Spanische Lexikologie

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3.2 Grundbegriffe: Morphem, Allomorph, Basis etc.
3.2.1 Konstituentenanalyse: ausgewählte Beispiele

Die meisten Wörter, denen wir in Texten begegnen, lassen sich in kleinere Einheiten zerlegen; untersuchen wir die folgenden Beispiele: ilusionistas, descolgar, deseoso, por.

 ilusionistas: Unter der Bedingung, dass die Teile noch in irgendeiner Form eine “Bedeutung” haben sollen, ergibt die Zerlegung dieses Wortes drei Komponenten: ilusión, -ista und -s. Alle drei haben eine bestimmte Bedeutung, und nur diese Analyse des Wortes führt zu kleineren Einheiten, die die genannte Bedingung erfüllen. Eine weitergehende Analyse würde – auf der Ebene der Lautung – zu Phonemen, also bedeutungsunterscheidenden Einheiten führen. Die bedeutungstragenden Minimaleinheiten nennt man in der Regel Morpheme.1 Welche Bedeutung oder Funktion kann man nun diesen Komponenten zuschreiben? Als das Grund- oder Basismorphem trägt ilusión die lexikalische Bedeutung; es bildet den Ausgangspunkt für die Ableitung des Substantivs ilusionista. Das Morphem -ista ist offensichtlich dafür verantwortlich, dass die komplexe Bildung jemanden bezeichnet, der das realisiert, durchführt oder betreibt, was durch die Basis ausgedrückt wird, also einen Handelnden. Beim Vergleich mit anderen Substantiven auf -ista – z.B. violonista, fisioterapista, comentarista – ist zu erkennen, dass diese Bedeutung durchaus systematisch ist. Neben anderen Funktionen, die dieses Suffix hat, bildet man damit also sog. Nomina agentis. Die Endung -s schließlich hat keine Bedeutung im engeren Sinn, sie drückt nur die Kategorie PLURAL aus. Wenn man den Begriff Morphem dafür auch gelten lassen will, muss er erweitert werden: ‘kleinste bedeutungstragende oder funktionale Einheit’.

 descolgar: Hier ist die Morphemanalyse schon etwas komplizierter, weil nicht auf den ersten Blick klar ist, ob drei oder vier Komponenten vorliegen. Das Grundmorphem ist zweifelsohne in jedem Fall colg-. Allerdings könnte man die Frage stellen, ob die weiteren Morpheme (1) des-, -ar, d.h. Präfix mit der ungefähren Bedeutung ‘weg’ und Infinitivendung oder (2) des-, -a-, -r mit einer sog. Stammerweiterung (auch: Themavokal) und -r als Infinitivendung sind. Zwar ist bei der Stammerweitung keine Bedeutung nachweisbar, man kann ihr aber eine grammatische Funktion zuschreiben, da sie Ausgangspunkt für die Flexion (z.B. colgamos) und auch die Derivation (z.B. colgadura) ist. Andererseits kommt sie nicht in allen flektierten Formen vor, was dazu verleiten könnte, sie als Teil der Endung anzusehen (z.B. cuelgo, cuelguen). Bleiben noch zwei weitere Fragen: (a) Wie ist die Alternanz des Basismorphems zu interpretieren, die in einigen flektierten Formen von colgar und descolgar auftritt? (b) In welcher hierarchischen Beziehung stehen die einzelnen Glieder zueinander?In den stammbetonten Formen vieler Verben treten andere Vokale bzw. Diphthonge auf als in den nicht stammbetonten Formen. Dieses Phänomen lässt sich nur sprachhistorisch erklären, denn es hängt mit einem der charakteristischen Lautwandelprozesse des Spanischen zusammen, dem Wandel Ŏ > [we], der nur in betonten Silben auftritt: CŎLLŎCÁRE > vlat. CŎLGÁRE > sp. colgar vs. vlat. CŎ́LGO > sp. cuelgo.2 Alternanzen von Morphemen sind häufig und betreffen auch Konsonanten, z.B. indivisible vs. imbatible vs. irregular/ilimitado. Da diese Formen die gleiche Funktion haben und bedeutungsgleich sind, werden sie als Allomorphe, d.h. verschiedene Realisierungen eines Morphems, aufgefasst. Allomorphische Variation kann frei (z.B. delinea-mento = delinea-miento), phonologisch (unser obiges Beispiel) oder lexikalisch (moned-a vs. monet-ario) bedingt sein (cf. Schpak-Dolt 2012, 8f.).Spontan, dem modernen Sprecherbewusstsein folgend, würde man descolgar wohl so zerlegen: des- + colgar. Bei dieser Analyse müssten aber die Verbalformen als Ableitung der jeweils flektierten Form des Verbs colgar gelten, also des- + colgasen, des- + cuelguen usw. Als Ausgangspunkt der komplexen Form geht man deshalb von colg- aus, an das des- tritt, und diese Form wird dann flektiert. Als Klammerausdruck kann man das so darstellen [[des- [colg -a- ]] r] – übersichtlicher ist die Visualisierung als Baumdiagramm:

 deseoso: Im Unterschied zum Verb descolgar lässt sich dieses Adjektiv nicht in ein Präfix und eine Basis zerlegen. Was wie ein Präfix aussieht, ist in Wirklichkeit ein unabtrennbarer Teil des Substantivs deseo, von dem unter Tilgung des Auslautvokals mit -oso ein Adjektiv abgeleitet wird.

 por: Auf der Ebene der Wortbildung oder der Flexion kann dieses Wort nicht weiter zergliedert werden.

3.2.2 Typen von Morphemen

Aus den oben diskutierten Beispielen kann man die folgende Klassifikation von Morphemen ableiten:


frei gebunden
lexikalisch deseo; ilusión -oso; des-; -ista;
grammatisch por -s; -a-; -r

Freie lexikalische Morpheme und freie grammatische Morpheme fassen wir intuitiv als Wörter auf; erstere sind in jedem Fall Autosemantika, die eine volle kontextunabhängige Bedeutung aufweisen, letztere sind immer Synsemantika (grammatische Wörter, Funktionswörter): y, con, él, para usw. Freilich können aber auch Funktionswörter aus mehreren Morphemen bestehen.

Gebundene lexikalische Morpheme dienen der Wortbildung, während gebundene grammatische Morpheme Funktionen innerhalb der Flexion (Deklination, Konjugation, Komparation) haben.

Die gebundenen wie die freien grammatischen Morpheme bilden ein im Wesentlichen geschlossenes Inventar, das sich kaum verändert. Die lexikalischen Morpheme sind eine offene Klasse.

3.3 Verfahren der Wortbildung

Je nach theoretischem Standpunkt unterscheidet man verschiedene Verfahren der Wortbildung. Wir gehen im Folgenden von zwei Grundtypen aus: Derivation (Ableitung), in der wir einen Überbegriff für Suffigierung und Präfigierung sehen, und Komposition (Zusammensetzung). Daneben gibt es noch andere, quantitativ weniger bedeutende Bildungstypen, auf die wir am Schluss eingehen.

3.3.1 Derivation

Bei Derivationsprozessen, deren Ergebnisse Derivate heißen, wird eine Basis mit Hilfe von Derivationsaffixen erweitert. Bei der Präfigierung geht das Affix der Basis voran; bei der Suffigierung folgt es der Basis.

3.3.1.1 Bei der Suffigierung gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten: (a) durch den Derivationsprozess tritt keine Änderung der Wortart ein (homogene Derivation) und (b) das Derivat gehört einer anderen Wortart an als die Basis (heterogene Derivation).

1 Homogene Derivation: Zu dieser Gruppe gehören die qualifizierend-quantifizierenden Suffixe, z.B. -ito, -iño (nur regional), -illo; -azo, -ón, -ote: caballo + -itocaballito, blanco + -illoblanquillo, libro + -otelibrote, fácil + -ónfacilón ‘kinderleicht’. Z.T. haben augmentative Suffixe eine abwertende Nuance (z.B. cobardecobardón), deutlich pejorativ sind: -aco, -acho/a, -ucho/a, -uco/a, -ejo/a, -orrio, -astro. Mit der Verkleinerung (durch Diminutivsuffixe) verbindet sich meist eine positive Wertung. Der genaue semantische Gehalt dieser Suffixe hängt jedoch stark vom jeweiligen Kontext ab.Gelegentlich tritt zwischen Stamm und Suffix ein Fugenelement (auch: Interfix): mujercita, panecillo, corazoncillo, pueblecito usw.Bei diesen Suffixen, die man auch als Evaluativsuffixe bezeichnet, fällt generell auf, dass sich die Wortbildungsbedeutung und die Wortschatzbedeutung oft nicht decken, d.h. das Derivat muss nicht die Bedeutung haben, die aufgrund der Komponenten zu erwarten wäre: Die Diminutivbildungen bolsillo und bolsito bedeuten nicht einfach ‘kleine Tasche’ (Wortbildungsbedeutung) sondern ‘Tasche (in einem Kleidungsstück)’ bzw. ‘kleine (Hand-)Tasche’ (Wortschatzbedeutung). Auch mensajito illustriert dieses Phänomen sehr gut, da es nicht generell für eine kleine Botschaft steht, sondern auf eine kurze Mitteilung referiert, die man mit Hilfe eines Handys verschickt.Ein weiteres Merkmal dieser Bildungen ist, dass das Derivat in der Regel das Genus des Basiswortes behält.1Homogene Suffigierung gibt es aber auch mit anderen Suffixen; im Folgenden geben wir nur einige wenige Beispiele:N → N:vaca + -ada (Kollektivsuffix) → vacada ‘Rinderherde’; decano + -atodecanato; carta + -erocartero ‘Briefträger’; limón + -erolimonero2 ‘Zitronenbaum’; símbolo + -ismosimbolismoV → V:morder + -isc(ar)mordiscar ‘knabbern’; correr + -ete(ar)corretear ‘herumlaufen’; nevar + -isc(ar) → ‘leicht schneien’A → A:rojo + -izorojizo ‘rötlich’; mísero + -érrimomisérrimo; feo + -ísimofeísimo

 

2 Heterogene Suffigierung: Wir geben im Folgenden einige Beispiele für die häufigsten Transpositionen; je nach Basis spricht man von deverbalen, denominalen oder deadjektivischen Ableitungen:V → N:almacenar + -ajealmacenaje ‘Lagerung; Lagergebühr’; educar + -doreducador; ayudar + -nte > ayudante; dormir + -toriodormitorioA → N:pedante + -eríapedantería; humano + -ismohumanismo; agudo + -ezaagudezaV → A:agradar + -bleagradable (aktivische Bedeutung); lavar + -blelavable (passivische Bedeutung); tolerar + -ntetoleranteN → A:deseo + -osodeseoso; leche + -erolechero ‘Milch …’; escuela + -arescolar (Stammallomorphie);3 elemento + -alelementalA4 → Adv.:clara + -menteclaramenteN → V:verso + -ific(ar)versificar; boicote + -e(ar)boicotear, carbón + -iz(ar)carbonizarA → V:simple + -ific(ar)simplificar; estable + -iz(ar)estabilizar (Stammallomorphie); verde + -e(ar)verdear

3.3.1.2 Im Unterschied zur Suffigierung tritt bei der Präfigierung nie ein Wortartenwechsel ein. Da manche Präfixe auch als Präpositionen bzw. Adverbien frei vorkommen (a, ante, con, contra, en, entre, sobre, tras) wird die Präfigierung in der Literatur manchmal zur Komposition gezählt oder als zwischen Derivation und Komposition stehend betrachtet. So unterscheiden Berschin et al. (2012) z.B. zwischen Präpositionalkomposition (mit Beispielen wie entreacto, sobrecargar oder transnacional) und Präfigierung (im Rahmen der Derivation; Bsp.: panamericano, paramilitar, archifamoso etc.). Wir folgen hier vor allem aus beschreibungsökonomischen Gründen in der Darstellung Schpak-Dolt (2012, 106) und betrachten alle Fälle als Präfixbildungen im Rahmen der Derivation. Dies setzt die Annahme einer Homonymiebeziehung5 zwischen (freien) Präpositionen und (gebundenen) Präfixen voraus.

Die meisten Präfixe verbinden sich mit verschiedenen Wortarten. Von den gut 200 spanischen Präfixen, die Rainer (1993, 299–379) beschreibt, können wir hier nur die geläufigsten aufführen und mit Hilfe eines Beispiels grob nach ihrer semantischen Leistung klassifizieren, wobei viele der klassifizierten Präfixe natürlich auch andere Funktionen haben können:

 Negations-/Privativpräfixe: a- (mit Allomorph: an-; ahistórico, anorgánico); in- (mit Allomorphen: i-, im-; indisciplina, ilegal, imposible); anti- (anticonceptivo); contra- (contradecir); des- (Allomorphe: dis-, de-; desvalorizar, discontinuo, devaluar) etc.;

 Richtungspräfixe: a- (acorrer); retro- (retroactivo); en- (enterrar); re- (reexportar);

 Temporale Präfixe: pos(t)- (posponer); pre- (precolombino);

 Graduierungs-/Intensivierungspräfixe: hipo- (hipotensión); super- (superdenso); ultra- (ultraligero); sub- (subdesarrollo); archi- (archicatólico);

 Quantifizierende Präfixe: mono- (monocultivo); tri- (trimensual); poli- (policéntrico); pan- (panarabismo).

Diese Liste enthält auch zahlreiche Präfixoide, das sind ursprünglich griechisch-lateinische Vollwörter (meist Substantive und Adjektive), die im Spanischen in aller Regel nicht frei vorkommen. Deshalb kann man sie zur Präfigierung zählen. Beispiele: geo- (gr. ‘Erde’; geofísica), hidro- (gr. ‘Wasser’; hidro-avión), auto- (gr. ‘selbst’; autocensura), video- (lat. ‘ich sehe’; videoconferencia) usw. Aufgrund des erwähnten Vollwortcharakters werden solche Bildungen manchmal auch als Komposita klassifiziert (z.B. Thiele 1992, 110ff.).

3.3.1.3 Drei Sonderfälle im Zusammenhang mit der Derivation müssen noch erwähnt werden:

1 die regressive Derivation (oder Rückbildung), bei der aus einem morphologisch komplexen Wort durch Tilgung – und gegebenenfalls nachfolgende Anfügung eines anderen Wortbildungselements – ein neues Wort abgeleitet wird, z.B. legisladorlegislar; teledetecciónteledetectar;

2 die Konversion (oder Nullableitung), die zu einem Wortartenwechsel führt, ohne dass ein Flexionsaffix hinzutritt: deberel deber; buenolo bueno; derechoel derecho; entonces (Adv.) → entonces (A) usw. und

3 die parasynthetische Derivation, bei der gleichzeitig ein Präfix und ein Suffix an die Basis treten. Dies lässt sich daran erkennen, dass keine der Zwischenformen existiert: des- + alma- + -ado und nicht *desalma + -ado oder des- + *almado, analog enmohecer, atemorizar u.v.a. Eine parasynthetische Derivation ist allerdings nur dann anzunehmen, wenn andere (binäre) Konstituentenanalysen nicht möglich sind. Unter diesem Gesichtspunkt ist z.B. enriquecimiento nicht als Parasynthetikon zu interpretieren, sondern als regelmäßige deverbale Ableitung von enriquecer. Dieses Verb ist freilich parasynthetisch (en + rico + ec(er), weil *enrico und *riquecer).6

3.3.2 Komposition

Bei der Komposition treten zwei freie lexikalische Morpheme oder flektierte Formen zu einer größeren Einheit zusammen: sordo + mudosordomudo ‘taubstumm’; guardar + barreraguardabarrera ‘Bahnwärter’; pelo + rojopelirrojo ‘rothaarig’; hombre + ranahombre-rana ‘Froschmann’; por + venirporvenir ‘Zukunft’ usw. Als Erst- und Zweitkonstituenten kommen alle Wortarten vor; besonders häufig sind Substantive, Adjektive und Verben. In einigen Fällen treten Fugenelemente auf (z.B. -i- in pelirrojo).1

Anhand der Beispiele sordomudo und hombre-rana kann man die beiden grundlegenden Beziehungen zwischen den Komponenten von Komposita beschreiben: (a) koordinativ: sordomudo bedeutet das gleichzeitige Vorhandensein der durch die Adjektive ausgedrückten Eigenschaften, (b) subordinativ: in hombre-rana ist das zweite dem ersten Nomen untergeordnet und bestimmt dieses näher. Diese Einteilung in koordinative (Kopulativ-) Komposita und subordinative (Determinativ-) Komposita ist sehr grob, wie die folgenden Beispiele zeigen, in denen das Verhältnis zwischen den Komponenten der N+N-Komposita durch eine Paraphrase verdeutlicht wird (cf. Zierer 1993, 120f.):

alumno problema: N1 ist N2

vestido sastre: N2 ist der Urheber von N1

viaje relámpago: N1 hat ein wesentliches Merkmal von N2

radio periódico: N1 dient als Medium oder Instrument für N2

papel periódico: N1 ist für N2 bestimmt

decreto ley: N1 hat die Wirkung von N2

usw.

Im Vergleich zum Deutschen sind echte Komposita im Spanischen relativ selten; in vielen Fällen behalten die spanischen Komposita gewisse Eigenschaften von freien Kombinationen bei, insbesondere, wenn die zugrundeliegenden Beziehungen syntaktisch interpretiert werden können. Dies gilt insbesondere für Bildungen des Typs N + N,2 N + A und A + N. Während z.B. Komposita des Typs V + N oder A + A vollständig verschmolzen sind und die Pluralmarkierung daher am Ende der neu entstandenen lexikalischen Einheit erfolgt, zeigen die erwähnten Kompositionstypen ein sehr uneinheitliches Verhalten: contestador automático ‘Anrufbeantworter’ markiert den Plural an beiden Konstituenten, ricadueña ebenfalls, obwohl es im Unterschied zum ersten Beispiel nur eine Akzentstelle hat und auch graphisch verschmolzen ist; das nach dem gleichen Prinzip gebildete caradura wiederum bildet den Plural “regelmäßig” (caraduras), obwohl formal der gleiche Verfestigungsgrad festzustellen ist (eine Akzentstelle, graphische Amalgamierung). Diese Unterschiede korrelieren nicht mit der Bedeutungsstruktur der Komposita und betreffen gleichermaßen endozentrische wie exozentrische Komposita.

Mit diesen Begriffen beschreibt man den Umstand, dass im ersten Fall die Bildung das bezeichnete Objekt auch formal ausdrückt und das Determinatum die grammatische Kategorie, das syntaktische Verhalten und die Distribution festlegt, während im zweiten Fall keine Komponente auf das Denotat hinweist, cf. hombre-rana ‘Froschmann’ vs. piel roja ‘Indianer’: Ein hombre-rana ist ein hombre, das Kompositum übernimmt von dieser Komponente die syntaktischen und kategoriellen Merkmale; piel roja bezeichnet keine spezifische Form von Haut und erhält weder das Genus noch die Distribution von piel.

Ein im Spanischen – und den romanischen Sprachen generell – häufigerer Wortbildungstyp sind die sog. syntagmatischen Komposita des Typs N + P (+Art.) + N: viga de acero, libro de bolsillo, balanza del poder usw. Auch deren syntaktisches Verhalten variiert, was man deutlich erkennt, wenn man sie modifizieren will: libro estupendo de cocina vs. *libro estupendo de bolsillo vs. libro de bolsillo estupendo; caballo negro de carrera vs *mano cara de obra. Bei diesem Typ scheint die Semantik (transparent/kompositionell vs. nicht transparent) eine Rolle für die Modifizierbarkeit zu spielen (cf. Cartagena/Gauger 1989 II, 79).

Einen Sonderfall stellen gelehrte Komposita dar, da hier ein Grundmerkmal fehlt: Die Komponenten kommen in der Regel nicht frei vor. Beispiele aus griechisch-lateinischem Material wären: geólogo (gr.-gr.), democracia (gr.-gr.), radiólogo (lat.-gr.), polivalencia (gr.-lat.) uvam. Aufgrund des reihenbildenden Charakters sowie des nur gebundenen Vorkommens der Komponenten werden Wortbildungsprodukte mit tele-, bio-, -logo etc. von vielen Morphologen im Kontext der Derivation behandelt (cf. Kapitel 3.3.1.2).

3.3.3 Andere Verfahren

Neben Derivation und Komposition existieren noch verschiedene, quantitativ weniger bedeutende Verfahren der Wortbildung.

Im weiteren Sinne als syntagmatisch kann man auch die Univerbierung bezeichnen, da sich dabei ebenfalls Phrasen verfestigen: nomeolvides ‘Vergissmeinnicht’, enhorabuena ‘Glückwunsch’, pagaré ‘Schuldschein’ etc.

Die Wortkürzung kann am Ende (Apokopierung, Kopfformen) oder am Anfang (Aphärese, Schwanzformen) der Basiseinheit erfolgen; es kommen auch Bildungen vor, die Elemente aus dem vorderen und dem hinteren Teil der Basis bzw. der Basen kombinieren und bei denen dazwischenliegende Morpheme ausfallen (Kontraktionen, Wortkreuzungen):

 Apokopierungen: cinecinema; kilokilograma; radioradiotelefonía etc. Manche Kurzformen sind umgangssprachlich oder gruppenspezifisch (Jugendsprache; cf. Montero 2013): profeprofesor; manimanifestación; bicibicicleta. Bei der Kürzung kann es zu einer Bedeutungsdifferenzierung kommen; so bedeutet taxímetro, die Vollform von taxi, heute nur mehr ‘Fahrpreisanzeiger’ (cf. Thiele 1992, 128).

 

 Aphäresen sind in der Gemeinsprache relativ selten: busautobus; fono ‘Hörer’ ← teléfono

 Kontraktionen: helipuertohelicóptero + aeropuerto; docudramadocumento + drama

Die Bildung von Siglen und Akronymen (Initialwörtern) ist ein Ausdruck von Sprachökonomie. Mit Rainer (1993, 705f.) versteht man unter Siglen Einheiten, die nur aus den Anfangsbuchstaben der Komponenten bestehen: BOE (← Boletín oficial del Estado), AP (← Alianza Popular), OUA (← Organización de la Unidad Africana) etc. Akronyme bestehen aus mehr als dem Anfangsbuchstaben der Komponenten (muss nicht für alle Komponenten gelten): RENFE (← Red Nacional de Ferrocarriles Españoles), MATESA (← Material Textil S.A.). Akronyme werden immer wie Wörter gelesen, Siglen werden entweder buchstabiert (z.B. PSA, DNI) oder – wenn es phonotaktisch möglich ist – ebenfalls gelesen (OTAN, ETA, ONU etc.).1

Vor allem aus der Kindersprache ist uns die Reduplikation gut bekannt: Wörter oder Segmente, die manchmal einen Bezug zu einer Ausgangsform erkennen lassen, werden verdoppelt, und so entsteht ein neues Wort mit oft affektiver Konnotation: nene ‘niño’ (fam.); (hacer) pipí ‘Pipi’ (fam.); (polvos de) picapica ‘Juckpulver’ usw.