Das Recht katholischer Laien auf Anerkennung ihrer bürgerlichen Freiheiten (c. 227 CIC / c. 402 CCEO)

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2.1.3.1 Laienbegriff(e) von CIC und CCEO

Anders als der CCEO von 1990177 enthält der CIC von 1983 keine Legaldefinition des Laien178, sondern mit der Nominaldefinition des c. 207 § 1 lediglich „eine Art Sprachregelung“179. Demnach gibt es in der Kirche unter den Gläubigen kraft göttlicher Weisung geistliche Amtsträger, die im Recht auch Kleriker genannt werden, während alle übrigen Gläubigen auch „Laien“ heißen (c. 207 § 1). Kleriker wird ein Mann durch die Diakonenweihe (c. 266). Durch das untilgbare Prägemal, das er dabei empfängt, wird er erstmalig dazu geweiht und bestimmt, entsprechend seiner „jeweiligen Weihestufe dem Volk Gottes unter einem neuen und besonderen Titel zu dienen“ (c. 1008 § 1)180. Laien i. S. v. c. 207 § 1 sind demnach all jene Katholik(inn)en181, die „durch die Taufe Christus eingegliedert, zum Volke Gottes gemacht und dadurch auf ihre Weise des priesterlichen, prophetischen und königlichen Amtes Christi teilhaft geworden sind“ (c. 204 § 1), aber niemals das Weihesakrament empfangen haben.182 Dieser sakramententheologische Laienbegriff entspricht dem des CIC/1917.183 Er ist negativ bestimmt und dient im geltenden Gesetzbuch der latei nischen Kirche zur Unterscheidung jener beiden Stände, die kraft göttlichen Rechts zur hierarchischen Verfasstheit der Kirche gehören184: Laien sind Gläubige ohne Weihe, also Nichtkleriker.185 In Theologie wie Kanonistik ist diese negativ geprägte, weil auf den Nichtempfang einer Weihe abstellende sakramententheologische Bestimmung des Laien kritisiert worden.186 Es handle sich um einen „technischen Hilfsbegriff“187, der als solcher entbehrlich sei: Er sage nichts aus, was nicht schon im Begriff des christifidelis enthalten sei.188 Tatsächlich erscheint die Sendung der Laien als den kirchlich-strukturell von den geistlichen Amtsträgern zu unterscheidenden Kirchengliedern ohne Weihe nach dem CIC von 1983 als „eine unspezifische, da sie über die allgemeine und grundsätzliche Sendung jeder und jedes Gläubigen gemäß c. 204 nicht hinausgeht.“189 Die bereits erwähnte theologische wie inhaltliche Kritik am neu in den CIC eingefügten Katalog von Laienpflichten und -rechten190 ist nicht zuletzt vor diesem Hintergrund zu verstehen.

Allerdings verwendet der CIC/1983 den Ausdruck „Laie“ (laicus) keineswegs ausschließlich im Sinne des verfassungsrechtlichen bzw. sakramententheologischen Laienbegriffs gemäß c. 207 § 1. Mehrfach nennt er auch jene Gläubigen „Laien“, die weder dem Klerikernoch dem Ordensstand angehören.191 Damit verwendet der kirchliche Gesetzgeber faktisch den sogenannten typologischen Laienbegriff von LG 31, der die Laien aufgrund ihres besonderen „Weltcharakters“ (indoles saecularis) positiv von Klerikern und Ordensleuten unterscheidet.192 Zwar enthält der CIC/1983 weder eine ausdrückliche Definition des Laien als „Weltlaie“ noch verwendet er den Begriff indoles saecularis.193 Entsprechende Entwürfe haben sich während der Codexrevision in der Studiengruppe „De laicis“ nicht durchgesetzt.194 Jedoch liegt der typologische Laienbegriff nicht nur o. g. Canones, die den Ausdruck „Laie“ zur Abgrenzung von Klerikern und Ordensleuten verwenden, sondern auch weiteren Bestimmungen des geltenden Codex zugrunde.195 Auch das II. Vatikanische Konzil hat allerdings bewusst nicht eine theologische Definition des Laien formuliert.196 Stattdessen haben sich die Konzilsväter für eine typologische Beschreibung entschieden197, bei der es sich wie bei der Begriffsbildung um eine Form der Abstraktion handelt: „Sie hat das Ziel, eine konkret wahrnehmbare Wirklichkeit in ihrer zugehörigen Ordnung näher zu bestimmen, benennen und in der Abgrenzung zu anderen, ähnlichen Wirklichkeiten orten zu können.“198 In diesem Sinne heißt es in LG 31b, den Laien sei „der Weltcharakter in besonderer Weise eigen“ (Laicis indoles saecularis propria et peculiaris est).199 Er kommt ihnen nicht exklusiv zu, da auch die vom CIC „Weltkleriker“ (clericus saecularis)200 genannten Angehö- rigen des Klerikerstandes in der Welt leben.201 Gleichwohl ist der den typologischen Laienbegriff prägende Weltcharakter „a substantial and characteristic element which cannot be nor should be fully given […] to the other categories of the faithful, i.e. clerics and religious“202.

Nachdem die VII. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode vom 1.- 30. Oktober 1987 über die „Berufung und Sendung der Laien in Kirche und Welt“ beraten hatte203, würdigte Papst Johannes Paul II. den typologischen Laienbegriff in seinem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben „Christifideles laici“ auch in seiner theologischen Qualität: LG 31 sei die Antwort des Konzils auf die Frage „Wer sind die Laien?“.204 Dem Anliegen der Synodenväter entsprechend, den Weltcharakter der Laien „nicht nur im soziologischen, sondern muß auch im theologischen Sinn“205 zu betrachten, heißt es im Schreiben „Christifideles laici“ mit Verweis auf LG 31: „So stellen das In-der-Welt-Sein und In-der-Welt-Handeln für die Laien nicht nur eine anthropologische und soziologische Gegebenheit dar, sondern auch und vor allem eine spezifisch theologische und kirchliche.“206 Der Ort der Laien in der Kirche müsse grundsätzlich durch ihren Weltcharakter charakterisiert werden.207 Damit ist die typologische Beschreibung der Laien durch das Konzil im nachkonziliaren päpstlichen Lehramt zumindest näher an eine theologische Wesensdefinition herangerückt.208

Es kann insofern nicht überraschen, dass der 1990 von Papst Johannes Paul II. in Kraft gesetzte Codex für die katholischen Ostkirchen eine Legaldefinition des Laien nicht mehr vermeidet, sondern in c. 399 CCEO normiert: „Unter der Bezeichnung Laien werden in diesem Codex die Christgläubigen verstanden, denen der Weltcharakter in besonderer Weise eigen ist und die, indem sie in der Welt leben, an der Sendung der Kirche teilhaben und weder dem Weihestand angehören noch in den Religiosenstand aufgenommen sind.“209 Den sakramententheologischen Laienbegriff i. S. v. c. 207 CIC verwendet der CCEO demgemäß nicht: Nach c. 323 § 2 CCEO unterscheiden sich die Kleriker durch ihre Weihe zwar kraft göttlicher Einsetzung von den übrigen christifideles. Anders als gemäß c. 207 CIC werden diese Gläubigen ohne Weihe im CCEO aber nicht Laien genannt.210

Auch der Weltkatechismus von 1997211 setzt den typologischen Laienbegriff voraus. Er übernimmt das entsprechende Zitat aus LG 31a als Nominaldefinition: „Unter der Bezeichnung Laien werden hier alle Christgläubigen verstanden außer den Gliedern des Weihestandes und des in der Kirche anerkannten Ordensstandes, die Christgläubigen also, die, als durch die Taufe Christus einverleibte, zum Volk Gottes gemacht und des priesterlichen, prophetischen und königlichen Amtes Christi auf ihre Weise teilhaftig geworden, entsprechend ihrem Anteil die Sendung des ganzen christlichen Volkes in der Kirche und in der Welt ausüben“ (KKK 897).212 Gegenläufig dazu zitiert der Katechismus allerdings auch c. 207 §§ 1 und 2 CIC (vgl. KKK 871. 934). Dies kann redaktionsgeschichtlich bedingt sein213, führt im Ergebnis jedoch dazu, dass im Weltkatechismus parallel zur typologisch geprägten Definition des Laienbegriffs auch der sakramententheologische Laienbegriff belegt ist.

2.1.3.2 Bezug zur Laienpflicht nach c. 225 § 2 CIC bzw. c. 401 CCEO

In beiden Gesetzbüchern der römisch-katholischen Kirche korrespondiert dem Recht der Laien auf Freiheit in den bürgerlichen Angelegenheiten (c. 227 CIC; c. 402 CCEO) eine auf die Weltgestaltung bezogene besondere Laienpflicht (c. 225 § 2 CIC; c. 401 CCEO).214 Durch die Legaldefinition des c. 399 CCEO ist für den Bereich der katholischen Ostkirchen klar: Das Recht auf die bürgerlichen Freiheiten gemäß c. 402 CCEO kommt Klerikern und Religiosen215 nicht zu. Im Gegenzug sind nur die „Weltlaien“, die Laien im typologischen Sinn, „aufgrund ihrer eigenen Berufung“ besonders verpflichtet, „durch die Gestaltung und gottgemäße Ordnung der zeitlichen Dinge das Reich Gottes zu suchen und deshalb im privaten, familiären und politisch-sozialen Leben Zeugen für Christus zu sein und ihn anderen offenbar zu machen, sich für gerechte Gesetze in der Gesellschaft einzusetzen und, erfüllt von Glauben, Hoffnung und Liebe, nach Art des Sauerteigs zur Heiligung der Welt beizutragen“ (c. 401 CCEO).

Gilt dies im Rechtsbereich der lateinischen Kirche entsprechend? Oder können sich alle Nicht-Kleriker gleichermaßen auf das in c. 227 CIC verbürgte Freiheitsrecht berufen? Hätten dann außer den Weltlaien auch jene Frauen und nicht ordinierten Männer, die dem Stand des geweihten Lebens angehören216, die „besondere Pflicht, […] die Ordnung der zeitlichen Dinge im Geiste des Evangeliums zu gestalten und zur Vollendung zu bringen und so in besonderer Weise bei der Besorgung dieser Dinge und bei der Ausübung weltlicher Aufgaben Zeugnis für Christus abzulegen“ (c. 225 § 2)?

Durch die direkte Zuordnung der cc. 401f. CCEO wird, wie Elisabeth Braunbeck zu Recht anmerkt, der „innere Zusammenhang“ des Rechts auf Freiheit in den bürgerlichen Angelegenheiten „mit der spezifisch laikalen Stellung und Sendung deutlicher […] als im CIC“217. Gleichwohl erkennt die herrschende Meinung einen Zusammenhang auch im Gesetzbuch der lateinischen Kirche.218 Einige sehen dabei in c. 227 CIC kaum mehr als eine Verstärkung bzw. Ergänzung der grundlegenden Aussage des c. 225 § 2 CIC über die Weltgestaltungspflicht der Laien219: Der Canon verbürge „das Recht auf die notwendige Freiheit, um diese Sendung auf angemessene Weise erfüllen zu können“220. Er normiere die Rahmenbedingungen des Laienapostolates gemäß cc. 225 und 226.221 Für andere dagegen ist die Anerkennung des Rechts auf Freiheit in den bürgerlichen Angelegenheiten „nicht nur eine Konsequenz aus der besonderen Pflicht der Laien, im zeitlichen Bereich zu handeln, sondern geschieht in der Logik der konziliaren Idee der Beziehungen der Kirche zur politischen Gemeinschaft.“222 In jedem Fall verbindet die cc. 225 § 2 und 227 inhaltlich der gemeinsame Bezug zur spezifisch laikalen Aufgabe, das irdische Gemeinwesen zu gestalten.223

 

Verschiedene Kommentatoren setzen für den gesamten Pflichten- und Rechtekatalog der cc. 224-231 den typologischen Begriff des „Weltlaien“ voraus.224 Aber auch wo dies nicht geschieht, gilt c. 225 § 2 als klassischer Beleg für seine Verwendung des typologischen Laienbegriffs im CIC.225 Der am Beginn des Laienkatalogs stehende c. 225 § 1 geht kaum über eine Bekräftigung von c. 211 für die Laien hinaus226, und nach Aymans könnte auch c. 225 § 2 als Gemeinpflicht aller Gläubigen formuliert sein: Die Klausel „jeder gemäß seiner eigenen Stellung“ (unusquisque quidem secundum propriam condicionem) impliziere schließlich „die notwendige Anpassungsfähigkeit auch im Hinblick auf Kleriker und Ordensleute […], die vielfältig – zumal im sozialen, karitativen und erzieherischen Bereich – Aufgaben von weltlichem Belang ausüben.“227 Allerdings, so Aymans, habe der Gesetzgeber hier „offensichtlich die besondere Verpflichtung der ‚Weltlaien‘ hervorheben“228 wollen. Auch wenn der Gesetzgeber die Lehre von der indoles saecularis gemäß LG 31 nicht explizit übernommen hat229, ist unstreitig, dass c. 225 § 2 von einem entsprechend auf die „Weltlaien“ eingeschränkten Laienbegriff ausgeht: „Anders läßt sich dieser Paragraph nicht interpretieren: Auch wenn die Klausel ‚und zwar jeder gemäß seiner eigenen Stellung (condicio)‘ unter anderem auf die Stellung des geweihten Lebens zu beziehen ist, muß man zugeben, daß es nicht zur ‚besonderen Pflicht‘ von Religiosen gehört, auf dem Weg der direkten Weltgestaltung Zeugnis für Christus abzulegen.“230

Wenn der kirchliche Gesetzgeber die Weltgestaltungspflicht in c. 225 § 2 also als officium peculiaris der Weltlaien normiert und auch das damit korrespondierende Freiheitsrecht nach dem Wortlaut von c. 227 nur für Laien gilt, liegt nahe: Auch in c. 227 geht es um Laien im typologischen Sinn, also um ein Recht ausschließlich der Weltlaien. So zählt etwa Corecco die cc. 225 § 2 und 227 ausdrücklich zu „den wenigen Normen […], die sich auf jenen Bereich ihrer Mitverantwortung beziehen, der ihre weltlich bestimmte Definition (LG 31,2) zur unmittelbaren theoretischen Voraussetzung hat.“231 Für Gerosa lassen sich sogar nur die Weltgestaltungspflicht von c. 225 § 2 und das Freiheitsrecht des c. 227 „ausschließlich Laien kraft ihres Weltcharakters zuschreiben“232.

Das Recht auf Freiheit in den bürgerlichen Angelegenheiten, das c. 402 CCEO aufgrund der Legaldefinition des Laien in c. 399 CCEO eindeutig als Recht jener Gläubigen normiert, die weder Kleriker sind noch dem Stand des geweihten Lebens angehören, ist also auch nach dem Gesetzbuch der lateinischen Kirche inhaltlich eng verbunden mit der entsprechenden Pflicht, die Ordnung der zeitlichen Dinge im Geiste des Evangeliums zu gestalten (c. 225 § 2 CIC; vgl. c. 401 CCEO). Sowohl Recht als auch Pflicht stehen in engem Zusammenhang mit jener indoles saecularis, die nach LG 31b in besonderer Weise den sogenannten „Weltlaien“ eigen ist. Nur ihnen kommt daher auch das von c. 227 CIC verbürgte Freiheitsrecht zu.233 Das bedeutet im Umkehrschluss: Auch wenn ein Kleriker oder Religiose vorübergehend „eine Aufgabe mit weltlichem Charakter ausübt, kann er nicht die von c. 227 geschützte Freiheit beanspruchen. Für ihn bleibt diese Freiheit ein Zugeständnis, während sie für die Laien bei der Befassung mit den weltlichen Dingen ein Konstitutivum ihrer Berufung ist.“234

2.1.4 Standesbedingte Einschränkungen für Kleriker und Ordensleute

Der bisherige Befund wird gestützt durch die rechtlichen Grenzen, die der kirchliche Gesetzgeber einer freien Betätigung von Klerikern und Religiosen in den Angelegenheiten des irdischen Gemeinwesens setzt.235

2.1.4.1 Einschränkungen für Kleriker

Kleriker müssen sich von allem gänzlich fernhalten, was sich für ihren Stand nicht geziemt, und alles meiden, was dem Klerikerstand fremd ist, auch wenn es die Grenze des Ungebührlichen nicht überschreitet (c. 285 §§ 1 u. 2 CIC; c. 382 CCEO).236 Bis auf die ständigen Diakone237 ist es nach universalkirchlichem Recht allen Klerikern verboten, öffentliche Ämter zu übernehmen, die eine Teilhabe an der Ausübung weltlicher Gewalt mit sich bringen (c. 285 § 3 CIC; c. 383 n. 1 CCEO). Dieses Verbot richtet sich v. a. „gegen die Übernahme staatspolitischer Ämter auf allen Ebenen, z. B. Abgeordnetenmandate und Regierungsämter, umfaßt aber auch staatliche Ämter in der Rechtsprechung und in der kommunalen Verwaltung.“238 Nach c. 287 § 2 CIC und c. 384 § 2 CCEO dürfen Kleriker zudem weder in politischen Parteien aktiv sein noch sich an der Leitung von Gewerkschaften beteiligen.239 Sie dürfen ohne Erlaubnis ihres Ordinarius kein Laienvermögen verwalten und keine weltlichen Ämter übernehmen, wenn für sie daraus die Pflicht zur Rechnungslegung erwächst (z. B. Vormundschaft, Pflegschaft oder Betreuung240), sie dürfen keine Bürgschaften übernehmen und keine abstrakten Schuldverschreibungen ausstellen (c. 285 § 4 CIC).241 Ein Gewerbe auszuüben oder Handel zu treiben ist Klerikern ohne Erlaubnis der rechtmäßigen kirchlichen Autorität ebenso verboten (c. 286 CIC; c. 385 § 2 CCEO)242 wie die freiwilllige Meldung zum Militärdienst (c. 289 § 1 CIC; c. 383 n. 2 CCEO).243 Wo sie aufgrund des weltlichen Rechts, durch Staat-Kirche-Vereinbarungen (z. B. Konkordate) oder aufgrund des Gewohnheitsrechts von Aufgaben und öffentlichen weltlichen Ämtern, die dem Klerikerstand fremd sind, freigestellt werden können, müssen sie davon Gebrauch machen, wenn nicht der eigene Ordinarius im Einzelfall anders entscheidet (c. 289 § 2 CIC; vgl. c. 383 n. 3 CCEO).244

Dieses Set von Normen regelt und begrenzt das innerweltliche Handeln von Klerikern. Der kirchliche Gesetzgeber flankiert die allgemeine Klerikerpflicht, sich von Standeswidrigem fernzuhalten und Standesfremdes zu meiden, indem er Betätigungsfelder bzw. Verhaltensweisen für Kleriker verbietet, die als laienspezifisch gelten können245: Zumindest Priester, Bischöfe und transitorische Diakone sollen im Regelfall keine Funktionen und Ämter übernehmen, die nicht zu ihrem eigentlichen Aufgabenbereich gehören und davon ablenken bzw. -halten.246 Wenn sie z. B. im finanziellen Bereich übernommene Verpflichtungen nicht erfüllen können, würde dies dem Ansehen des Klerikerstandes schaden.247 Entsprechendes gilt für Handel und Gewerbe, die mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben werden248, und für die Beschräkungen eines gesellschaftlich-politischen Engagements von Klerikern: „Die Übernahme weltlicher Ämter kann Folgen nach sich ziehen, die mindestens unerwünscht, dem Klerikerstand fremd und der Sendung der Kirche möglicherweise abträglich sind.“249 In diesem Bewusstsein hatte schon 1922 die Päpstliche Kommission zur Interpretation des CIC geraten, die Erteilung einer Erlaubnis durch den Apostolischen Stuhl zur Übernahme eines Abgeordnetenmandates durch Kleriker eher zu erschweren als zu erleichtern.250 Es bestehe, so Mörsdorf, „die Gefahr, daß der in das öffentliche politische Leben verstrickte Geistliche an Ehre und Gewissen Schaden nimmt, sich Anfeindungen aussetzt, den geistlichen Beruf vernachlässigt, die Seelsorge mit Parteipolitik verquickt und Katholiken anderer politischer Richtung abstößt.“251

Schließlich, so das Priesterdokument der Bischofssynode von 1971 unter Berufung auf GS 42252, beziehe sich die besondere, ihm von Christus anvertraute Sendung des Priesters, „nicht auf das Politische, das Wirtschaftliche oder Soziale, sondern ist religiösen Gehalts“253. Mit dieser Klarstellung habe die Synode „auf mannigfache Bestrebungen“ unter den damaligen Priestern geantwortet, „sich um jeden Preis weltliche Kompetenzen zu verschaffen, in weltlichen Berufen zu arbeiten, sich mit der Welt zu vermischen, um sie von innen her zu heiligen“254. Wo unterschiedliche politische oder wirtschaftliche Entscheidungen legitim seien, hätten die Priester durchaus wie alle Bürger das Recht, eine eigene Wahl zu treffen, so die Synode. Weil aber politische Entscheidungen ihrem Wesen nach relativ seien und das Evangelium niemals vollkommen interpretieren könnten, solle „der Priester als der Zeuge der künftigen Welt eine gewisse Distanz zu jedem politischen Amt oder Einsatz wahren.“255

Ähnlich hat auch die Kleruskongregation in ihrer Erklärung „Quidam Episcopi“ vom 8. März 1982 betont: Zusammenschlüsse von Klerikern, die in irgendeiner Weise politische Ziele verfolgen, seien mit dem Klerikerstand nicht vereinbar. Durch ein aktives politisches Engagement von Klerikern würden die priesterliche Sendung und die kirchliche Gemeinschaft gefährdet.256 Denn obwohl, so das Direktorium für Dienst und Leben der Priester vom 31. Januar 1994 unter Bezug auf die o. g. Erklärung, „diese Dinge in sich gut sind, so sind sie doch dem Stand der Kleriker nicht angemessen, insofern sie eine schwere Gefahr der Spaltung der kirchlichen Gemeinschaft darstellen können.“257 Wie Jesus müsse daher „der Priester ‚darauf verzichten, sich in Formen aktiver Politik zu betätigen, vor allem wenn dies fast unvermeidlich auf nur einer Seite geschieht, damit er als Mensch aller seine Schlüsselstellung hinsichtlich spiritueller Brüderlichkeit behalten kann‘. Jeder Gläubige muß daher jederzeit zum Priester hingehen können, ohne sich jemals aus irgendeinem Grund ausgeschlossen fühlen zu müssen.“258

2.1.4.2 Einschränkungen für Religiosen undMitglieder von Gesellschaften des apostolischen Lebens

Wie Kleriker sind auch Religiosen259 bei der Verwirklichung bürgerlicher Freiheiten im gesellschaftlich-politischen Bereich eingeschränkt: In den katholischen Ostkirchen gelten die gemeinrechtlich statuierten Klerikerpflichten generell auch für ">Religiosen, wenn nicht im Recht etwas anderes vorgesehen ist oder sich dies aus der Natur der Sache ergibt (c. 472 CCEO). In der lateinischen Kirche gelten für Religiosen aufgrund der Verweisnorm des c. 672 CIC u. a. die Klerikerpflichten der c. 285 §§ 1 und 2 CIC (standeswidriges bzw. -fremdes Verhalten) und c. 289 § 2 CIC (Freistellung von standesfremden Aufgaben und öffentlichen Ämtern, die mit der Ausübung weltlicher Gewalt verbunden sind) sowie die Verbote der c. 285 §§ 3 und 4 CIC (öffentliche Ämter, Laienvermögen, Ämter mit Rechnungslegung, Bürgschaften, Schuldverschreibungen), c. 286 CIC (Gewerbe und Handel), c. 287 § 2 CIC (Parteien und Gewerkschaften) und c. 289 § 1 CIC (Militärdienst).260 Denn wie die priesterliche Existenz den ganzen Menschen betrifft und nicht zwischen Beruf und Privatsphäre getrennt werden kann, gilt dasselbe analog für die Lebensweihe der Religiosen.261 Dasselbe gilt für die Mitglieder von Gesellschaften des apostolischen Lebens. Sie sind daher ohne Einschränkung an die allgemeinen Klerikerpflichten gebunden, falls nicht aus der Natur der Sache oder dem Textzusammenhang etwas anderes feststeht (c. 739 CIC).

Mitglieder eines Religioseninstituts, die aufgrund ihrer Profess in spezifischer Weise die Sendung der Kirche verkörpern, und Angehörige von Gesellschaften des apostolischen Lebens, die dies durch förmliche oder implizite Rätebindung tun262, unterliegen also wie Kleriker hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichpolitischen Betätigung „nachhaltige[n] kirchenrechtliche[n] Anforderungen. Diese sind letztlich Konsequenz der Eigenständigkeit der kirchlichen Heilssendung gegenüber den Aufgaben des Staates und den Wirkungsmechanismen der profanen Gesellschaft.“263

Anders verhält es sich bei den Laienmitgliedern von Säkularinstituten. Im Gegensatz zu Religioseninstituten, für deren Mitglieder das für Christus und die Kirche abzulegende Zeugnis nach c. 607 § 3 CIC eine nach Eigenart und Zweck des jeweiligen Institutes geprägte „Trennung von der Welt“ (separatio a mundo) mit sich bringt264, leben Mitglieder von Säkularinstituten „in der Welt“ (in saeculo) und bemühen sich um deren Heiligung „vor allem von innen her“ (c. 710 CIC)265. Die Laienmitglieder haben dabei „in der Welt und aus der Welt heraus Anteil am Verkündigungsdienst der Kirche sowohl durch das Zeugnis eines christlichen Lebens und der Treue zu ihrer Weihe als auch dadurch, daß sie dazu beitragen, die zeitlichen Dinge gottgemäß zu ordnen und die Welt in der Kraft des Evangeliums zu gestalten“ (c. 713 § 2 Satz 1 CIC). Laienmitglieder von Säkularinstituten haben also dieselbe Aufgabe, die nach c. 225 § 2 den Weltlaien zukommt266, denn sie bleiben Laien: „Das Mitglied eines Säkularinstituts ändert kraft seiner Weihe nicht seine eigene kanonische Stellung als Kleriker oder Laie im Volke Gottes“ (c. 711 CIC).267

 

Die im typologischen Sinn des Begriffs laienspezifische Formulierung von c. 713 § 2 Satz 1 CIC sowie der Verweis in Satz 2 auf die den Laienmitgliedern eigene säkulare Lebensweise (propria vitae ratio saecularis) – die im Auftrag der DBK angefertigte deutsche Übersetzung spricht von „dem ihrer Lebensausrichtung eigenen Weltcharakter“ – zeigen: Laienmitglieder von Säkularinstituten bleiben nach geltendem Recht trotz Übernahme der evangelischen Räte Laien im typologischen Sinn, also Weltlaien i. S. v. LG 31.268 Sie unterliegen nicht den o. g. standesbedingten Einschränkungen bei der Verwirklichung bürgerlicher Freiheiten, die das lateinische Kirchenrecht für Kleriker, Religiosen und Angehörige von Gesellschaften des apostolischen Lebens statuiert.269 Falls nicht die Konstitutionen ihres Institutes anderes bestimmen270, können sich nicht geweihte Mitglieder eines Säkularinstituts also auf das den Weltlaien in c. 227 CIC zugesprochene Recht berufen und Freiheit in den Angelegenheiten des irdischen Gemeinwesens beanspruchen. Da für den Rechtsbereich der katholischen Ostkirchen ausdrücklich geregelt ist, dass Mitglieder von Säkularinstituten „Kleriker oder Laien bleiben, jeder in seinem Stand, was alle kanonischen Folgen betrifft“ (c. 563 § 1 n. 4 CCEO)271, gilt dieselbe Auskunft auch in Bezug auf c. 402 CCEO.

2.2 Ein Freiheitsrecht: Anerkennung der „libertas in rebus civitatis terrenae, quae omnibus civibus competit“

Wer sind nun die Adressaten von c. 227 CIC und c. 402 CCEO und wie ist das Recht der (Welt-)Laien auf Anerkennung ihrer bürgerlichen Freiheit in rebus civitatis terrenae inhaltlich zu bestimmen?

2.2.1 Adressat(en) der Norm

Aus dem Wortlaut geht – zumindest auf den ersten Blick – nicht eindeutig hervor, wen c. 227 dazu verpflichtet, die Freiheit der Laien in den bürgerlichen Angelegenheiten anzuerkennen. Im Schrifttum werden der bzw. die Adressat(en) der Norm unterschiedlich bestimmt. Manche Autoren verstehen c. 227 ausschließlich als Grenzziehung in Richtung des Staates, als Verbot einer Diskriminierung katholischer Bürger(innen).272 Andere vertreten die Ansicht, c. 227 sei „in gleicher Weise ein Appell an die außerkirchlichen gesellschaftlichen Kräfte wie eine Bindung der kirchlichen Autorität.“273 Eine dritte Meinung versteht c. 227 als ein ganz „ins Innere der Kirche, insbesondere auf die Beziehung von Laien und Hirten“274 gerichtetes Recht.275 Dass i. S. der ersten beiden Meinungen (auch) der Staat als Regelungsadressat gelte, sei mit der Wendung quae omnibus civibus competit zu erklären: Sie könne irrtümlich den Eindruck erwecken, es gehe um ein von der Kirche gegenüber Staat bzw. Gesellschaft reklamiertes Recht der Laien.276

Tatsächlich kann die Rede von der libertas, quae omnibus civibus competit dazu verleiten, einen Gleichberechtigungsanspruch der Kirche in Richtung des Staates zu vermuten. Vom Wortlaut des c. 227 ist eine solche Auslegung jedoch nicht gedeckt. Zwar beansprucht c. 113 § 1 Souveränität und Autonomie der Kirche gegenüber allen weltlichen Mächten277 und drückt der kirchliche Gesetzgeber diesen Anspruch im CIC durch die Formulierung subjektiver Rechte oder Machtbefugnisse aus, „die als unmittelbar in der Gründung der Kirche als societas perfecta enthalten oder als unmittelbare naturrechtliche Ansprüche daraus abgeleitet gelten.“278 Diese Autonomiebekundungen aber sind im Codex durch die Bezeichnung als ius nativum und/oder ius proprium (et exclusivum) bzw. die ausdrückliche Betonung der Unabhängigkeit von menschlicher oder staatlicher Gewalt markiert.279 Das Recht auf Freiheit in rebus civitatis terrenae wird sprachlich nicht in dieser Weise qualifiziert. Es eignet nach c. 227 zudem den christifideles laici, nicht der Kirche. Nur für die Kirche bzw. den Papst als ihr Oberhaupt gilt jedoch der in c. 113 § 1 grundgelegte Autonomieanspruch.

C. 227 verpflichtet nicht den Staat, sondern richtet seine Forderung nach Anerkennung der bürgerlichen Freiheitsrechte katholischer Laien ins Innere der Kirche. „Durch diesen Canon wird ein bürgerliches Recht aufgenommen in den Rahmen der kirchlichen Rechtsordnung, aber nicht als bürgerliches Recht, sondern […] als innerkirchliches“280. Die Laien haben demnach das Recht, dass die ihnen als Staatsbürger(inne)n zukommende Freiheit auch im kirchlichen Bereich beachtet und respektiert wird.281 Adressat dieses Rechtsanspruchs ist nicht nur, aber auch die kirchliche Hierarchie. C. 227 kann daher durchaus als eine gewisse „Selbstbeschränkung der kirchlichen Autorität“282 in dezidiert weltlichen Angelegenheiten verstanden werden, zumal der kirchliche Gesetzgeber im Katalog der Pflichten und Rechte der Kleriker eine dem Laienrecht von c. 227 korrespondierende Klerikerpflicht283 verankert hat: „Die Kleriker haben die Sendung anzuerkennen und zu fördern, welche die Laien, jeder zu seinem Teil, in Kirche und Welt ausüben“ (c. 275 § 2).284 Eine Beschränkung des Adressatenkreises von c. 227 auf die kirchliche Hierarchie285 lässt sich aus dem Wortlaut der Norm allerdings nicht begründen. Daher trifft die „Pflicht, die bürgerliche Freiheit der Laien zu respektieren, […] nicht nur die Hirten, sondern alle Gläubigen“286.

Auch dieser Befund wird durch die Textgeschichte bestätigt: Während der ersten Sitzungsperiode der Studiengruppe „De laicis“ (28. Nov. - 3. Dez. 1966) betonte ein Konsultur noch vor Beginn der Beratungen über den konkreten Textentwurf die Notwendigkeit einer eindeutigen Adressierung der Norm, um Verwirrung zu vermeiden. Das zu formulierende Laienrecht bestehe nicht gegenüber der staatlichen, sondern der kirchlichen Autorität. Diese habe – unbeschadet des Gehorsams, den die Laien der Lehre des Lehramtes schulden, – jene Freiheit zu achten, die den Laien in Politik, Beruf, Wirtschaft, Kunst oder anderen Bereichen des irdischen Gemeinwesens zukomme.287 Der Vorschlag, die Wendung ut ipsis agnoscatur durch ut ipsis a sacris Pastoribus agnoscatur zu ersetzen, fand jedoch keine Zustimmung. Es sei klar, dass über die Rechte der Laien in Bezug zur weltlichen Autorität im kanonischen Recht nichts ausgesagt werde.288

Während der Sessio II (16.-21. Okt. 1967) wurde erneut eine ausdrückliche Identifizierung der Normadressaten mit den sacres Pastores angeregt. Der Kommissionssekretär reagierte darauf mit dem Hinweis, das fragliche Recht bestehe nicht ausschließlich gegenüber den kirchlichen Hirten, sondern gegenüber allen in der Kirche.289 Die allgemeine Formulierung ut ipsis agnoscatur wurde daher als angemessen empfunden, die vorgeschlagene Eingrenzung unterblieb.

2.2.2 Beschränkung auf die „Angelegenheiten des irdischen Gemeinwesens“

Der durch cc. 227 CIC und 402 CCEO gesetzlich verbürgte Anspruch der (Welt-)Laien auf innerkirchliche Anerkennung ihrer bürgerlichen Freiheiten gilt nach dem Normtext für die res civitatis terrenae. Im Deutschen wird daher von der „Freiheit in den Angelegenheiten des irdischen Gemeinwesens“290 oder allgemein von „Freiheit in weltlichen Angelegenheiten“291 gesprochen.

2.2.2.1 Zur Bedeutung des Begriffs der res civitatis terrenae

Der Ausdruck res civitatis terrenae ist kodikarisch nur in c. 227 CIC und c. 402 CCEO belegt. Er lässt sich übersetzen mit „Dinge…“, „Wirklichkeiten…“ oder „Angelegenheiten des irdischen Gemeinwesens / der weltlichen Bürgerschaft“.292 Zur Bezeichnung der „irdischen“ bzw. „weltlichen Angelegenheiten“ hätte der Gesetzgeber auch allgemein von den res terrenae bzw. res temporales sprechen können. Daher wird der Sprachgebrauch von c. 227 bisweilen einschränkend verstanden: Das den Laien zugesprochene Freiheitsrecht betreffe „unter den vielfältigen ‚res terrenae‘ den spezifisch politischen Bereich, also den Bereich der Menschen- und Bürgerrechte und die Teilnahme am politischen Meinungsbildungsprozeß, etwa in Form parteipolitischen Engagements.“293