Footprint

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In einer ökologisch begrenzten Welt mit steigendem Ressourcenverbrauch wird es für Städte und Länder immer riskanter, von großen Mengen Biokapazität abhängig zu sein. Es wird zum Wettbewerbsnachteil.

Diese Tatsache zeichnet sich bei vielen Entscheidungen bereits ab. Zum Beispiel zeigen seit den 1990er Jahren Griechenland, Spanien, Italien und Portugal einen stark steigenden Ressourcenverbrauch. Und dies bei kleinerem Bruttosozialprodukt als Länder in Nordeuropa – doch mittlerweile mit ähnlich großem und schnell wachsendem Biokapazitätsdefizit. Dieses Defizit, multipliziert mit den seit dem Jahr 2000 stark wachsenden Ressourcenpreisen, ist für diese Länder zu einer immer größeren wirtschaftlichen Last geworden. Für Griechenland beispielsweise sind die Kosten für Ressourcen, die es importieren muss, nach unseren groben Abschätzungen von 4 Prozent ihres Volkseinkommens 1998 auf 14 Prozent im Jahr 2008 hochgeschnellt. Dieser wachsende Kostenfaktor wirkt wie eine zusätzliche internationale Steuer – wie Sand im Getriebe. Dass die Griechen unverlässliche Steuerzahler sind ist kein neues Phänomen, das plötzlich 2008 erwacht ist. Das neue Problem, vielleicht das Zünglein an der Wage, war die neue Ressourcensituation: Der neue, zusätzliche Druck waren die hochschnellenden Ressourcenkosten. Die griechische Regierung hat sich zuerst mit finanziellen Defizitausgaben durchgerungen, bis es nicht mehr ging. Den Rest konnten wir den Zeitungen entnehmen. Die Folgen produzieren weiterhin Turbulenz und Leiden.

Schon heute sind Ressourcentrends bestimmende Wirtschaftsfaktoren. Nur handeln wir nicht entsprechend. Oder tun so, als wäre die Wirtschaftssituation nur ein zyklisches Problem, nicht eines der wachsenden ökologischen Knappheit.

Ressourcenüberlegungen helfen uns, besser zu investieren. Etwa wenn Investitionen in die Infrastruktur, seien es Straßen, Schienenwege, Brücken oder Häfen, anstehen. Diese Bauwerke haben eine Lebensdauer von vielen Jahrzehnten. Ein Autobahnsystem zum Beispiel, das die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern nicht nur verstärkt, sondern auf lange Zeit festschreibt, gießt den Footprint gleichsam in Beton. Ein Umsteuern ist dann kaum noch möglich. So entstehen Investitionsfallen – oder „stranded assets“ (gestrandete Güter) wie es auf Englisch genannt wird.

Gehen Sie mal ins Zentrum Ihrer Stadt und suchen sich einen angenehmen Ort zum Verweilen.13 Schauen Sie sich ruhig um. Die Menschen, die Häuser, die Autos werden Ihnen bekannt vorkommen. Nun versuchen Sie, eine andere Perspektive einzunehmen, und zwar entlang der Frage: Wo überall ist Energie enthalten? Natürlich in der Beleuchtung, in der Heizung oder Kühlung oder beim Transport. In Wasserpumpen, Fahrstühlen und einer unübersehbaren Anzahl von Haushalts- und Bürogeräten. Darüber hinaus gibt es viele Dinge, worin Energie gespeichert ist, ohne dass sie sofort sichtbar würde. Um Beton herzustellen, braucht es beispielsweise eine Menge davon. Das Gleiche gilt für das Glas der Schaufensterscheiben oder den Stahl, aus dem die Fahrzeuge gefertigt sind. All diese Energie nutzen wir, meist ohne daran zu denken. Der Footprint aber vergisst sie nicht.

Und das aus gutem Grund. Wie bereits erwähnt, geht die Hälfte des globalen Footprint der Menschheit auf das Konto der fossilen Energie. Davon wiederum wird ein Großteil von urbanen Zentren und ihren Transportsystemen verbraucht, von denen die meisten in Städten beginnen und dort enden.

In Nordamerika zum Beispiel legen Nahrungsmittel im Schnitt mehr als 2 000 Kilometer von der Farm bis auf den Teller zurück.14 Industrialisierte Landwirtschaft ist dabei energieintensiv in jeder nur denkbaren Hinsicht. Traktoren brauchen Diesel. Kunstdünger wird aus fossilem Gas gewonnen. Pestizide und Herbizide werden aus Öl synthetisiert. Landwirtschaftliche Güter werden in Plastik eingeschweißt, sie werden gekühlt und wieder erhitzt – größtenteils mit fossiler Energie. So verbraucht jede Kalorie Essen, die uns dann in den Supermärkten der Städte angeboten wird, durchschnittlich 7-9 Kalorien Fossilenergie für die Produktion, Verteilung und Zubereitung.

Große Mengen Energie gehen auch beim Weg morgens in die Stadt hinein und abends wieder heraus verloren.15 Suburbia, der Traum vom Leben auf dem Land und Arbeiten in der Stadt, hat Unmengen an Ackerland und Waldgebieten verschlungen. Über die vergangenen Jahrzehnte sind viele Städte regelrecht ausgeufert. Zersiedelung ist insbesondere für Städte mit wachsendem Wohlstand typisch. Dabei übertrifft die räumliche Ausdehnung das Wachstum der Bevölkerung deutlich. New York zum Beispiel hat in den vergangenen 25 Jahren rund fünf Prozent mehr Einwohner gewonnen, die besiedelte Fläche ist dagegen im selben Zeitraum um 61 Prozent gewachsen.

Los Angeles ist berühmt für seine gigantischen Autobahnsysteme und Brücken, ein riesiges Ballungsgebiet mit 17 Millionen Einwohnern. Die allermeisten Bewohner fahren mit dem Auto zur Arbeit. Deutlich dichter bebaut ist dagegen die Region London mit immerhin 13 Millionen Einwohnern. Die britische Hauptstadt wiederum mit ihren typischen Doppel- und Reihenhäusern in den Vororten ist mehrere Male größer als Hongkong, eine der am dichtesten besiedelten Städte der Welt. Kein Wunder, dass Hongkong weit effizienter mit Raum (Treibstoff und anderen Ressourcen) umgeht als Los Angeles oder London. Was freilich nicht bedeutet: je dichter, desto effizienter. Extreme Hochhäuser verschlingen durch ihre aufwendige Infrastruktur für Aufzüge, Licht, Wasserversorgung, Heizung und Kühlung beträchtliche Mengen Energie. Sechsstöckig, so wie Paris, ist nah am Optimum. Stellen wir uns also Paris vor, allerdings ohne Autos, dafür mit Elektrorikschas, mit energiesparender Architektur, und so gebaut, dass Wohnen, Arbeiten und Freizeit räumlich integriert sind.

So viel ist klar, die Siedlungsstruktur einer Stadt hat direkten Einfluss auf ihren Flächenverbrauch. Wichtiger aber noch sind die indirekten Effekte, vor allem die „eingebauten“ Mobilitätsansprüche. Auch hier liefert der Footprint objektive Daten.

Mittlerweile besteht kein Zweifel mehr daran, dass die Verknappung von Ressourcen – vor allem Öl, aber auch sauberes Wasser, Nahrungsmittel, Fisch, fruchtbare Böden und bestimmte Erze – eines der drängendsten Probleme des 21. Jahrhunderts ist und sich weiter verschärfen wird. Ebenso eindeutig ist die Rolle der Stadt und der Verstädterung in diesem Zusammenhang. Die Städte dieser Welt, obwohl sie prozentual betrachtet nur wenig Oberfläche bedecken, sind heute, nach groben Schätzungen, belegen mehr als zwei Drittel des Footprint der gesamten Menschheit. Die Ressourcenfrage, die Klimafrage, ja allgemein die einer nachhaltigen und friedlichen Zukunft auf diesem Planeten wird in den Städten entschieden – gewonnen oder verloren.

Im Jahr 1900 lebten 15 Prozent der Menschen in Städten, mittlerweile sind es mehr als die Hälfte. Im selben Zeitraum ist die Weltbevölkerung von 1,5 Milliarden auf derzeit weit über sieben Milliarden angewachsen – mit Tendenz auf neun bis zehn Milliarden gegen Mitte des 21. Jahrhunderts. Und fast alle diese zusätzlichen Menschen werden in Städten leben. Viele davon in den Slums der Megastädte mit mehr als zehn Millionen Einwohnern. In Gebilden, wie sie zum Beispiel auf einer 500 Kilometer langen Achse zwischen den beiden größten brasilianischen Metropolen, Rio de Janeiro und São Paulo, entstehen: eine Agglomeration von derzeit 37 Millionen Menschen, die bereits mehr Einwohner hat als die Region Tokio-Yokohama. Die Stadt, das langlebigste Gebilde höherer Zivilisation, ist im Begriff, immer noch größere, gewaltigere Strukturen herauszubilden, zugleich die komplexesten, die die Menschen jemals geschaffen haben.

In Zeiten knapper Ressourcen werden sich die lokalen Regierungen, ihre Verwaltung, die Wirtschaft, ja alle Bürger fragen müssen: Wie viel Biokapazität braucht unsere Stadt? Wie können wir besser verstehen, wo unsere Ressourcen herkommen, wie sie genutzt werden und wo unsere Abfälle am Ende landen? Vor allem, wie können wir diesen Stoffwechsel unserer Stadt reduzieren? Nur so kann es gelingen, sie besser zu positionieren, um in der globalen Konkurrenz bestehen zu können. Wie können wir unser lokales Naturkapital – zum Beispiel Wasser – schützen, um es nachhaltig zu nutzen? Wie können wir Fortschritte in Richtung auf eine ressourcenextensive Stadt machen und unsere Abhängigkeit von importierten Ressourcen senken? Wie können wir eine Infrastruktur – also Mobilität, Wasser- und Stromversorgung – schaffen, die in Zukunft nicht zur ökologischen Falle wird, sondern effizient ist und zugleich attraktive Lebensstile ermöglicht?

Technik ist dabei durchaus hilfreich. Städte mit relativ großem Footprint können mit vorhandener Technologie ihren Ressourcenbedarf um einen Faktor 5 senken, zum Beispiel indem sie den Energiebedarf der Gebäude verringern. Der Footprint gibt bei all diesen Fragen eine Richtschnur an die Hand.

Felder, Wälder und Ozeane – Wie viel Biokapazität ist vorhanden?

Jeder Wald hat einen Bestand an Bäumen. Entnimmt man daraus Holz, ergibt sich ein bestimmter Ressourcenfluss, zum Beispiel Bauholz oder Brennholz. Als der Mensch in der industriellen Revolution daran ging, statt Holz in großem Maßstab Kohle, Öl und Gas zu verfeuern, waren die Bestände zunächst riesengroß. Zuerst waren es Kohleflöze (der „unterirdische Wald“), später Öl- und Gasvorkommen. Und so wuchsen die Energieflüsse stetig an. Denn mit immer kleinerem Aufwand an menschlicher Arbeit und Energie konnten wir große Energiemengen gewinnen. Mit geringem Energieaufwand noch mehr Energie zu ernten verführt natürlich zu immer größerem Konsum. Doch nun wird offensichtlich, dass auch die Verbrennungsrückstände, bis hin zum Kohlendioxid, ein Problem darstellen. Um die Treibhausgase abzubauen, braucht es nämlich Wälder und Ozeane, zumindest solange, wie die Menschen das Kohlendioxid nicht auffangen und langfristig lagern. Doch das geschieht (noch) nicht, denn es ist aufwendig, teuer und technisch nicht ausgereift. Das bedeutet, dass trotz aller Technik und Innovation der Mensch auf die Biosphäre, die lebendige Oberfläche des Planeten, angewiesen ist und bleibt. Technik hat uns dabei zwar ermöglicht, mehr zu tun, aber in der Regel mit immer mehr Ressourcen. Die Buchhaltung des Footprint zeigt, wie groß die Kapazitäten sind, die wir mittlerweile beanspruchen – im Vergleich zu dem, was wir haben.

 

Alle Astronauten, die einmal im Orbit waren, berichten von der großen Ehrfurcht, die sie ergriffen hat, als sie von oben auf die Erde blickten. Beeindruckt waren sie vor allem von der Schönheit, aber auch von der Verletzlichkeit des Planeten. Immer wieder sprechen sie von der königsblauen Horizontlinie, die sich um die Erde spannt. Das ist die Atmosphäre, unsere Lufthülle, die uns vor gefährlicher Strahlung schützt, Wasser in die Berge trägt und uns mit Sauerstoff versorgt. Aus der Ferne betrachtet ist sie unglaublich dünn, versehen mit einem noch feineren Saum. Jenseits dessen beginnt das tiefe, magische Schwarz des Weltraums. Wenn man die Oberfläche des Planeten über längere Zeiträume beobachtet, sieht man die jahreszeitlichen Wellen der irdischen Vegetation, angetrieben durch die Photosynthese, die wie Ebbe und Flut über die Wälder, die Steppen, über Acker- und Weideflächen rollen. Ein wunderbares, selbstregulierendes System, wie es über vier Milliarden Jahre entstanden ist.

Am 23. Juli 1971 startete der erste leistungsfähige ERTS- Satellit (earth resources technology satellite), genannt Landsat16. Seine Umlaufbahn verlief in einer Höhe von 900 Kilometern. Alle 18 Tage überflog er ein und denselben Punkt auf der Erde. Landsat wurde mit hochwertigen Farbkameras ausgestattet. Mit ihrer Hilfe kann man verschiedene Vegetationszonen und Ökosysteme erkennen. Chlorophyll zum Beispiel reflektiert weniger als 20 Prozent des langwelligen noch sichtbaren Lichts und etwa 60 Prozent der Strahlung aus dem infraroten Spektrum. Die Satelliten wurden seit den 1970er Jahren immer perfekter. Mittlerweile versieht Landsat 7 im Orbit seinen Dienst. Von diesem zivilen Erdbeobachtungssatelliten der NASA stammt auch der größte Teil der Aufnahmen für Online-Kartenportale wie ‚Google Maps‘. Jeder Punkt des Planeten ist mittlerweile vermessen und kartographiert, die Auflösung der Fotografien betragen nur noch wenige Meter. Erst die Technik – Satelliten, Kameras, Computer – hat uns ein tiefer gehendes Verständnis der Oberfläche des Planeten ermöglicht, sowohl im Detail, wie auch im Zusammenwirken der Ökosysteme und damit der Biosphäre im Ganzen.

Mit Hilfe von Satelliten kommen auch die Daten für den Footprint zustande. Die Informationen landen bei den ­statistischen Ämtern der Länder, die Landflächen und Nutzungen analysieren, und ihre Daten an die statistischen Büros der Vereinten Nationen weitergeben. Diese global vergleichbaren Daten der Vereinten Nationen nutzt Global Footprint Network für seine ­Berechnungen.

Basierend auf diesen Datensätzen unterscheidet die Footprintbuchhaltung verschiedene Typen von Landschaften. In der Realität gibt es dabei Unschärfen und Übergänge. In den offiziellen Statistiken, derer sich der Footprint bedient, werden zum Beispiel noch sehr dünne Baumbestände, fast schon Steppen, der Kategorie Wald zugerechnet. Das ist einer der Gründe, weshalb der Footprint insgesamt eher konservativ rechnet und die Situation bewusst optimistischer beschreibt, als sie tatsächlich ist.

Für die Ernteerträge der industriellen Landwirtschaft gilt ähnliches. Die vorliegenden Zahlen, die von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) stammen, geben uns keine Information darüber, wie viel der höheren Erträge Folge des massiven Einsatzes von fossiler Energie und von Agrochemikalien ist. Oder welche Böden durch Erosion langfristig geschwächt werden. Oder wo Grundwasservorkommen übernutzt werden. Auf Dauer dürfte das Ertragsniveau deshalb kaum zu ­halten sein.

Die Footprint-Methode rechnet als Biokapazität, was in jedem Jahr produziert wird. Falls heutige Produktionsweisen Ökosysteme schädigen, tritt das in der Buchhaltung erst zutage, wenn die Schwächung eingetreten ist. Der Footprint liefert also keine Vorhersage. Genau so wie eine Finanzbuchhaltung. Sie spekuliert nicht, sie zeigt die Trends und gibt Managern eine stabile Entscheidungsgrundlage.

Dank des allgemein gültigen Datensatzes der statistischen UN-Organisationen gibt es eine konsistente Basis für die Footprint-Berechnungen. Und Jedes Jahr kommen neue, aktuelle Daten hinzu. So kann die ökologische Buchhaltung jedes Landes mit der jedes anderen oder mit der der ganzen Welt verglichen werden.

Der Footprint ist ein Indikator, der den menschlichen Verbrauch an Naturressourcen und -dienstleistungen ins Zentrum stellt. Er fragt nach dem Nutzen von Biokapazität, wie sie in wirtschaftliche Prozesse eingeht. Zwar baut er auf ökologischen Methoden auf, zum Beispiel die der Nettoprimärproduktion17 (net primary productivity), mit deren Hilfe man versucht, die Biomasseproduktion von Ökosystemen zu beschreiben.18 Der Footprint geht einen Schritt weiter und übersetzt diese Information in Land- und Wasserflächen, die in der Lage sind, ökologische Ressourcen und Dienstleistungen für den menschlichen Gebrauch19 zu liefern, beispielsweise für die Produktion von Gütern, aber auch für die Deponierung des Abfalls. Offene Ozeane zum Beispiel, die für den weltweiten Fischfang eher unerheblich sind, gehen nicht in die Footprint-Kalkulationen ein, ebenso wenig Wüsten oder Eisregionen. Mitgerechnet werden dagegen küstennahe Gewässer, Kontinentalsockel, Auftriebswasser- Gebiete, Wattenmeere oder Flussmündungen, auf die mehr als 90 Prozent des Fischfangs ­entfallen.

Hochproduktive Ökosysteme, beispielsweise in gemäßigten Zonen, reproduzieren sich relativ schnell. In den Alpen dagegen sind die Vegetationsprozesse langsamer und anfälliger. Trockene Graslandschaften, etwa in Australien, können nicht so intensiv beweidet werden. Wenn Rinder sich zu weit vom Wasserloch entfernen, verdursten sie. Je kleiner die Biokapazität pro Fläche, desto weniger kann man sie nutzen, erst recht nicht nachhaltig. Fällt die Produktivität unter eine bestimmte Schwelle, nimmt der Nutzen radikal ab und die Flächen sind für Menschen in den meisten Fällen praktisch nicht mehr erntefähig. Insgesamt beträgt die Gesamtheit der produktiven Flächen, zu Wasser und zu Land, derzeit rund 12 Milliarden Hektar. Das entspricht etwa einem Viertel der gesamten Oberfläche des Planeten.

Mit der Footprint- und Biokapazitätsbuchhaltung wurde eine Methode entwickelt, um die Vielfalt der Ökosysteme zu erfassen. Sie unterscheidet dabei fünf verschiedene Landtypen:

1Ackerland verfügt über die größte Bioproduktivität. In den Footprint-Berechnungen repräsentiert dieser Landschaftstyp die Summe unterschiedlicher Feldfrüchte, die geerntet werden, wie Korn, Ölfrüchte, Baumwolle und anderes mehr.

2Für Weideland gilt dasselbe, nur dass auf den Flächen tierische Produkte wie Fleisch, Milch oder Wolle produziert werden. Tierische Produktion lebt aber nicht nur von Weideland. Zum Beispiel werden viele Kühe mit Ackerlandprodukten wie Soja oder Mais gefüttert.

3Bei Fischgründen beruhen die Footprint-Rechnungen auf einer Einschätzung des Maximums an nachhaltigem Fischfang, der in den unterschiedlichen Gebieten möglich ist. Dies gilt sowohl für Binnenseen wie für Küstengewässer.

4Auch bebautes Land war ehemals typischerweise recht produktiv. Mittlerweile verfügt es über eine gewisse realisierte Biokapazität, durch Gärten, Straßenbegleitgrün oder ähnliches. Auch beinhaltet sie Biokapazität, die durch Haus- und Straßenbau von der Produktion entfernt werden. Damit beinhaltet das bebaute Land auch das landwirtschaftliche Potenzial, das zugunsten von Städten, Dörfern und Straßen aufgegeben wird.

5Der Landschaftstyp Wald bedient zwei im Wettbewerb stehende Footprintkategorien. Die eine Nutzung steht für die Summe an Holz und Fasern, die er beispielsweise für Baumaterial oder zur Papierherstellung hervorbringt. Wald kann aber auch, wenn er entsprechend bewirtschaftet wird, eine andere Dienstleistung offerieren: Kohlendioxid von der Fossilenergie zu absorbieren. Waldprodukte ernten und Kohlendioxid von Fossilenergie zu absorbieren sind zwei sich ausschließende Funktionen. Denn wird Holz geerntet, wird das Kohlendioxid früher oder später wieder freigesetzt. Zur Kohlenstoffabsorption muss der Wald für immer stehen bleiben. Für den letzteren Teil müssen wir wissen, wie viel Wald wir langfristig für die Kohlenstoffabsorption benötigen. Wie viel Wald ist dafür reserviert, und legal gebunden? Dieser Teil des Waldes bedient den Carbon-Footprint also, den Footprint des CO2-Ausstoßes von der Fossilenergie. Da wir nicht wissen, wie viel des Waldes legal und langfristig der CO2-Absorption gewidmet ist, berichten wir auf der Biokapazitätsseite nur Waldfläche. Auf der Footprintseite aber unterscheiden wir zwischen dem Waldprodukt-Footprint und dem Carbon-Footprint.

Stellen wir uns einen Bauernhof vor, dessen Felder überdüngt werden. Die überschüssigen Nährstoffe wäscht der Regen in einen Bach. Der wiederum fließt in einen See außerhalb des Bauernhofs. Das Wasser wird langsam trübe. Der See wird damit zur Senke für Abfälle und produziert weniger Fisch. Weil er ökologische Dienstleistungen für den Bauernhof übernimmt. Damit gleicht der Hof einem Staat, der Kohlendioxid emittiert und darauf setzt, dass irgendein Ökosystem auf der Welt schon damit fertig wird. Oft stellen wir das CO2-Land nicht zur Verfügung und hoffen, dass diese Dienstleistung woanders für uns geleistet wird. Aber, dass wir eine Senke für unsere Abfallströme benötigen, damit sich die Abfälle nicht akkumulieren, ist eine handfeste ökologische Realität. Statt es für die Holzproduktion zu nutzen, kann eine Waldfläche durchaus für die Absorption von Kohlendioxid zur Verfügung gestellt werden. In einigen Fällen geschieht das bereits (Die Finanzierung erfolgt über so genannte carbon offsets). Allerdings wird das nur in einem viel geringeren Maße praktiziert, als wir Kohlenstoff in die Atmosphäre blasen.

Footprint aufgespalten nach Landnutzungsarten in ihrer historischen Entwicklung

in Anzahl benötigter Planeten Erde


Sinn und Zweck des Footprint ist es, einen durchgängigen, einen aggregierten Indikator zu schaffen, eine „Währung“. Nur so erhält man ein Instrument, mit dem man die Biokapazität weltweit berechnen und vergleichen kann. Die Ökosysteme in unterschiedlichen Ländern sind aber unterschiedlich produktiv. Deshalb werden für alle Landtypen jeder Nation gesonderte Erntefaktoren („yield factor“) bestimmt, und zwar jährlich.20 Hinzu kommt der Äquivalenzfaktor („equivalence factor“), der die verschiedenen Landtypen des Planeten in Flächen durchschnitt­licher Weltproduktivität umrechnet (Wie viel Biokapazität hat ein Hektar durchschnitt­licher Wald im Vergleich zu einem Hektar durchschnittlicher Ackerfläche?). So kommt man schließlich zur zentralen Maßeinheit des Footprint, dem globalen Hektar (global hectar). Der globale Hektar entspricht einer quadratischen Fläche mit der Kantenlänge von 100 Metern – also insgesamt 10 000 Quadratmeter – biologisch produktiver Erdoberfläche mit Weltdurchschnittsproduktivität. Davon gibt es, wie gesagt, ungefähr zwölf Milliarden auf dieser Erde.

Weltbiokapazität nach Ländern (2011)

prozentuale Aufteilung


Auf biologisch produktiven Flächen findet ein signifikantes Maß an photosynthetischer Aktivität statt. Der kontinuierliche Fluss der Sonnenenergie wird von Pflanzen dazu genutzt, aus Kohlendioxid Sauerstoff zu produzieren und Biomasse aufzubauen. Die Photosynthese ist damit der Ausgangspunkt für alle Nahrungsketten und der Motor sämtlicher Energie- und Stoffkreisläufe der Biosphäre.21 Kein anderer Prozess hat die Evolution der Natur so stark geprägt wie die Photosynthese. Sie war es, die maßgeblich zum Aufbau der Atmosphäre beigetragen hat. Ihr ist es zu verdanken, dass die Oberfläche des Planeten sich über Millionen Jahre hinweg von einem unwirtlichen Ort in ein sich selbst reproduzierendes und regulierendes System mit einer großen Vielfalt an Lebewesen verwandelt hat. Ohne diese wundersame „Biomaschine“ wäre der Planet Erde so tot wie der Mars.

 

Freilich, im Laufe ihrer Geschichte hat die Menschheit in der Natur gründlich „aufgeräumt“. Mittlerweile wurde etwa die Hälfte der ehemals unberührten Wälder in Weideflächen, Äcker und Stadtflächen umgewandelt. Auf sämtlichen Kontinenten hat der Mensch viele der großen, wild lebenden Säugetiere aus ihren Biotopen verdrängt und ausgerottet (Afrika bildet hier eine gewisse Ausnahme). Das gilt besonders für auf dem Land lebende Raubtiere wie Tiger, Bären und Wölfe.

Je höher ein Tier in der Nahrungskette steht, umso seltener ist es. Jeder Schritt auf dieser Leiter nach oben bringt es weiter weg von der ursprünglichen Produktion der Photosynthese und mehr Energie bleibt auf der Strecke. Variiert die Produktivität von Ökosystemen, hat das große Auswirkungen auf das Tier hoch oben in der Nahrungskette. In der Tundra ist das Niveau der Photosynthese aufgrund der Kälte und der fehlenden Sonne relativ niedrig. Zudem müssen Tiere überwintern und sich ein Nahrungsmitteldepot anlegen. In der Folge können sich weniger Lebewesen von diesem Gebiet ernähren. Die Artenvielfalt ist zugleich geringer und die Nahrungskette relativ einfach strukturiert. Ein gegenteiliges Beispiel sind Wälder in gemäßigten und mehr noch in tropischen Klimazonen. Sie weisen eine deutlich höhere Produktion von Biomasse auf. Ihre Ökosysteme sind reicher und vielgestaltiger.

Nicht unbedeutende Teile der Erdoberfläche sind als Naturschutzgebiete ausgewiesen (insgesamt rund 18 Mio. km2), de facto steht ein Großteil dieser Landschaft aber trotzdem unter menschlichem Einfluss. Nationalparks wie der Yosemite Park in Kalifornien werden alljährlich von einem Millionenpublikum, ausgerüstet mit Geländewagen und riesigen Wohnmobilen, bevölkert. Im Ergebnis gibt es keinen Punkt mehr auf der Erde, an dem die Menschen nicht ihre Spuren hinterlassen haben. Und selbst in den entlegensten Teilen der Antarktis sind die Abfallstoffe von Industriestaaten nachweisbar.

Der Mensch macht sich die Erde untertan, wie es in der Bibel heißt. Von einer seltenen, in ihrer Frühzeit oft selber vom Aussterben bedrohten Art, hat sich die Menschheit zum absoluten Herrscher über den Rest der Natur aufgeschwungen und praktisch die gesamte Biosphäre des Planeten domestiziert. Die meisten Flüsse sind reguliert und kanalisiert, oft mit katastrophalen Auswirkungen. Dem Nil in Ägypten wird so viel Wasser entnommen, dass er über weite Teile des Jahres gar nicht mehr das Meer erreicht. Aus demselben Grund ist der Rio Grande, bis er in Mexiko angelangt ist, schon stark genutzt und mit Salz beladen, wodurch die Wasserqualität nicht mal mehr der Landwirtschaft genügt. Schließlich versickert der Fluss einfach in der Landschaft, um einige hundert Kilometer später durch einen Nebenfluss wieder zu neuem, freilich bescheidenem Leben erweckt zu werden.

Der Gelbe Fluss in China ist im Laufe seiner Geschichte bereits oft umgeleitet und eingedeicht worden, jetzt aber geht es wohl ernsthaft an die Substanz. Seine Fließgeschwindigkeit und die Menge an Wasser sind so weit reduziert, dass die mitgeführten Schlammmassen sich überall im Flusssystem ablagern und der Gelbe Fluss Jahr für Jahr aus seinem Bett herauswächst. Die Trockenlegung weiter Teile des Aralsees schließlich war kein Betriebs­unfall sowjetischer Wasserbauingenieure, man wollte einfach den Grund des Sees nutzen, um Baumwolle zu pflanzen.22

Die romantische Vorstellung, dass alles Ursprüngliche irgendwie gut, das Künstliche dagegen schlecht sei, macht heute keinen Sinn mehr. Die letzten naturbelassenen Ökosysteme sind so vollständig von kultivierten Landschaften umgeben, dass es die Wildnis im eigentlichen Sinne nicht mehr gibt.23

Mittlerweile bewegt der Mensch mehr Masse (Erdreich, Biomasse, Mineralien) als die natürlichen Kräfte von Wind und Wasser zusammen. Der stoffliche Austausch zwischen Mensch und Natur (Metabolismus) ist nicht nur quantitativ angeschwollen. Die Geschichte ist vielmehr durch die Abfolge durchaus verschiedener metabolischer Systeme charakterisiert. Als Jäger und Sammler nutzten die Menschen etwa eine Tonne Natur pro Kopf und Jahr für ihre Ernährung, einfache Behausungen und Waffen. In Agrargesellschaften waren es bereits etwa drei bis fünf Tonnen. Begrenzt wurde die Entwicklung durch einen Mangel an Energie, wie wir noch sehen werden. In Industriegesellschaften schließlich liegt der Naturverbrauch pro Kopf und Jahr um die 50 Tonnen, und dazu kommen dann noch Wasser und Luft.24 Der Footprint wirft ein bezeichnendes Licht auf diese Entwicklung – bis in die Gegenwart hinein.

In Agrargesellschaften bildete die Landwirtschaft die alles beherrschende Rohstoffbasis der Ökonomie. Sie lieferte nicht nur die Nahrung, sondern auch Fasern wie Wolle, Hanf, Flachs, dazu Öle und Farben, außerdem Felle, Leder und Knochen. Die Landwirtschaft war zudem die wichtigste Quelle der Energie, nämlich in Form von Biomasse, vor allem Holz. Dies war wiederum die Voraussetzung, um mineralische Rohstoffe wie Salz, Keramik, Metalle oder Ziegel zu gewinnen.25

Holz zu produzieren machte weit weniger Arbeit als der Getreideanbau. Deshalb dachten die Menschen oft, Holz sei ein freies Gut, das nur geerntet, jedoch nicht gepflanzt werden müsste. Aber spätestens, wenn das Holz wieder einmal knapp wurde – in vorindustriellen Zeiten, vor der Entdeckung massiver Fossilenergievorräte, ein häufiges Phänomen –, war klar: Holzfällen „zerstört“ im gleichen Sinne den Wald, wie die Getreideernte ein Weizenfeld „zerstört“. Biomasse zu produzieren braucht Fläche. Und die ist endlich. Unterschiedliche Arten der Nutzung befinden sich daher meist in Konkurrenz zueinander: entweder – oder.

Für den Bau eines durchschnittlichen Schiffes benötigte man im 18. Jahrhundert das Holz von 20 Hektar Hochwald, also rund 2 000 Bäume, wovon jeder etwa zwei Tonnen wog. Und dann brauchte es 50 bis 80 Jahre, um diesen Bestand wieder aufzuforsten. Ein Schiff beanspruchte damit 20 Hektar für 50 bis 80 Jahre. Es ist daher kein Wunder, dass in England, dem Mutterland der Industrialisierung, zu dieser Zeit weite Teile des Waldbestandes allein für den Schiffbau abgeholzt wurden. Ältere und größere Bäume wurden selten. Das Holz für Schiffsmasten kam zunehmend aus Skandinavien und Russland, während Material für die Planken weiterhin im Inland geschlagen werden konnte.

Agrargesellschaften waren komplett auf Sonnenenergie angewiesen. Erst später, in agrarindustriellen Systemen, kamen Kunstdünger oder Diesel für den Traktor aus fossilen Quellen hinzu. Solange dies aber nicht geschah, war die Abhängigkeit von der Fläche und vom Sonnenlicht komplett. Wenn Holz knapp wurde, musste man es importieren, nämlich von anderen Flächen. Oder man forstete den Wald wieder auf, dann konnte man dort aber kein Getreide mehr anbauen. Wenn fließendes Wasser genutzt werden sollte, musste man häufig Staudämme anlegen, Wiesen und Felder, die vordem für die Nahrungsmittelproduktion benötigt wurden, standen unter Wasser.

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