Immer über die Kimm

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„Laß uns nach Hause gehen,“ lallte Bernd. „Sag mir wo Westen ist.“

„Ja,“ meinte er,“ laß uns hier verschwinden. Bevor uns jemand sieht. Das würde unser Ansehen beschädigen.“

„Was lässt sich an deinem Ansehen wohl beschädigen.“

Jedoch nach Hause schafften beide es nicht. Sie wachten in ihren Kojen gegen Mittag auf und mussten sich erzählen lassen, dass Hafenarbeiter sie auf der Erzpier aufgelesen und an Bord geschafft hatten. Weder Norbert, noch Bernd konnten sich an diesen Vorfall erinnern.

„Das ist das Gute an der Ehe. Bist du verheiratet hast du immer Sahne für den Kaffee.“ Sagte Norbert, noch immer lallend, als sie sich am Nachmittag in der Gangway Wache an der Gangway ablösten und Bernd ihm von seiner Milchorgie erzählt hatte.

„Als Seemann?“

„Ich weiß wie das geht. Ein versauter Onkel von mir hat mir das als Vermächtnis ins Leben mitgegeben, bevor er starb. Man muß die Nippel jeden Tag mit einem nassen Tuch stimulieren. Kalt. Dann werden sie steif und es kommt Milch. Nach einer Weile kommt Milch. Ich hab vergessen, wie oft man stimulieren muß. Der Onkel sagte, im Krieg haben sie immer darauf geachtet, ein Weib bei sich zu haben. Wegen der Nahrung. Kaffee hatten sie nicht, aber immer Sahne.“

„Wo willst du hier an Bord ein Weib halten. In deiner Kammer?“

„Wozu brauchen wir hier eine Titte. Auf der Back steht immer eine Dose Kaffeesahne.“

„Zum Ficken?“

„Wenn du zum Jungmann aufgestiegen bist, verdienst du dreißig Mark mehr im Monat. Dann kannst du dir einen Porno kaufen gehen. Zum Wichsen.“

Norbert dachte analytisch praktisch und wartete mit etlichen guten Tipps des versauten Onkels auf, der frühzeitig verstorben war. „Piß dir über die Füße,“ meinte er. „Das tut gut. Wenn du Schimmel zwischen den Zehen hast.“

„Wo krieg ich Schimmel zwischen den Zehen her.“

„Hilft auch, wenn du mal Brandblasen unter den Füßen findest.“ Norbert war praktisch veranlagt und verfügte über umfangreiches Wissen.

„Klar,“ sagte er, „ich verfüge über umfangreiches Wissen.“

„Wenn du erst Jungmann bist, wie ich, bist du nicht mehr Allgemeingut,“ sagte der Jungmann Charlie der hinzugekommen war unversehens. „Dann hast du Untergebene.“

„Was?“ Fragte Bernd erstaunt.

„Ich bin Jungmann und könnte dir eine runterhauen. Wann immer ich wollte.“ „Du. Du willst mir eine runterhauen?“

„Nicht jetzt. Aber immer wenn mir danach ist.“

„Ich zieh dich hinter den Decksaufbau und polier dir deine Fresse.“

„Dann kriegst du einen Verweis.“

„Einen Verweis.“

„Sicher, dann erteilt dir der Bootsmann einen Verweis. Der Bootsmann hat darauf zu achten, dass die Tradition eingehalten wird.“

„Charlie hat Recht,“ sagte Norbert, „Charlie steht über dir und darf dir immer eine langen. Wenn ihm danach ist. Das ist Tradition. Du darfst jedem eine langen, der unter dir steht.“

„Wer steht unter mir?“

„Niemand.“

„Wenn du Jungmann bist,“ sagte Charlie,“ wie ich, dann hast du Untergebene.“ „Und das Gesetz ist der Alte und seine Pistole,“ rief Timmy, der Matrose, der vorübereilte und überhört hatte. „Drei Mann auf dem Haufen an Deck ist einwandfrei Meuterei. Ihr habt Glück, dass ich nicht zum Alten gehe und Meldung erstatte. Er könnte euch mit einem Rettungsring aussetzen.“

„Hier im Hafen?“

„Warum nicht hier im Hafen.“

Sie liefen aus und der Bootsmann sagte :“ Wir machen einen Wachwechsel. Du gehst jetzt acht zwölfer Wache. Dann Hast du Zeit, nach der Wache an Deck zu arbeiten. Kostenlos, wie du weißt. Überstunden kann der Reeder ohnehin überbezahlten Deckjungen nicht auch noch anrechnen. Mein Junge, damit du etwas lernst. Leider haben wir keinen Rost, den du klopfen könntest, weil das Schiff noch neu ist. Aber räum mal das Kabelgatt auf.“

So räumte Bernd also das Kabelgatt auf, was den Tag in Anspruch nahm. Nach der Wache bis Mitternacht kroch er todmüde in die obere Koje, in der er lebte und wurde um drei Uhr früh von einem Ruck geweckt, der ihn beinahe aus dem Bett schleuderte. Bevor Bernd die Kojenlampe einschalten konnte, hörte er bereits das Rauschen des Wassers unter ihm in der Kammer, als das Schiff leicht nach Backbord kränkte, aber gleich wieder hochkam und ruhig auf ebenem Kiel weiterschwamm. Er sprang heraus und stand bei eisigem Schreck bis zu den Knien im Wasser. Irgendetwas musste passiert sein. Auf dem Gang, der ebenfalls unter Wasser stand, traf er auf Norbert, der eine untere Koje bewohnte und klatschnaß war und zwei Heizer aus der Maschine, die verstört und ratlos durch schwappendes Wasser wateten.

„Ich denke, wir sollten hier verschwinden und ermitteln, woher das ganze Wasser kommt,“ sagte Norbert, „das ganze Achterschiff steht offensichtlich unter Wasser. Laß uns raus hier. Vielleicht säuft der Kahn gerade ab.“

Sie wateten gemeinsam den Gang entlang und rissen das Eichenschott am Ende auf, das Hauptdeck zu betreten. Auf der Steuerbordseite, vor dem Schott des dort endenden Ganges stand Timmy, der in seiner Wache Bereitschaftsdienst hatte und kratzte sich hinter den Ohren :“Kommt mal her. Seht euch das mal an.“ Er zeigte mit spitzem Finger auf die Wand des Ganges, die hier in einem Bogen nach links lief. In dem Stahl der Wand steckten Holzsplitter der schweren Eichentür, des Schotts, das den Gang zum Hauptdeck abschloß und das nur noch aus Holzfetzen bestand, die lose in den Scharnieren hingen.

„Habt ihr so was schon mal gesehen? Holzsplitter die in einer Wand aus massivem Stahl eingestochen sind?“

„Unglaublich;“ sagte Norbert. „Das gibt es gar nicht. Was ist passiert?“

„Keine Ahnung,“ sagte Timmy,“ ich war in Bereitschaft in der Messe, als es rummste. Und dann war auch schon alles unter Wasser.“

„Wo kommt das Wasser her,“ fragte Bernd, “wir sind doch ohne Ballast und das Deck ist zehn Meter über dem Meer. Wo kann hier Wasser herkommen.“ „Ja, zum Teufel auch. Wie kann hier Wasser herkommen. Das ist doch Seewasser. Schmeckt salzig. Wie kommt das Wasser ins Achterschiff.“

„Könnte noch nicht mal bei Sturm so hoch schwappen, die See. Ist außerdem absolut ruhig und glatt wie ein Kinderarsch.“

„Irgendwelche Schäden ?“ brüllte der wachhabende zweite Offizier, der neben dem Alten auf der Steuerbord Flying Bridge stand, auf das achtere Deck herunter. „Irgendwelche Seeschäden ?“

„Eichenschott eingeschlagen und Wohndeck voll Wasser gelaufen. Halber Meter,“ brüllte Timmy zurück. „Holzsplitter vom Schott stecken in der Stahlwand.“

Der Alte enterte über das Bootsdeck ab und kam nach achtern: “Wollt ihr mich verarschen ?“ Fragte er ungehalten, “Holzsplitter in der Wand ?“

Aber dann sah er die etwa zwanzig Splitter in der Stahlwand und staunte,“ Das gibt es doch gar nicht. Von so was hab ich noch nie gehört. Und wie konnte die Eichentür so zerschlagen werden. Das Ding ist zehn Zentimeter dick. Das ist für schwere See gebaut.“

„Wird eine schwere See gewesen sein,“ sagte ein Heizer geistreich.

„Sagt der Zweite,“ sagte der Alte leutselig, „ ich war nicht auf der Brücke. Der Zweite sagt, völlig ruhige See. Urplötzlich wächst eine riesige Welle Steuerbord voraus aus dem Seespiegel und bricht über das Deck Achterkante Mittschiffs. Die Wache hat den Brecher erst gesehen, als er schon heran war. Wäre der Kurs ein paar Strich weiter nach Süden gewesen, hätten wir kentern können. Mit Mann und Maus. Unglaublich. Wer hat jemals was von so was gehört. Hier im Golf du Lion. Mit Monaco an Steuerbord in Sicht. Üblicherweise ganz friedliches Gewässer.“

Er ging wieder nach Mittschiffs, zur Brücke aufenternd und der Bootsmann kam durch das Wasser im Gang herangetorkelt. Stock besoffen und klatschnaß.“ Was ist hier los,“ brüllte er schlechtgelaunt. „Was treibt ihr hier zu dieser Stunde. In dieser Ansammlung. Welche Scheiße ist hier passiert. Wer hat das gemacht.“

Ihm wurde der Umstand von Timmy beschrieben und er beschloß spontan, die Sache zu bereinigen, “Scheißegal. Macht hier Klarschiff. Ich will, dass das Wasser verschwindet. In meiner Kammer ist das Tonband mir entgegen geschwommen gekommen, grad als ich aus der Koje gespült war und wieder auftauchte. Schüppt das verdammte Wasser aus dem Schiff. Hier gehört kein Wasser hin. Sonstige Schäden? Und macht das Panzerschott vor das Loch, wo wir jetzt kein Holzschott mehr haben.“ „Das sind massenhaft Kubikmeter Wasser, Heinz,“ sagte Timmy, der den Bootsmann duzte weil er auch Bootsmann werden wollte.“ Wie stellst du dir das vor. Sollen wir das mit Eimern ausschöpften?“

„Habt ihr Bilgenkrebse in der Maschine eine tragbare Pumpe?“ Fragte der Bootsmann den einen Heizer in der Menge, die sich zwischenzeitlich angesammelt hatte und noch anwuchs.

„Nicht dass ich wüsste,“ meinte der. „Aber ich kann ja mal kramen.“

„In der Maschine pumpen sie bereits das eingedrungene Wasser über die Bilgen außenbords,“ sagte ein Assi, der auf Maschinenwache war und watend daherkam, die Ursache des Wassereinbruchs zu erforschen. „Eine portable Pumpe haben wir nicht. Ihr müsst das schon mit der Hand außenbords bringen. Aber eine Menge läuft ja über die Schottschweller und stürzt nach unten in den Maschinenraum. Dann wird da wohl nicht so viel verbleiben.“

„Na gut. Das überflüssige Wasser wird jetzt in die Maschinenräume abgelaufen sein. Bleibt das Wasser, das an den Scherwasserblenden staut. Werden so dreißig Zentimeter sein. Hol Pützen, Moses Bernd, hol alle Pützen die du auffinden kannst. Und dann alle Mann die Freiwache haben, schöpfen. Und dann feudeln. Ich will keinen Tropfen Wasser im Wohndeck finden, wenn ich mich erholt habe und aufwache. Und macht die Blende zu, wenn ihr geht. Und verriegelt die. Und macht die Blende zu, wenn noch mal eine See überschwappt. Und Moses Erhardt kommt mit, meine Matratze auswringen und mir Ersatz aus einer Oberen Koje beschaffen. Irgendeiner Koje. Von irgendwem. Der keinen Ärger mit mir haben will. Muß ja fünfzehn Meter hoch gewesen, die Welle. Auf dem Ententeich Mittelmeer.“

 

Er stieg wieder ins Wasser, fluchte, winkte dem Moses Erhardt, ihm zu folgen und seine Matratze auszuwringen und eine trockene stehlen zu gehen und watete davon. Bernd ging in die Kombüse und stahl dem abwesenden Koch die Zinkeimer, die er in Wandschränken hortete, wie alle wussten, und auch einige Töpfe, die schön sauber von der Decke hingen und geeignet aussahen und brachte alles in mehreren Transporten zum achteren Hauptdeck, wo alle unschlüssig umherstanden und niemand den Anfang machen wollte.

„Mal los,“ meinte dann Norbert der Leichtmatrose,“ fangen wir an und machen wir eine Kette.“

Als es hell geworden war, entdeckten sie weitere Schäden der einsamen Superwelle, die niemand hatte kommen sehen und die aus glatter See emporgestiegen sein musste, um anschließend spurlos unter glatter See zu verschwinden. Ein Gutteil der Steuerbordreling des Hauptdecks war stark verdreht und verbogen. Massive Hohlrohre, die massiv miteinander verschweißt waren. Niemand konnte dem Geschehenen Glauben schenken.

Um die Mittagszeit war das Wohndeck zwar nicht trocken, aber das Wasser war abgeschöpft und überall auf dem Achterdeck wurden die Matratzen der unteren Kojen zum Trocknen ausgelegt. Die Tonbandgeräte und Radios stapelten sie in einem Gang in der Maschine auf, in der es schön mollig war. Der Wachtörn begann erneut.

Nach der Passage durch Gibraltar, trafen sie auf dem Mittelatlantik auf schlechtes Wetter. Die See ging hoch, der Dampfer stampfte, krängte nach beiden Seiten stark über, so dass die Bullaugen, die mit Panzerblenden gesichert wurden, die See unterschnitten, Bernd kotzte sich das Essen aus dem Leib, dann kotzte er sich die Galle aus dem Leib und schließlich folgte die Seele aus dem Leib. er erfreute sich bester Gesellschaft an der Reling. Das Schiff hieb mit dem Steven in die See, stieg mit dem Achterdeck wie ein Fahrstuhl in die Höhe, wippte mit der Poop, dass man Furcht bekam, es möge zerbrechen und unversehens versinken, dann fiel die Poop steil nach unten und das war dann jeweils der Augenblick, an dem alles was im Körper lose umherschwappte, mit Wucht und Druck durch die Kehle und die Nasenlöcher hochkam und mit dem Wind an Leeseite waagerecht davonschoß. Ein Gutteil der Decksbesatzung, auch Leichtmatrosen und gar Matrosen kotzten um die Wette, torkelte kreidebleich und grün um die Nasen daher und schleppte sich abwechselnd auf Wache, um beim Ausguck auch schon mal über die Brückennock zu speien und urplötzlich das Ruder zu verlassen und nach draußen zu hetzen, was untersagt wurde. Ein Eimer wurde forthin neben dem Ruder in Bereitschaft angebunden, der die Übelkeit stark förderte, da der Blick auf das zuvor Gekotzte große Anregung gab. Wo kein Essen mehr zu finden, kam Schleim mit heller Farbe, wo kein Schleim mehr nachweisbar, kam Galle, die grün und schwer zu befördern war, dann, als man dachte, dass man endlich leer sei, kam wieder Schleim, der zäh an Fäden aus den Mundwinkeln und den Nasenlöchern kroch und im Wind um die Nase herum in die Augen flatterte und in den Ohren sich verabschiedete. Bernd war krank. Bernd war zu Tode erschöpft. Bernd starb. Bernd fror erbärmlich. Bernd kroch auf allen Vieren in die Koje unter die Decke, hob diese und würgte, bis er sicher war, ersticken zu müssen. Das Schiff war in Ballast, das heißt, es lag nur flach im Wasser und tanzte wie ein Korken. Wippte die Poop, das Achterdeck, verlor man den Boden unter den Füßen und bekam den Eindruck der Schwerelosigkeit. Schlug die Poop dagegen zurück in die kochende See, knickten die Knie ein und man fühlte sich gestaucht. Unentwegt suchte man Halt an überall vorhandenen Handläufen ohne die eine Fortbewegung nunmehr nicht mehr möglich war.

Das hielt so zwei Wochen an und hatte schließlich, vor Erreichen des Äquators ein Ende. Die See beruhigte sich und lief endlich glatt aus. Der Teil der Besatzung, der anhand einer Urkunde den Nachweis erbringen konnte, dass er bereits getauft worden war, begann in der Messe Pläne zu schmieden, von denen die Täuflinge, jener Teil der Besatzung, der noch nicht getauft worden war, oder zu leichtsinnig in der Vergangenheit mit dem Taufschein umgegangen und diesen gar verloren hatte, nicht wissen durfte. Dann begann eine emsige Handwerkelei, die auch nachts fortgesetzt werden musste, denn der Äquator kam näher und man hätte viel früher mit den Vorarbeiten beginnen müssen, was jedoch wegen der schweren See und dem Orkan nicht möglich gewesen war. Auf dem achteren Bootsdeck, das kein Täufling mehr betreten durfte, wurden Bänke und Tische, mit Holz aus der Farblast und Stellagen aus dem Kabelgatt, roh gezimmert, aufgestellt. Ein Kasten aus Bohlen und Balken , etwa eineinhalb Meter im Quadrat und ebenso tief, musste zusammengenagelt und mit einer Persenning ausgekleidet werden. Das war das Taufbecken. Mit Signalflaggen wurde das achtere Bootsdeck festlich geschmückt, Uniformen aus Lumpen und Flicken wurden produziert und angepasst, Federschmuck aus Tauwerk kreiert.

Um zehn Uhr morgens, an dem Tag, an dem der Äquator passiert werden würde, wurden die Täuflinge, denen Bernd zugeordnet wurde, überraschend von plötzlich auftauchenden Polizisten in Lumpen überfallartig niedergerungen und nach Achtern abgeführt, um dort in die Trockenkammer geworfen zu werden, einem Raum, der unter Deck an der Seite der Backbordaussenhaut gelegen, gewöhnlich dazu diente, die gewaschenen Klamotten binnen Stunden zu trocknen und der leicht fünfzig Grad Hitze aufwies. Es ging rabiat und ohne Vorwarnung zu. Wer sich zu wehren vermochte, wurde mit einem Tampen verprügelt. Ein Entkommen war ausgeschlossen. Man befand sich auf einem Schiff in See.

Der Trockenraum besaß keine Bullaugen, dafür aber zwei Heizkörper, die, aus der Maschine gesteuert, den kleinen Raum zu einer Sauna machten und alle Ankömmlinge unverzüglich in Schweiß ausbrechen ließ, der aus in Haaren in die Augen und von dort über den Körper auf die Stahlplatten des Bodens tropfte und bald ran und im Licht der beiden, von der Decke hängenden Glühbirnen kleine, silbrig glitzernde Tümpel auf dem grün gestrichenen Boden bildete in denen alle standen und dann alle saßen. Nach und nach kamen zwanzig Mann zusammen, die in das enge Loch gepresst wurden und die alle noch nicht den Äquator betreten hatten und unter denen kein einziger Offizier des Decks oder der Maschine sich befand. Fast die halbe Mannschaft. Alle warteten sie auf das Heulen des Nebelhorns am Schornstein und das Schrillen der Alarmglocken in den Wohndecks, das den Auftakt zu der Massentaufe ankündigen würde und alle begannen zu fürchten, dass alle zuvor ersticken oder verdorren und das Ereignis nicht mehr erleben würden. Sie begannen zu dehydrieren und schrumpften auf dem Deck zusammen, da es unten, ganz unten, kühler sein musste. Wie die Sardinen.

Als alle Täuflinge eingefangen und sogar von der Wache geholt und hinter Schloß und Riegel verwahrt waren, begaben sich die Schergen Neptuns, des Herrn aller Seen, Tümpel und Ozeane in die Bierlast, die vorhandenen Kästen zu zählen. Danach wurde in Ruhe in der Messe gespeist und allmählich, am späten Nachmittag, fand sich die Zuschauerschar und die Täufer auf dem achteren Bootsdeck ein, bei einigen Flaschen Bier in Stimmung zu geraten und auf das Nebelhorn zu horchen, das der wachhabende Offizier auf der Brücke zu betätigen versprach, sobald das Schiff auf dem Äquator sich befinden werden würde, was er sorgfältig mit dem Sextanten auf der Brückennock zu überprüfen hatte.

„Sie werden uns ersaufen,“ brachte Norbert, der zu den Täuflingen gehörte mühsam krächzend hervor und stand auf, den Kopf zu schütteln, damit der Schweiß von der Nase ablaufen konnte. „Gott hab ich einen Durst.“

„Sie werden uns nicht ersaufen,“ sagte Charlie, der andere Leichtmatrose, der auch noch nicht über den Äquator gekommen war.

„Ich war schon über dem Äquator,“ sagte Bernd. „Mit der Solveig war ich schon weit über den Äquator. Singapur.“

Auf dem Boden, an die Wand gelehnt, saßen noch vier Heizer und Öler aus der Maschine, die auch noch nicht über den Äquator gekommen waren und bedrückt dessen harrten, was jetzt kommen sollte.

„Sie werden sich nicht der Mühe befleißigen müssen, uns zu ersaufen. Wir werden davor hier verdursten. Und ersticken. Und verdursten.“

„Das hast du schon gesagt. Du wiederholst dich.“

„Wer wird euch ersaufen,“ fragte ein Heizer kleinlaut.

„Sie werden uns nicht ersaufen.“ sagte Charlie. „Das ist verboten. Früher, da war es erlaubt.“ „Was war früher erlaubt ?“ Fragte Bernd.

„Früher durften hin und wieder Täuflinge ersäuft werden,“ erklärte Norbert. „Früher durften zwei Windhosen aneinandergebunden werden.“

„Wie,“ sagte der andere Heizer mit Alarm in der Stimme.

„Sie hängen zwei Windsäcke hintereinander. Das untere Ende wird angehoben. Damit das Wasser nicht rausläuft. Da kommt der Schlauch rein und füllt die Säcke mit Hochdruck mit Seewasser. Auf dem oberen, dem Hutzenteil wirst du knien und dann musst du durch den Sack. Durch den mit Wasser gefüllten Sack. Zwanzig Meter weit. Dann kommst du am unteren Ende an und kannst nach Luft schnappen. Wenn du am unteren Ende ankommst und nach Luft schnappen kannst. Aber zwei Säcke sind jetzt verboten.“

„Hoffentlich wissen die das. Dass zwei Säcke verboten sind,“ sagte der eine Heizer.

„Warum sollten die nicht wissen, dass zwei Säcke verboten sind.“ Meinte Charlie vertrauensvoll naiv.

„Warum sollten sie wissen, dass zwei Säcke verboten sind. Ich meine, wer könnte es ihnen gesagt haben. Haben sie mich gefragt? Warum würden sie es wissen wollen“

„Und wenn die nicht wissen, dass zwei Säcke verboten sind und zwei Säcke aneinander binden?“

„Ich hab mir das ganz genau schildern lassen,“ sagte Norbert in die Stille, die eingetreten war, als alle sieben Gesprächsteilnehmer sich auszumalen versuchten, was passieren würde, wenn die Täufer nicht wissen sollten, dass zwei Säcke hintereinander verboten waren.

“In der alten Handelsmarine sind mehr als fünfzig Leute beim Taufen in der Röhre ertrunken. Deshalb haben sie das verboten.“

„Wer hat das verboten,“ fragte ein Heizer.

„Mit Durchtauchen ist das nicht getan,“ sagte Norbert genussvoll in sadistischer Anwandlung. “Ihr müsst gegen den Polizisten tauchen.“

„Was gegen den Polizisten tauchen.“

„Das Ding liegt an Deck und wird durch die Rahmen gestützt. In der Mitte des Schlauches lauert ein Polizist Neptuns mit einem Tampenende in der Hand. Wenn du eintauchst und zu kriechen anfängst, passt er dich ab und setzt sich mit seinem dicken Arsch auf deinen Hinterkopf um dir mit dem Tampen deinen dicken Arsch zu versohlen. Durch die Persenning des Sackes hindurch. Was hast du eigentlich eine Ahnung von der christlichen Seefahrt. Das ist alte Tradition. Das ist heritage. Wie der Engländer sagt. Das ist Brauchtum. Heiliger Brauchtum.“

„Dann versäuft man doch.“

„Eben.“

„Ich kann nicht lang die Luft anhalten,“ sagte Bernd mickrig und fühlte sich erbärmlich und elend, “das geht nicht. Ich bin vorbelastet. Als Kind bin ich zweimal beinahe ersoffen worden.“

„Dann wirst du dich ja wohl daran gewöhnt haben. Was ist mit mir. Ich bin noch nie ersoffen worden.“

„Na, ihr Arschlöcher da drinnen,“ brüllte von außerhalb des Stahlschotts die Stimme des Matrosen Timmy, „wird gleich so weit sein. Wir trinken noch zwei, drei eiskalte Bier. Dann kommen wir, euch holen.“

„Scheiße,“ sagte Charlie zwischen den Zähnen, “die besaufen sich und wir verdursten.“ „Sei zufrieden,“ meinte Norbert,“ dann kannst du mehr Wasser schlucken. Wenn du durch den Sack kriechst und die Arschbacken deine Nase auf dem Grund festnageln. Dann musst du auch nicht so viel pissen.“

„Du erzählst doch nur Scheiße, “brüllte der eine Öler plötzlich in Aufwallung, „halt endlich die Fresse. Du erzählst nur Scheiße.“

Die Stunden vergingen und die Schweißströme sammelten sich in schillernden Pfützen, die sich zu Rinnsalen weiteten auf dem Deck. Dann wurde unversehens, zeitgleich mit dem Brüllen des Horns an Deck und dem markerschütternden Schrillen der Alarmglocken nicht weit weg im Gang, das Schott aufgerissen und ein Matrose brüllte:

„Norbert. Komm her du Arschloch. Deine Stunde bricht gerade an.“

Vor dem Schott in dem angrenzenden Gang waren für einen Moment vier Polizisten in zerrissenen Fantasieuniformen zu sehen, von denen zwei Norbert griffen und der Dritte ihm einen schweren Festmacherschäkel um den Hals stülpte und den Bolzen einschraubte.

 

„Heh,“ meinte Norbert. „Fresse,“ brüllte einer der Polizisten. Dann wurde das Schott zugeschlagen und sie waren wieder allein. „Heh,“ hörten sie Norbert vom Niedergang her schreien, über den sie ihn auf die Poop schleppen oder prügeln würden.

„Wir sind jetzt nur noch neunzehn.“ Sagte Charlie und versuchte zu grinsen. „Hoffentlich ertränken sie das Arschloch,“ meinte der eine Öler. “Mit seinen verdammten Schauergeschichten.“

Es verging eine halbe Stunde, während Stille herrschte und jeder seinen eigenen Gedanken nachhing. Dann wurde das Schott erneut aufgerissen und ein Heizer verschwand und brüllte draußen „Heh.“

Dann verschwand Charlie. Dann zwei weitere Öler.

„Noch fünfzehn,“ sagte Bernd, “ wir werden hier rauskommen.“

„Die reservieren dich für das Finale,“ meinte der verbliebene Heizer, der der nächste war und „Heh,“ aus der Ferne brüllte. So ging das wohl zwei Stunden weiter und ein Mann nach dem anderen verschwand und kam nicht wieder. Zu viert waren sie verblieben.

Dann brüllte jemand Blacky und Bernd wusste, dass er gemeint war, denn alle nannten ihn aus unerfindlichem Grund Blacky.

„Die reservieren dich für das Finale,“ sagte Bernd und zeigte auf den verbliebenen Messesteward aus der Offiziersmesse, der elend und spitz um die Nase dreinschaute, und trat vor die Tür, wo er ergriffen wurde und den Schäkel an den Hals gehängt bekam, der außerordentlich schwer war, so dass er sich vorn überbeugte und einen Tritt in den Arsch bekam. „Heh.“ Brüllte er. „Schnauze,“ kam von dem einen Polizisten. Dann wurde Bernd zu dem Niedergang geschleppt und hinaufgestoßen.

„Heh.“ Brüllte Bernd. „Schnauze, “kam von dem anderen Polizisten. Auf dem Poopdeck drehten sie ihn um und schoben ihn mit vereinten Kräften die Leiter zum achteren Bootsdeck hinauf. Oben angekommen blickte Bernd auf eine bunte Gesellschaft in bester Stimmung, der er unversehens entgegen schlitterte, als er einen weiteren Tritt in den Arsch bekam und auf dem mit Schmierseife präparierten Deck ausrutschte. Er landete vor Neptun, der auf einem Schemel hockte und sich durch eine Krone auswies. Es war der Bootsmann.

Neptun bedeutete Bernd durch eine Handbewegung, die Füße seiner Gemahlin, die neben ihm auf einem anderen Hocker majestätisch ruhte und deren Füße in einer großen Schüssel Stauferfett steckten und die unverkennbar Frau Neptun sein musste, weil sie einen weißen Büstenhalter trug, der weiß Gott wo gefunden oder unterschlagen worden war und mit Twistwolle aus der Maschine ausgestopft recht echt aussah, zu küssen. Ein Polizist schubste ihn, der in der Schmierseife zu knien gekommen war in Position und Bernd beugte sich über die Fußrücken der Dame, die ihm diese mit dem Fett in das Gesicht trat, was er sich hätte denken können, was er sich aber nicht gedacht hatte, so dass ein guter Teil des silbrigen, mit Silberine angereicherten Fettes in die Mundhöhe gepresst wurde, was der Absicht der Prozedur offenbar entsprach.

Bernd versuchte, das Zeug mit der Zunge herauszustoßen, was jedoch kläglich misslang und zu einem konvulsiven Würgeanfall führte, für den aktuell keine Zeit blieb, denn schon wurde er hochgerissen und dem Pfaffen zugeführt, den er erkennen konnte, weil er geistesgegenwärtig im rechten Moment die Augen geschlossen hatte und der bekleidet mit einem Jutesack wie ein Pfaffe aussah und Bernd den Segen zu erteilen wünschte. Ein Mann aus der Maschine, der gütig drein sah, mündlich Bernds Personalien feststellte und einen Vortrag über die schmutzige nördliche Halbkugel, die zu verlassen Bernd nunmehr die Gnade erteilt werden würde, hielt. Um die südliche Halbkugel betreten zu dürfen, bedürfe es der gründlichen Reinigung, die ihm umgehend erteilt werden sollte. Dann fragte er beiläufig, an wie viele Kästen Bier, die die Währung der südlichen Kugel sein würden, Bernd als Spende an Neptun in Betracht zöge.

„Und jetzt, mein Sohn, möchte ich dich ermuntern, eine kleine Spende für den Herrn der Meere, Tümpel, Seen und Ozeane, dem Herrn Neptun und Gemahlin, zu stiften, auf dass er dir wohlgesonnen sein wird auf deiner Reise über seine Gewässer. Ich höre eine Zahl.“

„Eins.“

Bernd wurde fortgerissen und dem Arzt überstellt, der ihn auf den Operationstisch werfen ließ und ohne viel Aufhebens mit einem dicken Löffel aus Holz seine Lippen trennte und ihm das Ding in den Rachen schob, dass die Zähne zu wackeln begannen, während zwei kräftige Gehilfen in weißem Kittel ihn fixierten. Dann griff er nach drei großen, runden Pillen, die auf dem Beistelltisch in einem Kasten lagen und stopfte sie Bernd in den Schlund, dass der meinte, er würde ersticken müssen. Sie mischten sich vortrefflich mit all dem Stauferfett und bestanden ganz offensichtlich aus purem Salz, so dass Bernd erneut heftig zu würgen begann, wofür aber auch dieses Mal keine Zeit verblieb. Überrascht konnte er schmecken, dass das Salz nur die Hülle war und dass darunter reiner Pfeffer zum Vorschein kam, der ihn fürchten ließ, auf der Stelle zu verbrennen.

„Schön schlucken,“ sagte der Doktor und sah durch seine Holzbrille Bernd scharf an. “Schön schlucken. Ausspucken mögen wir nicht. Wer ausspuckt, wird zur Rechenschaft gezogen. Der bekommt das Präparat als Spritze.“ „Subkutan.“ ereiferte sich einer seiner Sanitäter.

Aber mit dem Pfeffer war es auch nicht getan. Danach kam Senf, dann Tran, dann etwas, was nach Abfällen und hernach nach Terpentin schmeckte und zum Schluß schien reifer Harzer Käse seine Aufwartung zu beginnen. Bernd spuckte alles über die Werkbank, aber die Helfer kannten das und hielten ihm ihre schmierigen Hände vor den Mund und stopften wieder alles rein, was sie als Glibber aufzulesen vermochten.

Anschließend kam es zur generellen Untersuchung und der Arzt ergriff ein Hörrohr, das auch aus Holz war und lauschte nach Herzschlag, Puls und dergleichen, wobei Bernd feststellte, dass unten am Hörrohr ein spitzer Nagel war, der mühelos die Haut an verschiedenen Stellen punktierte. Hier wird man ganz schön beschädigt, wollte er von sich geben, vermochte aber nicht, sich zu äußern.

Als ausreichend gesund wurde er dem Astrologen weitergereicht, der ihn freundlich aufforderte, durch das Fernglas zu schauen um sich von den Sternen der Nordhalbkugel zu verabschieden. Bernd kam, glücklich dem Mediziner entronnen zu sein, der harmlosen Aufforderung freudig nach und schaute durch das Rohr nach den Sternen der Nordhalbkugel, die er jedoch nicht sehen konnte, weil seine Augen nunmehr völlig verklebt waren und er gar nichts mehr wahrnahm. Verständnisvoll und voller Anteilnahme wischte der Astrologe persönlich ihm mit seinem dreckigen Tuch die Augen sauber, so dass die Lider nicht mehr hinreichend klebten und Bernd sie zu spreizen vermochte, um erneut in das Fernrohr zu schauen, das er jetzt als zwei aneinandergebundene Bierflaschen wahrnahm. Sich von den Sternen des Nordens zu verabschieden, sah er hindurch und konnte sie klar erkennen, die Sterne, weil in den Flaschen vermutlich Essig war. Auch nach drei Tagen konnte er die Sterne des Nordens noch klar erkennen. Und noch nach einer Woche plagte ihn, wie die anderen ein höllischer Muskelkater im Nacken, der von dem eingangs harmlosen Schäkel stammen musste.

Die, die Bernd fortrissen, eröffneten, dass er nunmehr dem Friseur überreicht werden würde und setzten ihn auf eine Bank.

„Keine Sorge,“ sagte der eine, wer immer das war.“ Keine Sorge. Wo du jetzt nicht mehr sehen kannst, werden wir uns um dich kümmern, “

Und als eine Reaktion von Bernd ausblieb, brüllte er ihm in das linke Ohr “Keine Sorge. Wir kümmern uns um dich. Wo du jetzt blind und taub bist. Du bist jetzt beim Friseur. Der Friseur, bei dem du jetzt bist, wird dir die Haare schneiden.“