Immer über die Kimm

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„Gleich, ich hab die erste schon im Auge.“

Die erste bumste Bernd gleich nebenan in der ersten Holzbude und kam auf ein weiteres Bier herein, die Sache langsam und bedächtig angehend. Als zweite nahm er sich eine Brünette, die schon etwas älter schien und derzeit genau passte.

„Zwei,“ sagte der Dritte, der sich neutral verhalten hatte und damit einverstanden war, dass Bernd die Tube nicht benutzen würde, weil das ablenkte und zuviel Zeit in Anspruch nahm und bestellte ein Bier.

„Aber nach dem Wettkampf wird die Tube wieder benutzt.“

„Nach dem Wettkampf wird er keine Lust mehr haben, die Tube zu benutzen. Dann werden ihm die Weiber einstweilen zum Hals heraushängen. Reicht eh nur für fünf oder sechs Schuß. Deine Tube.“ Gab der Assi von sich, während Bernd nach der nächsten Ausschau hielt.

„Ich nehme die da. Da am Ende des Tresens. Die mit den dicken Titten. Wenn ich die hab, gehen wir ein Stück den Berg hinab. Dann nehm ich mir noch eine aus den Bruchbuden. Und dann mache ich eine Pause.“

„Wie der Herr wünscht,“ sagte der Assi und nahm einen tiefen Schluck. „Dann werde ich zwischendurch mal gehen, wenn wir Pause machen. Ich nehm dann auch die. Dann sind wir Lochschwager und können anstoßen.“

Die dritte stülpte sich über Bernd und er schloß die Augen, sich auf eine andere konzentrierend, die nicht da war und um zu vermeiden, sich von den Adjutanten, die beiderseits des Bettes mit ihren Blöcken ihre Positionen eingenommen hatten und in gebückter Haltung sorgfältig kontrollierten, ob der Schwanz auch drin war und ob da auch was rauskonmmen würde, wenn er nicht mehr drin war, irritieren zu lassen. Es funktionierte bestens und die Dame gab sich alle Mühe. Bei der Vierten, die die erste war, etwas am Berghang, war es genauso.

„Vier,“ sagte der Dritte und bestellte an der Bar ein Bier. „Vier. Und drei verschiedene. “

„Vier,“ rief ein Heizer von den Tischen. “Vier kann jeder.“

„Du kannst noch nicht mal zwei, Helmut.“

Den Berg hinunter wandernd, nahm Bernd Nummer fünf und Nummer sechs, die die zweite war. „Sechs,“ sagte der Dritte, „sechs.“ Und bestellte ein Bier. Der Bootsmann saß am Ende des Tresens und grinste wortlos vor sich hin. „Vier verschiedene.“

„Bleiben immer noch vier,“ ließ ein Matrose von einem Tisch hören.

„Paßt ihr Adjutanten auch auf, ob er wirklich einen Abgang hat ?“ Wollte ein Öler wissen.

„Gewiß,“ sagte der Assi,“ wir sind dicht dabei und kontrollieren sorgfältig was da so aus der Nille quillt. Es ist alles protokolliert. Hier, Nummer sechs, hat abgespritzt, nach mühsamer Arbeit und fünfundzwanzig Minuten Stoßen.“ „Aha,“ sagte der Öler,“ Bootsmann, kann man den Einsatz verdoppeln?“

Aber die Bücher waren geschlossen und die Einsätze konnten nicht verdoppelt werden.

Nummer sieben machten sie am Hang. Nummer acht machten sie nach Ruhepause und einer Zigarette ebenfalls am Hang, aber einige Stufen tiefer. Mittlerweile hatte es sich unter den Weibern herumgesprochen, was gerade gespielt wurde und alle waren bemüht, Bernd zu dem Durchbruch und Nummer zehn zu verhelfen, was, wie sie beteuerten, ein Rekord sein würde, mit dem sich trefflich werben ließ. Man würde ein Foto von Bernd anfertigen lassen und es mit einem Lorbeerkranz über der Theke aufhängen. Man bräuchte zwei Fotos, weil man zwei Theken in zwei Kneipen besaß.

Um Bernd anzuregen, fielen nach der achten Nummer, die das Weib von einer vorigen Nummer war, unversehens vier Mädchen über Bernd her, von denen sich zwei an seine Füße hefteten und zwei seine Schultern und Arme ergriffen und ihn vor dem Bett, dem er gerade entstiegen war, auf alle Viere zwangen, während die geile Blonde, mit der er Nummer sechs gemacht hatte, sich rasch erneut der Kleider entledigte und mit gespreizten Beinen, weit gespreizten Beinen, näher rückte, bis Bernds Zunge in ihre Scheide passte, was sie offensichtlich mehr erregte, als sein Schwanz zuvor es vermochte. Sie begann mit Fickbewegungen des Unterkörpers und stöhnte leise und dann lauter vor sich her, wobei Bernd seine Zunge von oben nach unten strich und sicherlich einen Gutteil seines Samens aufnahm, denn er hatte nicht beobachtet, dass sie sich die Scheide mit dem allgegenwärtigen Lappen ausgewischt hatte, wie es üblich war. Es war die erste Lecknummer seines Lebens und er beschloß spontan, dieses zukünftig öfter zu machen. Sie kam überraschend schnell, spritzte ihm eine salzige Flüssigkeit in den Mund, die er vor die Hütte spucken ging, als man ihn losließ und bedankte sich, indem sie Bernd ein Foto von ihr schenkte, auf dessen Rückseite sie rasch eine Widmung schrieb und von dem Bernd nur die Hälfte verblieb, nachdem die andere Hälfte, sehr viel später, von einem Beschauer auf einem anderen Schiff gestohlen worden sein mußte, da Bernd nur noch die Hälfte vorfand, als man ihm dieses und andere Bilder zurückgab. Sie war eine ausgesprochene Schönheit.

„Das müsst ihr aufschreiben.“

„Das können wir nicht aufschreiben. Das ist gegen die Regel.“

„Das war meine allererste Lecknummer.“

„Wir alle haben mal angefangen.“

Sie stiegen wieder den Berg hoch, Rast zu machen und weil die Adjutanten eine Auszeit forderten, ihren eigenen Interessen nachzugehen.

„Ich kann nicht andauernd Titten und Fotzen ansehen,“ lamentierte der Dritte. „Ich nehme mir die Blonde, die du geleckt hast.“

„Er hat sie davor auch gefickt,“ stellte der Assi richtig. „Ihr werdet Lochschwager. Ich werd auch die Blonde nehmen. Na, lieber nicht. Ich nehm die, die Blacky als Nummer vier hatte.“

„Acht,“ brüllte der Dritte in die Runde in der alle besoffen umherlaberten. „Acht.“

„Acht ist nicht zehn,“ brüllte der Bootsmann zurück,

“Acht kann jeder,“ schrie der Öler und brüllte nach dem nächsten Bier.

„Acht. Bei sechs verschiedenen Huren.“

„Deutsche sind lustig,“ sagte die, die Bernd als Nummer fünf oder Nummer sechs, oder vier hatte und die etwas englisch sprach.

Nachdem die Adjutanten zurückkamen, etwa eine halbe Stunde später, erklärte Bernd, dass er nunmehr bereit zu Nummer neun wäre und diese auf der Mitte des Berges zu vollziehen gedachte.

„Das Büro wird jetzt auf die untere Kneipe verlegt, wir verbrauchen zuviel Kraft, immer den Berg hochzusteigen. Ergebnisse werden nur noch unten, am Bergfuß veröffentlicht.“ Schrie Bernd in den Tumult und ging nach draußen, gefolgt von den Adjutanten, die Nummer neun zu wählen und zu zelebrieren. Nach der Nummer neun, die mühselig war und den Eindruck vermittelte, dass der Schwanz anfing, durchzuscheuern, war es drei Uhr morgens geworden. „Eine Nummer noch,“ stellte der Dritte fest.“ Die schaffst du auch noch. Dann hab ich verloren. Aber der Bootsmann hat richtig verloren. Der wird eine Monatsheuer verloren haben. Wenn du die letzte Nummer schaffst. Und der Bootsmann wird mir das Geld für die Nutten ersetzten, das ich dir andauernd vorstrecke.“

„War sehr dünn, was da beim letzten Mal rausgekommen ist.“ Stellte der Assi besorgt fest. Vielleicht solltest du mal was essen. Gibt es hier was zu fressen? Als niemand antwortete, bestellte er eine Runde Bier für die Leistungsgemeinschaft.

„Der Bootsmann hat ganz schön eine Fresse gezogen, als der Dritte neun gebrüllt hat.“

Die Nummer zehn wurde im unteren Bereich des Bordells absolviert, gleich im Nebenzimmer der Kneipe und dauerte eine Stunde.

„Mach hin,“ hatte der Assi gedrängelt und sich am Bettpfosten festgehalten,

“ wir wollen was trinken.“

Und „der Herr sei gelobt,“ als Bernd endlich fertig war.

„Zehn,“ brüllte der Dritte als er zurück in die Schankstube torkelte, „Bier für mich. Zehn und sieben verschiedene von den Weibern.“

Alle, die sich in der unteren Kneipe versammelt hatten, johlten und klatschten. „Zehn kann jeder,“ brüllte der Öler, der unter den Tisch gerutscht war und sich mit der Nasenspitze an der Tischkante festklammerte, dazwischen.

„Du hast schon Mühe zwei zu machen, du Arschloch.“

„Ich kann zehn. Gleich jetzt. Wenn mir jemand auf die Beine hilft.“

Man gratulierte und schüttelte Bernd die Hände.

„Ich mach die letzte noch mal,“ lallte Bernd dem Dritten zu, „ich bin jetzt wieder Paarungsbereit.“

„Gib uns die Knete, Bootsmann.“ Brüllte einer.

„Morgen,“ brüllte der Bootsmann und grinste breit. „Morgen kriegt ihr die Knete.“

Um sechs Uhr früh machte Bernd Nummer elf und um acht Uhr früh lag er erschöpft rücklings auf dem Bett neben dem Schankraum und das Weib hatte seinen Schwanz, der nicht mehr recht stehen wollte, zwischen ihren beiden Füßen und rubbelte ihn wild umher, bis Bernd meinte, dass sie ihn abschaben und er ihn nun verlieren würde.

„Das wird nichts,“ lamentierte der Assi und hielt sich am Bettpfosten fest, “das wird nichts. Laß uns saufen gehen.“ Aber dann wurde es doch noch etwas. „Mager,“ sagte der Assi, „ist kaum was rausgekommen.“

„Gilt,“ nuschelte der Dritte und suchte nach dem Türrahmen, in die Kneipe zu gelangen.

„Zwölf,“ brüllte er aus Leibeskräften und schleppte sich zu einem Barhocker,“ sieben verschiedene.“

Aber alle waren zu besoffen um den Rekord zu begreifen.

Gegen zehn wurde Bernd mit Norbert über das Hafenbecken gerudert, kam jedoch nicht die Jakobsleiter hoch, obwohl das Schiff jetzt tief im Wasser lag und so legten sie am Kai an, wo Hafenarbeiter sie auf die Pier zerrten und vereint an Bord schleppten.

Um vierzehn Uhr wurde die Kammertür aufgerissen und die Bereitschaftswache brüllte Bernd ins Ohr, „Reise, Reise, Seeklar machen.“

In der Messe kamen alle zusammen und der Bootsmann ließ schwarzen Kaffee brühen und ausschenken.

„Leute, werdet nüchtern. Der Dampfer ist voll. Um achtzehn Uhr laufen wir aus. Draußen soll Sturm sein. Also, Patentluken zuziehen. Alles lose Zeug auf Deck unter Deck. Ein Matrose an die Winch. Ein nüchterner Matrose an die Winch. Haben wir einen nüchternen Matrosen? Gangway klar zur Einholung und dann laschen. Leiter einholen. Daß mir nichts über Bord geht. Wenn die See überwäscht. Los jetzt. Alle Mann raus. Und schießt die Leinen ins Kabelgatt. Wenn wir losgemacht haben.“

 

In den Luken, den Räumen, ganz unten, waren kleine Haufen, wie immer wenn sie Eisenerz geladen hatten, waren da nur kleine Haufen tief unten, die zusammen unvorstellbare zwanzigtausend Tonnen Gewicht ausmachten. Das Schiff war dreckig und zugestaubt. Sie würden wieder Farbe waschen müssen. Aber wenn die See hochging, nahm sie einen Teil mit und verschmierte den Rest. Sie quälten sich durch die diversen Aufgaben und als sie endlich fertig waren, kam das Kommando Leinen los und Schlepper an Steuerbord.

„Im nächsten Hafen werde ich nur noch pennen,“ sagte Timmy, als er sich vorbeischleppte.

Die Schlepper drehten das Schiff, dann sprang die Maschine an und schob den Kasten in den Atlantischen Ozean, von dem eine steife Brise ihnen entgegen blies.

Eine Stunde Schlaf in den dreckigen Klamotten, dann acht zwölfer Wache mit Timmy, Norbert und dem Dritten. Zuerst Ausguck auf der Außenbrücke, achtzig Minuten Geradeausschauen, dann ebenso lange Bereitschaft neben dem Telefon in der Messe bei schwarzem Kaffee und schließlich noch Ruderdienst in der Brücke. Alle waren bleich und sahen wie ausgekotzt aus und wünschten die Ablösung herbei. Bernd war übel. Bernd war krank. Aber die anderen waren auch krank. Die See war ruhig, einige Schaumkronen, wenig Wind. Keine Spur von Sturm.

„Kommt noch.“ sagte der Dritte missmutig. “Wir laufen Liverpool an. Birkenhead. Das ist neben Liverpool.“

Bei Antritt der nächsten Wache, acht Stunden später, ging es dann wieder ausreichend. Der Sturm blies, die See ging höher. Schaumkronen waren jetzt überall. Seegang nahm zu und als die Wache zu Ende war, musste Bernd sich bereits in der Koje einklemmen, mit angewinkeltem Knie, um nicht herausgeschleudert zu werden. Das Schiff rollte und begann zu stampfen. Bei der folgenden Morgenwache war der Sturm da. Die Brecher wuschen über das Vordeck und das Mitteldeck, so dass man die See abpassen musste, um nach Mittschiffs zur Brücke zu gelangen. Brecher rüber, ein paar Sekunden warten, dass das Wasser abläuft, dann mit Endspurt über das Deck an Leeseite. Im Ausguck auf der Brückennock wuschen die Gischtschleier rüber und Bernd hatte Mühe, die Augen offen zu halten und konnte kaum voraus etwas erkennen. Aber der frische Wind, Sturm, der von dem Windabweiser gebremst wurde, tat gut und verhinderte die aufkommende Übelkeit, die jedoch durchbrechen würde, wie er wusste, wenn er Ruderwache hatte und in der geschlossenen Brücke stehen würde. Der Bug brach die See, die in Wellenbergen herantobte und über die Back hereinbrach, um auf das Vorschiff zu stürzen und sich ausrollend, an die Mittschiffsaufbauten zu knallen. Das Schiff zitterte und bebte, besonders achtern und vibrierte und schüttelte sich. Es neigte sich zur einen Seite, verharrte und kam dann wieder hoch, sich auf die andere Seite zu neigen, dass man befürchten musste, es würde nichts mehr werden und es würde nun kentern und sie alle ertränken. Um nicht von den Beinen geschleudert zu werden, klammerten sie sich an allem fest, was Halt versprach.

„Wir müssen Streckleinen spannen, “brüllte der Dritte durch den tosenden und kreischenden Krach, nachdem er bei zehn Glasen die Schiebetür der Brücke aufgerissen hatte, hinaus auf die Brückennock, in der Bernd stand und Ausschau hielt.

„Geh nach achtern. Norbert weiß Bescheid.“

Norbert stand schon im Schott des achteren Aufbaus, als Bernd vom Bootssdeck auf das Deck abenterte und machte Handzeichen, dass er bleiben sollte, wo er war. Dann kam er zwischen zwei Brechern über das Deck gewetzt und die Leiter zum Bootsdeck heraufgeturnt.

„Wir müssen ins Kabelgatt,“ keuchte er und wischte sich das Wasser vom Gesicht und aus den Augen. “Die Wurfleinen sind im Kabelgatt.“

„Wie willst du da hin kommen,“ fragte Bernd, „ich komm vom Ausguck. Ich seh da einen Brecher nach dem anderen über das Vorschiff knallen. Das steht alles meterhoch unter Wasser. Da wirst du mit gebrochenen Knochen fortgespült.“ „Wir müssen irgendwie an die Leinen kommen. Laß uns zur Brücke hochgehen und mit dem Dritten beraten.“

„Ich könnte den Bug direkt in die See drehen,“ sinnierte der Dritte, “die See kommt von Steuerbord voraus. Wenn wir nach Steuerbord eindrehen, kommt die See von direkt vorn. Dann wäscht sie über die Back. Kommt aber nicht noch zusätzlich von der Seite. Ist sie rüber, musst du wie ein Storch rennen, Norbert. Zur Back, Schottriegel auf, rein und Schott zuziehen und verriegeln. Daß dir das Schott nicht aus der Hand gerissen wird und das Kabelgatt volläuft.“

„Ich weiß nicht,“ sagte Norbert unschlüssig.“ Was, wenn die Riegel verklemmt sind und ich sie nicht aufkriege.“

„Sie werden nicht verklemmt sein, wenn sie gut gewartet sind,“ sagte der Dritte scharf.

„Dann komm ich nicht mehr zurück. Dafür bleibt keine Zeit.“

„Ich stell mich auf die Nock und geb dir Handzeichen wenn es anrauscht. Blacky stellt sich als Befehlsübermittler in die Brückentür und gibt meine Order an den Rudergänger weiter, dass der mich versteht. Du rennst an Leeseite Backbord. Kann nicht viel passieren. Los jetzt. Wenn ich dich unten an der Leiter vom Bootsdeck sehe, geb ich die Ruderkommandos. Wenn ich mit dem Arm fuchtel, rennst du los. Wenn du genauso gut rennen wie saufen kannst, schaffst du das. Ab jetzt. Wir sind hier kein Klönklub.“

„Alles Gute, Norbert,“ rief Timmy vom Ruder ,“warst ein guter Kumpel.“

Etwas zaghaft und unsicher verließ Norbert die Brücke und ließ sich Zeit, unten Vorderkante Bootsdeck aufzutauchen und zu winken, damit der Dritte, der Posten in der Nock bezogen hatte und sich weit überlehnen mußte, ihn sehen konnte.

„Ruder zehn Grad Steuerbord,“ brüllte der gegen den tosenden Sturm.

„Ruder zehn Grad Steuerbord,“ brüllte Bernd in die Brücke und Timmy begann am Ruder zu kurbeln. „Liegt an,“ brüllte er zurück.

„Mittschiffs,“ schrie der Erste, als das Schiff sich mühsam ruckweise in die See zu drehen begann und gerade ein Brecher über die Back rollte.

“ Mittschiffs,“ schrie Bernd. „Mittschiffs liegt an.“

„Recht so. Kurs halten. Los, Norbert, renn du lahme Ente.“ Der Dritte fuchtelte wild mit beiden Armen, damit Norbert verstehen würde, dass er jetzt zu rennen hatte.

„Rennt wie ein Karnickel, vor der Meute,“ brüllte der Dritte und versuchte befriedigt zu grinsen, brachte aber nur eine Grimasse zustande.

„Rennt wie ein Karnickel vor der Meute,“ gab Bernd weiter und konnte ihn jetzt selbst sehen, wie er an den vier Hebeln des Schotts herumtobte. „Tobt jetzt an den Hebeln des Schotts rum.“ „Du brauchst mir nicht jeden Furz melden, den der Dritte von sich gibt,“ rief der Rudergänger Timmy, der das Schott nicht sehen konnte.

„Hat Schott auf,“ brüllte der Dritte.

„Schwerer Brecher voraus,“ schrie Timmy, der durch eine rotierende Klarsichtscheibe blickte, während an allen anderen Brückenscheiben das Wasser herunterlief und eine klare Sicht nicht zuließ. Der Dritte wischte sich seine Augen, um den schweren Brecher zu erkennen und brüllte :

“Volle Deckung. Kawentsmann.“ Er duckte sich hinter die Brückenschanz und Bernd sprang ins Ruderhaus, die Brücke und versuchte die Schiebetür zu schließen. Das Vorschiff stieg jäh in die Höhe. Alles krachte, schepperte und zitterte. Mit elementarer Wucht brach es haushoch über die Back, rollte gegen die Mittschiffsaufbauten und schockte und stauchte das Schiff, das plötzlich ohne Fahrt auf dem Fleck zu verharren schien, vorn weit unterschnitt und hinten wie ein Fahrstuhl hochwippte. Alles schepperte, knarrte, kreischte. Alles zitterte, wippte durch, dröhnte. Es krängte weit nach Backbord über und dann kam die Krone des Brechers über die Schanz der Nock, die zehn Meter über dem Deck kragte und wusch den Dritten von den Beinen, der einen Moment hilflos in der Brückennock schwappte und mühsam wieder auf die Beine kam. Das Wasser brach in die Brücke und gurgelte mit den Schiffsbewegungen umher, um über den Niedergang abzulaufen.

„Mein lieber Junge,“ brüllte der Rudergänger Timmy.“ Da haben wir aber Glück gehabt. Das hätte ins Auge gehen können, ich steh hier im Wasser.“

Er hielt sich krampfhaft an der Rudersäule fest und versuchte das Gleichgewicht nicht zu verlieren.

„Ist Norbert noch da?“

„Keine Ahnung“, rief Bernd durch den elementaren Krach und beobachtete, wie der Dritte sich wieder auf die Beine rappelte:

“ Ist Norbert noch da?“ Brüllte der ihm zu.

„Keine Ahnung,“ schrie Bernd zurück.

Aber Norbert war noch da und in Sicherheit im Kabelgatt. Bernd konnte sehen, wie die zwei Riegel, die er festgesetzt hatte, sich zu bewegen begannen und dann öffnete sich das Schott und er lugte vorsichtig heraus und suchte Blickkontakt mit dem Dritten in der Nock.

Die Brückentür zum Niedergang wurde aufgerissen und der Kapitän trat

breitbeinig in die Brücke, haltsuchend.

„Was war das,“ brüllte er, sich umsehend und den Dritten suchend. „Wo ist der wachhabende Offizier.“

„Schwerer Kawendsmann. Dritter ist in der Backbordnock,“ rief Timmy und versuchte den Kurs zu halten und den Bug wieder in die See zu drehen, nachdem der nach Backbord ausgebrochen war.

„Renn, Norbert. Renn.“ brüllte der Dritte mit voller Kraft gegen den Sturm und fuchtelte entsprechend mit den Armen und Bernd sah, wie Norbert drei

Wurfleinen auf das Deck warf, aus dem Schott hechtete, es zuschlug und die

vier Hebel runterrammte, um wie eine Gazelle in die Deckung der Luke eins zu hetzen und Bernds Blick zu entschwinden.

„Er hat es geschafft, „sagte der Dritte keuchend und kam zurück ins Ruderhaus, in dem das Wasser schwappte. „Er hat es geschafft.“

„Was geht hier vor,“ wollte der Alte wissen, der sich an der Radarhalterung festhielt, „was macht ihr hier.“

Der Dritte meldete und der Alte verfügte eine Verstärkung der Wachen.

„Vierer Wache. Ab Null Vier Vierer Wache. Zwei Mann Ausguck. Je einer in jeder Nock. Bei Luv einer in der Brücke an der Klarsichtscheibe. Beide Ausgucks mit Ferngläsern. Aufklärung See voraus. Sofortige Meldung wenn eine Welle kommt, die höher scheint. Wachoffizier am Maschinentelegrafen. Bei Kawendsmann in Sicht, sofort auf halbe Fahrt gehen. Ich alarmiere die Maschine. Kurs See direkt voraus beibehalten.“

Der Dritte meldete verstanden und stellte sich neben dem Maschinentelegrafen auf, während der Kapitän zum Brückentelefon griff und die Maschine anrief, in der der wachhabende Heizer sich sofort meldete.

„Geben sie mir den wachhabenden Ingenieur,“ brüllte der Alte in den Hörer und wartete während Norbert über die Bootsdeckleiter die Nock betrat.

Dann sagte er,“ verstärkte Wache ab nächster Wache. Telegrafen mit einem Mann besetzen. Wir steuern mit dem Telegrafen. Also sofort Maschinen drosseln wenn gemeldet. Schwere See im Anmarsch.“

Er hängte den Hörer in die Wandhalterung und wandte sich Bernd und Norbert zu.

„Spannt die Streckleinen. Verstärkte Anbindung. Nur mit Absicherung des Mannes. Wir gehen mit der Fahrt runter bis ihr Fertig meldet.“

„Herr Schreiner,“ so hieß der Dritte, „Halbe Fahrt voraus.“ Herr Schreiner zog den Hebel des Maschinentelegrafen zurück auf Halbe und er rasselte kurz. um dann zu verstummen, da er am anderen Ende gleichgestellt und damit bestätigt wurde. Norbert zog Bernd am Arm aus der Brücke und sie enterten ab auf das Bootsdeck und machten die Leinen klar.

„Blöder Quatsch,“ sagte er ,“Mann angeleint. Wenn du eine Leine um die Hüfte hast, muß die reichen, bis du die achteren Aufbauten erreichst. Wenn du da ankommst, ist die Leine so lang, dass du über die Seite gewaschen wirst, wenn ein Brecher kommt und neben der Bordwand in Lee in der See mitgezogen wirst, wo du unterscheidest und nur rasch ersaufen kannst.“

„Wenn du ohne Leine über Bord gehst, ersäufst du auch,“ sagte Bernd. „Natürlich. Aber dann kannst du das Schiff noch beobachten, wie es sich entfernt.“

„Aber mit der Leine kann man dich später, wenn die See wieder ruhiger wird, herausziehen und an Land beerdigen.“

„Wenn du darauf Wert legst,“ sagte er,“ bitte. Jeder hat einen letzten Wunsch frei. Auch der Seemann manchmal.“ Er legte Bernd das Wurfknotenende um die Hüfte und versuchte einen Pahlsteg zu knüpfen.

 

„Ich?“ Fragte Bernd entsetzt und sah auf das brodelnde Deck hinunter, über das alle Fingerlang die Brecher, immer noch von Steuerbord, hinwegtobten.

Nach kurzer aber intensiver Beratung ließ Bernd sich eine Wurfleine so lange um die Hüfte wickeln, bis nur noch ein Ende von zwei Meter Länge übrig blieb. „Ich mach das Ende immer zuerst am Lukensüll fest,“ sagte er zum Abschied,“ dann bin ich gesichert und spanne das Strecktau.“

„Doppelt.“ Sagte Norbert dicht an seinem Ohr, damit er hören würde.“ Spann das Tau doppelt. Wenn du achtern bist, geh in die Maschine und laß dir vier Karabinerhaken geben. Schneid dir zwei Meter von der Leine , die du herumträgst ab und mach den Karabinerhaken daran fest. Zwei Halbe Schläge. Anderes Ende um die Hüfte. Dann Haken in Strecktau einstecken. Und dann kommst du zurück und laschst das Strecktau alle drei Meter, oder wo du Halt findest, am Lukensüll fest. Bring einen Haken und ein Tauende für mich.“

Der Dampfer machte einen Sprung, legte sich auf die eine Seite stark über und Bernd enterte wohlinstruiert hinunter auf das Hauptdeck, wo ihm das Wasser einstweilen nur bis zu den Knien ging und über die andere Seite rasch abzulaufen begann. Er hetzte zu Luke drei und machte rasch sein Sicherungsseil am Süll fest. Dann kam es auch schon von Steuerbord herüber. Ein grün schillernder Wasserberg, der über die Luke hereinbrach und ihn von den Füßen riß. Im Nu war er unter Wasser und paddelte wild und völlig hilflos mit den Armen, an dem Tauende hängend, dabei das bisschen Luft, das er hatte, ausprustend und einen Anflug von Panik bemerkend. Unter Wasser kann Bernd nur Sekunden gewesen sein, aber es kam ihm wie eine Ewigkeit vor. Da die Brecher immer schneller hintereinander folgten, band er sich auf dem Weg nach achtern noch zweimal an und wurde noch einmal unter Wasser gedrückt. Dann war es geschafft.

Norbert zog an seinem Ende und spannte die beiden Wurfleinen zu dem Strecktau, an dem sich die nachfolgenden Wachen entlang hangeln würden. Bernd hangelte sich in die Maschine und bekam die Karabinerhaken, um dann das Strecktau so oft wie möglich an die drei Lukensülle zu laschen, so dass es hielt und sich nicht ausbeulen konnte. Bei Norbert auf dem Mittschiffsbootsdeck angekommen spannten sie mit vereinten Kräften das Tau nach und Bernd brüllte gegen den Krach und das Tosen und Heulen und das Kreischen des Orkans:

“Jetzt hab ich aber die Schnauze voll.“

„Macht nichts,“ brüllte Norbert zurück.

Die Nacht, in der Bernd Freiwache hatte, verlief chaotisch. Das Schiff dröhnte, wippte, zitterte und stauchte sich. Von überall her war Scheppern aller möglichen Sachen zu hören. Vor Krach konnte man sein eigenes Wort nicht verstehen. Es kreischte und klapperte. Es ging rasant hoch, blieb wippend stehen, fiel im freien Fall herunter, dass Bernd meinte, es würde kein Ende nehmen. Er krampfte sich verbissen in der Koje fest und versuchte, nicht herausgeschleudert zu werden. Arschbacken an die Rückwand geklemmt, oberes, linkes Knie gegen die Schlingerleiste der Koje gestemmt, linke Hand am Kojenrand festgekrallt, Kopf an die Rückwand gedrückt. So konnte man schlafen. Aber Bernd konnte nicht schlafen, weil er in dieser Position auf das Bullauge starren musste, das schwarz wie die Nacht war. Und dann wieder unter das Wasser schnitt, das matt grün im Mondschein leuchtete und Furcht einjagte, da er beständig Angst hatte, das Schiff könnte sich womöglich nicht mehr aufrichten und sie würden alle kentern und könnten hier nie wieder raus. Sie alle würden fünftausend und mehr Meter auf den Boden des Ozeans fallen und dort verkommen. Verschollen im Südatlantik. Das Schiff rollte von einer Seite zur anderen. Unaufhörlich. Es ruckte, als ob es in eine Mauer gefahren würde. Und kippte über, verhielt, und kippte weiter über. Das Bullauge verschwand unter Wasser und das Schiff wollte sich einfach nicht mehr aufrichten. Es konnte sich bei dieser Schlagseite gar nicht mehr aufrichten. Das war physikalisch nicht möglich. Es verhielt lange Sekunden in der Schräglage und Bernd schwanden die Kräfte, sich in der oberen Koje zu halten und nicht herauszufallen. Aber dann kam es. Langsam, zentimeterweise, aber es kam. Es richtete sich wieder auf. Es schwamm weiter. Die Tür des Allibert an der Wand sprang auf und der Inhalt schepperte auf den Boden. Das Tonband, das Norbert gehörte, und auf der Polsterbank eingekeilt lag, rutschte hinunter und schepperte an die Koje. Norbert fluchte wild unten in seiner Koje und zog sich die Decke über den Kopf. Bernd war speiübel und er versuchte die Waschräume zu erreichen und hangelte sich an den Handläufen des Ganges entlang, in die Toilette zu kotzen, vor der er kniend, mit dem Kopf in der Schüssel verblieb, Galle würgte, bis die Wache ihn fand, ihn zum Wachantritt um acht Uhr morgens zu wecken. „Reise, Reise, raus aus der Schüssel. Wachantritt. Sieben Uhr dreißig.“

„Laß mich erste Bereitschaftswache gehen, Norbert,“ brachte Bernd in der Messe, wo die Wache zusammenkam, Kaffee zu trinken, mühsam hervor. “Mir ist speiübel.“

„Sieht man,“ sagte Norbert,“ siehst aus wie ein Leichentuch.“ Und nahm Bernd mit nach Mittschiffs, denn Bereitschaftswache gab es nun nicht mehr, weil zwei Ausgucks befohlen worden waren. Davor hangelte sich der Bootsmann in die Messe und setzte sich auf einen der festgeschraubten Stühle. Die abgelöste vier acht Wache kam von der Brücke dahergeschwankt.

„Was ist denn nun, Bootsmann. Was ist mit der Abrechnung. Von der Wette. Wo ist mein Gewinn.“

„Welcher Gewinn.“ Sagte der Bootsmann erstaunt und grinste. „Von was redest du.“

„Mein Gewinn von der Fickerei.“

„Da gibt’s keinen Gewinn. Ihr habt darauf gewettet, dass Blacky keine zehn Nummern schafft. Er hat aber. Da gibt’s keinen Gewinn.“

„Wir haben gewettet, dass er zehn Nummern schafft. Da gibt es Gewinn.“ „Quatsch. Wer würde wetten, dass Blacky zehn Nummern schaffen würde.“ „Was haben wir jetzt gewettet. Schorsch, was haben wir gewettet. Mit der Ficksache.“

„Laß mich mit dem Scheiß zufrieden. Ich versuche Kaffee zu trinken. Ohne, ihn mir in den Kragen zu kippen .“

„Siehst du,“ sagte der Bootsmann zufrieden, eine Person mit Verstand gefunden zu haben.

„Dann gib mir meinen Einsatz zurück.“

„Ist kein Einsatz mehr. Hab ich alles dem Dritten gegeben. Der hat die Nutten bezahlt. Einer musste ja die Nutten bezahlen. Blacky, nimm einen Eimer mit. Wenn du zum Ausguck auf die Brücke gehst. Dann kannst du in Ruhe kotzen. Sieh mal in einen Spiegel. Du siehst aus wie ein Leichentuch.“

„Kann er kotzen, wie er lustig ist,“ sagte Schorsch und versuchte mit beiden Händen die Tasse zum Mund zu führen und sich derweil mit den Füssen irgendwo abzustemmen. “Wäscht alles über die Nock. Orkan. Der Zweite sagt, wird noch schlimmer. Auf dem Nordatlantik soll es noch dichter kommen.“

Die Maschine tief unter ihnen lief jetzt langsamer, wie man über den allgemeinen Krach vernehmen konnte, wenn man sich anstrengte und die Vibrationen hatten nachgelassen. Dann ruckte der Dampfer vorn in einen Widerstand und das Heck zitterte unkontrolliert.

Alle krallten sich an die Schlingerleisten der Backen, um nicht von den Stühlen gerissen zu werden. Drei Tassen hopsten von der einen Back und zerschellten auf dem Stahlboden.

„Der Zweite sagt, dass das das richtige Wetter ist, in dem Erzfrachter in der Mitte auseinanderbrechen und wie Steine auf den Meeresgrund sacken.“

„Recht hat er,“ sagte der Bootsmann und zog eine Grimasse. „Ist ein Dutzend Mal passiert. Seetüchtige Schiffe. Keine alte Schlurren, die schon mal auseinanderfallen können. Seetüchtige, neue Schiffe. Jetzt da. Und schon weg. Für alle Zeiten. Unauffindbar. Kein Funkspruch. Nichts. Einfach verschwunden. Muß die Reederei abschreiben. Ich hab noch eine Flasche in der Kammer.“