Scheidungskind Samantha

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Jegliches Schamgefühl musste ich hier bei meiner Frau vermissen, ich hatte nichts gegen ihre Freundin, war ihr gegenüber hilfsbereit im Rahmen des Erlaubten, was jetzt hier ablief, dass schlug dem Fass den Boden heraus. Meine Frau besaß noch nie einen Cent an Gesparten, als ich sie kennen lernte. Sie hatte einen gut bezahlten Job, eine kleine angemietete Wohnung von ihrem Bruder, eine Katze, kein Verhältnis zu ihrem Vater, ein kleines Auto und eine schwere „Yamaha“ mit tausend Kubik, das war ihr kleiner Wohlstand.

Ich hatte meine „große Liebe“ bei unseren Kennenlernen noch aus den Schulden bei ihrem Exfreund auslösen müssen, so schnell kann man sich zum Reichtum „hochdienen“ oder wie man immer dazu sagen möchte …

Der Einzug in unser Wohnzimmer im ersten Stock war nur noch Formsache und doch sehr schnell vollzogen, die junge Frau im spät gebärenden Alter brachte nicht viel mit und der Rest kam von uns, denn in „kleinen“ Dingen waren wir immer sehr großzügig, auch wenn uns das Wasser selbst bis zum Halse stand. Die Baby-Grundausstattung war noch von Samantha vorhanden, dazu der Wickeltisch und die Babywanne, hatte ja alles nichts gekostet und was sollte der Geiz? Die werdende Mama hatte zum ersten Mal in ihrem Leben eine Familie mit Badbenutzung und was hatten wir, ich den geschwollenen Hals und kein zweites Wohnzimmer mit Kaminofen mehr, man kann doch nicht alles haben, nun war Teilen und Rücksichtnahme angesagt. Hatte ich mich für diese „Ost-Verhältnisse“ so ins Zeug gelegt, waren das meine Träume nach der ersten Scheidung oder war dies alles nur ein schlechter Film?

Unsere Ehe hatte sich in dieser Zeit zu einem „Beisammensein zu Dritt“ entwickelt, meine Frau zog sich immer mehr zurück und mit der Freundin war der Umgang ganz okay, wenn ich zu Hause war. Beide Frauen waren jedoch noch sehr mit den Vorbereitungen der nahenden Geburt beschäftigt und ich kam mir wie das fünfte Rad am Wagen vor. Aber auch bei den Frauen lief nicht alles nach Plan, die große Gemeinsamkeit der Anfangs-Tage, die Rücksichtnahme bei vielen Dingen, wie der Badbenutzung, Eigenheiten und die eigene Lebensweise, hatte bei den Frauen auch des Öfteren für Zoff gesorgt.

Ich wurde bei diesen sich häufenden Disputen, oft zum Ansprechpartner und zum Seelentröster. Meine Frau wurde verschlossenener und bereute wahrscheinlich ihre Handlungsweise wie den Ritt auf einer Rasierklinge, ich war mir sicher, sie plante damals schon ihren Ausbruch aus der Ehe und ihr neues Leben.

In dieser Zeit entdeckte ich meine Leidenschaft zum Kochen, irgend etwas braucht doch auch der Mensch, es bereitete mir viel Spaß und Freude „meine“ zwei Frauen zu bekochen. Meistens hatte ich deren seltsamen Geschmack getroffen und sogar hin und wieder auch ein Lob bekommen. Die Freundin war ein sogenannter „Kaltesser“, das spart Energie und Kochtöpfe, aber sie konnte sich doch an meinen Mahlzeiten erwärmen, ging doch ganz gut.

Der Tag der Geburt kam näher, meine Frau stand ihrer Freundin Händchen haltend zur Seite als es ins Krankenhaus ging, den Part des „verstorbenen“ Mannes übernahm meine Frau und sie stand auch im Kreißsaal ihr zur Seite. Nach einigen Tagen im Krankenhaus kam „das sorglos Rundumpaket“ zu uns ins Haus zurück. Wir hatten nun ein zweites Baby unter unserem Dach, dies führte auch im Ort zu Spekulationen, ob ich auch hier der stolze Vater war? Sacul war unser fünfter Bewohner, ein schmächtiges Bürschlein mit Kohlraben schwarzen Haaren, die türkische Herkunft, nähe Anatoliens konnte man nicht leugnen und unsere Wohngemeinschaft sollte noch einige Monate Bestand haben …

***

Samantha war nun schon zwanzig Monate alt und wir hatten einen wunderschönen Hochsommer zu verzeichnen, die schönste und wärmste Zeit des Jahres. Wir verbrachten unsere Freizeit in „unserem“ Traumhaus am Golfplatz, zum Teil im Garten, beim Grillen an unserer imposanten Grill-Anlage, selbstgebaut aus Uralt-Klinkersteinen, mit Freunden oder auch alleine, Abwechslung brachte unser solarbeheiztes Hallenbad. An den Wochenenden kamen, manchmal auch zu oft, meine Schwiegereltern zu Besuch, irgendwie war ich darüber froh, dass meine Frau wieder mit ihrem Vater klar kam. Ich legte auf Harmonie schon einen verstärkten Wert. Bis zu unserer Hochzeit war das Verhältnis zwischen Vater und Tochter doch sehr abgekühlt, um nicht zu sagen eingefroren. Über die Familienbande bin ich nie so richtig klar gekommen. Mit dem Schwiegervater war es scheinbar nie ganz einfach auszukommen, aber hier schaffte ich an einen seiner Geburtstage den familiären Durchbruch, wo wir unverhofft in die Feierlichkeiten, ohne Einladung hinein platzten. Wir waren zu dieser Zeit noch nicht verheiratet und es sollte mein Antrittsbesuch bei den Schwiegereltern in Spe werden.

Das Gesprächsthema der eingeladenen Geburtstagsgäste beschäftigte sich hauptsächlich, wenn man sich nichts zu erzählen hatte, mit Anekdoten aus der Vergangenheit und mit der Endlosschleife „Krankheiten“.

Jeder der Anwesenden hatte bestimmt ein bewegtes Leben hinter sich und sie gaben ihren Teil zum Besten, ich als das berühmte Mittelalter und Kassandra mit den jugendlichen Jahren konnten gar nicht so mitreden, denn jeder wollte die „bessere“ Krankheit, in seinem Leben überstanden haben. Krankheiten waren mir immer schon ein rotes Tuch, das Beste war, wenn man kein Wehwehchen pflegen musste. Hier entwickelte sich aber ein echter Wettstreit unter den geladenen Gästen, es ging über eine feine Gastritis, Leberschmerzen, Gallenkoliken und vieles Mehr, wir hatten außer einer Mandelentzündung und eines „verklemmten“ Furzes nichts beitragen können. Ich kam mir vor wie im Wartezimmer des Virchower Krankenhauses in der Notaufnahme und so hatte ich mir diesen Nachmittag sicherlich nicht vorgestellt. Ich wollte auch keinen Grundkurs in der gehobenen Allgemein-Medizin erhalten. Aus Höflichkeit schenkte ich dem praktizierenden Kreis noch meine Aufmerksamkeit, bevor ich mich auch einmal zu Wort meldete. In meiner unbekümmerten und sicherlich auch charmanten Art, fragte ich die überwiegend älteren Semester, „ob wir uns nicht auch einmal über meine Gesundheit unterhalten könnten?“. Außerdem würde dies, sich bestimmt positiv auf die allgemeine Lebensfreude auswirken“. Ola, la, auf einmal war es mucksmäuschen still im Raume, was hatte ich nun angerichtet? Der noch unbekannte Schwiegersohn in Spe, zum ersten Mal auf Besuch und so auf die „Kacke“ zu hauen? Mir war nicht wohl in meiner unbekümmerten Haut, aber das vermeintliche Entsetzen hielt nicht lange an und die bereits ins Stocken geratene Unterhaltung, wurde durch meinen Themenwechsel noch recht amüsant.

Später lernte ich auch noch die Geschwister meiner Braut kennen, alle zeigten ein recht herzliches Verhältnis zu ihrer Mutter, der Vater wurde kaum beachtet und spielte eine sehr untergeordnete Außenseiterrolle, er war nur Beiwerk. Er wurde nicht akzeptiert von seinen Kindern und es schien, keine harmonische Familie zu sein?

Die Halbschwester meiner Braut war ein bezauberndes Wesen, immer gut drauf, trotz zweier fast erwachsenen Kinder und sie war allein erziehend, irgendwie hatten alle Geschwister ein schweres Päckchen zu tragen, was war in der Vergangenheit nur vorgefallen?

Wie ich später erfuhr, war ein größerer Bruch zum Stiefvater voraus gegangen, diese Frau war in ihrer Jugendzeit wegen Problemen mit dem Stiefvater, freiwillig in ein Jugendheim gegangen. Ich hatte nie den gesamten Hintergrund erfahren, nur soviel, dass der Schwiegervater sehr dominant war und keinen Widerspruch duldete. Dies war autoritäre Erziehung vom Feinsten, ganz alte Schule, anno Tobak!

Später wurde mir sehr schnell bewusst, dass Menschen, die keine Liebe erfahren hatten, sich besonders schwer taten Liebe für jemanden Anderes zu entwickeln bzw. zu leben.

Nun hatte der Schwiegervater seinen „Biss“ verloren und wurde von seinen Kindern geschnitten und wurde links liegen gelassen.

Zu seiner Ehrenrettung muss ich jedoch erwähnen, dass ich ein sehr gutes Verhältnis zu ihm aufgebaut hatte, ich versuchte ihm Aufmerksamkeit zu vermitteln, ihm das Gefühl zu geben, dass auch er wichtig sei. Ich war sein Hauptgesprächs-Partner geworden, aber auch stiller Zuhörer bei all seinen sonntäglichen Besuchen, pünktlich um zwei Uhr Nachmittags in unserem Haus, am Golfplatz vor den Toren der Großstadt und das hauseigene „Katzenvieh“ wurde stets im Raubtierkäfig mitgeführt.

Diese Familie hatte mir von Anfang an schon sehr viele Rätsel aufgegeben …

Meine Braut hatte als junges Mädchen ein Kind ausgetragen, sie war bereits Mutter.

Es war ein Junge, nennen wir ihn Ralf, dieser Knabe kam mit einer Gaumenspalte und einer offenen Bauchdecke auf die Welt. Die ersten Lebensmonate verbrachte dieses arme Geschöpf ausschließlich im Krankenhaus, ohne Liebe und ohne Zärtlichkeiten. Einige Operationen musste er in seinem noch so jungen Leben über sich ergehen lassen. Der leibliche Vater wollte von seinem „Familienversuch“ nichts wissen und kümmerte sich weder um seinen Sohn noch um dessen Mutter.

Viele Jahre später erzählte meine Frau dann vor dem Familiengericht in einer selbst verschönernden Ansprache: „… aus diesem eheähnlichen Verhältnis ging mein Sohn Ralf hervor …“ , bei dieser Frau war schon alles irgendwie eine Ansichtssache und der Richter glaubte es ihr …

Schöne Geschichten konnte meine Frau stets zum Besten geben, ich hatte manchmal das Gefühl, dass sie diese Geschichten in ihrer aufgebauten Scheinwelt, sogar selbst glaubte, denn rot geworden war sie eigentlich nie?

Ich war mir schon sehr sicher, dass sie sich in ihrer nicht reellen Welt geborgen fühlte.

Ihr Sohn Ralf wurde nach der Entlassung aus dem Krankenhaus zur Adoption, von ihr freigegeben. Das eheähnliche Verhältnis war somit beendet, die elterliche Unterstützung fehlte komplett und die junge Frau war ihre Verantwortung los, so schnell kann man den Versuch einer Familiengründung vergessen, es blieb nur ein junger Mensch auf der Strecke …

 

Später als wir schon zusammen wohnten, musste ich auch einige Male ihre „Kälte“ mit erleben, sei es das ihre Katze von Heute auf Morgen weggegeben wurde oder das in unserer Ehe ohne Ankündigung der liebgewonnene Hund, bei fremden Menschen ein neues Zuhause bekam.

Eine Ankündigung oder ein Gespräch im Vorfeld fand leider nie statt, stets wurde von ihrer Seite eine vollendete Tatsache geschaffen, immer nach dem Motto: „Friss Vogel oder stirb …“. In einigen Gesprächen mit ihrer Mutter und ihrer Halbschwester und mit ihr selbst wollte ich heraus finden, warum eine junge Frau, ihr „eigen Fleisch und Blut“, wie ein altes Kleidungsstück weg gab?

Eine für mich verständliche und tiefgründige Antwort hatte ich von keiner der drei Frauen erhalten, Ausreden gab es genügend, aber schlüssig war keine der gegebenen Antworten.

Dieses Handeln stellte mein Bild einer intakten Familie sehr weit ins Abseits. Ihre Familie entschuldigte sich mit der pauschalen Begründung, dass das junge Mädchen, meine Frau, damals überfordert war, weil der Kindesvater nichts von seinem „eheähnlichen Verhältnis“ wissen wollte und sie selber für sich sorgen musste. Auf meine gut gemeinte Frage, warum kein Familien-Mitglied der jungen Frau unter die Arme gegriffen hatte, ihr Hilfe anbot oder das Kind in seine Obhut genommen hatte, darauf gab es keine Antworten, nein, es herrschte nur ein verwunderliches Staunen.

Ich konnte diese Familie in dieser Hinsicht nicht verstehen, dass man sein eigenes Kind, sein Enkelkind, seinen Neffen so mir nichts, dir nichts aus seinem Leben verschwinden lässt, als hätte es dieses Lebewesen von Baby, nie gegeben?

Dieser Vorfall beschäftigte mich noch sehr lange, ich überdachte meine noch so junge Beziehung, sollte die von einem Happy-End beschieden sein und sollte die auch als Flop enden? Aber vielleicht würde unsere gemeinsam geplante Zukunft, all diese Fragen beantworten?

Nach der Trennung vom Kindesvater zog Mutter und Kind in die Großstadt zurück, in Folge eines schweren Motorrad-Unfalls war sie kaum in der Lage, für sich selbst und den Jungen zu sorgen. Der Junge kam deshalb zu Pflegeeltern, von denen er auch später adoptiert wurde.

Der „Unfall“ war entsorgt …

… übrigens der Motorrad-Unfall hatte mit der Kindes-Weggabe nichts zu tun, wie meine Frau mir später schilderte, aber diese dargelegte Version hörte sich viel mitfühlender an, als die gnadenlose Weggabe ihres Kindes …

IV
IV

I n diesem Jahr wurden wir schwer auf die Probe gestellt. Die Firma in Bayern, an der wir Beide mit der Hälfte beteiligt waren, ging das Umlauf-Kapital aus. Die Zahlungsmoral der öffentlichen Hand, sprich der Gemeinden und Städte, ließ weiter sehr zu wünschen übrig.

Anfang des neuen Jahres bin ich als Mitgeschäftsführer in das Unternehmen mit eingestiegen, mein Arbeitsplatz war nun fernab meiner kleinen Familie. Obwohl ich nun vor Ort als Chef fungierte und den Mitarbeitern mit Rat und Tat zur Seite stand, so konnte das angeschlagene Schiff nicht wieder auf Kurs gebracht werden. Wir probierten alles was möglich war, setzten die Teilhaber-Gehälter herunter, nur um die Mitarbeiter und die offenen Rechnungen zu bezahlen. Wir versuchten die Intensität der Bearbeitung zu optimieren, bessere Konditionen in den Auftrags-Verhandlungen zu erreichen, aber wir stießen immer an irgendwelche starre Barrieren, es war zum Verzweifeln. Es änderte nichts an der Tatsache, diese Firma war nicht mehr zu retten, die Außenstände waren zu groß, der Girorahmen war mit Bürgschaften überladen und die Banken forderten neue Sicherheiten, woher nehmen und nicht stehlen? Das Ende vom Lied, die offenen Rechnungen häuften sich und die Mitarbeiter hatten sich auch schon innerlich von ihrer Firma verabschiedet, da die ehemalige Ehefrau und Witwe des verstorbenen Firmengründers, sich nur noch um ihr angeschlagenes Liebesleben kümmerte. Das Firmeninteresse hatte nicht mehr den Stellenwert bei dieser Frau, den es eigentlich in dieser Krise haben sollte. Das Überleben dieses Mittelbetriebes mit den fünfunddreißig Mitarbeitern war sehr in den Hintergrund getreten. Die „Dame“ des Hauses pflegte viel lieber ein sündiges Verhältnis mit einem Autohaus-Besitzer, wobei die hintergangene Ehefrau, die Hand auf dem Firmenkapital hielt. Der gesamte Ort, so wie dies in Bayern üblich war, zerriss sich darüber das „Maul“ über diese Liebschaft, was wiederum auch nicht gerade werbewirksam für unseren Betrieb war.

Es kam wie es kommen musste, der schwere Gang zum Amtsgericht, Abteilung Konkurs-Gericht sollte eingeschlagen werden, diesen Weg bin ich jedoch nicht mehr mitgegangen, wofür hat man seine Mitgesellschafter, die das Übel seit der Neuausrichtung nicht in den Griff bekamen.

Später erfuhren wir von der Konkursanmeldung der Mitgeschäftsführer, die jedoch schon Tage vorher, hinter unseren Rücken und ohne Absprache, diesen Schritt vollzogen hatten, es war auch nicht die feine Art …

Wir als leitende Angestellten, hatten schon auf zwei Monatsgehälter verzichtet und die beiden Großbanken standen sofort mit ihren Rückforderungen vor der Tür, da wir als Gesellschafter die Bürgschaften privatrechtlich unterschrieben hatten.

Nicht in den dunkelsten Träumen hätten wir uns diese nun eingetretene Situation vorstellen können, das nun sehr wacklige „Fertighaus“, aus der Rede unserer Standesbeamtin, schien einzustürzen …

Wo war unser Fehler, wir waren doch immer sehr sorgfältig, nie leichtsinnig mit unserem Geld umgegangen?

Hatten wir zu „blauäugig“ dem örtlichen Steuerberater vertraut? Die Zahlen waren nicht Himmelhoch jauchzend, aber auch nicht schlecht, die Forderungs-Aufstellungen realistisch und dazu die öffentlichen Auftraggeber, die normaler Weise irgendwann, die längst fälligen Rechnungen bezahlen sollten, ließen uns am ausgestreckten Arm verhungern …

… und nun hatten wir auch privat den kompletten Scherbenhaufen und dazu keine Einnahmen.

Meine Frau besaß zwar noch ihr Ladengeschäft im Hinterhof dieser sogenannten Einkaufs-Passage, aber die spärlichen Einnahmen deckten nicht einmal die Betriebskosten ab, es war ein Zuschussgeschäft.

Es war ein guter Rat gefragt, unser Leben musste weiter gehen, wenn es nicht irgendwo in der berühmten „Gosse“ enden sollte. Andere Einnahme-Quellen mussten schnellstens gefunden oder erschlossen werden, in einem Bundesland, wo die Rezession und die Arbeitslosigkeit schon brüderlich Hand in Hand einhergingen. In jedem anderen westlichen Bundesland wäre sicherlich ein Hoffnungsschimmer am Horizont erkennbar gewesen, so aber nicht in den Neuen Bundesländern mit den prophezeiten „blühenden Landschaften“.

Ein Hauch von Optimismus war jedoch noch in mir und ich war mir der Verantwortung für meine kleine Familie bewusst und ich hatte die Fünfzig noch nicht überschritten, ich besorgte mir bei der Gemeindeverwaltung einen Gewerbeschein für einen Metallverarbeitenden Betrieb, mein letzter Startversuch in eine Ost-Deutsche Karriere?

Auch dieser Anfang war schwer, von alleine nahm keiner Notiz von diesem neugegründeten Betrieb, also zuerst Anzeigen schalten, Flyer drucken und verteilen, dann geduldiges Warten …

Die ersten Aufträge flatterten sprichwörtlich in unser Büro, von der vereinbarten Anzahlung wurde das Material eingekauft, Fertigungs-Maschinen waren wirklich Mangelware, bis auf einige elektrische Handwerksmaschinen, besaß mein kleines Einmannunternehmen nichts, rein gar nichts!

Ich hatte wirklich einen Handwerksbetrieb, aber dieser kleine Betrieb florierte immer besser, ich nahm jeden Auftrag an und wickelte den zu aller Zufriedenheit ab, die Kunden zahlten und Geld wurde wieder in unsere Kasse gespült. Es ging langsam wieder aufwärts, wir hatten endlich wieder Geld zum Leben oder besser zum Überleben.

Meine Frau half mir des Öfteren auf den Baustellen aus, wenn Not am Mann war und ein Handlanger benötigt wurde, sie war sich in dieser Zeit für keine Arbeit zu schade.

Ich verkaufte und montierte Türen, Fenster, Markisen und Sonnenschutz, fertigte kleine Sonderkonstruktionen in unserer Doppelgarage an und montierte Vordächer, Gartentore und Zaunanlagen.

Die körperliche Arbeit, die ich in dieser Form nur beim Hausbau kannte, sowie der gesamte „Bürokram“ wie Auftrags-Disposition, Material-Einkauf, Kundenbesuche, Angebots- und Rechnungsstellung und vieles mehr, bescheinigten mir ganz locker einen Arbeitstag von achtzehn Stunden.

Ich kam des Öfteren erschöpft und ausgelaugt nach Hause, innerlich zwar zufrieden, äußerlich jedoch nur noch der Wunsch, sich ausruhen zu dürfen.

Nur nicht jeder versteht dieses Wunschbedürfnis. Von Samantha und meiner Frau bekam ich unter der Woche nicht viel zu sehen, das Wochenende war jedoch heilig, zumindest der Sonntag. Nach dem Ausschlafen und dem Herumtoben im Bett mit der Familie, ging es zwanglos zum Frühstück über, endlich Zeit für die Familie.

Aber es kam wie es kommen musste …

… meine „verständnisvolle“ Ehefrau war nun Vieles zu viel geworden, sie fühlte sich vernachlässigt, unverstanden, hatte keine Lust mehr auf einige Dinge zu verzichten, die wir bei unserem Kennenlernen in vollen Zügen genossen hatten.

Nun hatte ich wieder einmal die Ar … karte gezogen.

Von dem sauer verdienten Geld und dem Gefühl, unsere Ehe retten zu müssen, so hatten wir einen vierzehntägigen Urlaub auf den Kanarischen Inseln gebucht.

Später dachte ich mir jedoch, dass das benötigte Geld besser in dem kleinen Unternehmen angelegt gewesen wäre …

Aber wir wollten wieder einmal nur für uns Drei da sein, Zeit haben, etwas gemeinsames unternehmen, was uns wieder ein Stück weiter nach Vorne bringen sollte, ein schöner Gedanke?

Ich hatte wieder einmal die Rechnung ohne meine „selbstlose“ Frau gemacht, sie hatte ihre Bekannte, unser ehemaliges Kindermädchen samt Ehemann überzeugt, mit uns in den Urlaub zu fliegen, SUPER!

Mir ging dieser Vorschlag, der bereits beschlossene Sache war, so gegen den Strich, das ich am liebsten den Urlaub gekänzelt hätte, aber dann waren die horrenden Stornierungs-Gebühren, die mich davon abhielten. Warum mussten wir immer Jemanden um uns herum haben, warum gab es keine Zwei- oder Dreisamkeit? Ich hasste es, in der Freizeit stets meinen Tagesablauf mit fremden Menschen abzustimmen, obwohl hier überhaupt keine Veranlassung bestand und wir in den letzten Monaten genügend eigene Probleme hatten.

Dieser Urlaub ging ohne große Problem-Bewältigung in den schon bekannten Alltag über, nach der „gefrusteten“ Rückkehr. In unserer Beziehung war der „Wurm“ drin, es gab keine Gemeinsamkeiten mehr, Madame zog sich in ihr Schneckenhaus zurück und die kommenden Wochenenden verliefen sehr eintönig. Das sonntägliche Herumtollen im Bett fiel dem Rotstift zum Opfer, Madame schmollte, lehnte jede „Dreisamkeit“ mit unserem Kind ab und war nicht ansprechbar, die Schwiegereltern wurden stets mit vagen Ausreden abgewimmelt und Papa und Samantha unternahmen Kind gerechte Ausflüge an die umliegenden Seen oder in die Streicheltier-Gehege.

Wir hatten Steine ins Wasser geworfen, auch kleine Stöckchen-Schiffe auf die Reise geschickt, Samantha hatten diese Ausflüge sichtlich Freude bereitet. Auf der Heimfahrt schlief mein kleiner Liebling stets vor Erschöpfung und von der frischen Luft in der freien Natur, ein. Bei einen unserer Ausflüge kamen wir zu einem privaten Kleintierzoo mit vielen gefräßigen Ziegen, diese Tiere bekamen von dem gekauften Tütenfutter überhaupt nicht genug, unsere Hände konnten wir gar nicht so hoch halten, denn diese Tiere schienen überall hin zu kommen und Samantha hatte ihre helle Freude an diesen Vielfraßen.

Etwas abgelegen waren in einem großen Gehege alle Sorten von Meerschweinchen untergebracht, hier herrschte genüssliche Stille zum Verweilen, gleich daneben waren die Kaninchen und einige hatten sich schon einen Tunnel zu den Meerschweinchen gebuddelt, um deren Futter zu stibitzen oder vielleicht auch etwas mehr „Unterhaltung“ zu haben?

Am Besten war jedoch „Fips“ der Affe, vor diesem Spaßmacher wurde schon am Eingang gewarnt, denn dieser „Bursche“ stahl mit Vorliebe Hüte, Brillen und die Hand-Taschen der weiblichen Besucher und stets schlich sich dieser Affe heimlich an, er kam aus dem Nichts! Auch wir wurden einmal von ihm überrascht, aber er konnte Papas Brille nicht abgreifen. Dieses Kapuziner-Äffchen war dem Zoobetreiber einst entwischt und „erfreute“ die Zoobesucher mit seinen Raub-Zügen.

 

Unser Zusammenleben im Haus war im Lauf des Jahres auch wieder ruhiger geworden, man gewöhnte sich an alles oder man nimmt es nicht mehr bewusst wahr. Samanthas Patentante hatte uns nach einigen Wochen verlassen und sich eine eigene Wohnung, hoch oben unter dem Dach, im Nachbarort angemietet, denn irgendwie klebten diese beiden Frauen zusammen wie Pech und Schwefel. Diese Frau mit Kind war von eher ein „Eigenbrötler“ und wollte sicherlich wieder Abstand von „so viel Familie“ haben.

Irgendwie sollte sie und ihr Baby mir doch auch fehlen, ich hatte mich sehr an diese ungewollte Zweckgemeinschaft gewöhnt. Die abendlichen Gespräche, das Babygeschrei, der morgendliche Kampf um das Bad, es war nun mit einem Schlag, wie ausgelöscht, nicht mehr vorhanden, es herrschte unsere triste Ruhe im Salon. Meine Frau brödelte still vor sich hin, war in sich gekehrt, redete wenig und ihre Laune war auch schon mal besser gewesen, dazu der viele Zigaretten-Konsum, kurz es stank im gesamten Haus und die ursprüngliche rauchfreie Zone war schon seit der Geburtstagsfeier abhanden gekommen. Raucher und Hundebesitzer sind die größten Egoisten, die ich in meinem Leben kennen gelernt hatte.

Der tief graue Alltag hatte seine Schatten über uns herab gesenkt …

Das Ladengeschäft meiner Frau erlebte den dritten Umzug, dieses Mal jedoch zurück in die erste Reihe der gut frequentierten Hauptstraße, aber die Zeiten für den Einkauf von „unnützen“ Accessoires standen schlecht, es änderte sich nicht viel an der Kassen- und Lebens-Aufheiterung bei meiner Frau, ihr Seelenleben war an einem Tiefpunkt angekommen. Ich hatte die kompletten Regaleinbauten und Ausbaukosten von meinen Einnahmen bestritten, in der Hoffnung auch wieder privat ein Stück Nähe zu gewinnen. Ein Hoffnungsschimmer waren die Zusatz-Geschäfte zu Ostern und zu Weihnachten, aber dies war leider nicht genug, wir waren ja im Armenhaus der Nation, wo die Menschen nicht vom Handwerk, sondern von Dienstleistungen lebten und zwanzig Prozent von der staatlichen Stütze.

Im Laufe des Jahres beschloss meine Frau das Ladenlokal zu schließen, der Ausverkauf wurde abgewickelt und der Rest verramscht, die bereits aufgelaufenen Mietschulden konnten mit dem Vermieter in beiderseitigem Einvernehmen, außergerichtlich aus der Welt geschaffen werden.

Nun waren wir dieses Verlustgeschäft endlich wieder los und konnten wieder nach vorne schauen … , wohin wussten wir zu diesem Zeitpunkt leider noch nicht?

***

Wenn Polen verloren ist, dann hilft den überlieferten Weisheiten nach, nur noch das Beten, aber bei uns Atheisten war der Glaube schon lange verpufft, die Moral quasi im Eimer, die Stimmung im Keller, wir redeten kaum noch mit einander, lebten wie Bruder und Schwester. Ich nahm eines Tages all meine Gefühle zusammen und schrieb meiner Frau einen langen emotionalen Brief. Ich wollte mir nicht das Ende unserer Ehe eingestehen, unser Kind sollte weiterhin bei ihren Eltern glücklich aufwachsen …

Ich wusste nicht wie meine Frau auf meinen Hilfeschrei reagieren würde, denn es herrschte schon sehr lange ein Stillstand unserer Gefühle und das bedeutete nichts Gutes.

Eines Abends fand ich einen Brief von meiner Frau auf dem Kopfkissen in meinem Bett, sie wählte den selben Weg, ihre Gefühle und ihre Emotionen mir darzulegen …

Nach diesem Briefwechsel, der wahrscheinlich doch ein guter Weg war, so durften wir Beide wieder etwas Mut und vielleicht auch Hoffnung schöpfen, das Kind war zwar in den Brunnen gefallen, aber es konnte noch gerettet werden. Was uns am Meisten belastete waren die hohen Rückzahlungsraten von unserem Traumhaus, das langsam zum „Albtraum-Haus“ wurde. Nun mussten wir wesentlich kleinere Brötchen backen, auch wenn es uns schwer fiel. Wir beschlossen einen Hausverkauf in Erwägung zu ziehen, unsere beiden Golfplatz-Aktien mit lebenslangen Spielrecht hatten wir bereits verhökert um die letzte Grundstücksrate damit zu tilgen. Die Schulden waren nun getilgt, aber die Spielberechtigung war auch ausgelaufen, ich sah diesen Umstand nicht so verbissen, denn unter diesen Umständen, hatte ich sowieso keinen Spaß am Golfspiel …

Unsere Wohnadresse war immer noch ganz exklusiv der Golfplatz, aber dies war das Einzige was uns davon übrig blieb. Das einst so geliebte Golfspiel hatte seinen Reiz verloren, Golf ist eine mentale Kopfsache und diesen Kopf hatten wir schon sehr lange mit anderen wichtigen Existenzfragen überbelegt. Außerdem fehlte uns nun das nötige Kleingeld, aber eines Tages, und da war ich mir damals schon ganz sicher, würde ich wieder Golf spielen, mit einer Leidenschaft, die keine Leiden schafft …