetzes zeigt – allein das Betreiben einer Straßenbahn bereits inhärent gefährlich ist. Zudem sind Aspekte der Haftpflichtversicherung zu berücksichtigen.[65] Die S-AG ist als Betreiberin zweifellos versichert. Auch beim Fahrer F spricht einiges dafür, dass er über eine solche Versicherung verfügt. Hat man ein Verschulden der S-AG bejaht, stellt sich diese Problematik freilich von vornherein nicht.

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Der Umfang der Ersatzpflicht ist in § 6 HaftPflG geregelt. Demnach kann neben Heilungskosten und Verdienstausfall auch ein Schmerzensgeld gefordert werden. Das Mitverschulden des A ist nach § 4 HaftPflG zu berücksichtigen. Insoweit ist sinngemäß auf die vorstehenden Anmerkungen zu § 254 BGB zu verweisen. Hinzuweisen ist auch auf die Haftungshöchstsummenbegrenzung des § 9 HaftPflG, wonach lediglich bis zu einer Höchstsumme von € 600.000 oder € 36.000 jährlicher Rente gehaftet wird.

Anmerkungen

[1]

Palandt-Sprau, § 823 Rdnr. 2.

[2]

Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rdnr. 642 ff.

[3]

Palandt-Grüneberg, Vorb v § 249, Rdnr. 51.

[4]

Vgl. die Einführung bei Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rdnr. 119, 124.

[5]

Zur Kritik an der Dogmatik der Verkehrspflichten und deren Ausweitung vgl. die Ausführungen bei MüKo-Wagner, § 823 Rdnr. 388 f.

[6]

Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rdnr. 127.

[7]

Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rdnr. 646.

[8]

Vgl. Überblick und Ablehnung bei MüKo-Wagner, § 823 Rdnr. 388 ff.

[9]

Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rdnr. 644 ff.

[10]

Für diesen Aufbau: Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rdnr. 646 f.; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rdnr. 129, 132; Buck-Heeb, Besonderes Schuldrecht/2, Rdnr. 177; MüKo-Wagner, § 823 Rdnr. 391, letzterer mit Nachweisen auch zur Gegenansicht.

[11]

MüKo-Wagner, § 823 Rdnr. 397.

[12]

Einen Überblick über die Entstehung und zum Umfang von Verkehrspflichten geben etwa – jeweils für sich anschaulich, wenn auch mit unterschiedlicher Begriffsbildung: Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rdnr. 648-655; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rdnr. 169–185; Palandt-Sprau, § 823 Rdnr. 45–55 oder MüKo-Wagner, § 823 Rdnr. 397–451.

 

[13]

Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rdnr. 648.

[14]

OLG Köln VersR 1998, 252.

[15]

BGH NJW 1999, 573 f.

[16]

Vgl. dazu MüKo-StGB/Hardtung, § 221 Rdnr. 14.

[17]

BGH NJW 1999, 573.

[18]

OLG Köln VersR 2000, 1383.

[19]

Vgl. MüKo-Oetker, § 249 Rdnr. 103.

[20]

Palandt-Grüneberg, Vorb v § 249 Rdnr. 33.

[21]

Palandt-Grüneberg, Vorb v § 249 Rdnr. 49.

[22]

Vgl. die anschaulichen Beispiele bei Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rdnr. 191.

[23]

Siehe etwa BGHZ 3, 261; 79, 259; RGZ 158, 34, 38.

[24]

Vgl. Palandt-Grüneberg, Vorb v § 249 Rdnr. 26; BGH NJW 2018, 541.

[25]

BGHZ 3, 261, 266.

[26]

BGH NJW 1972, 42.

[27]

Palandt-Grüneberg, Vorb v § 249 Rdnr. 27.

[28]

AG Regensburg NJW 2000, 1047, weitere Beispiele bei MüKo-Oetker, § 249 Rdnr. 114 f.

[29]

Etwa Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rdnr. 191–194.

[30]

Vgl. die Nachweise bei MüKo-Oetker, § 249 Rdnr. 116 f.

[31]

Vgl. die umfangreichen Nachweise bei Staudinger-Schiemann, Neubearbeitung 2017, § 249 Rdnr. 17.

[32]

Palandt-Grüneberg, Vorb v § 249 Rdnr. 28; eingehender mit gleichem Ergebnis MüKo-Oetker, § 249 Rdnr. 119; ebenso mit umfangreicher Begründung Staudinger-Schiemann, Neubearbeitung 2017, § 249 Rdnr. 21 f.

[33]

Im Originalfall ging das OLG Köln von „weit überwiegendem Mitverschulden“ aus, VersR 2000, 1383.

[34]

Palandt-Grüneberg, § 254 Rdnr. 1.

[35]

Palandt-Grüneberg, § 254 Rdnr. 9.

[36]

Vgl. Palandt-Ellenberger, § 105 Rdnr. 2.

[37]

Palandt-Grüneberg, Vorb v § 249 Rdnr. 10.

[38]

Palandt-Grüneberg, § 253 Rdnr. 16.

[39]

Vgl. hierzu sowie zu Schmerzensgeldtabellen auch Palandt-Grüneberg, § 253 Rdnr. 15.

[40]

MüKo-Oetker, § 249 Rdnr. 409–422.

[41]

MüKo-Oetker, § 249 Rdnr. 413.

[42]

MüKo-Oetker, § 249 Rdnr. 412.

[43]

Palandt-Grüneberg, § 249 Rdnr. 9; BGH NJW 1979, 598.

[44]

Vgl. dazu Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rdnr. 407 ff.

[45]

BGH NJW 1979, 598 m. w. N.

[46]

Kritisch Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rdnr. 412 ff.

[47]

Vgl. allgemein Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Schuster, StGB, § 15 Rdnr. 120 ff.

[48]

Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rdnr. 190.

[49]

Erman-Armbrüster, Vor § 145 Rdnr. 42.

[50]

BGHZ 21, 319.

[51]

Für eine eingehende Darstellung vgl. auch Staudinger-Singer, Neubearbeitung 2017, § 133 Rdnr. 59.

[52]

Vgl. die in der 9. Aufl. abweichenden, auf die frühere Meinung hinweisenden Ausführungen in Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB, Rdnr. 249. Vgl. auch die weiteren Ausführungen bei Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, § 37 Rdnr. 46 f.

[53]

BGH MDR 2000, 956, 957 – Krankenhausbehandlungsvertrag trotz ausdrücklichem Widerspruch des Patienten bei Verbleiben desselben im Krankenhaus; kritisch dazu Staudinger-R. Singer/J. Singer, Neubearbeitung 2017, § 133 Rdnr. 60.

[54]

Palandt-Grüneberg, § 311 Rdnr. 23; dazu näher Kornblum/Stürner, Fälle zum Allgemeinen Schuldrecht, Fall 4 III, S. 24 f.; nicht unumstritten.

[55]

Vgl. allgemein Palandt-Ellenberger, § 31 Rdnr. 7.

[56]

BGH NJW 1999, 574.

[57]

Palandt-Ellenberger, § 31 Rdnr. 3.

[58]

Palandt-Sprau, § 831, Rdnr. 5.

[59]

Palandt-Sprau, § 831, Rdnr. 8.

[60]

Emmerich, Schuldrecht Besonderer Teil, § 25 Rdnr. 25-28; zur rechtspolitischen Problematik des § 831 BGB siehe auch Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rdnr. 292–298, außerdem 304 ff.

[61]

Vgl. Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rdnr. 520; Emmerich, Schuldrecht Besonderer Teil, § 27 Rdnr. 3.

[62]

BGHZ 1, 17; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rdnr. 525; Emmerich, Schuldrecht Besonderer Teil, § 27 Rdnr. 5.

[63]

Vgl. Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rdnr. 530; Emmerich, Schuldrecht Besonderer Teil, § 27 Rdnr. 6.

[64]

RGZ 101, 94, 95.

[65]

Zum Einfluss der Haftpflichtversicherung auf Umfang und Inhalt von Haftungsansprüchen vgl. die instruktiven Ausführungen bei Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rdnr. 32–34 und 82–85.

Fall 4 Rechtsanwalt

Fall 4 Rechtsanwalt

Inhaltsverzeichnis

Überblick

Gliederung

Lösungswege

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Teil 1: Visitenkarte

Karsten (K) ist Jurastudent französischer Abstammung. Neben dem Studium arbeitet er als Hilfskraft in der angesehenen Rechtsanwaltskanzlei Dr. Berger (B). Seine Tätigkeit beschränkt sich im Wesentlichen auf Literaturrecherchen, Kopierarbeiten und Botengänge. Seine lange Studiendauer – er befindet sich im 16. Fachsemester – ist seinem Selbstwertgefühl abträglich. Im April 2010 verschafft er sich Visitenkarten mit der Aufschrift: „Rechtsanwaltskanzlei Dr. Berger – wissenschaftlicher Mitarbeiter Rechtsanwalt Jean-Pierre Dupont“. Diese Karten verwendet er für private Zwecke, z. B. bei Partys und in Diskotheken. Eines Tages erfährt B zufällig davon, bleibt aber gelassen: Wenn die Frauen so dumm seien, auf K hereinzufallen, so sei das deren Problem. Gegenüber K bewahrt er Stillschweigen.

Seit August 2010 gibt sich K auch bei seiner Arbeit für die Kanzlei gelegentlich als angestellter Rechtsanwalt aus, was dem vielbeschäftigten B verborgen bleibt. K beschränkt sich wohlweislich auf einfache Fälle, die er als risikolos ansieht.

Im Oktober 2010 lernt K die attraktive Grafikerin G kennen, die sich in einer schwierigen vermögensrechtlichen Streitigkeit befindet. G ist vom Auftreten des K beeindruckt und bittet ihn, ihren Fall in der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Berger zu übernehmen. K kann der Versuchung nicht widerstehen. Von B unbemerkt wird er im Namen der Kanzlei für G tätig. Alsbald unterläuft ihm ein schwerer Fehler, der G € 100.000 kostet.

Aufgaben zu Teil 1:


1. Kann G von B Schadensersatz verlangen?
2. Kann G von K Schadensersatz verlangen?

Teil 2: Schaumparty

Im Juni 2011 wollen K und seine Freundin, die Krankenschwester Christiane (C), an einer Party in der Diskothek „Dance & Fun GmbH“ (D) teilnehmen. In der Werbung hat D die Veranstaltung so angekündigt: „SCHAUMPARTY – Eintrittsgeld pro Person € 15 – Freier Eintritt für Ladies in Bikinis.“

An der Abendkasse halten sich etwa 20 wartende Personen auf, die sich noch nicht zur Teilnahme entschlossen haben. C legt ihre Jeans und ihr T-Shirt ab und erhält, nur noch bekleidet mit einem knappen Bikini, freien Zutritt. K löst für € 15 eine Eintrittskarte. Direkt hinter der Kasse zieht sich C wieder an. Die Kassiererin ruft ihr zu: „Halt! So geht das nicht!“ Die wartenden Personen reagieren mit Gelächter. C und K schlendern ungerührt zur Bar. Die Kassiererin ruft den Geschäftsführer Martin (M) herbei. Dieser sagt kopfschüttelnd zu C: „Sie müssen hier zwar nicht die ganze Nacht im Bikini herumhüpfen. Aber so geht es wirklich nicht! Als Geschäftsführer fordere ich Sie, meine Dame, höflichst auf, sich auszuziehen!“ K antwortet für C: „Das wird sie keinesfalls tun. Sie hat alles getan, was für den freien Eintritt erforderlich war.“

Aufgabe zu Teil 2: Wie ist die Rechtslage?

Bearbeitungshinweis:

Von einer Prüfung der §§ 305–310 BGB ist abzusehen.

Fall 4 Rechtsanwalt › Überblick

 

Überblick

89

Die Aufgabe besteht aus zwei selbstständigen Teilbereichen. Im ersten Teil steht das Recht der Stellvertretung im Mittelpunkt. Die geschädigte G wollte keinen Anwaltsvertrag mit K abschließen, sondern mit der Kanzlei Dr. Berger. Mit B selbst hatte sie keinen Kontakt. Entscheidend ist deshalb, ob B sich die Erklärungen des K zurechnen lassen muss. B billigte, dass K sich Visitenkarten für die private Nutzung gefertigt hatte. Im Kern ist deshalb die Frage zu beantworten, ob dies ausreicht, um eine Duldungs- oder Anscheinsvollmacht bzgl. der Annahme des Mandats der G anzunehmen. Bejaht man dies, sind die Rechtsfolgen der Rechtsscheinvollmacht darzustellen. Jedenfalls bei der naheliegenden Anscheinsvollmacht sind diese in Rechtsprechung und Literatur umstritten: Anwendung des § 164 BGB (analog) oder Haftung des Vertretenen wegen Verschuldens bei Vertragsschluss.

Im Ergebnis spricht einiges dafür, dass G einen Schadensersatzanspruch gegen B hat – sei es wegen Schlechterfüllung des Anwaltsvertrags oder aus Verschulden bei Vertragsschluss. Je nach Lösung ist außerdem auf die Haftung für Erfüllungsgehilfen gem. § 278 BGB einzugehen. Deliktische Ansprüche sind lediglich am Rande zu prüfen und hängen entscheidend von der strafrechtlichen Bewertung der Nutzung der Visitenkarten ab.

Geht man von einer Anscheinsvollmacht aus, kommt ein Anspruch gegen K aus § 179 BGB nicht in Betracht, da dieser gerade kein falsus procurator ist. Was bleibt, ist dann ein deliktischer Anspruch aus § 823 II BGB i. V. m. § 132a StGB.

Im zweiten Teil geht es um die Auslegung des zwischen D und C geschlossenen Vertrags. Mit entsprechender Argumentation sind verschiedene Lösungen denkbar. Entscheidend ist, dass die Studierenden ihre Überlegungen auch in rechtliche Kategorien einordnen. Zu fragen ist, ob das „Ausziehen“ eine vertragliche Pflicht der C ist oder ihr lediglich eine Ersetzungsbefugnis zustehen sollte. Wie lange der Bikini hätte getragen werden müssen, ist eine Frage der Erfüllung. Hält man die Leistung der C für unzureichend, ist im Rahmen der Schadensersatz- und Rücktrittsansprüche zu klären, ob eine Aufforderung zur Nacherfüllung mit entsprechender Fristsetzung durch D erforderlich war.

Fall 4 Rechtsanwalt › Gliederung

Gliederung

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Teil 1: Visitenkarte
I. Ansprüche der G gegen B
1. Anspruch auf Schadensersatz aus § 280 I BGB
a) Art des Schuldverhältnisses
b) Wirksame Stellvertretung
aa) Duldungsvollmacht
bb) Anscheinsvollmacht
cc) Rechtsfolgen
c) Schuldhafte Pflichtverletzung
d) Schaden und Mitverschulden
2. Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB
3. Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 I BGB
4. Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 II BGB i. V. m. § 132a I Nr. 2 StGB
5. Anspruch auf Schadensersatz aus § 831 BGB
II. Ansprüche der G gegen K auf Schadensersatz
1. Vertraglicher Anspruch
2. Anspruch auf Schadensersatz aus § 179 I BGB
3. Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 I, 311 III, 241 II BGB
4. Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 I BGB
5. Anspruch auf Schadensersatz aus § 826 BGB
6. Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 II BGB i. V. m. § 132a I Nr. 2 StGB
Teil 2: Schaumparty
I. Anspruch der D gegen C auf Erfüllung des Vertrags
1. Vertragsschluss
2. Rechtsnatur und Inhalt des Vertrags
a) Argumente für die Auffassung des K
b) Argumente für die Auffassung des M
c) Ersetzungsbefugnis
II. Anspruch der D gegen C auf Schadensersatz aus §§ 280 I, III, 281 BGB
1. Pflichtverletzung
2. Fristsetzung
3. Vertretenmüssen
4. Kausaler Schaden
III. Rücktrittsmöglichkeit der D
1. Nicht vertragsgemäße Erbringung einer Leistung
2. Rücktritt vom ganzen Vertrag