Immer über die Kimm

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In Port Aden, dem zentralen Hafen des Yemen, bunkerten sie vier Stunden an einer Boje in der Hafenbucht. Landgang war nicht möglich und von dem Liegeplatz konnten lediglich kahle Felsen und graubraune Mauern aus Lehm mit kleinen Fenstern in der flimmernden Hitze erkannt werden.

Ein paar Tage später, nachdem entlang der Küste des Yemen und der Insel Sokotra die Strasse Hormuz erreicht und der Persische Golf betreten worden war, machte das Schiff in Dammam, dem Bestimmungshafen, an einem großen Holzsteg, der weit ins Meer ragte, fest. Auf Reede ankerten einige andere Schiffe in Warteposition, denen sie vorgezogen wurden. Gleichwohl passierte nichts und die Tage vergingen. Baden verbot sich mit Blick auf die unzähligen Haie, die den Dampfer stets umkreisten und auf Küchenabfälle hofften.

Das Saufen gaben sie rasch auf, da es in der Hitze, das Thermometer zeigte stets über fünfundvierzig Grad, zu Folgeerscheinungen kam, die mit Verblödung umschreibbar wären. Abgesehen davon war Zechen nur an Deck möglich, da unter Deck Themperaturen herrschten, die zur Gerinnung des menschlichen Körpers führen konnten und Gelage an Deck riefen andererseits die Saudi Arabischen Posten auf den Plan, die sich Alkohol im Lande des Propheten strengstens verbaten und gelegentlich mit Verstärkung anrückten und von der Pier mit mitgeführten Steinen auf Zecher, oder vermeintliche Zecher warfen. Landgang war verboten. Andererseits war außer der Holzpier und der horizontweiten Wüste nichts zu entdecken, was den Wunsch auf Landgang hätte stimmulieren können. Nach zwei Wochen Müßigganges begannen eines morgens sich zahllose zerlumpte Menschen mit Defiziten auf der Pier zusammenzurotten. Den Einen fehlte jeweils ein linkes Auge, den anderen die linke Hand. Das waren die Schauerleute, die die zigtausende von Zementsäcken aus den Laderäumen wuchten sollten und die sehr paradox erschienen. Wo die Einen nicht links zugreifen konnten, konnten die anderen ihre linke Hand nicht sehen und griffen ins Leere. Damit das irgendwie vorangehen und einmal ein Ende nehmen möge, einigten sie sich schließlich unter unendlichem Geschnatter, die Zentnersäcke zu viert zu packen und auf den Netzen des Ladegeschirrs zu stapeln.

Immerhin. Es ging voran. Langsam und mühselig und lächerlich. Und unverzüglich versank alles unter einer bleiernen Schicht aus Zementstaub, der bald auf der schwitznassen Haut zu brennen begann und Pickel hervorzauberte, die kräftig den Juckreiz förderten. Die uniformierten Wachen auf der Pier verzogen sich ob des Staubes auf immer weiter entfernte

Standorte und die weißgepuderten Behinderten begannen, es sich, bar unmittelbarer Aufsicht, in den Laderäumen behaglich einzurichten und frönten des Schläfchens und der Herumlungerei auf den Säcken, um gelegentlich ein Ladenetz zu füllen und nicht zu vergessen, den nächsten Sack aufzureißen.

Sie kamen zu Hunderten zu Sonnenaufgang aus der Wüste. Und sie verschwanden zu Hunderten bei Sonnenuntergang in der Wüste. Tagein Tagaus. Getrieben von einer Horde von Aufsehern.

„Wir müssen hier raus,“ sagte der Erste Offizier und hustete. „Wir werden hier verkommen.“

„Wir werden hier bleiben,“ widersprach der Bootsmann.

„Wir werden immer hier bleiben,“ sagte Heini, der andere Matrose.

„Wir werden selbst löschen müssen,“ sagte der Erste Offizier und hustete erneut ,“wir müssen selbst löschen. Wenn wir hier wegkommen wollen.“

„Laß uns hier bleiben,“ sagte Heini und spuckte über die Reling.

„Biertrinken an Deck ist jetzt verboten,“ rief der Erste, als er sich nach Mittschiffs entfernte,“es hat Beschwerden gegeben.“

„Laß uns endlich von hier verschwinden,“ sagte der Bootsmann grimmig. „Geht nur eine Teilladung raus,“ brüllte der Erste von Mittschiffs und enterte zum Bootsdeck hoch, die Brücke zu erreichen, „Rest geht nach Goa.“

„Wir werden selbst anpacken.“ Sagte der Bootsmann bestimmt.

„Du wirst gewiß nicht anpacken,“ meinte Heini, der andere Vollmatrose. „Richtig. Ich bin der Bootsmann. Ihr werdet selbst anpacken. Ich werde die Sache mit dem Ersten besprechen gehen. Wo ihr eh nur rumlungert. Geht nach Goa, Wie ihr den Ersten gehört habt. In Goa haben sie Weiber.“ Er drehte sich um und folgte dem Ersten, den Löscheinsatz der Decksmannschaft zu beratschlagen.

„Also gut,“ sagte der Bootsmann als er von der Brücke zurückkam zu der vollzählig auf der Poop lungernden Deckmannschaft,“ also gut. Wir löschen selbst. Ab morgen früh. Wir reißen die Luke eins auf und fangen da an. Aus Raum eins nehmen wir die Hälfte. Morgen früh. Vier Mann auf die Pier. Strops gleich auf die LKW Ladeflächen. Sonnabend und Sonntag Freiwache. Außer der Wache. Wache wie bisher abwechselnd. Freitag arbeiten die hier nicht. Freitag beten die hier. Also auch keine LKW. Das heißt, Freitag auch Freiwache. Gut geht’s euch.“

Und so wickelten sich alle Tücher um den Kopf, zogen Hemden und lange Hosen an und verschwanden zu Neunt im Raum eins, während vier Mann auf der Pier sammelten, wo es etwas weniger heiß war und Tom Have, der Messedienst hatte, auf der Poop von Ohr zu Ohr grinste und die Vollmatrosen die beiden Winschen übernahmen. Der Bootsmann sammelte sich am Lukensüll und brüllte hinunter :“ Macht voran Leute. Denen werden wir es jetzt mal zeigen. Klotzt ran. Bald ist Freitag. Dann könnt ihr ruhen.“

So vergingen die ersten acht Stunden am Dienstag. Dann um sechzehn Uhr zog Bernd mit Heini und dem Leichtmatrosen Dieter auf Wache. Um zwanzig Uhr gab es Mittagessen, weil am helllichten Tag keiner zu Mittag essen wollte und um vier Uhr früh ging Bernd erneut auf Wache, um anschließend wieder in Raum eins abzuentern und aus den Ecken die Zementsäcke herbeizuschleppen, sie auf dem Netzstropp zu stapeln und „Hiev up“ nach oben zu brüllen, solange noch Spucke vorhanden und der Hals noch nicht ausgedörrt und zugeklebt war. Tagein, tagaus. Aber der Raum begann sich zu lichten.

„Daß ihr mir da nicht zu viel rausholt,“ brüllte der Erste vom Lukensüll und hustete wild, um rasch in dem Schwitzkasten der Brücke zu verschwinden, wo er tagsüber lebte und nachts verweilte.

Die Holzpier hatte oben einige Luken, durch die man über Leitern nach unten auf wackelige Bretterstege klettern konnte, die knapp über der Wasseroberfläche und unter der ganzen Pier kreuz und quer verliefen. Also stieg Bernd am Sonnabend hinunter, sich das Konstrukt anzuschauen und die Füße im Wasser baumeln zu lassen, nur knapp bis zu den Knöcheln natürlich, um die Haie nicht zu provozieren. Sich umblickend, bemerkte er einige Araber in gut fünfzig Meter Entfernung, die jedoch zielstrebig näher heranrückten. Auch vor ihm stiegen jetzt zwei Gestalten gewandt mit der verbliebenen Hand eine Leiter herunter und Bernd wurde sofort klar, mit welcher Absicht sie sich wohl tragen mochten. Sie wollten ihn ficken und hatten entsprechende Andeutungen bereits an Deck vom ersten Tag ihres Erscheinens an gemacht. Bernd war bei ihnen begehrt. Also begab er sich auf die Flucht und suchte nach einer Leiter und einem Ausstieg nach oben, der ihm aber taktisch gekonnt mehrfach abgeschnitten wurde.

„Sieh dich vor,“ hatte der Bootsmann ihn grinsend gewarnt. „Das sind alles Arschficker. Wenn du dich von denen greifen lässt, drehen sie dir einen rein. Dann verlierst du deine Jungfräulichkeit.“

„Die reißen dir deine Rosette auf,“ hatte Heini, der Vollmatrose assistiert und sich vor Lachen ob des gelungenen Spruches gewunden.

Zwar war Bernd offensichtlich flinker als die eher behutsam daher balancierenden Verfolger, aber es gelang ihnen immer wieder, ihn von einem rettenden Aufstieg abzudrängen und allmählich trieben sie ihn auf den Kopf der Pier zu, von dem es kein Entrinnen geben konnte, da dort keinerlei Leitern in Sicht kamen und die Pier ein Ende nahm. Jedoch hatte Bernd den Vorteil des Besitzes von zwei Händen und nutzte diesen, am Ende der Pier angekommen, die dort vorhandenen Kopfstreben zu ergreifen und sich ein paar Meter nach oben zu ziehen, wo er auf einer Bohle Platz nahm und seinen Entschluß kundtat, nunmehr zu entschiedener Verteidigung überzugehen. Zwei der acht Leute, denen das Auge, nicht aber die Hand fehlte, versuchten, ihn durch Klettern zu erreichen, gaben den Versuch aber bald auf, da Bernd ihnen wuchtig mit der Hacke auf die Knöchel trat. Alsdann saß er drei Meter über der Schar von mittlerweile acht Arabern, denen etwas entfernt weitere zueilten, und wurde Zeuge intensiver Palaver und Gefuchtel mit den Händen, soweit sie verblieben waren, blieb jedoch gut gelaunt und guter Dinge, da er ja wusste, dass sie bei Anbruch der Dämmerung eingesammelt und in die Wüste getrieben werden würden. Das würde in etwa vier Stunden der Fall sein. Zwischenzeitlich wuchs die Schar auf zwölf Personen an, die sich auf die verschiedenen, überwiegend lose verlegten Bretter verteilten und ihn reizten, sie zu provozieren, was er alsbald mit verständlichen Handbewegungen und Aufforderungen in Deutsch, das sie nicht verstanden, jedoch erahnen konnten, in die Tat umsetzte.

„Kommt her ihr Arschlöcher. Alle schön zusammen, damit die Bretter brechen und die Haie euch fressen können, bevor ihr ersauft.“

Denn schwimmen konnten die gewiß nicht. Nach Stunden schließlich, gaben sie die sicher geglaubte Beute oben in den Balken auf und zogen wutschäumend und drohend von dannen, um weiter hinten aufzuentern und Bernd einsam zurückzulassen. Er wartete eine weitere Stunde und als es endlich zu dunkeln begann, verließ er vorsichtig und umherlugend das Refugium und tauchte wieder auf der Pier auf, die sich gerade leerte.

„Die wollten mich ficken,“ sagte Bernd zu seinem Kammerkameraden Dieter, als sie zusammen zur Wache aufzogen.“ Die wollten mir den Arsch aufreißen. Ein Dutzend von den Wichsern. Da unter der Brücke.“

„Macht nichts,“ sagte Dieter grinsend. „Der Alte säuft Wein. Da wird es Korken an Bord geben.“

 

Die leeren Blechbüchsen, die knapp geworden waren und die die Haie immer noch gerne nahmen und mit den Kiefern zerpreßten, bevor sie sie auf den Meeresgrund sinken ließen, waren ein beliebtes Hobby der wachfreien Mannschaft, das jedoch an Attraktivität zunehmend verlor.

„Ich springe da rein, wenn mir einer eine Kiste Bier gibt.“ sagte Heini und lehnte sich interessiert über die Reling, seine Chancen abschätzend. „Wer wettet eine Kiste Bier ?“

„Ich,“ sagte Dieter spontan.“ Was ist Fritz. Hälfte Hälfte?“

„Klar. Mach ich. Ich wollte schon immer sehen, wie einer von Haien zerrissen wird.“

„Du springst denen auf den Kopf,“ sagte Dieter bestimmt. „Richtig über die Reling und Zack dazwischen ?“

„Logisch. Ich spring direkt zwischen die.“

„Bernd,“ sagte Dieter zu Bernd,“ geh zum Smutje und laß dir ein paar Brocken Fleisch geben. Sag ihm für ne gute Sache. Sag ihm wir verlieren gleich ein Mannschaftsmitglied. Dann muß er weniger kochen. Beeil dich. Ich kann das kaum erwarten. Ich will das jetzt sehen.“

„Zwischen die Haie,“ staunte der Koch, den Bernd auf dem Achterdeck in der Sonne fand.

„Über die Bordwand im Vorschiff zwischen die Haie?“

„Reich Fleischbrocken rüber; dann kommen mehr Haie.“

„Schwein ? Oder mögen die lieber Rind? Ist alles gefroren.“

„Die wollen nichts gefrorenes, das wird ihnen nicht bekommen. Hols aus deiner Kühlkammer und laß es an Deck auftauen.“

Eine Stunde später war das Fleisch schön weich und warm und Heini zog seine Badehose an und stieg auf die Schanz, von der die Jakobsleiter außenbords hing. Die Haie hatten sich erwartungsgemäß vermehrt und balgten rege und erregt um die Fleischstückchen, die der Koch taktisch klug in Abständen ins Wasser warf.

„Du musst ihnen auf die Köpfe springen,“ riet Dieter. „Das irritiert sie. Dann lassen sie dir Zeit, die Jakobsleiter zu erreichen. „

„Macht einen Tampen um seiner Hüfte fest. Dann haben wir noch ein Stück von ihm,“ grinste Fritz. “Dann muß uns nicht alles verloren gehen.“

„Gute Reise Heini,“ lallte der Assi aus der Maschine, der schon reichlich besoffen und mit der Maschinenmannschaft gekommen war, der Zerstückelung eines Matrosen beizuwohnen. Und Heini stieß sich mit einem Ruck von den Wanten ab und sprang mitten zwischen die Horde der Haifische, die erschreckt nach allen Seiten und in alle Tiefen davonstoben. Kaum untergegangen tauchte Heini mit Wucht wieder aus dem Wasser auf und nach drei hektischen Schwimmstößen hatte er die Leiter ergriffen und sich atemberaubend rasch nach oben gezogen.

„Reich die Kiste Bier her,“ sagte er keuchend zu Dieter.

„Das kann ich auch machen,“ sagte Harry bestimmt. „Das mach ich auch für eine Kiste Bier.“

„Die kriegst du von mir,“ sagte der Assi. „Du springst achtern vom Sonnensegel. Die Kiste Bier kriegst du von mir. Dich wollten wir schon lange loswerden.“

„Gut,“ gehen wir nach achtern,“ sagte Harry, der ebenso wenig verdiente, wie Bernd und all sein Geld in Port Said verloren hatte. „Eine Kiste. Hab ich endlich auch mal was zu saufen.“

„Du bist ein Arschloch,“ sagte Bernd,“ du kannst nicht schwimmen. Wie willst du da raus kommen. Aus dem Wasser. Wo du noch nicht mal schwimmen kannst.“

„Wenn du nicht springst, zahlst du mir eine Kiste Bier,“ lallte der Assi.

„Du musst mir helfen,“ sagte Harry, „ ich spring direkt neben die Leiter, „wenn du unten auf der Leiter wartest, kann ich deine Hand ergreifen und mich rausziehen. Aus der Brühe.“

Also hängten sie mit vereinten Kräften die Jakobsleiter achtern über die Reling, wo sie wegen der nach unten zurückweichenden Form des Achterschiffes ohne Seitenhalt hin und herschwankte.

„Du musst genau zielen,“ sagte Bernd zu Harry.“ Ziel genau und spring direkt neben die Leiter, damit ich nach dir greifen kann.“

Harry stieg auf das hölzerne Sonnensegel, das das Achterschiff überspannte und konnte die Leiter von oben nicht sehen, da der Schiffsrumpf unter ihm nach innen flüchtete.

„Wo ist die Leiter,“ brüllte er, nachdem Bernd hinuntergestiegen war und sich dreißig Zentimeter über dem Wasserspiegel an die schwingende Leiter klammerte.

„Hier, hier ist die Leiter,“ brüllte er, dass Harry weit oben auch verstehen möge. „Er hat hier gebrüllt,“ brüllte der Assi. „Hier ist die Leiter.“

„Moment,“ brüllte der Koch. „erst die Leckerbissen. Da sind viel zu wenig Fische unten.“

„Unter mir sehe ich vier Haie,“ brüllte Bernd hoch. „Mittelgroß.“

„Zuwenig,“ rief der Koch.

„Wir wollen erst springen wenn zumindest zehn Fische da sind.“ Stimmte der Assi zu. Und der Koch warf mehr Fleischbrocken hinunter.

„Ziemlich hoch ist das hier,“ brüllte Harry, recht kläglich,“ werden zehn, fünfzehn Meter sein.“

„Ich kann für meine Kiste Bier was verlangen,“ brüllte der Assi.“ Wenn du kneifst, schuldest du mir eine Kiste Bier. Schmeiß mehr rein Koch.“

„Wenn der uns auch erhalten bleibt, weiß ich nicht, wie ich dem Alten den Fleischverbrauch erklären soll. Was euch diese Woche zusteht, habt ihr bereits den Haien gegeben.“

„Schmeiß schon. Machst du mal zwei Tage lang Pfannkuchen oder Labskaus.“ „Jetzt wimmelt das aber,“ brüllte Bernd von unten zu der an der Reling versammelten Zuschauerschar, die ihn wegen der Krümmung des Schiffes nur sehen konnten, wenn sie sich weit herausbeugten.

„Ja, jetzt ist das gut,“ rief der Assi, “jetzt spring, du Kasper.“

Tollkühn nahm Harry, das Arschloch, Anlauf und kam mit den Armen wedelnd heruntergestürzt, um in einem Schwall aufstiebenden Wassers zu verschwinden. Etwas seitlich der Haie. Und etwa sechs Meter von der Jakobsleiter entfernt. Schon mit dem Auftauchen des Haarschopfes klang Bernd schrilles Geschrei in die Ohren. Harry starb. Er starb vor Furcht. Er tauchte auf. Er tauchte unter. Er schlug mit den Armen und krallte mit den Händen in die See. Er spuckte Wasser. Schon kam er kaum noch mit der Unterlippe über die Wasseroberfläche und schluckte mit aufgerissenem Maul mehr Wasser, das sein Hilfegebrüll zu einem Gurgeln dämpfte.

„Hier,“ rief Bernd laut und hilfreich,“ hier bin ich. Hier.“

„Beeil dich, brüllte jemand von Deck.“ Die Haie werden sich gleich vom Schreck erholt haben und dir ein Bein abreißen.“

„Paddeln. Du musst paddeln. Dann kommst du vom Fleck.“

„Jeder kann paddeln. Aber der Arsch kann nicht paddeln. So was saugt man mit der Muttermilch auf,“ meinte Björn laut. „Jeder normale Mensch kann paddeln. Das übt man im Utterus. Ich konnte paddeln. Als ich rauskam.“

„Wir sehen hier den österreichischen Zuhälter von der Reeperbahn in den blauen Wässern des Persischen Golfes ersaufen,“ rief der Leichtmatrose Fritz und spuckte über die Reling. „Und ihr sagt, hier ist nichts los.“

„Schmeißt einen Rettungsring hinunter,“ brüllte der Bootsmann, der sich der Zuschauerschar zugesellte. „Macht hin. Der säuft uns ab.“

Ein Rettungsring kam herabgesegelt und landete aufspritzend neben Harrys Kopf im Wasser, der instinktiv zugriff und den Ring packte.

„Na, also,“ brüllte der Bootsmann,“ geht doch. Zieh ihn ran an die Leiter Bernd. Bevor die Haie sich entschließen, ihn zu zerlegen.“ Er beugte sich weit über die Reling und winkte Bernd mit der freien Hand zu, dass er verstehen möge.

Harry hatte den Ring jetzt mit beiden Händen gepackt und zog seinen Körper auf diesen nach, so dass der Ring kenterte und Harry auf der anderen Seite wieder kopfüber ins Wasser glitt, den Halt verlor und erneut unter der Oberfläche verschwand. Spuckend und voll des Terrors kam er wieder hoch. Schluckte mehr Wasser und versank erneut. Der Rettungsring trieb ab. „Schwimm hin Bernd,“ brüllte der Bootsmann,“ und zieh ihn an den Haaren zur Leiter.“

Bernd ließ die Leiter los und plumpste ins Wasser. Vier, fünf, Schwimmstöße und er war bei Harry, der gerade erneut auftauchte, mit irrem Blick und verzerrter Fresse.

„Ruhig Harry,“ sagte Bernd, “ruhig. gib mir deine Hand.“

Aber Harry gab ihm seine Hand nicht und griff nach seinem Kopf, wo er sich in den Haaren festkrallte und sich, wie schon an dem Rettungsring erprobt, über Bernd zu ziehen begann. Bernd ging unter und bemerkte, dass Harry sich überall an ihm anklammerte und auch die Beine um ihn schlang. Nunmehr gingen beide unter und Bernd bekam keine Luft mehr und geriet selbst in Panik. Wir werden als Knäuel auf den Meeresgrund sinken, dachte er kurz und versuchte mit der einen, freien, Hand zuzuschlagen und irgendetwas zu treffen, was in dem Chaos misslang. Irgendwie gewannen sie wieder Auftrieb und Bernd bekam die Beine frei und konnte sie in das Wasser stoßen, so dass sie weiter an die schwingende Leiter kamen. Nach rückwärts überbeugend bekam Bernd dann einen Fuß in Harrys Bauch und stieß so kraftvoll wie möglich zu, worauf Harry losprustete, losließ und erneut unterging.

Mit einer Hand konnte Bernd jetzt den Tampen der Jakobsleiter greifen und mit der anderen fischte er nach Harrys Haaren, in die er griff, die sich aber als zu kurz erwiesen und keinen Halt boten. Er versuchte einen Fuß unter seine Eier zu schieben und ihn zu liften, aber auch das gelang nicht. Schließlich erwischte Bernd unter Wasser Harrys Arm und zog. Er kam hoch, aber es war eher ein hochtreiben. Er hatte keine Kraft mehr. Schaffte es aber noch, die untere Stufe der Leiter zu fassen und sich an diese zu klammern. Selbst Wasser spuckend und völlig fertig und kraftlos, brüllte Bernd: “Hoch Harry, zieh dich hoch du Arschloch. Gib mir die Stufe frei.“

Aber Harry hörte nicht mehr und hing benommen an der unteren Stufe im Wasser, unfähig zu weiterer Bewegung. Damit war Bernd der Ausstieg aus dem Persischen Golf versperrt.

„Raus,“ brüllte der Bootsmann von der Reling. “Verschwinde aus dem Wasser. Die Haie sind wieder da und schnuppern an euch.“

Harry zog sich mit letzter Kraft auf die erste und dann die zweite Holzstufe, auf der er benommen festgekrallt verblieb. Bernd kam nicht raus und geriet in Panik. Sich wild umschauend, entdeckte er das aus dem Wasser ragende Ruderblatt zu seiner Rechten und begann sofort die etwa dreißig Meter zu durchschwimmen. Das Ruderblatt wurde größer und größer und als er es erreicht hatte, ragte es um die hundert Zentimeter über seinem Kopf auf. Unmöglich, die obere Kante zu greifen. Er versuchte es viermal mit tauchen und aufschnellen; aber es reichte nicht. Harry hing immer noch auf den beiden unteren Sprossen, wie ein nasser Sack Mehl. Dann ließ Bernd sich tief absinken und schnellte erneut, mit irren Schwimmbewegungen nach oben. Er griff die Kante und hing an seinen Fingernägeln. Aber Panik verleiht ungeahnte Kräfte, so dass es ihm gelang, einen Handballen auf das Ruderblatt zu schieben und schliesslich sich hinaufzuziehen. Als er auf dem breiten Ruder erschöpft Platz nahm und an sich herabschaute, stellte er fest, dass er von unten bis oben aufgeschlitzt war. Der Muschelbewuchs hatte seine Brust und Oberschenkel in ein blutiges Stück Fleisch verwandelt. Und Harry hing immer noch an der verdammten Leiter.

„Jemand die Jakobsleiter runter und Harry hochholen,“ brüllte der Bootsmann von oben, „Bernd? Bist du noch da Bernd?“ Von oben konnte er Bernd, der sich mitten unter dem Heck befand nicht sehen.

„Ja, Ja,“ rief Bernd zurück, “Ich bin auf dem Ruderblatt.“

„Gut. Bleib da. Wenn Harry oben ist, spring rein und hechte zur Leiter. Damit das hier mal ein Ende nimmt. Die Haie sind wieder da. Das quirlt alles da unten. Das wimmelt nur so. Die haben einen gesunden Appetit.“

„In gar keinem Falle spring ich da noch mal rein. Ich bin blutüberströmt. Von den Muscheln.“

„Scheiße auch. Wenn der Alte das hier mitkriegt, wird es ein Donnerwetter geben. Der wird die Bierlast abschließen und den Schlüssel über Bord schmeißen. Wo hat es solche Idiotie schon mal gegeben. Ein Arschloch, das nicht schwimmen kann, springt vom Sonnensegel und kann noch nicht mal paddeln. Wir werden das Arbeitsboot klarmachen und aussetzen. Das wird dauern. Bleib auf dem Ruder.“

„Da kannst du ganz sicher sein, dass ich hier bleibe.“

Es wurde aber nichts mit dem kleinen Arbeitsboot, das auf dem Achterdeck an einem Davit hing und nicht ausgesetzt werden konnte, weil der Davit festgerostet war.

„Hat keinen Sinn. Der Davit ist fest und die Spindel auch. Kriegen das Ding nicht außenbords,“ sagte Björn, der an der Jakobsleiter heruntergeklettert kam, nachdem der Leichtmatrose Fritz Harry geborgen hatte, um die Situation in Augenschein zu nehmen. „Du musst noch mal ins Wasser und die Leiter erreichen.“

 

„Ich werde schwachsinnig sein und da noch mal reinhopsen. Bei all dem Blut hier.“

„Waschs ab.“

„Wie. An das Wasser komm ich nicht ran. Das ist ein Meter tiefer. Und außerdem würde das dann das Ruder runter laufen und die Haie noch mehr anregen.“

„Vielleicht sind sie satt.“

„Von was.“

„Die müssen doch mal schlafen.“

„Wann, und wo.“

„Ich laß eine Leine runter,“ sagte Björn ratlos, „die schwingen wir zu dir hin. Dann kannst du sie greifen und dich zur Leiter zurückschwingen.“

„Wie Tarzan?“

„Wie Tarzan.“

„Setz ein Rettungsboot aus.“

„Quatsch. Was für ein Aufwand. Das kriegen die Offiziere mit. Was meinst du, was dann los ist. Werden eh auch festgerottet sein. Weiß ohnehin niemand, ob die noch schwimmen.“

„Tarzan.“

„Tarzan.“

Aber Tarzan, funktionierte nicht, da die Leine zu leicht war, um zehn Meter oder so geschwenkt werden zu können. Auch ein angehängter schwerer Schäkel brachte keinen Erfolg. Die Leine kam nicht näher als etwa sechs Meter an das Ruder heran. Ebenfalls gab es keine Möglichkeit von dem Ruder etwa die Pier zu erreichen.

„Renn über das Wasser,“ riet Dieter, an der Jakobsleiter hängend,“ Duck; der Donald kann das.“

„Der hat auch breite Füße.“ Sagte Bernd und sprang mit kurzem Anlauf in die See, um in einem Wirbel von Armen und Beinen und Keuchen und Wasserspucken die Leiter zu grabschen und sich an ihr hochzuschnellen.

„Aus dem Weg,“ brüllte er Dieter an, der fünf Stufen höher hing. „Aus dem Weg. Geh mir aus dem Weg.“

„Her mit dem Kasten,“ sagte Bernd zu Harry, der erholt an Deck stand und sich für die Lebensrettung bedankte, “Gib mir den Kasten.“

Der Zement mischte sich mit dem Schweiß und begann durch die Haut zu brennen. „Kann nicht mehr viel sein, was noch raus muß,“ rief der Erste vom Lukensüll Luke fünf. „Vielleicht tausend Säcke. Die schafft ihr noch. Ich werd mir die Unterlagen vom Talleyman holen. Dann weiß ich das genau.“

Er hustete und kam am nächsten Tag wieder.“ Noch tausend dreihundert. Dann lichten wir hier Anker und verschwinden.“

„Gestern waren es nur noch tausend.“ maulte Björn aufsässig.

„Gibt Weiber. In Goa. Da haben sie Weiber,“ Der Erste hustete und verschwand Richtung Brücke, wo er sein Leben verbrachte.

Zwei Tage später machten sie seeklar und legten von dem Landungssteg ab. Zurück ging es durch die Straße von Hormuz und dann mit südöstlichem Kurs in die Arabische See. Das Wetter war gut, die See spiegelglatt. Das Schiff lief zehn Knoten und Bernd ging wieder die vier bis acht Wache mit Dieter, Björn und dem Dritten Offizier und durfte im Turnus steuern und von der Brückennock Ausschau halten, dass nichts untergepflügt würde, was auf dem Wege schwimmen mochte. Tom Have, dessen Renomee nicht in dem Umfang gestiegen war, wie es Bernd wegen der Rettung von Harry zugeordnet wurde, durfte als Backschafter Messedienst machen und verfluchte sein Schicksal. Der Funker nahm Verbindung mit einem Schwesterschiff der Reederei, namens Colonia, auf, das mit Maschinenschaden vor ihnen entlang der indischen Küste mit sechs Knoten dahindümpelte und als Zielhafen Osaka in Japan anzusteuern suchte. Sie würden es einholen und in Sichtweite überholen, bevor sie Goa erreichen würden.

„Schon gehört?“ Fragte der Dritte redselig während der Nachtwache im Ruderhaus. „Wir löschen in Goa und fahren ohne Ballast nach Kawasaki. In Kawasaki wird das Schiff verschrottet. Das Schwesterschiff auch. Ist heute

Nacht per Funk gekommen. Wir steuern Japan an.“

„Ein Traum,“ rief Björn vom Ruder her.“ Der Traum eines jeden Seemanns. In Japan gibt das richtige Weiber. Die haben da die Fotzen quer.“

Bereits am nächsten Morgen kam die Rauchwolke der Colonia am Horizont in

Sicht und gegen frühem Nachmittag schoben sich auch die Aufbauten des Schiffes über die Kimm. Abends lief die Solveig querab an ihrer Steuerbordseite geraume Zeit nebenher.

„Bier wollen sie haben,“ rief der Funker, vor seinem Funkschapp auf dem Bootsdeck stehend, auf Deck herunter,“ sie wollen, dass wir ein Boot aussetzen und Bier schicken.“

„Kommt gar nicht in Frage,“ brüllte der Bootsmann hoch. “Wir brauchen unser Bier selbst.“

In Goa, Portugiesisch Indien, ging der Dampfer bei brillantem Wetter in der großen Bucht, gesäumt von tiefgrünen Wäldern, vor Anker. Schuten kamen längsseits und die Landverbindung wurde mit einer Barkasse eingerichtet. Zahllose Inder enterten und begannen unverzüglich die verbliebene Zementfracht zu löschen.

An dem einen Küstenteil bestand eine hölzerne Pier mit Verladeeinrichtungen, die auf Erz schließen ließ. Von hier ab, auch die Landestelle der Launch, Barkasse, die alle vier Stunden längsseit kommen sollte, führte eine staubige Piste zu der Stadt Goa, die dreißig Kilometer landeinwärts liegen sollte. Die Decksmannschaft riss die Luken auf, toppte die Ladebäume und machte die Solveig löschklar. Dieter und Bernd tauschten die Wachen, die verkürzt auf Fallreepwache ohnehin nur einen Mann jeweils erforderten und nahmen Hering, den Jungmann, mit an Land, wo sie ein Taxi bestiegen und in die Stadt fuhren. Es wurde eine lange, staubige und holperige Fahrt und nachdem die Stadt erreicht wurde, meinte der Fahrer, ein Inder, der des englischen mächtig sich erwies, dass er ein Dorf an der Küste kenne, wo ein schöner Strand und schöne Mädchen, ganz frisch, vorhanden und alles noch billiger sein würde. Also handelten sie eine günstig erscheinende Pauschale aus und setzten die Fahrt fort und erreichten bei Einbruch der Dämmerung nach einer weiteren staubigen und langen Fahrt über kaum wahrnehmbare Pisten durch dichten Urwald das Ende des Weges und den Beginn eines Pfades, den man zu Fuß nutzen mußte. Der Fahrer zeigte mit spitzen Fingern auf diesen Pfad und meinte, dass am Ende das erwähnte Dorf zu erreichen wäre. Sie marschierten, etwas misstrauisch, munter drauf los und kamen nach einer halben Stunde auf eine Lichtung, die sich zu einem malerischen, unendlich langen Strand weitete und linker Hand, eingebettet in Palmen, eine Ansammlung von Hütten preisgab, vor denen man sie bereits zu erwarten schien und sich zu sammeln begann. Sie waren in das Paradies eingedrungen. Ein schneeweißer Strand, der leise plätschernde Indische Ozean, blaugrün in der Farbe, im Lichte des untergehenden Sonnenballs. Frauen, Kinder und ein paar Männer kamen zur Begrüßung gelaufen.

Dieter, Bernd und Hering selektierten drei der willigen Frauen, setzten sich vor eine Hütte und wurden sogleich mit Bier in Flaschen bewirtet. Das Bier war eiskalt und schmeckte köstlich. Sie gruben es vor ihren Augen aus dem nassen Sand des Strandes und versicherten, dass genug vergraben sein würde und Mangel nicht entstehen könnte. Man sprach mit Händen und Füßen und wurde sich rasch einig. Bernds Weib begann an seiner linken Hand zu zerren und zog ihn in die Hütte, vor der sie saßen. Dieter und Hering verschwanden in anderen Behausungen. Umgerechnet kostete die Nummer in Deutscher Mark Vierneunzig, fünf Rupien. Sie zog sich unverzüglich nackend aus, während Bernd sich Hemmungen hingab, war dies doch seine erste Begegnung mit einer entblößten Dame, und behutsam mit den Socken begann, dann aber, als sie, bereits nackt, ihn fortwährend angrinste, die Klamotten herunterriß, sie auf den Boden warf und die Dame zu besteigen begann, gleich so, wie er aus überhörten Gesprächen in der Messe vernommen hatte, dass es zu machen wäre.

Sie lag auf dem Rücken, mit gespreizten Beinen und einem dichten Busch von zotteligen Haaren und stellte steife Brustwarzen auf. Bernd sah ihr an, dass sie wusste, dass dies seine erste Nummer sein würde, aber sie war hilfreich. Faßte den Schwanz mit einer entschlossenen Hand und schob ihn zwischen dem Busch in die Ritze, die heiß und feucht sich anfühlte. Gleichwohl konnte Bernd den Einschub nicht beobachten, denn seinen Blick, wie auch seine Hände, hielt er gebannt auf ihre Titten, die fest und seitlich etwas am Körper sinkend, faszinierend waren. Dämmerig, wie es nunmehr in der Hütte war, die von einer Kerze beleuchtet wurde, entdeckte er während des Koitus erst spät eine große, sehr große, schwarze Spinne, die reglos über ihrem Kopf an der Wand klebte und zur Einrichtung gehören mochte. Sie blieb dort unbeeindruckt während des ganzen Prozesses und nach einer Weile, sicherlich nicht länger als zwanzig Minuten, erfüllte Bernd das erste Mal in seinem Leben ein Orgasmus innerhalb eines weiblichen Körpers. Bevor es zu diesem kam, strömte lautstark kichernd eine Kinderschar in den Raum und begann sich um das Bett aufzustellen um nützliche Eindrücke zu gewinnen, oder Erfahrungen zu sammeln. Die Nutte unter Bernd mochte ihre Mutter sein, denn sie lächelte ihnen freundlich zu und schien sehr zufrieden über die Zuneigung und Aufmerksamkeit des Nachwuchses. Rasch aber wurden sie lästig, denn die kleineren unter ihnen begannen Freude daran zu haben, Bernd mit der flachen Hand auf die nackten Arschbacken zu klatschen, was auch die etwas älteren zu stimulieren begann. Gleichwohl. Das war Bernds erste Nummer. Er hatte in Goa am Strand seine Jungfräulichkeit verloren.