Mikrochirurgische Endodontologie

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Abb. 15a Zahn 26 nach konventioneller chirurgischer Wurzelbehandlung mit einem Rosenbohrer und retrograder Amalgamfüllung.

b Klinisches Bild des Neoapex der mesiobukkalen Wurzel mit der alten Amalgamfüllung.

c Die alte Kavität ist nicht über dem Kanal zentriert und ermöglicht keinen dichten Verschluss.

d Im postoperativen Röntgenbild sind die langen Füllungen der bukkalen Kanäle zu erkennen.

C. Moderne chirurgische Behandlung ohne Heilungserfolg

Wurde die chirurgische Behandlung mit einer zeitgemäßen Technik durchgeführt, aber die Läsion persistiert und die Röntgenkontrolle lässt keinen Behandlungsfehler erkennen, muss der Zahn entweder extrahiert oder der Eingriff wiederholt werden. Im zweiten Fall wird ein weiteres Stück der Wurzel reseziert, wobei gegebenenfalls nicht aufbereitete Kanalanteile sichtbar werden. Die Präparationstiefe muss für eine vollständige Desinfektion des Kanals erhöht werden.

IV. Chirurgische Behandlung als alleinige Therapie: Retrograde Wurzelkanalbehandlung

Das chirurgische Vorgehen ermöglicht eine vollwertige Wurzelkanalbehandlung. Ziel ist die Heilung der periradikulären Läsion, und mit modernen Techniken ist die Behandlung des gesamten Kanals ohne jeden koronalen Zugang über den apikalen Ansatz möglich. In aller Regel ist das chirurgische Vorgehen bei bereits wurzelbehandelten Zähnen indiziert, aber es gibt auch Spezialfälle, in denen es als primäre Behandlungsoption infrage kommt. Die primäre retrograde Wurzelkanalbehandlung hat sich hier als ebenso erfolgreich erwiesen wie die retrograde Revision16.

A. Kalzifizierte Wurzelkanäle

In einem Teil der Fälle bleibt die Pulpa nach einem Trauma vital, verursacht jedoch eine Kalzifikation des Wurzelkanals. Die Häufigkeit einer solchen Obliteration nach Trauma wird in der Literatur mit 4 bis 24 % angegeben17. Aber nur in 7 bis 27 % dieser Fälle kommt es zur Nekrose und Entwicklung einer periradikulären Läsion.

In der Regel schreitet die Kalzifizierung in koronoapikaler Richtung fort. Die konventionelle Behandlung eines kalzifizierten Wurzelkanals ist eine technische Herausforderung. Die Kanalöffnung befindet sich weit apikal und die Suche nach dem Kanal ist schwierig und mit dem Risiko einer Perforation verbunden. Nur durch Mikroinstrumentierung unter einem Mikroskop lässt sich die Kanalöffnung lokalisieren. Bei dieser Suche wird häufig eine erhebliche Menge Dentin im koronalen Wurzeldrittel entfernt, und selbst bei adäquater Behandlung bleibt der Zahn strukturell geschwächt und die Überlebensrate sinkt. Daher ist hier der chirurgische Ansatz die konservativste Lösung, denn der Zahn wird weder durch eine Zugangskavität noch durch die Suche nach der Kanalöffnung geschwächt. Der apikale Anteil des Wurzelkanals, der den größten Durchmesser aufweist, ist gut zugänglich. Da der Kanal vollständig gereinigt, aufbereitet und gefüllt werden kann, ist die Erfolgsrate sehr hoch (Abb. 16). Zudem bleibt die mechanische Festigkeit des Zahns erhalten.


Abb. 16a Obliterierter Wurzelkanal und endodontisch bedingte periapikale Läsion nach Trauma an einem Zahn 22.

b Der Zahn wurde ausschließlich chirurgisch behandelt. Da keine Zugangskavität angelegt wurde, bleibt die ursprüngliche Festigkeit der Zahnkrone erhalten.

c Heilung nach einem Jahr.

B. Dens invaginatus

Der Dens invaginatus oder Dens in dente ist eine Anomalie, die durch partielle, unterschiedlich tiefe Einstülpung (Invagination) des Schmelzorgans während der Zahnentwicklung entsteht. Am häufigsten sind die oberen lateralen Schneidezähne betroffen. Normalerweise besteht keine direkte Verbindung mit der Pulpa.

Die Behandlung solcher Zähne ist immer anspruchsvoll. Eine präoperative Beurteilung und der Einsatz eines dreidimensionalen Bildgebungsverfahrens sind unabdingbar18. Die konventionelle Wurzelkanalbehandlung ist besonders kompliziert, in manchen Fällen sogar unmöglich. Der chirurgische Ansatz ist einfacher und ermöglicht einen optimalen Zugang über den Apex, womit das Dentin und der koronale Schmelz geschont werden (Abb. 17). Die Struktur und ursprüngliche mechanische Festigkeit des Zahns bleiben erhalten.


Abb. 17a Dens invaginatus und endodontisch bedingte Läsion an einem Zahn 12.

b Präparation des interradikulären und des intraradikulären Raums.

c Retrograde Füllung der präparierten Bereiche.

d Röntgenkontrolle der Präparation und Füllung.

e Vollständige Heilung nach einem Jahr.

C. Unreife Zähne

Unreife Zähne mit Pulpanekrose und periradikulären Läsionen können auf verschiedene Weise behandelt werden. Bei sehr unreifen Zähnen mit kaum entwickelten Wurzeln und sehr dünnen Wurzelwänden bildet die Revaskularisation die Behandlung der Wahl. Wenn die Wurzeln dagegen ihre definitive Länge fast erreicht haben und die Wurzelwände ausreichend dick sind, kommt als übliche Lösung die Apexifikation infrage19.

Die Revaskularisation nekrotischer unreifer Zähne hat das doppelte Ziel, eine Heilung der endodontisch bedingten Läsion herbeizuführen und vitales Gewebe im Kanal zu regenerieren, um eine Verdickung der Kanalwände und einen apikalen Verschluss zu erreichen. Die Zuverlässigkeit dieser Technik im Hinblick auf das zweitgenannte Ziel wird in der aktuellen Literatur allerdings unterschiedlich bewertet20. Kommt es zu einer Verdickung der Wurzelwände, geschieht dies häufig apikal des im Kanal platzierten MTA-Zements (Mineral Trioxid Aggregat).

Das MTA wird meist auf Höhe des Zahnhalses platziert, manchmal auch weiter apikal. Daher verdicken in der Regel nicht die Wurzelwände im Zervikalbereich, in dem der Zahn jedoch besonders verstärkt werden müsste, um weniger frakturanfällig zu sein. Die Apexifikation führt zu guten Erfolgsraten, aber die Zähne zeigen sich mittelfristig frakturanfällig mit einer hohen Frakturrate nach 4 Jahren21. Wenn nekrotische unreife Zähne mindestens zwei Drittel ihrer endgültigen Länge erreicht haben, kommt eine chirurgische Behandlung in Betracht. Vorteil dieser Option ist, dass der Zugang zum Kanal über die breiteste Öffnung erfolgt, keine Zugangskavität präpariert werden muss und die Krone unversehrt bleibt. Weil die Zugangskavität fehlt, ergibt sich zudem ein optimaler koronaler Verschluss (Abb. 18).


Abb. 18a Endodontisch bedingte Läsion nach Trauma eines unreifen Zahns 11 mit intakter klinischer Krone.

b Vestibulooraler DVT-Schnitt zur Bewertung der Länge und Dicke der Wurzelkanalwände.

c Intraoperatives Bild der resezierten Wurzel und Wurzelkanalfüllung.

d Postoperative Röntgenkontrolle.

e Vollständige Heilung der Läsion nach einem Jahr.

Zusammenfassung

Die apikale Chirurgie ist indiziert, wenn eine periradikuläre Läsion nach der Wurzelkanalbehandlung persistiert, und zwar nach einer adäquaten Behandlung aus folgenden Gründen:

●anatomische Hindernisse einer adäquaten Instrumentierung,

●extraradikuläre Infektion,

●echte Zyste.

Nach einer inadäquaten Wurzelkanalbehandlung kommen folgende Gründe infrage:

●orthograde Revision nicht möglich,

●Stufe, Instrumentenfraktur apikal einer Kurvatur, Perforation,

●vorhandene prothetische Rekonstruktion,

●vorhandener Stiftaufbau.

Die apikale Chirurgie kann zudem nach dem Misserfolg eines früheren apikalchirurgischen Eingriffs indiziert sein, der mit einer herkömmlichen Technik durchgeführt wurde.

Schließlich kommt dieser chirurgische Ansatz als primäre Therapie anstelle einer konventionellen Wurzelkanalbehandlung bei kalzifizierten Wurzelkanälen, einem Dens invaginatus oder an einem unreifen Zahn in Betracht.

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Kontraindikationen

Aufgrund der wachsenden Lebenserwartung und der zunehmend besseren medizinischen Versorgung müssen immer häufiger auch ältere Patienten mit Multimedikation behandelt werden, deren Erkrankungen Kontraindikationen für die apikale Chirurgie darstellen können. Daher ist es wichtig, die medizinischen Grenzen für einen chirurgischen Eingriff zu kennen.

In diesem Kapitel werden alle Medikamente mit ihrem Internationalen Freinamen (International Nonproprietary Name, INN) bezeichnet, da jedes Land seine eigenen Handelsnamen hat, die sich leicht ermitteln lassen.

Neben medizinischen Kontraindikationen gibt es Einschränkungen aufgrund der Anatomie oder des Parodontalstatus der Patienten, die während der ersten Sitzung erkannt werden müssen.

I. Medizinische Kontraindikationen

A. Kontraindikationen aufgrund eines Infektionsrisikos

Außer dem Risiko einer infektiösen Endokarditis gibt es nur wenige absolute Kontraindikationen aufgrund einer Infektionsgefahr. Viele Krankheiten führen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zur Immunsuppression1, ohne dass die Schwelle für ein signifikant erhöhtes Infektionsrisiko bekannt wäre. Die Entscheidung, einen Patienten als immunsupprimiert zu betrachten, muss zwischen allen beteiligten Seiten, d. h. dem Zahnarzt, Oral- oder MKG-Chirurgen und allen anderen beteiligten Ärzten diskutiert werden. Bei der Entscheidung sind die Prädisposition des Patienten und die Schwere des Falls zu berücksichtigen.

1. Patienten mit Endokarditisrisiko

Die infektiöse Endokarditis ist eine mikrobielle Infektion der Endotheloberflächen des Herzens oder der Herzklappen, die häufig in Verbindung mit angeborenen oder erworbenen Herzdefekten auftritt.

Die American Heart Association (AHA) und das American College of Cardiology (ACC) veröffentlichten 2017 eine Aktualisierung ihrer Richtlinien zur Behandlung von Patienten mit Herzklappenfehlern. Danach gilt ein erhöhtes Endokarditisrisiko für Patienten mit Folgendem:

●Herzklappenersatz, einschließlich Transkatheter-Prothesen und Homografts

●Herzklappenreparatur mit prothetischen Materialien, wie Anuloplastikringe und Fäden

●überstandener Endokarditis

●unkorrigiertem angeborenem zyanotischem Herzfehler oder korrigiertem angeborenem Herzfehler mit persistierenden Shunts oder Klappeninsuffizienz im Bereich des prothetischen Materials

●Herztransplantat mit Klappeninsuffizienz aufgrund einer strukturellen Klappenanomalie.

Ein chirurgischer Eingriff ist bei Patienten dieser Kategorien absolut kontraindiziert, um eine Beeinträchtigung ihrer Allgemeingesundheit zu verhindern.

2. Immunsupprimierte Patienten

Für eine Immunsuppression kommen verschiedene Ursachen infrage. Die Patienten können aufgrund einer Erkrankung (Krebs, AIDS, nicht eingestellter Diabetes mellitus usw.) oder infolge einer Medikation (Transplantatpatienten3, Autoimmunerkrankung, Langzeit-Kortikosteroid-Therapie usw.) immunsupprimiert sein.

Die häufigsten Ursachen für eine Immunsuppression bei Zahnpatienten sind HIV-Infektionen und Diabetes.

HIV-infizierte Patienten

Wird bei HIV-infizierten Patienten ein apikalchirurgischer Eingriff geplant, ist auf eine möglicherweise bestehende erhebliche Immunsuppression, Neutropenie oder Thrombozytopenie zu achten.

Im Übrigen unterscheidet sich die Behandlung symptomfreier HIV-infizierter Patienten nicht von derjenigen anderer Patienten in der zahnärztlichen Praxis4.

Bei Patienten mit einer CD4-Zellzahl von unter 200/µl und/oder einer Neutrophilenzahl von unter 500/µl wird jedoch eine perioperative Antibiotikatherapie empfohlen5.

Bei symptomatischen HIV-infizierten Patienten ist dagegen vor einem apikalchirurgischen Eingriff eine Konsultation des behandelnden Arztes obligat.

Patienten mit Diabetes

Diabetes mellitus betrifft weltweit mehr als 240 Millionen Menschen. In den USA lag die Zahl der Diabetiker im Jahr 2015 bei 12,2 % (d. h. 30,2 Millionen) der erwachsenen Bevölkerung (über 18-Jährige). Patienten mit instabilem Diabetes oder solche mit hochdosierter Insulintherapie (Typ-1-Diabetes) unterliegen einem erhöhten Risiko für postoperative Infektionen.

Das Infektionsrisiko wird nach dem Nüchternblutzucker beurteilt. Für chirurgische Maßnahmen besteht bei einem Nüchternwert von unter 206 mg/dl (2,06 g/l) kein erhöhtes Risiko für eine postoperative Infektion. Bei einem Nüchternwert zwischen 207 mg/dl (2,07 g/l) und 229 mg/dl (2,29 g/l) wird von einem um 20 % erhöhten Risiko ausgegangen. Bei Nüchternwerten über 230 mg/dl (2,30 g/l) ist das Risiko für postoperative Infektionen um 80 % erhöht6,7. Obwohl diese Werte aus Untersuchungen zur Risikoprognose bei nicht zahnärztlichen Operationen stammen, sollte der Zahnarzt die Regulierung des Blutzuckerspiegels bei Patienten, die sich einem apikalchirurgischen Eingriff unterziehen, beachten.

Patienten mit nicht eingestelltem Diabetes sollten vor der Operation zum Einstellen an einen Arzt verwiesen werden. Dieser sollte einen Blutglucosespiegel von unter 200 mg/dl (2 g/l) anstreben, um das Infektionsrisiko zu reduzieren.

Bei Notfallbehandlungen sind Patienten mit Diabetes als Risikopatienten für postoperative Infektionen zu betrachten. Hier ist vor dem Eingriff eine perioperative Antibiotikatherapie zu verschreiben.

Bei gut eingestellten Patienten, die ohne antibiotische Prophylaxe behandelt wurden und eine Infektion entwickeln, wird eine geeignete systemische Antibiotikatherapie angeordnet.

Patienten unter TNF-α-Inhibitor-Therapie

Eine Inhibition des Tumor-Nekrose-Faktors Alpha (TNF-α-Inhibitoren-Therapie) ist bei der Behandlung von Patienten mit autoimmunen Entzündungserkrankungen, wie rheumatoider Arthritis, Spondylarthritis, Morbus Crohn oder Schuppenflechte, indiziert.

Bei solchen Patienten besteht häufig eine Multimedikation und damit ein hohes Risiko für Wechselwirkungen der Medikamente, das zu beachten ist.

Ist hier eine Wurzelspitzenresektion erforderlich, sollte die TNF-α-Inhibitoren-Therapie mindestens 15 Tage vor dem Eingriff ausgesetzt werden, sofern der Patient Etanercept einnimmt, und bis zu 4 Wochen präoperativ, wenn Infliximab, Adalimumab, Certolizumab oder Golimumab zum Einsatz kommen. Zudem wird eine antibiotische Prophylaxe empfohlen8.

Das Risiko einer postoperativen Infektion wird während des Beratungstermins bewertet. Ergeben sich Fragen, muss eine Konsultation beim Hausarzt des Patienten eingeplant werden. In den meisten Fällen sind apikalchirurgische Eingriffe bei immunsupprimierten Patienten mit Antibiotikaprophylaxe oder systemischer Antibiotikatherapie durchführbar.

B. Kontraindikationen aufgrund eines Blutungsrisikos

Die Blutgerinnung ist ein Prozess, der als Reaktion auf die Verletzung von Blutgefäßen einsetzt. Die lokale Aktivierung von Thrombozyten führt zur verstärkten Anlagerung der Thrombozyten aneinander und an das Endothel des geschädigten Blutgefäßes (primäre Hämostase). Gleichzeitig wird dieser primäre Thrombus durch Fibrin stabilisiert, das die Thrombozyten untereinander vernetzt und mit der verletzten Gefäßwand verbindet (sekundäre Hämostase). Thrombozytenaggregationshemmer verhindern die primäre Hämostase, während Antikoagulanzien auf der Ebene der Gerinnungsfaktoren inhibierend wirken (sekundäre Hämostase)9.

Bei Patienten, die aufgrund verschiedenster Indikationen mit einfacher oder dualer Plättchenhemmung, Vitamin-K-Antagonisten oder direkten oralen Antikoagulanzien behandelt werden, ist in der apikalen Chirurgie das Risiko unkontrollierter perioperativer Blutungen zu beachten.

1. Absolute Kontraindikationen

Patienten mit instabilen kardiovaskulären Erkrankungen und/oder angeborenen oder erworbenen Gerinnungsstörungen sowie Patienten mit dualen oder Kombinationstherapien, die mehr als ein Antikoagulans oder plättchenhemmendes Medikament einnehmen, haben ein höheres Blutungsrisiko als Patienten mit einfacher Medikation9.

 

Die Behandlung solcher Patienten muss in interdisziplinärer Zusammenarbeit erfolgen und ist in der Zahnarztpraxis absolut kontraindiziert.

2. Relative Kontraindikationen

Thrombozytenaggregationshemmer (TAH)

Patienten mit plättchenhemmender Medikation zeigen verlängerte Blutungszeiten. Im Fall einer dualen Plättchenhemmung ist dies ausgeprägter als unter einfacher plättchenhemmender Medikation10.

Gegenwärtig existiert kein Test, der eine zuverlässige Prognose des Blutungsrisikos von Patienten liefert, die TAH einnehmen. Die Blutungszeit ist nicht aussagekräftig11.

Eine präoperative Aussetzung der plättchenhemmenden Medikation wird nicht empfohlen. Mit geeigneten lokalen Maßnahmen zur Hämostase lassen sich bei solchen Patienten intraoperative Blutungen in der apikalen Chirurgie kontrollieren.

Vitamin-K-Antagonisten (VKA)

Wird der Patient mit VKA (Warfarin o. Ä.) behandelt, ist der behandelnde Arzt zu konsultieren. Eine Unterbrechung der Medikation wird nicht empfohlen. 24 Stunden vor dem Eingriff sollte die International Normalized Ratio (INR) bestimmt werden.

Apikalchirurgische Eingriffe können bei einem stabilen INR-Wert von unter 3,5 durchgeführt werden. Patienten mit einer INR von über 3,5 sind zur Dosisanpassung für invasive Maßnahmen an ihren Arzt zu überweisen12.

Direkte orale Antikoagulanzien (DOAK)

Die INR ist nicht dazu geeignet, die Koagulation bei mit DOAK behandelten Patienten zu beurteilen13.

Verglichen mit normalen Vitamin-K-Antagonisten zeigen DOAK einen schnellen Wirkungseintritt (2 bis 4 Stunden) und eine kurze Halbwertszeit (5 bis 13 Stunden). Diese kurze Halbwertszeit ermöglicht eine relativ rasche Verringerung der gerinnungshemmenden Wirkung.

Patienten, die DOAK einnehmen und apikale Chirurgie benötigen, können vom Zahnarzt aufgefordert werden, am Tag des Eingriffs die morgendliche Dosis auszulassen oder zu verschieben (abhängig von der Halbwertszeit des verwendeten Medikaments)9.

C. Kontraindikationen aufgrund des Risikos einer Kieferosteonekrose

Bei der Kieferosteonekrose handelt es sich um eine ischämische Nekrose des Ober- oder Unterkieferknochens. Sie kann nach Zahnbehandlungen auftreten, insbesondere nach Maßnahmen, die mit einer Knochenremodellierung einhergehen (Extraktion, Implantation, apikale Chirurgie)14. Das Risiko, nach einer Wurzelspitzenresektion eine Kieferosteonekrose zu entwickeln, ist in der Allgemeinbevölkerung sehr gering. Es gibt jedoch zwei Patientengruppen mit einem erhöhten Risiko.

1. Risiko einer strahlungsbedingten Kieferosteonekrose

Patienten, die im zu operierenden Kieferbereich eine Strahlentherapie erhalten haben, sind Kieferosteonekrose-Risikopatienten. Grund sind histologische Veränderungen im bestrahlten Knochen, die zu einer herabgesetzten Heilungsfähigkeit führen. Der Arzt des Patienten muss kontaktiert und das Risiko gegen den Nutzen der Behandlung abgewogen werden.

Hat der Patient eine durchschnittliche Dosis von mehr als 35 Gy an dem Knochen des Zahns oder der Zähne erhalten, die zu behandeln sind, ist der apikalchirurgische Eingriff kontraindiziert.

2. Risiko einer medikamentös bedingten Kieferosteonekrose

Patienten unter antiresorptiver (intravenöse oder orale Bisphosphonate und RANKL-Inhibitoren) oder antiangiogener Medikation (zur Behandlung von Osteoporose und bestimmten Krebsarten, wie Brust-, Prostata- oder Lungenkrebs) unterliegen nach chirurgischen Eingriffen einem erhöhten Osteonekroserisiko. Aktuelle Empfehlungen definieren folgende vier Risikopatientengruppen mit absteigendem Risiko15:

Patienten, die im Rahmen einer Krebstherapie intravenöse Bisphosphonate oder antiangiogene Medikamente erhalten

In dieser Patientengruppe besteht ab der ersten Injektion ein Osteonekroserisiko von 1 %. Apikale Chirurgie ist kontraindiziert.

Patienten, die seit mehr als 4 Jahren orale Bisphosphonate zur Osteoporosebehandlung einnehmen

Das Osteonekroserisiko ist gegenüber gesunden Patienten erhöht, aber deutlich verringert als bei Patienten, die Bisphosphonate intravenös erhalten (100-mal geringer)16.

Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass die Erfolgsrate der Behandlung einer Bisphosphonat-induzierten Osteonekrose größer ist, wenn die Medikation vor dem chirurgischen Eingriff ausgesetzt wird17.

Die Einnahme sollte unterbrochen werden, bis eine vollständige Knochenheilung eingetreten ist.

Wenn die Gesundheit des Patienten dies zulässt, wird empfohlen, nach Konsultation mit dem behandelnden Arzt die Bisphosphonateinnahme 2 Monate vor dem Eingriff abzusetzen.

Patienten, die seit weniger als 4 Jahren orale Bisphosphonate in Kombination mit Kortikosteroiden oder antiangiogenen Medikamenten zur Osteoporosebehandlung einnehmen

Die zusätzliche Einnahme von Kortikosteroiden oder Antiangiogenen erhöht das Osteonekroserisiko.

Hier ist wie bei Patienten, die seit mehr als 4 Jahren Bisphosphonate einnehmen (vorige Gruppe), zu verfahren.

Patienten, die seit weniger als 4 Jahren orale Bisphosphonate zur Osteoporosebehandlung einnehmen und bei denen keine weiteren Risikofaktoren vorliegen

Auch hier kann nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt die Bisphosphonateinnahme 2 Monate vor dem Eingriff ausgesetzt werden.

Bei Patienten, die mit oralen Bisphosphonaten behandelt werden, sollte sich die Verschreibung einer antibiotischen Prophylaxe vor einer Wurzelspitzenresektion primär nach dem Infektionsrisiko, nicht nach der oralen Bisphosphonattherapie richten.

Der Eingriff wird wie bei Patienten durchgeführt, die keine Medikamente einnehmen.

D. Kontraindikationen aufgrund eines kardiovaskulären Risikos

Die arterielle Hypertonie ist eine kardiovaskuläre Erkrankung, die durch einen systolischen Blutdruck von über 140 mmHg und einen diastolischen Blutdruck von über 90 mmHg charakterisiert ist. Sie ist die häufigste Ursache für kardiovaskulär bedingte Todesfälle18. Vor jeder Operation ist insbesondere bei Patienten mit Hypertonie der Blutdruck zu bestimmen, um sicherzustellen, dass dieser gut eingestellt ist. Die einfachste Möglichkeit besteht in einer Blutdruckmessung beim Beratungstermin und einer zweiten Messung am Tag der Intervention. Eine Hypertonie wird nur dann diagnostiziert, wenn wiederholt hohe Werte gemessen werden. Da Anstrengung und Stress zu einer Erhöhung des Blutdrucks führen, ist die Blutdruckmessung am ruhenden Patienten durchzuführen (Abb. 1).


Abb. 1 Handgelenk-Blutdruckmessgeräte sind eine einfache Möglichkeit, um den Blutdruck des Patienten vor dem Eingriff in der Praxis zu bestimmen.

Bei zu hohem Blutdruck sollte der Eingriff verschoben und der Patient an seinen Arzt überwiesen werden, um abklären zu lassen, ob eine medikamentöse Behandlung erforderlich ist.

Liegt der Blutdruck systolisch über 150 mmHg und diastolisch über 120 mmHg, ist der Eingriff kontraindiziert.

II. Lokale Kontraindikationen

A. Anatomische Kontraindikationen

1. Dicke und Anatomie des Knochens

Wenn der zu entfernende Knochen zu dick ist und keinen adäquaten Zugang zur Wurzelspitze gestattet, kann der Eingriff nicht durchgeführt werden. Diese Situation tritt häufig an den zweiten Unterkiefermolaren auf (Abb. 2)19. In der Molarenregion hat die bukkale Kortikalis eine größere Dicke und neigt sich zudem stärker horizontal (Abb. 3).


Abb. 2a Röntgenaufnahme eines Zahns 37, die keine Informationen zur Dicke der bukkalen Kortikalis und der Position der Wurzelspitzen liefert.

b Im DVT-Schnitt werden die enorme Dicke der bukkalen Kortikalis und die linguale Position des Apex sichtbar.


Abb. 3 Veränderung der bukkalen Knochendicke vom ersten zum dritten Molaren.

Ähnlich ist die Situation im Bereich der zweiten Oberkiefermolaren. Der Winkel des Processus zygomaticus kann hier einen adäquaten Zugang zu den Wurzelspitzen verhindern (Abb. 4). Auch die Spina nasalis anterior kann abhängig davon, wie weit sie protrudiert, den chirurgischen Zugang behindern (Abb. 5).


Abb. 4 Der DVT-Schnitt zeigt einen sehr horizontalen Verlauf des Processus zygomaticus maxillae, der einen chirurgischen Zugang verhindert.


Abb. 5a Zahn 11 mit kalzifiziertem Wurzelkanal und einer periapikalen Läsion.

b Der DVT-Schnitt zeigt eine deutliche Protrusion der Spina nasalis anterior, die keinen adäquaten chirurgischen Zugang gestattet.

Werden die Apikalregionen anhand von DVT-Schnitten analysiert, können diese anatomischen Strukturen bewertet werden.

Ähnlich problematisch kann sich der palatinale Zugang zur palatinalen Wurzel des ersten oberen Molaren gestalten. Ist die Wurzel lang und der Gaumen flach, lässt die große Knochendicke einen adäquaten Zugang zum apikalen Drittel nicht zu.

Wenn Läsionen auf die palatinale Wurzel oberer erster Molaren beschränkt sind, ist ein bukkaler Zugang kontraindiziert, wenn die Wurzeln zu stark divergieren und die Osteotomie durch die Kieferhöhle verlaufen würde (Abb. 6).


Abb. 6a Ein Zahn 16 mit apikaler Läsion, die auf die palatinale Wurzel beschränkt ist.

b Bestätigung der palatinalen Lage der Läsion im DVT-Schnitt. Ein bukkaler Zugang ist ungeeignet. In dieser Situation ist ein Zugang von palatinal indiziert.

2. Kieferhöhle

Der Sinus maxillaris ist ein pneumatisierter Hohlraum, der mit einer Schleimhaut, der Sinusmembran, ausgekleidet ist. Wenn die Sinusmembran verletzt ist, hat dies keine gravierenden Folgen. Ist sie intakt, sollte sie bei allen Interventionen sorgfältig geschützt werden, um eine Kontamination der Kieferhöhle zu verhindern. Ergibt die Auswertung des DVT eine komplette Pneumatisierung der Kieferhöhle um die Wurzelspitzen des zu behandelnden Zahns, macht dies die apikale Operation technisch anspruchsvoller und die Sinusmembran wird in jedem Fall verletzt (Abb. 7).


Abb. 7a Zahn 16 mit apikaler Läsion an der palatinalen und der mesiobukkalen Wurzel. Die Lage des Sinusbodens lässt sich nicht genau ermitteln.

b Der DVT-Schnitt zeigt eine Einstülpung der Kieferhöhle mesial und distal der palatinalen Wurzel deutlich. Die roten Linien kennzeichnen den Verlauf der Sinusmembran.

c Ebenfalls im DVT-Schnitt wird eine Einstülpung der Kieferhöhle zwischen der palatinalen und der distalen Wurzel sichtbar. Ein bukkaler Zugang zur palatinalen Wurzel ist kontraindiziert, da er mit einer Perforation der Sinusmembran einhergehen würde.

Ist die Membran durch die Läsion bereits perforiert oder kommt es beim Eingriff zur Perforation, muss der Bereich der Verbindung zur Kieferhöhle geschützt werden, um das Eindringen von Fremdkörpern (Wattetupfer, Füllungsmaterial, resezierte Wurzelspitze usw.) während der retrograden Präparation und Füllung zu verhindern. Der Nahtverschluss muss so gestaltet sein, dass keine Mund-Antrum-Verbindung bestehen bleibt.