Immer über die Kimm

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Die Idee war grandios. Das Bier wurde in den Suppenteller gekippt und die Schokolade hineingebröselt und sorgfältig verrührt, um alsdann mit dem Teelöffel bedächtig gelöffelt zu werden.

„Kriegst du richtig einen in der Krone,“ nuschelte Erwin, als der Bootsmann hereinschaute, angelockt von der fetzigen Musik aus Norberts Grundigkoffer, der rasch getrocknet war.

„Was sauft ihr hier,“ sagte er und probierte einen Löffel. „Ekelhaftes Gebräu. Ich mag das nicht so süß.“

„Nimm einen Schluck Birkenhaarwasser,“ meinte Norbert hilfreich, stand auf und öffnete die Tür des Allibert, seine Flasche Birkenhaarwasser herauszuholen und ein Schnapsglas zu füllen.

„Schmeckt gut,“ der Bootsmann schnalzte mit der Zunge und Erwin beugte sich über die Back, einen Schluck zu probieren.

„Das Zeug schmeckt hervorragend. Ein Leckerbissen. Jetzt wissen wir wenigstens wozu das gut ist. Stell die Flasche auf den Tisch.“

„Was geht hier vor,“ sagte der Dritte, in dem Schott zur Marketender Kammer stehend, “was geht hier vor. Was wollt ihr alle plötzlich mit Birkenhaarwasser, wo ich euch das Zeug früher aufschwatzen musste, um es los zu werden. Und jetzt reißt ihr es mir aus der Hand. Du bist schon der neunte, der drei Flaschen von dem Zeug haben will. Ihr werdet es euch doch wohl nicht in die Haare schmieren?“

„Was geht hier vor,“ sagte der Dritte des nachts auf Wache. “Wie kann es sein, dass ihr alle besoffen seid. Wo habt ihr das Zeug her. Klär mich auf Blacky.“ Bernd klärte den Dritten auf und bei der Marketenderwarenausgabe in der folgenden Woche, bei Anlaufen Delta Orinoco, mussten alle betrübt feststellen, dass sich die Ladung Birkenhaarwasser erschöpft hatte.

„Gibt kein Birkenhaarwasser mehr. Last ist erschöpft.“ Sagte der Dritte, in dessen Aufgabenbereich die wöchentliche Ausgabe fiel und grinste breit.

„Der Arsch hat sich selbst einen Vorrat angelegt,“ murmelte Norbert wütend und wandte sich Bernd zu :„Du hast ihm das ja auch erklären müssen.“

„Der Erste hat mir auferlegt,“ Begann der Dritte auf der folgenden Wache, als sie den Orinoco stromaufwärts bewältigten und die am Ufer in den Baumkronen mithastenden Affenhorden mit dem Glas beobachteten, „der Erste hat mir auferlegt, die Bierlast abzuschliessen und den Schlüssel über Bord zu werfen.“

„Zwei Dosen Bier sind zu viel für euch. Er will keine Besoffenen mehr an Bord sehen und keine schmutzigen Lieder mehr hören. Er sagt, er will nicht, dass eine betrunkene Wache irgendwo anstößt oder irgendwas über den Haufen fährt. Er sagt, der Reeder mag das nicht.“

„Kein Bier mehr,“ brüllte Timmy, der Ruderwache hatte, in die Nock, in der Bernd Ausguck hielt und hoffte, dass vielleicht eins der Kanus vor den Bug scheren und samt der Indianer untergepflügt werden würde.

Fortan verlangte niemand mehr Schokolade aus der Last.

„Eine Scheiße ist das hier,“ brüllte urplötzlich ein Heizer im Schott zur Decksmesse, griff über die Back und grabschte die Maggiflasche, die er in zwei Zügen, nach dem ersten Zug tief durchatmend, leertrank. „Eine Scheiße ist das hier. Das Zeug ist eine Zumutung.“ Keuchte er und verschwand wieder in seinem Reich, in der Maschinenmesse.

„Na klar,“ sagte Timmy und griff sich die leere Flasche,“ der Suffkopp hat recht. Die Maggibrühe ist gebraut. Das ist ein Schnaps. Vom Feinsten. Geh rüber zum Smutje Blacky und sag dem Wichser, dass das Maggi alle ist und er Nachschub rausgeben soll.“

In Port of Spain ging das Schiff wie immer bei strahlendem Wetter vor Anker und nahm Post und Order von der Launch an Bord. Dem Ersten war etwas Neues eingefallen. Er verfügte, dass während der Ankerliegezeit auf der Poop Offizierswache zu gehen war. Der Zweite hatte das Pech, damit zu beginnen. „Kann man nichts machen,“ entschuldigte er sich und trug ein bekümmertes Gesicht zur Schau. “ Order vom Ersten. Es ist verboten Rum an Deck zu ziehen.“

„Und anderer Schnaps?“ Wollte der Bootsmann wissen.

„Gibt es ja nicht.“ Meinte der Zweite, „aber der Erste hat nur was von Rum gesagt.“

Aber außer dem köstlichen, pechschwarzen selbstgebranntem Rum, den die Eingeborenen stets über die Wurfleinen aus ihren Kanus hochreichten, nachdem sie US Dollars entgegengenommen hatten, war nichts im Angebot und die Stimmung der Mannschaft sank rapide ab, bis jemand auf die Idee kam, Obstschalen und dann das Obst, das gelegentlich gereicht wurde, in Zinkeimer zu werfen und diese mit Wasser aufzufüllen.

„Nasses Tuch drüber spannen und feucht und warm halten und davor alles hübsch klein schnipseln. Gebt eure Eimer her. In der Maschine ist es schön warm. Da gärt das Zeug rasch.“

„Scheiß auf die Maschine,“ lamentierte der Bootsmann. „Wir gären das in der Sonne auf Deck. Da wird es wenigstens nicht abgeschöpft und verdünnt. Koch schaff mehr Obst aus deiner Frostlast. Die Männer brauchen mehr Obst. Die Männer müssen gesund bleiben, wenn sie den Fraß den du immer zusammenrührst, fressen sollen.“

Die Kammerpartys konnten fortgesetzt und zu Sauforgien gesteigert werden, nachdem einem wachen Geist eingefallen war, daß auch das Rasierwasser recht schmackhaft zum Eimerschnaps, der freilich recht dünn ausfiel, mundete. Die Obstsachen wurden durch rohe Kartoffeln und gekochten Reis angereichert. Aus der Maschine kam die ultimative Idee, das Gasöl auf einem flachen Behälter abzubrennen und den verbleibenden Rest aus Schnapsgläsern zu schlürfen. Es ging wieder westlich. Und erneut nach Ordaz. Dann nach Trenton am Delaware River, wo gleich vierzig Stunden im Stück stand by für die Deckmannschaft verfügt wurde und alle an der Back der Messe im Sitzen einschliefen. Und wo danach alle an Deck beim Festmachen und dann beim Ladeklarmachen, dem Aufreißen der schweren Mac Gregor Stahlluken über die gespannten Drähte stolperten und in Schlaf versanken, wo immer sie hinfielen.

Eine weitere Fahrt nach Venezuela schloß sich an und Bernd hatte die Gewissheit, dass er hier verschwinden musste, wollte er nicht zum Alkoholiker werden und reichte erneut die Kündigung ein, in guter Gesellschaft mit dem Dritten und Dieter und Björn, dem Messesteward, die sich anschlossen. Der Alte versprach, bei der Reederei Ersatzleute zu beantragen und nach Löschen der Ladung, erneut in Genua, traf der Ersatz ein und die Abmusterer erhielten ihre Papiere und einen Händedruck und eine Eskorte der italienischen Polizei, die im Auftrag des Kapitäns die beiden Taxis zum Bahnhof geleiteten und darauf achteten, dass nicht noch auf dem Bahnsteig irgendein Fusel an Bord des Zuges nach Hamburg geschmuggelt werden konnte.

Im Milano klappte das mit der Polizeibewachung jedoch nicht so recht und niemand in Uniform nahm Notiz von ihnen und somit gelang es ihnen während des Aufenthaltes des völlig überbesetzen Zuges eine Reihe Chiantikanister und einen Kasten Bier zu erwerben und schließlich mit lautem Gesang und rempeln ein Abteil mit sechs Sitzplätzen zu erobern und von dem Rest der Fahrgäste zu säubern. Bald floß Bier und Wein unter der Schiebetür auf den Gang und zwang die hier versammelten zahllosen Reisenden die Füße zu heben. Aber in Zürich kam die Bahnpolizei und ein Schrubbkommando aus zwei betagten Damen und feudelte alles wieder auf. In Hamburg stand ebenfalls die Bahnpolizei auf dem Hauptbahnhof und wedelte mit einem Strafmandat, das ihnen von Zürich bereits bekannt, sie anstandslos bezahlten und zum Taxistand wankten.

So war es eine recht teure Heimreise geworden, insbesondere für den Dritten, der im Vollrausch das Zugfenster aufriß und seinen Koffer, einen nagelneuen Koffer, den er grad zuvor in Genua erworben hatte, aus diesem schleuderte, grad als sie über eine Brücke fuhren, die einen breiten Fluß querte.

Bernd quartierte sich in St. Georg in einem Loch ein und besuchte am folgenden Tag eilig den Heuerstall am Fischmarkt, denn die Abrechnung mit der Reederei am Vormittag hatte ergeben, dass er pleite war und sich einen tagelangen Landaufenthalt nicht zu leisten vermochte, zumal noch eine Nutte zu bezahlen war.

Kapitel III
NÖRDLICHE BREITEN

Das neue Schiff war ein Schlickrutscher, hieß Alte Lund, war fünfhundert Bruttoregistertonnen groß, mit Nord- Ostsee Fahrten beschäftigt und lag in der Werft in Cranz bei Hamburg. Zusammen mit Bernd und dem Kapitän, der auch Reeder war, zählte die Mannschaft fünf Mann, die entsprechend beschäftigt waren, den Eimer am Laufen zu halten. Das Schiff war eng. Man konnte überall anecken. Es gab drei Blechspinde in Bernds Kammer, in der ihm der Moses Manfred Gesellschaft leistete, von denen sich der Dritte als praktisch erwies, konnte doch ein Mann in diesen treten, wollte der andere sich anziehen oder ausziehen oder mal recken.

Zwei Tage später wurde ausgedockt und die Reise elbabwärts bis Brunsbüttelkoog angetreten, wo sie in den Kaiser Wilhelm Kanal eindrehten und alsbald die Kieler Schleusen erreichten. Der Kurs wurde auf den Finnischen Meerbusen und den kleinen Hafen Kotka festgesetzt. Eine leichte, typisch für die Ostsee, kurze Dünung begann mit Auslaufen Kieler Förde zu rollen und Bernd begann beständig an der Reling zu hängen und zwischen die Heringe zu kotzen. Von einem Großschiff kommend, war sich erst einmal an die Bewegungen des Kümos zu gewöhnen, die ruckartig und schlingernd abliefen und dann die Galle kosteten.

Vieles war gewöhnungsbedürftig. Statt der AEG Steuersäule auf der Clyde, fand Bernd ein großes Ruderrad, an dem heftig gedreht werden musste, den Widerstand zu überwinden und das Ruderblatt ein wenig zu drehen. Der Kompass schwamm in Alkohol und schlenkerte mit den Bewegungen des Schiffes einher. Auf der Clyde hatte Bernd einen Kreiselkompass gehabt. Englische Wache wurde gegangen. Null - sechs. Das hieß zweimal sechs Stunden Wache den Tag, neben den erforderlichen Arbeiten an Deck.

 

„Was für ein erbärmlicher Oymel ist das hier,“ keuchte Bernd laut, den infernalischen Krach der nebenan laufenden Maschine übertönend. “In was hab ich mich hier eingelassen.“

„Wieso. Ist das auf anderen Schiffen anders?“ Fragte überrascht der Moses Manfred, der nicht auf Wache ziehen musste und das Achterschiff stattdessen rein hielt und beim Kochen half, wenn der Alte nach ihm brüllte.

„Habt ihr hier keinen Koch? Habt ihr hier Maschinenpersonal?“

„Der Alte sagt wir hätten uns. Und das würde genügen. Der Alte kocht auch. Wenns mal was Warmes geben soll. Du siehst aus wie ein Leichentuch. Das ist hier mein erstes Schiff. Ich bin schon sieben Monate hier.“

Mühselig wurde Kotka erreicht, wo in der Bucht der Anker geworfen wurde, da das Schiff seine Ladung Schnittholz über Leichter erhalten sollte. Dichter Tannenwald ringsum. Sehr idyllisch. Aber der Ort war nur mit dem Rettungsboot zu erreichen und lag zwei Kilometer am Horizont. Bei leisem Schneefall wurden die drei großen Persenninge zusammengerollt und neben den Lukensülls aus dem Weg gestaut. dann kamen die unzähligen Holzdeckel an die Reihe, die einen Zentner das Stück wogen und an dem einen Ende hochgewuchtet werden mussten und sauber übereinander an Hauptdeck zu stapeln waren, eine Passage freilassend, damit der Bug zugänglich blieb, ohne sich die Knochen zu brechen. Denn im Kabelgatt stand der eine der drei Deutzmotoren und war der Generator, der laufen musste, wollte man Strom haben, so die Hauptmaschine stand.

„Unsere Aufgabe,“ sagte der Steuermann mit dem Bernd Wache ging grinsend: „Das Ding muß um sechs Uhr, vor Wachwechsel gestartet werden. Damit die Wachablösung zu Kaffee kommt und sieht, was sie sich so anzieht.“

„Fein,“ sagte Bernd. „Dann wird das meine Aufgabe sein.“

„Ganz recht. Ich zeig dir nachher wie man das Ding zum Rattern bringt.“

Nach den Lukendeckeln kamen die Scherböcke, die die Lukendeckel hielten, an die Reihe. Eisenträger, die mit dem Vorschlaghammer jeweils nach vorne und achtern zu verschieben waren, weil der Rost ein Gleiten behinderte. Zuvor waren die vier Bäume getoppt und ausgeschwenkt worden.

„Auf der Clyde hatten wir Mac Gregor Luken,“ sagte Bernd zum Alten und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

„Hier haben wir keine Gregor Luken,“ sagte der Alte mürrisch. „Sieht nach mehr Schnee aus. Wird bald Eis geben.“

„Die zieht man mit den Winschen auf.“ Sagte Bernd hilfreich .“Hälfte nach vorn. Hälfte nach achtern. Gibt’s Vorschuß?“

„Vorschuß? Sie sind doch erst eine Woche an Bord.“

„Eben.“

Hier wurde jedenfalls nicht gesoffen und Bernd verbrachte die folgenden zwei Abende im Kino in Kotka, zusammen mit dem Moses Manfred und dem Leichtmatrosen Hans, die beide erforderlich waren, den doch recht schweren Kutter über die Bucht an Land zu rudern. Es wurden zwei Filme aufgeführt. Der erste in finnisch, das niemand von ihnen verstand und der andere in englisch, das auch niemand von ihnen verstand, obwohl Bernd im Internat in Englisch der Beste gewesen war.

„Scheiß auf diesen Kinoscheiß. Hast du einen Film gesehen, kennst du sie alle,“ gab Bernd von sich, als sie in der Nacht über die Bucht ruderten und die Ankerpetroleumfunzel ihres Kümos suchten. „Der Alte wird den Generator wieder abgedreht haben, um Diesel zu sparen. Laßt uns morgen mal zünftig an Land rudern und einen Saufen gehen.“

„Hier gibt das nichts zu saufen,“ sagte der Steuermann aufgeräumt, als sie das Boot längsseit angebunden hatten und Bernd auf seine Null Sechs Wache aufgezogen war. „Hier gibt das geile Weiber. Und hübsche Holzhäuser. Und immer mehr Wald. Immer finstererer Tannenwald. Glasklares Wasser. Im Winter ist es saukalt. Im Sommer siedend heiß. Da kommen hier dann all die Mücken zusammen. Hier gibt das geile Weiber. Hier gibt das keinen Schnaps. Hier ist auch Bier Schnaps. Hier herrscht Prohibition, Alkoholverbot. Solange der Mensch sich erinnern kann. Ich fahr hier schon lange. Ich fahr hier seit immer. Wenn du hier saufen willst, kommst du uns abhanden. Blinde Jungmänner kann der Alte nicht brauchen. Wenn du hier saufen willst, musst du einen Schnapsbrenner finden. Der macht dir dann Methylalkohol aus Baumrinde von der Birke. Und der säuft sein Zeug nicht selbst. Wenn du hier an geile Weiber willst, hast du das Kino. Oder den Park.“ Ob der langen Sätze lehnte er sich, der aus Friesland kam, erschöpft auf seinem Stuhl im Ruderhaus zurück und murmelte, die Konversation abschliessend, „geh man schon um fünfuhrdreissig los zum Generator. Das Ding springt schwer an. Wenn es so kalt ist wie diese Nacht.“

Recht hat er, dachte Bernd, als er fünf Stunden später mit der Taschenlampe leuchtete und an dem Generator kurbelte. Das Scheißding wird nie anspringen. Als er dann endlich nicht mehr puffte, sondern wollte, lief der Schweiß in Strömen über die Stirn in den Kragen.

Am Sonnabend Nachmittag setzte Bernd mit dem Moses einen Behelfsmast in den Kutter und heißte ein altes Bettlaken. Behäbig segelten sie vor dem Wind durch malerische Schären, eingerahmt von Granitfelsen und dichtem Wald. Einige Datschas, alle schön sauber, einsam und menschenleer und alle unverschlossen, wurden angelaufen und besucht. Neben jeder Hütte fanden sie eine Sauna mit einem Holzvorrat vor der Tür. Zum Saunen blieb jedoch wenig Zeit, denn Schlechtwetter zog auf und mit dem Kutter konnten sie nicht kreuzen und waren auf die Ruder angewiesen, das Schiff auf der Aussenreede in einsetzendem dichtem Schneetreiben aufzufinden.

„Daß ihr mir nicht das Boot verliert,“ sagte der Alte zur Begrüßung.

Der Wind hielt an und verunmöglichte am folgenden Tag den Landgang, da Bernd den Kutter allein nicht durch die in Wallung befindliche See rudern konnte. Aber zwei Tage später flaute alles ab und Bernd ruderte den Kahn in den Fischereihafen, die kleine, aber saubere und moderne Stadt zu besuchen und am Busbahnhof ein niedliches Mädchen mit langen schwarzen Haaren anzusprechen. Sie hieß Anja, unterbrach die Heimreise in ihr Dorf um drei Stunden und nahm ihre Freundin mit, mit Bernd im städtischen Park ausgiebige Schneeballschlachten zu zelebrieren und Bernd ordentlich einzuseifen. Hernach wurde ein Deutsch - Finnisches Wörterbuch in dem städtischen Buchladen erworben und ein erfrischender Dialog begonnen, den keiner so recht verstand, alle aber höchst lustig fanden. Man schwor in Kontakt zu bleiben, auch wenn Bernd hier nicht mehr weilen sollte und die Barges kamen mit Schlepperhilfe und brachten Unmengen an Schnittholz herbei, das mit dem eigenen Ladegeschirr an Bord genommen und von finnischen Stauern in den Räumen gestaut wurde. Dann, nach Seeklar der Luken, wurden die Bretterstapel an Deck übereinandergetürmt, bis der Alte der Meinung war, dass es nun reichen würde.

In der mittleren Ostsee kam schweres Wetter auf. Der Leichtmatrose fiel wegen Seekrankheit und einhergehender Schwäche direkt am Ruder um und war, röchelnd, nicht dazu zu bewegen, aufzustehen und weiterzumachen. Er kroch auf allen Vieren ein Deck tiefer in seine Kammer und Bernd wurde geweckt, die paar Reststunden der Wache des Leichtmatrosen zu übernehmen. Zwar war auch Bernd krank und alsbald kotzend in der kleinen Brückennock, aber der Alte, der die sechszwölfer Wache ging, wusste Rat und stellte einen Zinkeimer neben die Steuersäule.

„Kotzt du da rin,“ sagte er grimmig; “sparst du dir den Weg in die Nock. Versuch den verdammten Kurs zu halten. Nicht dass die See quer kommt und wir umkippen.“

Die See kam von achtern und trieb das Schiff vor sich her, Mal nach Steuerbord, mal nach Backbord. Was da blies, musste ein ausgewachsener Sturm sein. Das Schiff reagierte kaum auf die Ruderlage und Bernd sah nur

noch Kreise, die mal rot, mal schwarz und mal der Kompass waren, der in seiner Kardanaufhängung schwankte und für zusätzlichen Übelreiz sorgte. „Machen wir aber gute Fahrt,“ frohlockte der Alte und klammerte sich an Haltegriffe im Ruderhaus. “Machen wir aber gute Fahrt. Hoffentlich reißt der Seeschlag nicht das Bretterzeug von Deck.“

In der Kieler Bucht wurde es dann ruhiger und Bernd nahm etwas zu sich, das er nach Querung des Nord Ostsee Kanals in die Nordsee kotzte, weil das dort mit dem Sturm seinen Fortgang nahm. Wird noch soweit kommen, dass ich in alle Meere kotze.' Dachte er bei sich.

„Es wird noch soweit kommen, dass du in alle Meere kotzt,“ röchelte er dem Moses zu, der sich in seiner Koje aufrichtete und auf den Boden spie, als Bernd sich in die obere Koje zu hangeln begann.

„Was ist das nur für ein Scheißleben. Auf dem großen Dampfer war ich seefest. Hier fang ich wieder bei Null an.“

In der Themse Mündung wurde es ruhiger und stromaufwärts Themse fuhren sie bei Nebel und Rost zu beiden Seiten durch einige alte Schleusen, an denen sie hofften, nicht kleben zu bleiben und erreichten die Löschpier, die Bretterladung los zu werden. Auf dem Piccadilly Square in London gab es nichts für Bernd, da alles zu teuer für seine Verhältnisse war. In der Hammersmith Street fand er einen riesigen Tanzpallast, in dem er sich verlief, um dann, nach einer Schlägerei mit Deutschenhassern, die ihn angriffen und liquidieren wollten, den Ausgang und schliesslich das verdammte Schiff zu suchen, dass er erst im Morgengrauen, mit einem blauen Auge und der aufgerissenen Lippe, halb erfroren auffand. Die Löscharbeiten gingen zügig voran und der Törn begann erneut. Diesmal glatte Nordsee, Kiel Kanal, Kiel Schleuse, auf der der Koch stand, einmal ein warmes Essen zu kochen, nachdem der Alte die Lust verloren hatte und schräg nach oben. Großer Belt, dann Malmö, wo Bernd das Kino besuchte, Geld zu sparen, um bei erster und bester Gelegenheit abzumustern oder eine Nutte zu mieten.

Stahlplatten wurden geladen und nach Helsinki über eine gnädige Ostsee verschleppt.

In Helsinki gab es auch kein Bier, aber zusammen mit dem Koch fand Bernd einen Tanzschuppen, im dem Cola gereicht wurde. An der entfernten Wand war ein endloses Brett, auf dem die Weiber wie die Hühner aufgereiht saßen und auf die andere Wand starrten, wild schnatternd, an der auf einem anderen endlosen Brett die Makers saßen, behaftet mit richtigem Schuhwerk für lange Strecken und ebenfalls wild schwatzend und gestikulierend, jedoch die Kapelle nicht aus den Augen lassend. Dazwischen lag die immense Fläche der Tanzdiele. Links an der Giebelwand gab es ein Podest, auf dem auf Stühlen die Kapellenmitglieder hockten und sorgfältig darauf bedacht waren, ja keine Bewegung zu machen, die falsch verstanden werden könnte.

„Toller Laden,“ staunte Bernd, „Richtig Stimmung. Wer hätte so was hier für möglich gehalten. Umfängliche Band. Wird viel Blechmusik geben. Hier verschaffen wir uns ein weibliches Wesen“

Auf ein nicht erkennbares Zeichen hin sprangen urplötzlich alle Männer von ihrem Brett und rannten in einer wilden Stampede über die Tanzfläche zu den Weibern und griffen beherzt zu, diese auf die Diele zu zerren. Die Musik begann mit Trompetengedröhn.

„Was jetzt,“ sagte der Koch erstaunt, “was geht hier vor.“

„Werden landesübliche Sitten sein,“ grinste Bernd durch den Radau. „Würdest dich wundern, was Länder so an Sitten haben. Auf dem Orinoco haben sie sich die Paddel über die Schädel gezogen. Weil sie die Blechbüchse haben wollten.“

„Was?“

„Vergiß es. Wir müssen beobachten. Dann erkennen wir das Zeichen, das sie alle aufschreckt. Dann rennen wir auch los.“

Die Zeit verging, dann aber erkannten sie, warum die Männer auf dem Brett an der einen Wand, auf das sie sich nach jedem Tanz wieder setzten, die Kapelle nicht aus den Augen verloren und diese zwischen der Musik reglos auf ihren Hockern verharrte. Sobald sich einer bewegte und zur Trompete oder dem Schlagzeug langte, sprangen alle Freier auf und rannten zu den Damen hinüber.

„Ganz einfach,“ sagte Bernd zu dem Koch, „ganz einfach. Machen die Anstalten, sich zu einem weiteren Lied aufzuraffen, rennen alle los und greifen sich ein Weib. Ganz einfach. Das könnten wir auch. Such drüben zwei Weiber aus. Ich beobachte die Kapelle.“

Kaum senkte der Schlagzeuger den Blick auf seine Trommel, hechtete Bernd wie gehetzt los und erreichte die Mitte der großen Fläche, um festzustellen, daß niemand folgte und alles grinsend seinen peinlichen Rückzug verfolgte.

„Was rennst du auch gleich wie besessen los,“ sagte der Koch. „Gut, daß ich dir nicht gefolgt bin. Ich hätte mich ja zum Kasper gemacht. Ausserdem war ich noch nicht fertig mit der Auslese da drüben.“

„Was brauchst du. Ich will eine mit zwei Titten. Welche, die man unter dem Pullover erkennen kann. Los.“

Der erste Ton der sich erneut aufraffenden Kapelle brachte tosendes Leben in die Bude. Bernd war einer der Ersten auf der Tanzfläche und wurde von der folgenden Stampede niedergerannt.

 

„Was ist, du bist wieder nicht gefolgt,“ sagte Bernd wütend zu dem Koch, „das ist gefährlich hier. Hier wird man niedergerannt. Willst du nicht oder kannst du nicht. Hast du überhaupt schon mal gefickt? Weißt du wie das geht? Man braucht dafür ein Weib. Welche zwei hast du ausgesucht.“

„Ich nehme die mit den langen schwarzen Haaren in der Mitte. Du kannst eine rechts oder links haben.“

„Ich werde keine von denen in der Mitte haben wollen. Ich besorg mir eine am rechten Rand. Das ist weniger gefährlich. Da kann man nicht so leicht überrannt werden. Da muß man nicht sein Leben riskieren. Ich werde dir aufhelfen, wenn sie dich über die Bretter geschmiert haben.“

Am rechten Rand ging es dann. Bernd gelang der Griff nach dem Arm eines ansehnlichen Mädchens und zog ihn auf die Tanzfläche, den Koch angrinsend, der unsicher umherstand und den Rückzug einleitete, da er leer ausgegangen war. Nach dem Tanz zog Bernd die Braut in den anschliessenden, ebenfalls großen Raum, in dem ein höllisches Gedränge herrschte und eine Softdrinkbar auf einer Bohle aufgebaut worden war.

„Ich hab sie im Gedränge verloren, “ beklagte er sich bei dem Koch, nachdem er diesen immer noch unschlüssig am Rande der Tanzfläche wiederfand.

„Es gab einen Ruck und dann war sie im Gedränge verschwunden. Jemand hat sie geraubt. Lass uns hier verschwinden. In diesem Bahnhof werden wir nicht fündig werden.“

Holzstangen wurden geladen, Pulp, und die Reise ging nach Ipswich, das genauso dreckig, speckig, neblig feucht und verrostet aussah, wie alle englischen Städte und Häfen. Gleich am ersten Abend fanden Bernd und der Koch zwei Mädchen, die sich zum zweiten Abend zu einer Bordparty auf der Jacht einladen liessen, so dass der Moses ausziehen musste, in der Maschine sein Lager aufzuschlagen und Bernd die Bude auf Vordermann brachte und der Koch Sandwiches auf einer sauberen Platte bereitstellte.

„Wenn wir die Tür auflassen, werden alle hereinpassen,“ sagte Bernd überzeugt und begann Musik im Radio zu suchen.

„Wenn sie um neun nicht auftauchen, werden sie drei Stunden überfällig sein und nicht mehr kommen,“ meinte der Koch mißmutig und verschlang eines seiner Sandwiches.“

„Wenn du so viel frißt, werden wir nichts mehr haben, sie anzufüttern. Lass uns mit Saufen anfangen.“

„Du musstest ja auch mit dieser Yacht daherkommen. Sie werden uns an dieser dreckigen Pier nicht finden. Einen Rostoymel wie unseren, werden sie nicht betreten wollen. Du musstest ja auch gleich von einer Yacht sabbeln.“ „Daß du dich über jeden Dreck gleich so aufregst Fressen wir halt die Brote auf und saufen wir die Flaschen leer. Ich geh, den Moses aus der Maschine befreien, bevor der Alte mekt, daß wir ein Mannschaftsmitglied gekidnapt haben.“

Am nächsten Abend stand Terry auf der Pier und sagte Hallo zu Bernd, als dieser an die Reling trat, eine zu rauchen. Sie hatte ihre Freundin bei sich. Sie war wunderschön, hatte kurze schwarze Haare und Bernd verbrachte die weiteren wenigen Liegetage mit ihr, und besah sich die Stadt und dann das Land, das mit der Eisenbahn zu erreichen war und auf dem Jahrmarkt geboten wurde. Sie wurden ein Herz und eine Seele und versprachen sich im Zug auf der Hinfahrt spontan die gegenseitige Ehe, bevor sie hinter einem verlassenen Landbahnhof ein paar Säcke fanden und auf diesen innig zu bumsen begannen. Terry stand auf der Pier und winkte lange Zeit dem zur Schleuse kriechenden Schiff nach. Pauline brüllte mehrmals gute Fahrt.

„Hast du sie gefickt?“ Fragte der Koch interessiert.

„Ich habe sie gebumst. Wir werden heiraten.“

„Hast du sie gefickt?“ Fragte der Steuermann auf Wache in der Themsemündung und unterbrach die nächtliche Stille recht plötzlich.

„Ich habe sie gebumst,“ sagte Bernd „Und ich werde mit ihr heiraten.“

„Weiß sie das?“

„Ja.“

„Mit sowas wie dir? Heiraten? Mit einem Jungmann? Du kannst doch noch nicht mal den Alkohol verdienen, den du verbrauchst. Ein so geiles Weib. Mit einem Jungmann. Die Welt ist nicht gerecht“

Die Nordsee tobte, wie gewöhnlich, und im Skagerak war schwerer Sturm aus Nordwest. Die Nußschale hopste durch und über die Brecher, wollte aber nicht umschlagen oder untergehen. Der Koch kotzte aus dem Bullauge der Kombüse auf den Gang, wo die Suppe von der überkommenden See sofort fortgewaschen wurde. Bernd hatte sich gewöhnt und grinste breit :

„Gibt’s heute Mittag Speck zu deinen Kartoffeln?“

Aber der Koch machte schlapp und kam nicht mehr auf die Füsse, so daß sich alle, die noch essen wollten, Brote schmieren mussten.

Kristiansand in Südnorwegen liegt nördlich einer grossen Bucht, in der es ruhig geworden war. Ein sauberes Städchen, in dem Schnittholz geladen wurde und in der Bernd bei nachmittäglichem Bummel eher zufällig ein hübsches Mädchen mit blonden und langen Haaren auf der Strasse ansprach, das ihn in die Berge führte und bei strahlendem Sonnenschein auf einem Findling Platz nahm, den kurzen Rock lüftete und den Schlüpfer auszog, bevor Bernd erkannte, was gespielt wurde.

„Stell dir vor,“ sagte Bernd des abends gesprächig zum Koch, als sie an der Reling standen und rauchten, „stell dir vor. Ich wußte garnicht wie mir geschieht. Ruckzuck hat die den Schlüpfer runter gehabt und die Beine breit gespreizt. Ich hab sie dann geleckt und sie hatte sofort einen Abgang. So was supergeiles hab ich nicht für möglich gehalten.“

„Das ist eine Sauerei.“ Sagte der Koch feindselig. „Das glaub ich nicht.“

„Mitten in der Sonne. Strahlend hell. Ich hab ihr in die Scheide geschaut. Richtig tief rein.“

„Schweinerei.“

„Dann hab ich sie noch mal geleckt. Richtig ausgiebig. Sie lag auf diesem Felsen und ich hab im Gras gekniet. Unter uns die Stadt mit den Leuten. Sie hat dabei Fickbewegungen gemacht. Sie heißt Hanne.“

Am nächsten Abend, nach Dienstschluß auf dem Schiff, stand die blonde Hanne wie verabredet, pünktlich auf der Pier und Bernd hatte Mühe, sich noch rechtzeitig zum Rendevous die Schuhe überzustreifen. Die gesamte Mannschaft, einschliesslich des Alten stand an der Reling aufgereiht und alle blickten feindselig auf das Treffen, das mit einer Umarmung und küssen begann. Hanne und Bernd stiegen wieder in die Berge hinauf und verbrachten dort die halbe Nacht im Gras und auf einem Felsen sitzend, bumsend und leckend und küssend und die Sterne am glasklaren Himmel bestaunend. Aber den kommenden Tag verhohlte das Schiff überraschend auf die Reede, um dort von Leichtern die Restladung zu übernehmen. Der Alte verbot den Kutter auszusetzen und es gab keine Möglichkeit mehr, an Land zu kommen. „Scheiße,“ sagte Bernd zum Koch,“ Ich hab noch nicht mal ihre Adresse. Ich kenn noch nicht mal ihren Nachnamen.“

„Leck mich am Arsch mit deinen Weibergeschichten,“ entgegnete der Koch wirsch, „ich will mit sonem Schweinkram nichts zu tun haben.“

„Sieh dich vor,“ flüsterte der Moses nachts, als Bernd ihn fragte, was wohl los sein könnte und wieso alle ihm plötzlich aus dem Wege gingen und eine feindselige Einstellung zur Schau trugen, „sieh dich vor. Die wollen dir aufs Maul hauen. Wegen all deinen Weibern.“

„Hört sich nach Fotzenneid an. Könnte dies ein Komplott werden?“

Nach bunkern an einer kleinen Insel in der Bucht liefen sie aus nach Chatham, passierten eine ruhige Nordsee und ankerten in einem Fluß vor Chatham und Rochester, wo sie zwei Tage verblieben. Noch im Besitz einiger Schillinge bepackte Bernd eine organisierte Zinkwanne mit der Ausgehkleidung, legte ein